(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Alexander Bauer (CDU) – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Ich bin wie Sie Mitglied einer Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes. Ich habe bei ein paar Gewerkschaftern ein bisschen herumgehorcht. Herr Kollege Schaus, die wollen gar nicht, dass die LINKEN im Landtag ihnen vorschreiben, welche Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst kommen sollen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Die Forderung haben die Gewerkschaften aufgestellt! – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vorsitz.)
Warum thematisieren Sie im Landtag die Problematik, dass es zurzeit Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst gibt? Im letzten Jahr gab es noch einen Antrag dazu. Da haben wir uns nicht beteiligt. Ich bin dafür, dass sich starke Gewerkschaften mit starken Arbeitgebern auseinandersetzen.
Ich bin auch sicher, dass es in Potsdam oder in den Tagen danach eine Lösung geben wird, die die Gewerkschaften im Rahmen ihrer Tarifautonomie bewerten und entscheiden müssen. Herr Kollege Schaus, deswegen: Was soll das? Trauen Sie als ehemaliger Gewerkschaftsfunktionär Ihrer eigenen Gewerkschaft nicht zu, Tarifverhandlungen so zu führen,
dass die Mitglieder am Schluss sagen: „Es ist gut“, „Es ist weniger gut“, „Wir nehmen das an“, oder „Wir streiken weiter“?
Nein, im Gegensatz zu Ihnen traue ich ver.di, GdP und vielen anderen zu, dass sie vernünftige Tarifverträge aushandeln. Herr Schaus, wenn im nächsten Jahr wieder Tarifauseinandersetzungen anstehen, lassen Sie es einfach. Lassen Sie die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern verhandeln.
Politisch bin ich sehr dafür, dass auch Arbeitnehmer an den Einkommensentwicklungen teilhaben. Das ist überhaupt keine Frage. Denn Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst sind auch Konsumenten. Das ist wichtig für das Wirtschaftswachstum.
Es gibt Systeme, in denen der Staat das festschreibt. Das ist nicht unsere Position. Herr Schaus, das will ich auch sehr deutlich sagen. Die Tarifautonomie ist von den Gewerkschaften hart erkämpft worden. Wir sind stolz darauf, dass sie im Grundgesetz als Grundwert verankert ist. Deswegen: Hände weg von der Tarifautonomie. Hände weg von solchen Diskussionen im Landtag.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Denn Sie als LINKER wollen offensichtlich – das sage ich auch recht kritisch – die Gewerkschaften instrumentalisieren.
(Nancy Faeser (SPD): So ist es! – Minister Boris Rhein: Natürlich! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Nein!)
Ja, es gibt Gewerkschafter, die sind in der CDU, die sind in der SPD, die sind bei den GRÜNEN. Gut, bei einer Partei ist es übersichtlich. Sie engagieren sich aus unterschiedlichen Motiven. Wir haben das System der Einheitsgewerkschaften. Dazu stehen wir ausdrücklich. Herr Schaus, wir sollten aber nicht die Gewerkschaften, wie Sie es zum wiederholten Male tun, parteipolitisch instrumentalisieren. Ich sage Ihnen das sehr deutlich: Das ist nicht in Ordnung.
Deswegen: Wir haben vollstes Vertrauen in die Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst. Warnstreiks gehören dazu. Das ist auch eine gewisse Art, um auf Forderungen aufmerksam zu machen.
Ich bin sicher, in Potsdam wird es irgendwann in den nächsten Stunden, möglicherweise spät nachts oder früh morgens, ein Ergebnis geben. Das werden dann die Tarifpartner zu bewerten haben. Auch wir sind öffentliche Arbeitgeber aufseiten des Bundes und der Kommunen. Hessen ist noch gar nicht betroffen. Das ist eine ganz andere Geschichte.
Herr Schaus, im Gegensatz zu Ihnen vertraue ich den Gewerkschaften. Am Schluss wird ein Kompromiss herauskommen, den man bewerten und akzeptieren muss. Wir sollten diese Auseinandersetzung bitte nicht im Landtag führen. Ersparen Sie uns nächstes Jahr einen erneuten Antrag zu der Tarifauseinandersetzung. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Selten habe ich dem Kollegen Rudolph so gerne zugehört. Denn es ist in der Tat ein stetig sich wiederholendes Ritual. Wenn die Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst beginnen, beginnen auch die LINKEN, ihren Antrag zu schreiben. Mit dem Schreiben des Antrags oder mit dem Benennen der Aktuellen Stunde sind Sie schnell fertig. Denn Sie mussten lediglich das Datum austauschen. Herr Kollege Rudolph hat es Ihnen gesagt. Am 3. März 2011 haben wir die gleiche Debatte hier schon einmal geführt. Schon damals haben Ihnen die Kollegen Frömmrich und andere die Unsinnigkeit und die Deplatziertheit Ihres damaligen Antrags vor Augen geführt. Jedes Jahr aufs Neue erklären Ihnen die demokratischen Parteien im Landtag,
wie das mit der Tarifautonomie funktioniert. Denn das scheinen Sie noch immer nicht alles gelernt zu haben. Aber mit den demokratischen Grundlagen tun Sie sich erfahrungsgemäß auch in anderen Bereichen etwas schwer.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Was soll das denn? – Zurufe der Abg. Willi van Ooyen und Hermann Schaus (DIE LINKE))
In Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes steht die Tarifautonomie, ein hohes Gut. Gerne sage ich für die Kollegen von den LINKEN, was das bedeutet.
Die Tarifautonomie ist das verankerte Recht z. B. der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Vereinbarungen mit normativer Wirkung frei von staatlichen Eingriffen über Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen abzuschließen. Das ist Tarifautonomie.
(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das haben wir! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Was ist Ihre Position? Sagen Sie etwas inhaltlich zu den Tarifverhandlungen!)
Autonomie bedeutet eben gerade, sich unabhängig vom Einfluss Dritter an den Verhandlungstisch zu setzen. Der Hessische Landtag ist ein gänzlich ungeeignetes Organ, um sich in laufende Verhandlungen einzumischen.
Kollege Rudolph hat es gesagt, und Sie müssen es akzeptieren, wenn Ihnen das vier Fraktionen so vorhalten. Als Tarifpartei würde ich mir eine Einmischung sogar ausdrücklich verbitten. Dass die Vertreter der Linkspartei Ort und Stunde nutzen wollen, um die Verhandlungen vom Spielfeldrand zu beeinflussen, das kann ihnen keiner verbieten.
Aber ich frage mit vielen anderen Kollegen: Was soll das? Ich kann mir gut vorstellen, dass es für den einen oder anderen ehemaligen Gewerkschafter in den Reihen der LINKEN nicht ganz einfach ist, nur zuzuschauen. Lobbyismus von der Abgeordnetenbank ist bei Ihnen vielleicht nicht ganz so verpönt, wie Sie immer behaupten.
Aber solange verhandelt wird und nicht die gesetzlichen Grundlagen zur Debatte stehen, gehört diese Diskussion einfach nicht hierher. Sie missachten ein demokratisches Recht, um sich bei den Angestellten anzubiedern. Nichts anderes ist Sinn Ihrer Aktuellen Stunde.
Meine Damen und Herren, es ist in den vergangenen Jahren immer zu einer guten Einigung gekommen. Die Vertragsparteien sind auch jetzt gerade noch inmitten ihrer Gespräche. Es ist schade, dass bereits Warnstreiks zulasten der Bürger stattgefunden haben. Aber nun heizen Sie, die Vertreter der LINKEN, dieses Klima noch weiter an. Dabei wissen Sie doch selbst, dass die Forderungen der Gewerkschaften einen erheblichen Millionenbetrag beinhalten. Eine Forderung ist noch kein Abschluss. Das wissen auch wir. Aber ein Kompromiss ist bekanntlich das Aufeinander-Zugehen.
Heute lese ich, dass die Arbeitgeber und die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes in Potsdam erneut am Verhandlungstisch sitzen
und ihre Gespräche für die 2 Millionen Beschäftigten in den Kommunen und beim Bund fortsetzen. Ich bin mir sicher, dass die derzeitigen Verhandlungen auf der Fachebene einen wichtigen Schritt vorankommen. Sind wir doch einmal so geduldig und warten ab, was heute oder morgen herauskommt. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben unterschiedliche Forderungen aufgestellt, die im Einzelnen abzuwägen und zu verhandeln sind. Die Verhandlungen werden auch durch unsere Debatte im Hessischen Landtag nicht maßgeblich nach vorne gebracht. Das müssen Sie doch selbst einsehen. Mit oder ohne Linkspartei, nur eine sachliche Diskussionskultur zwischen den Verhandlungspartnern wird auch zu einer guten Lösung führen.