So wird man sich aber sicherlich nicht auf eine Reform des Länderfinanzausgleichs einigen. Eines will ich Ihnen von SPD, CDU, FDP und GRÜNEN aber sagen: Wenn Sie wirklich der Meinung sind, dass der LFA verfassungswidrig ist, schlagen Sie den Weg nach Karlsruhe ein. Ich bin sicher, Sie werden scheitern. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kollege Weiß hat moniert, dass wir hier regelmäßig über den Länderfinanzausgleich debattieren, Klagen androhen und uns auch öffentlich dazu äußern. Ich muss sagen, das hat einen sehr guten Grund – Herr Kollege Rentsch hat darauf hingewiesen –: Hessen ist der größte Zahler im Länderfinanzausgleich. Jedes Jahr gehen 1,8 bis 2,5 Milliarden €, die in Hessen erwirtschaftet werden, an andere Bundesländer. Das ist ein guter Grund, um hier darüber zu diskutieren.
Ich weiß auch, warum das Ihnen von der Opposition auf den Keks geht. Ich will gar nicht die Spaßbremse sein. Sie können Ihren Spaß dabei haben, kein Problem.
Aber welche Länder nehmen denn das Geld? Da gibt es zunächst einmal Ihr Lieblingsland Rheinland-Pfalz. Wir weisen hier regelmäßig darauf hin, dass Rheinland-Pfalz mehr als 260 Millionen € pro Jahr aus Hessen bekommt. Dann haben wir das Land Berlin, das mit den insgesamt
mehr als 3 Milliarden €, die jedes Jahr dorthin fließen, übrigens den Spitzenplatz einnimmt. Man muss sich in der Tat überlegen, ob all diese Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich kommen müssen oder ob sie nicht eher vom Bund geleistet werden sollten.
Aber das wird bis heute aus dem Länderfinanzausgleich bezahlt. Es ist daher logisch, dass es nicht so einfach ist, auf dem Verhandlungsweg Ergebnisse zu erzielen, wenn von 16 Bundesländern maximal vier – manchmal auch nur drei – Zahler sind, während die restlichen zwölf oder 13 Nehmerländer sind. Mit denen kann man nicht auf normalem Niveau verhandeln, wenn nicht, wie der Kollege Rentsch zu Recht gesagt hat, Druck aufgebaut und mit einer Klage gedroht wird. Deswegen ist es auch richtig, den Klageweg zu beschreiten.
Richtig ist auch, dass eine solche Klage gut vorbereitet wird. Bei der letzten Klage war das übrigens schon einmal so. Eben wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass unter dem Vertrag über das bestehende System auch die Unterschrift des Vertreters des Landes Hessen steht. Es ist aus der Not geboren, d. h. über den Verhandlungs- und den Gerichtsweg entstanden, und es hat uns im Länderfinanzausgleich Verbesserungen in Höhe von mehreren 100 Millionen € jährlich eingebracht. Ich muss Ihnen sagen, das ist besser als nichts – besser als die Art und Weise, wie die Zahlungen in den Länderfinanzausgleich vorher geregelt waren.
Es war daher ein großer Erfolg der damaligen Regierung aus CDU und FDP – mit der Unterschrift von Roland Koch –, dass wir danach Hunderte Millionen € gespart haben. Auf dieses Ergebnis können wir in Hessen durchaus stolz sein.
Die GRÜNEN haben es sich zur Aufgabe gemacht – mehr als die SPD übrigens, auch wenn sie in Baden-Württemberg etwas von der Fahne gegangen sind –, beim Länderfinanzausgleich Änderungen vorzunehmen. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg hat es auf den Punkt gebracht. „Das System ist total bescheuert“, hat er gesagt. Er hat dann vorgeschlagen, den Länderfinanzausgleich einfach abzuschaffen. Das ist ein „toller“ Vorschlag – wie man sagen muss –; denn es ist natürlich leicht, vom Abschaffen zu reden. Herr Kollege Kaufmann, konkrete Vorschläge dazu gibt es nicht.
Von den GRÜNEN liegt ein Gutachten dazu vor, das Frau Prof. Behnke erstellt hat. In dem Gutachten, das durchaus hessische Interessen berücksichtigt, kommt man zu dem Ergebnis, dass man von einem rein einkommensorientierten System wegkommen und sich auf ein bedarfsorientiertes zubewegen muss. Allerdings fehlt bis heute jeder Vorschlag dafür, wie ein solches bedarfsorientiertes System aussehen könnte. Meine Befürchtung ist, dass es für uns am Ende teurer wird, als es jetzt ist.
Es hat einen Vorteil: Die Einnahmen würden zu 100 % im Land verbleiben. Das heißt, wir hätten bei einem solchen System, das auf den ersten Blick ganz gut aussieht, in der Tat den Vorteil, dass es einen Anreiz gibt. Einen Anreiz wollen wir geben: Wer viel erwirtschaftet, soll davon auch viel behalten können.
Nur ist es so, dass der Länderfinanzausgleich bisher auch für finanzstarke Länder eine ausgleichende Wirkung hat. In manchen Jahren, wenn in Hessen die Steuereinnahmen nicht so hoch waren und wir statt 2,5 nur 1,5 Milliarden € in den Länderfinanzausgleich gezahlt haben, stellte dieses System auch eine Chance dar, auf Steuereinbrüche zu reagieren, wenn es in anderen Bundesländern gut lief. Das würde wegfallen. Darauf weise ich nur einmal hin. So einfach sind diese Vorschläge nicht, die Sie machen.
Meine Damen und Herren, deswegen begrüßen wir die Aktuelle Stunde heute sehr. Eigentlich müssten wir jedes Mal eine Aktuelle Stunde zum Länderfinanzausgleich machen.
Das System, das wir brauchen und wollen, muss einfacher werden. Es muss anreizgerecht werden, und es muss vor allen Dingen eine geringere Belastung für Hessen bringen. Es kann nicht sein, dass die Kindergartenplätze in Rheinland-Pfalz kostenlos sind.
Das sind sie übrigens auch deswegen, und das sei mein letzter Satz: Das Wohnsitzprinzip führt dazu, dass Rheinland-Pfalz von jemandem, der am Frankfurter Flughafen arbeitet, aber in Rheinland-Pfalz wohnt, Einkommensteuer bekommt. Zur Strafe kommt dann auch noch Geld aus dem Länderfinanzausgleich nach Rheinland-Pfalz. Es gibt für Rheinland-Pfalz einen richtigen Anreiz, die Kindergartengebühren abzuschaffen, weil es dann noch mehr Geld aus dem Länderfinanzausgleich bekommt. Das ist nicht gerecht, meine Damen und Herren.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben schon lange nicht mehr so einen Blödsinn geredet! Was ist denn, wenn einer in Rheinland-Pfalz arbeitet, aber in Hessen wohnt? – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten – Florian Rentsch (FDP): Geben Sie ein Sauerstoffzelt in die letzte Reihe!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Milde, ich möchte Ihnen widersprechen: Wir sollten nicht jede Plenarrunde über den LFA diskutieren. Es sollte endlich einmal etwas getan werden und nicht nur geschwätzt.
Hin und wieder, das muss ich zugeben, wächst mit der Anzahl der Debatten auch bei der FDP die Einsicht. Das ist jetzt tatsächlich einmal passiert; das begrüße ich außerordentlich.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Florian Rentsch (FDP): Das ist fast ein Koalitionsangebot!)
Es besteht Einigkeit, dass am Länderfinanzausgleich etwas geändert werden muss. Es besteht Einigkeit, dass er anreizfeindlich ist und dass es sich dadurch für einige Länder nicht mehr lohnt, mehr Steuern einzunehmen, weil die Mehreinnahmen über das Anrechnungssystem letztlich nicht im eigenen Haushalt bleiben. All diese Debatten haben wir schon geführt. Sie können die Beispiele nachlesen. Das ist alles nicht neu. Ich finde, wir sollten jetzt endlich einmal aufhören, diese alten Platten zu spielen, und tatsächlich das machen, was wir hier auch mit großer Mehrheit, mit der CDU, der FDP und den GRÜNEN, beschlossen haben, nämlich zu verhandeln. Wenn sich am Ende der Verhandlungen nichts abzeichnet, dann wird letztlich auch geklagt. Man muss aber erst einmal verhandeln.
Meine Damen und Herren, diesen Verhandlungshorizont haben Sie noch immer nicht. Zumindest kann man nicht erkennen, wo sich da etwas tut. Herr Kollege Rentsch, wenn Sie hier sagen, wer sich mehr anstrenge, der solle auch mehr haben, dann klingt das erst einmal ganz prima. Ich frage Sie aber: Was machen Sie denn mit den neuen Bundesländern? Wie soll dann dort das Problem gelöst werden? Was machen Sie mit den Menschen in Sachsen? Wollen Sie dort auch noch einen Flughafen hinbauen? – Sie haben den Flughafen als Motor für Steuereinnahmen in Hessen beschrieben. Wollen Sie in jedes Bundesland, das unterdurchschnittliche Steuereinnahmen hat, einen Flughafen bauen? – Ich sage Ihnen: Dann geht es uns in Hessen aber schlecht.
Von daher müssen Sie den Realitäten noch ein Stück weit ins Auge sehen. Wir haben in Hessen eine sehr gute Infrastruktur. Das haben andere Länder nicht. Auch das muss man zur Kenntnis nehmen; und der Auftrag des Grundgesetzes bleibt so, wie er ist.
Wir müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass wir in Hessen den Länderfinanzausgleich nicht allein verändern können. Auch das ist einfach und banal, aber wahr. Wir brauchen dazu die Mehrheit der anderen Bundesländer; und wir brauchen vor allen Dingen die Nehmerländer, denn es zahlen nur drei, manchmal vier Länder ein, d. h. die Mehrheit der Bundesländer greift auf den Topf zu. Also müssen wir doch mit den Nehmerländer in Verhandlungen treten, damit die Einsicht wächst, auch hier etwas zu tun.
Wir haben das getan. Wir haben 2010 angefangen, zusammen mit Nehmerländern ein System zu erarbeiten, wie der Länderfinanzausgleich neu geordnet werden könnte. Das haben wir hier Anfang 2011 auch vorgestellt. Meine Herren von der FDP, dieser Vorschlag liegt seit einem Jahr auf dem Tisch. Wenn Sie denn so verrückt danach gewesen wären, am System etwas zu bewegen und etwas zu verändern, dann hätten Sie ihn doch aufgreifen können.
Wir sagen nicht, dass das sozusagen der Weisheit letzter Schluss ist. Es ist aber ein Vorschlag, über den man disku
tieren kann. Wir haben etwas vorgelegt, passiert ist aber nichts. Die FDP braucht noch ein neues Gutachten. Ich bin also sehr gespannt, was in diesem Gutachten steht und ob man dann wirklich dazu kommt, zu verhandeln. Genau das sollten die Regierungsfraktionen tun: in Verhandlungen treten. Das war der im März 2010 formulierte Auftrag. Leider habe ich da bisher nur wenig Bewegung bemerkt.
Ich bin mir sicher, dass der Ministerpräsident von BadenWürttemberg großes Interesse an diesem Gespräch hat. Das hat er erst letzte Woche wieder in einem Interview bekundet. Ich bin sehr gespannt, ob die Herren Bouffier und Seehofer auch Interesse an Verhandlungen haben oder ob sie einfach nur ein Interesse daran haben, hinterher zu verkünden, die anderen hätten kein Interesse, damit das Problem bleibt. Wenn also auch Herr Bouffier und die Regierung in Hessen verhandeln wollen – dann wären es schon einmal zwei, nämlich Herr Kretschmann und Herr Bouffier –, dann sollen sie doch bitte endlich einmal anfangen, diese Gespräche zu führen.
Mit dem Gutachten, das die FDP im letzten Jahr – ich glaube, es war schon vor zwei Jahren – bei Herrn Prof. Kube in Auftrag gegeben hat, das die Frage der Verfassungsgemäßheit beleuchtet, wurde festgestellt, dass es gerade die dritte Stufe im Länderfinanzausgleich ist, die am meisten Probleme macht.
Unser Gutachten setzt gerade an diesem Punkt an. Es besagt eben, dass die dritte Stufe des Länderfinanzausgleichs so nicht bleiben kann. In dieser dritten Stufe werden ungefähr 7 bis 8 Milliarden € auf die anderen Länder verteilt. Drei bis vier Länder zahlen ein, die anderen greifen darauf zu. Unser Vorschlag wäre, diese horizontale Verteilung, diese 7 bis 8 Milliarden €, die eigentlich nur einen relativ kleinen Teil des gesamten Länderfinanzausgleichs ausmachen, in eine vertikale Verteilung der Umsatzsteuer zu bringen und dafür einen allgemein akzeptierten Verteilungsschlüssel zu finden. Wir schlagen auch vor, diesen Verteilungsschlüssel an demografische, soziale und finanzpolitische Gegebenheiten zu binden.