Protocol of the Session on March 28, 2012

Deshalb: Die Betreuungssituation in Hessen war noch nie so gut wie jetzt. Mein ausdrücklicher Dank hierfür gilt auch der Frau Kultusministerin.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Die SPD hat keinen Antrag zu dem Thema eingebracht, die GRÜNEN allerdings schon. Herr Bocklet, ich bin bei Ihrem Antrag schon verwundert, denn ich habe gedacht, wir wären an der Stelle weiter.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich dachte, wir wären bei dem Thema auf einer grundsätzlichen Linie, was die Arbeitsmarktpolitik angeht – mit Nuancen. Aber wenn Sie sich jetzt hierhin stellen und sagen, wir als Land Hessen müssen in die Optionskommunen hineinregieren, müssen denen erklären, was sie zu tun haben, und im Endeffekt eine „Landes-BA“ gründen, die den Optionskommunen künftig Vorschriften macht, dann muss man Ihnen antworten: Sie haben das Konzept nicht verstanden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es geht um Subsidiarität, es geht um Eigenverantwortung, es geht um Nähe zum Bürger, es geht darum, Verantwortung zu übernehmen. Wenn man Verantwortung weiter

gibt, dann muss man auch akzeptieren, dass man eben nicht mehr alles bestimmen kann. Darum hat das Land Hessen auf Augenhöhe mit den Optionskommunen Zielvereinbarungen abgeschlossen, um sich gegenseitig zu befruchten, sich gegenseitig voranzubringen, sich auszutauschen und zu unterstützen, und nicht, um zu bevormunden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das Thema Gängelung zieht sich durch den Antrag der GRÜNEN und ist bei ihrer Ideologie auch nicht verwunderlich. Sie übertragen das, was Sie auf anderen Politikfeldern vorexerzieren, auch in diesen Bereich. Das finde ich sehr schade. Da ist die SPD zum Glück ein Stück weiter. Trotzdem möchte ich noch einmal auf die Statistik eingehen, die Sie hier vorgetragen haben, Herr Bocklet. Ich muss ehrlich sagen, ich hätte ein bisschen mehr inhaltliche Beschäftigung mit den Zahlen erwartet. An den Zahlen der Argen – die Zahlen der gemeinsamen Einrichtungen sind noch nicht genau nachvollziehbar – ist doch deutlich geworden, warum die Eingliederungsleistungen dort abgerufen worden sind: weil alle Einrichtungen, die arbeitsamtsdominiert sind, 50 % ihrer Eingliederungsmittel für Ein-Euro-Jobs ausgegeben haben. Damit haben sie ihre Statistik geschönt.

Herr Kollege Rock, kommen Sie bitte zum Ende.

Damit haben sie alle Mittel abgerufen. Das war bei allen so. Dann kann man natürlich sagen: Ich stehe gut da. – Ein-Euro-Jobs können ein Mittel zur Eingliederung sein – aber nicht flächendeckend, um die Statistiken zu schönen. Dazu muss man ganz klar sagen: Diese Zahlen geben nicht das her, was Sie hier behaupten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Die nächste Wortmeldung ist die des Herrn Kollegen Schaus für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Einmal mehr beschäftigt sich der Hessische Landtag mit einem Jubelantrag der Regierungsfraktionen der CDU und der FDP. Sie möchten wieder einmal Dank und Glückwünsche von diesem Hause erhalten. Ich bin mir allerdings sicher: Außerhalb Ihrer eigenen Fraktionen werden Sie darauf wohl verzichten müssen. Wir jedenfalls werden Ihnen ganz sicher keinen Dank und keine Glückwünsche dafür aussprechen, dass Sie das Problem der Erwerbslosigkeit immer mehr auf die Kommunen abwälzen.

Ich habe die Debatte aufmerksam verfolgt. Gerade nach dem Beitrag des Kollegen Rock stellt sich mir eine ganz zentrale Frage: Worum geht es hier eigentlich? Geht es um die Frage, wie man Arbeitslose und Langzeitarbeitslose langfristig in Arbeit vermittelt? Oder geht es darum, wie man Arbeitslosigkeit am besten verwaltet, in Op

tionskommunen oder in Arbeitsgemeinschaften? Ich habe den Eindruck, Letzteres steht bei Ihnen im Fokus, und die Betroffenen kommen erst an zweiter Stelle. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf Ihren Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Erwerbslosigkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Seine Verlagerung auf die Kommunen ist daher aus unserer Sicht der ordnungspolitisch falsche Weg. Die Kommunalisierung der Arbeitsmarktpolitik konterkariert den Verfassungsauftrag, gleichwertige Lebensverhältnisse in Hessen herzustellen. So wird nämlich nur ein Flickenteppich unterschiedlicher Praxen bei der Vergabe, z. B. von Ein-Euro-Jobs, von Sanktionen und Pauschalierung von Leistungen, erzeugt. Damit ist aber niemandem gedient.

Das Optionsmodell schafft zudem für die Betroffenen in den Optionskommunen deutliche Nachteile gegenüber denjenigen, die von einer Arge betreut werden. Ein Bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2008, die sogenannte 6c-Evaluierung, hat belegt, dass Optionskommunen in der Tat nachweisbar schlechter in der Lage sind, Erwerbslose in bedarfsdeckende Beschäftigung zu vermitteln und aus der Hilfsbedürftigkeit herauszuführen, als die Jobcenter der Arbeitsagenturen. Häufiger werden Menschen in Leiharbeit und Billigjobs vermittelt, sodass sie nach kurzer Zeit erneut arbeitslos werden. Dies ist für die Betroffenen katastrophal und vor dem Hintergrund der Grundsicherung im Alter für die Gesellschaft auch noch teuer.

Angesichts dieses Wissens die Zahl der Optionskommunen auszuweiten ignoriert die jahrelange wissenschaftliche Begleitforschung. Es ignoriert ebenso die internationalen Erfahrungen. Sowohl in den Niederlanden als auch in Großbritannien wurde nämlich der Versuch, die Arbeitsvermittlung zu kommunalisieren, aufgrund negativer Erfahrungen abgebrochen.

Was passiert denn, wenn man den hessischen Kommunen, die unter Ihrer desaströsen kommunalen Finanzpolitik zu leiden haben und ständig unter dem Druck stehen, die Ausgaben zu senken, die Verantwortung für die ALG-IIBerechtigten überlässt? Die Kommunen werden natürlich versuchen, die Leistungsansprüche im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten zu definieren, und sie entsprechend unterschiedlich auslegen. Das findet tatsächlich statt. Dies wurde im Sommer 2010 im Übrigen anschaulich durch die Debatte über die Pauschalierung der Kosten der Unterkunft deutlich.

Vor diesem Hintergrund verwundert es einen gar nicht mehr, dass der Bundesrechnungshof gleich zweimal festgestellt hat, dass der Missbrauch bei den Ein-Euro-Jobs in den Optionskommunen größer ist als bei den Argen. Für uns ist es nicht nachvollziehbar, wie Sie vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Behandlung der Betroffenen solche Jubelanträge einbringen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sagen dagegen klar: Das Modell Hartz IV und seine arbeitsmarktpolitischen Instrumente sind gescheitert. Damit lassen sich vielleicht Statistiken schönen, aber es lässt sich damit keine nachhaltige Beschäftigungspolitik gestalten. Hartz IV gehört abgeschafft.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen keine organisatorische Trennung von ALG-Iund ALG-II-Beziehern. Allen soll die gleiche Förderung zuteilwerden.

(Zurufe von der FDP: Was?)

Eine bundesweit einheitliche Vermittlung, Betreuung und Förderung aller Erwerbslosen setzt aber eine einheitliche Organisation voraus.

Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede.

Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Zuständig dafür ist unserer Ansicht nach die Bundesagentur für Arbeit. Deshalb lehnen wir auch die Schaffung weiterer Optionskommunen ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Als Nächster hat sich Herr Staatsminister Grüttner zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Man muss schon staunen, wenn man, wie es eben von Herrn Schaus formuliert worden ist, die Forderung nach einer bundesweit einheitlichen Förderung aller ALG-Iund ALG-II-Empfänger hört. An dieser Stelle muss man darauf hinweisen, wie realitätsfern Sie mit Ihren Forderungen sind, wie realitätsfern Ihre Ansichten sind und dass Sie für Fraktionen, die zumindest noch versuchen, gewisse Fragestellungen realistisch zu beantworten, als Kooperationspartner nicht infrage kommen. Sie werden sich mit solchen Aussagen selbst überflüssig machen, genauso wie Sie sich damit überflüssig machen, wenn Sie fälschlicherweise von dem Problem sprechen – das ist aber auch das Letzte, was ich sage, um auf Herrn Schaus einzugehen –, dass die Erwerbslosigkeit auf die Kommunen abgewälzt wird. So haben Sie es formuliert.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Die Verwaltung von Erwerbslosigkeit!)

Herr Schaus, Sie wissen doch sehr wohl, wie der Entwicklungsprozess bei den Optionskommunen ausgesehen hat. Sie wissen auch, dass die Frage, welche Kommune Optionskommune wird und welche nicht, auf dem Prinzip der Freiwilligkeit der Kommunen beruhend beantwortet wird. Sie wissen ganz genau, dass nicht wir die Kommunen dazu aufgefordert haben, zu optieren, oder ihnen par ordre du mufti erklärt haben: Ihr müsst euch jetzt um die Arbeitslosen vor Ort kümmern.

(Zuruf von der SPD: Nein, natürlich nicht!)

Vielmehr waren die Kommunen der Überzeugung, dass sie es besser können als andere Organisationsformen. Es haben sich in Hessen mehr Kommunen darum beworben, Optionskommunen zu werden, als es tatsächlich geworden sind. Wir arbeiten daran, dass in Zukunft alle, die optieren wollen, auch optieren können. Wir haben in den Kreistagen und in den Stadtverordnetenversammlungen

hohe Hürden eingeführt: Mit einer Zweidrittelmehrheit muss beschlossen werden, dass man optiert. Diese Beschlüsse sind überwiegend einstimmig – ohne die LINKEN – gefasst worden. Das ist kein Abwälzen, sondern es bedeutet schlicht und einfach, es war ein Wunsch der Kommunen, diese Aufgabe wahrzunehmen. Diesem Wunsch kommen wir nach.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde, es muss an der Stelle auch deutlich gesagt werden, dass es die Vertreter der Kommunen waren, die auf uns als Landesregierung und somit als Mittler zwischen ihnen und dem Bundesgesetzgeber zugekommen sind und gesagt haben: Sichert uns in unserer Arbeit rechtlich ab, und ermöglicht uns, zu optieren, also uns dafür zu entscheiden, selbst gegen die Arbeitslosigkeit vor Ort vorzugehen.

Die Vertreter der Kommunen stimmen darin mit den Auffassungen der Landesregierung und auch der Koalitionsfraktionen überein. Wir sind der Überzeugung, dass man in den Kommunen die Erwerbslosen besser kennt, ihnen passgenauere Angebote machen kann und dass eine Vermittlung in den Arbeitsmarkt an dieser Stelle sinnvoller und erfolgreicher ist als im Rahmen einer anderen Organisationsform.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind im siebten Jahr der Arbeit – darin stimme ich Ihnen zu – und nicht, wie bei der Bundesagentur für Arbeit, im 60. Jahr. Es gibt einiges, was wir im Hinblick auf die Optionskommunen noch lernen und nachholen müssen. Das ist völlig in Ordnung. Aber aus den jetzt vorliegenden Statistiken, die auch veröffentlicht werden, in dieser pauschalen Form Rückschlüsse zu ziehen, wie sie in dem Antrag der GRÜNEN dargelegt worden sind, ist schlicht und einfach unredlich.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich sage Ihnen, warum sie unredlich sind. Herr Bocklet, wenn Sie in Ihrem Antrag formulieren, der Landtag stelle fest: „Sowohl bei der Integrationsquote, der Anzahl der Menschen, die in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden, als auch bei der Ausschöpfung der Mittel für dringend notwendige Fort- und Weiterbildungen für Langzeitarbeitslose, belegen Optionskommunen die letzten Plätze“, muss ich sagen: Diese vereinfachte Darstellung wird der Realität nicht gerecht und trifft so nicht zu.

(Beifall bei der CDU – Marcus Bocklet (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Doch!)

Das ist schlicht und einfach falsch. Sie belegen das eben nicht.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Doch!)

Das sieht man relativ einfach daran, dass Sie an dieser Stelle auf der Grundlage von veröffentlichten Statistiken argumentieren, die eingeschränkte Aussagekraft haben, weil sie auf hochgerechneten Jahreswerten beruhen.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das bestimmen Sie doch gar nicht!)