Protocol of the Session on March 7, 2012

Unabhängig davon sind wir uns einig, dass wir alles tun müssen, um Extremisten zu bändigen, ihren Wirkungsgrad zu pulverisieren. Wir müssen informieren und aufklären, wir müssen zum Ausstieg motivieren, und wir müssen sanktionieren. Wir müssen aber auch – das ist eine der wichtigsten Aufgaben der gesamten Nation – die zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem braunen Unrat weiterführen. Eine wehrhafte Demokratie ist nämlich immer eine streitbare. Berlin ist nicht Weimar.

Wenn es um ein NPD-Verbot geht, gilt ganz klar das Wort des Ministers. Frau Faeser, insofern ist es keineswegs so, dass seit 2003 in der Regierung hierüber nicht nachgedacht würde – ganz abgesehen davon, was an erfolgreichen Maßnahmen ergriffen wurde, um den Rechts- und Linksextremismus sowie den Islamismus zu bekämpfen. Nein, es gilt hier das Wort des Ministers, das gerade in diesem sensiblen Bereich, wo die Gefahr besteht, dass wir Leute „adeln“, die wir alle nicht adeln wollen, Sorgfalt vor Schnelligkeit geht.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bis Ende März sollen – das sollten wir alle wissen – die Vorschläge der Arbeitsgruppe von Bund und Ländern vorliegen, die die Kriterien für ein erfolgreiches Verbotsverfahren prüft. Das wird eine wichtige Grundlage für die Entscheidung über einen Verbotsantrag sein. Wir wollen und werden alles tun, um extremistischen Strömungen, von welcher Seite auch immer, mit allen demokratischen Mitteln entgegenzutreten: von der politischen Auseinandersetzung über Aussteigerprogramme und vorbeugende Informationen bis hin zur Inhaftierung Ewiggestriger.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Viele Dank, Kollege Bellino. – Das Wort hat der Abg. Hermann Schaus, DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! DIE LINKE kämpft seit Jahren gegen rechte Gewalt und für ein Verbot der faschistischen NPD. Seit wir im Hessischen Landtag sind, fordern wir den Innenminister regelmäßig auf, dieses Verbot endlich anzupacken. Seit Bekanntwerden der nationalsozialistischen Zwickauer Terrorzelle und ihrer Verbindung zur NPD ist es um so unverständlicher, warum sich Herr Rhein als letzter Verantwortlicher weigert, ein NPD-Verbot anzustrengen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich vorab sagen: Ein Verbot der NPD ist auch in der LINKEN nicht völlig unumstritten. Auch bei uns fürchten einige, dass der Kampf gegen rechte Gewalt und gegen Rassismus durch eine Verbotsdebatte auf eine formale, rein rechtliche Ebene verschoben werden könnte, so, wie wir das bei meinem Vorredner teilweise erlebt haben.

Deshalb spricht sich DIE LINKE für ein Verbot der NPD und gleichzeitig – das ist entscheidend – für eine gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit rechter Gewalt und Rassismus aus. Das geht nur zusammen, nicht im Widerspruch zueinander.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor allem drei Dinge dürfen nämlich nicht passieren. Ers tens. Die NPD darf sich nicht fröhlich neue Strukturen aufbauen, während vor dem Bundesverfassungsgericht ein jahrelanges Verfahren geführt wird; denn dann bliebe ein NPD-Verbot letztlich folgenlos.

Zweitens. Die Debatten dürfen sich nicht nur auf das NPD-Verbot konzentrieren, während wir andere neofaschistische Gruppen und vor allen Dingen die Ursachen des Neofaschismus aus dem Blick verlieren.

Drittens darf es nicht passieren, dass wir den Kampf gegen Rechts an Bundesministerien und Geheimdienste delegieren; denn dabei kam leider noch nie etwas Gutes heraus.

Herr Bellino, Sie sagen, wir bekämen von den V-Leuten wichtige Informationen. Dazu muss ich, gerade in Bezug auf die jüngste Vergangenheit, leider feststellen: Das mag zwar sein – ich kann das nicht nachvollziehen –, aber für die Verhinderung von Mordanschlägen entscheidende Informationen haben Ihre V-Leute zu keiner Zeit geliefert.

(Beifall bei der LINKEN)

Das letzte Verbotsverfahren im Jahr 2002 hat die NPD gestärkt. Das Schattenreich der V-Leute, also massenhaft vom Staat bezahlter Neonazis, ließ keine gerichtlich verwertbaren Unterscheidungen mehr zu. Die NPD brüstet sich leider bis heute damit. So bleibt sie vor Verbotsverfahren geschützt und wird weiter staatlich quersubventioniert.

(Horst Klee (CDU): So ein Quatsch!)

Toppen lässt sich dieser Skandal nur noch durch die schier unfassbare Rolle, die die Geheimdienste und die Behörden im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Zwickauer Terrorzelle gespielt haben. Nein, meine Damen und Herren, der Kampf gegen Rechts kann nicht an Geheimdienste delegiert werden. Er muss eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. Sonst bliebe ein NPD-Verbot letztlich folgenlos.

(Beifall bei der LINKEN)

Drei Bedingungen müssen also erfüllt sein. Erstens. Die Nazistrukturen müssen durch ein Verbotsverfahren tatsächlich zerschlagen werden. Zweitens. Die Ursachen des Neofaschismus müssen bekämpft werden. Drittens. Der zivilgesellschaftliche Kampf gegen Rechts muss gestärkt werden.

Wir, DIE LINKE, haben im Landtag immer wieder Anträge dazu gestellt. Natürlich betreiben wir LINKE auch Aufklärung und Gegenwehr. Unverständlich ist mir deshalb, warum diese Anträge von der CDU/FDP-Regierungsmehrheit immer abgewiesen werden und warum die CDU-Bundesministerin Schröder die Mittel gegen Rechts kürzt.

(Horst Klee (CDU): Alles Quatsch!)

Unverständlich ist mir im Übrigen auch, warum von der sächsischen Justiz ausgerechnet vier linke Parlamentarier verfolgt werden, weil sie zusammen mit Zehntausenden friedlich und erfolgreich Europas größten Naziaufmarsch blockiert haben. Völlig unverständlich ist, warum der hessische Innenminister Boris Rhein der letzte Gegner eines NPD-Verbots in ganz Deutschland ist.

(Horst Klee (CDU): Das stimmt doch gar nicht! – Holger Bellino (CDU): Eine Unterstellung ist das! – Horst Klee (CDU): Dummes Zeug!)

Politisch ist es das genaue Gegenteil von dem, was wir brauchen. Sie schwächen die zivilen Vereine gegen Rechts und kriminalisieren den antifaschistischen Widerstand. Sie wehren sich selbst jetzt noch gegen ein NPD-Verbot, obwohl es, Herr Klee, unter den Bundesländern in dieser Frage 15 : 1 steht. Das stimmt. Nur Hessen stellt sich noch quer. So ist es. Ihr niedersächsischer Kollege stellt sich mittlerweile nicht mehr quer, wie ich den Zeitungen entnommen habe.

Herr Kollege Schaus, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Art. 158 der Hessischen Verfassung verpflichtet uns alle zur Überwindung des Faschismus. Ich fordere die Landesregierung

deshalb erneut auf, endlich wirksame Schritte zur Einleitung eines NPD-Verbots einzuleiten. Der Faschismus ist nämlich keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Als ob wir das nie gemacht hätten!)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. Greilich, FDPFraktion.

(Holger Bellino (CDU): Als ob wir von der LINKEN Nachhilfe nötig hätten!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach gesagt – die heutige Debatte bietet Anlass zur Wiederholung –: In der Sache besteht in diesem Haus ganz große Einigkeit. Wir müssen den Rechtsextremismus bekämpfen, wo immer wir ihn antreffen. Deshalb sollten wir gerade im Interesse der Bekämpfung von Alt- und Neonazis alles vermeiden, was den Eindruck erwecken bzw. womit das Bild gestellt werden könnte, dass bei irgendjemanden in diesem Haus die Ernsthaftigkeit des Bemühens infrage zu stellen sei, diesen braunen Sumpf aus Hetze, Intoleranz und – in der schlimmsten Ausprägung – Gewalt trockenzulegen.

(Beifall bei der FPD – Horst Klee (CDU): Die OBWahl in Frankfurt ist bald rum!)

Wir führen jetzt zum wiederholten Male – das kommt immer wieder – eine Debatte über ein NPD-Verbot. Das ist eine fast schon reflexhafte Reaktion, dieses Mal durch ein besonderes Moment ausgelöst, nämlich durch die Aufklärung der abscheulichen Mordserie. Ich glaube, auch darin sind wir uns einig.

Nur eines möchte ich sagen – das ist etwas, worum wir Sie alle bitten –: Hören Sie einfach zu, und öffnen Sie sich vielleicht auch einmal den Argumenten, die immer wieder vorgetragen werden.

Wir müssen diese Diskussion sehr differenziert und sehr zielorientiert führen. Man muss feststellen, dass der nachvollziehbare politische Wunsch nach einem Verbot der NPD, das vermeintlich Erfolg verspricht, nicht das maßgebliche Kriterium sein darf. Der Staat darf sich zudem nicht in einen Verbotseifer hineinsteigern und sich selbst dadurch taub und blind machen, dass er sich wichtiger Erkenntnisquellen, wie sie zum Beispiel die V-Leute darstellen, beraubt.

(Nancy Faeser (SPD): Das haben wir ja gesehen, wie das funktioniert!)

Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen: Zur Vorbereitung eines Verbotsverfahrens müssten wir nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts die V-Leute in der NPD abschalten. Wir müssten uns also der damit verbundenen Erkenntnismöglichkeiten weitgehend berauben.

Darüber kann man reden. Aber wir müssen auch ehrlich sagen, dass wir dann den Sumpf, aus dem der rechte Terror gewachsen ist, weniger gut beobachten können. Das heißt, wir müssen genau abwägen, ob der Preis, den wir für ein halbwegs aussichtsreiches Verbotsverfahren zahlen müssen – wobei es nicht sicher ist, ob es funktioniert –, im

konkreten Einzelfall nicht zu hoch ist. Frau Kollegin Faeser, das ist genau die Frage, um die es geht.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Nancy Faeser (SPD))

Doch, Frau Kollegin Faeser, ich muss das sagen: Es ist unerträglich, wenn die in der Sache verfassungsrechtlich gebotene Sorgfalt von interessierter Seite als Unwillen oder gar als hinderlich diskreditiert wird. Die V-Leute bleiben als Augen und Ohren des Verfassungsschutzes in der rechten Szene unabdingbar. Davon bin ich fest überzeugt.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Frau Fuhrmann, deshalb müssen wir mit Bedacht weiter an dem Ziel arbeiten, ein rechtssicheres Verbotsverfahren einzuleiten. Das geht aber nur, sofern die Bedingungen hierfür gegeben sind.

(Nancy Faeser (SPD): Das nehmen wir zur Kenntnis!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Kollegin Faeser, die Landesregierung verfolgt Extremisten jeglicher Couleur gleichermaßen mit Härte und Unnachgiebigkeit.

(Beifall bei der FDP)

Dabei ist jedoch im Hinblick auf ein Parteiverbot als Ultima Ratio des Rechtsstaats für die FDP-Fraktion glasklar: Es steht außer Frage, dass verfassungsfeindliche Parteien verboten werden können und müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem gescheiterten ersten NPDVerbotsverfahren jedoch klare Regeln für ein Verbot aufgestellt, und diese müssen wir strikt beachten, wenn wir nicht erneut den Vertretern dieser Partei durch ein Scheitern des Verfahrens eine Bühne für ihre zu verurteilenden Aktivitäten bieten wollen.

Innenminister Boris Rhein tut deshalb gut daran, das politisch Wünschenswerte von den konkreten rechtlichen Fragen eines Parteiverbots zu trennen und dem hessischen Verfassungsschutz seine Möglichkeiten zu erhalten. Selbst wenn es schmerzt, gilt nämlich das Rechtsstaatsgebot zunächst einmal auch für Parteien am rechten oder am linken Rand der Gesellschaft. Die rechtsgültige Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit einer Partei und ihr sodann folgerichtiges Verbot ist Sache des Bundesverfassungsgerichts, nicht etwa die des politischen Zeitgeistes.

Meine Damen und Herren, ich stelle das ausdrücklich unstreitig, damit man es auch im Protokoll nachlesen kann: Die NPD ist klar verfassungsfeindlich.