Protocol of the Session on May 15, 2008

(Axel Wintermeyer (CDU): Das ist sehr merkwürdig!)

Man soll nicht so tun, als ob man einen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz nach dem Studium hat. Gerade Akademiker sind auch immer stärker von prekären Arbeitsverhältnissen betroffen. Es ist eben nicht so, dass die automatisch in hohe Einkommensklassen einsteigen.

Ich denke, dass es ein Dammbruch ist, dass die GRÜNEN in Hamburg in eine Studiengebühren erhebende Landesregierung eintreten. Da gibt es auch keine Augenwischerei.Diese Gebühren gelten in Hamburg ab dem ersten Semester und sind somit allgemeine Studiengebühren. Das ist auch ein Novum für die GRÜNEN. Nun sind die hessischen GRÜNEN keine Hamburger.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass hier in Hessen auch kein Hamburger Modell installiert wird, wie sich das der Ministerpräsident wünscht, sondern dass wir das hessische Modell installieren, nämlich den gebührenfreien Hochschulzugang wiederherzustellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Sorge das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir hessischen GRÜNEN sind keine Hamburger. Aber wir sind auch keine Biobratlinge. Das wollte ich einmal festgestellt haben.

(Heiterkeit des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Cheeseburger!)

Meine Damen und Herren, wir GRÜNE sind gegen Studiengebühren.Wir haben diese Position vor der Wahl laut und deutlich gesagt. Wir stehen zu dieser Position selbstverständlich auch nach der Wahl. Aber wir stehen nicht nur dazu, sondern werden sie auch umsetzen. Die Studiengebühren in Hessen werden ab dem nächsten Semester abgeschafft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Den Grund,warum wir gegen Studiengebühren sind,habe ich hier schon des Öfteren erklärt.Aber ich kann das auch gern wiederholen.Das sind im Wesentlichen zwei Gründe.

Zum einen brauchen wir in Deutschland und somit auch in Hessen mehr Studierende, weil wir einfach mehr Akademikerinnen und Akademiker brauchen, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein und überhaupt die Anforderungen leisten zu können. Es gibt immer mehr höhere Anforderungen in allen Berufen, und dafür brauchen wir gut ausgebildete Menschen.

Diese gut ausgebildeten Menschen brauchen wir aber aus allen Schichten. Wir wollen, dass alle, die dazu geeignet sind, auch studieren können. Studiengebühren haben hier eben eine abschreckende Wirkung. Genau diese Hürde, nämlich diese abschreckende Wirkung, wollen wir abbauen, um mehr Studierende an die Hochschulen zu brin

gen und um vor allem mehr Studierende aus ärmeren Schichten an die Hochschulen zu bringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Deshalb haben wir gemeinsam mit der SPD-Fraktion ein Gesetz eingebracht. Frau Kühne-Hörmann hat es eben schon einmal gesagt: Dieses Gesetz wird am kommenden Montag in der Anhörung behandelt, und in der Plenarsitzung in der ersten Juni-Woche werden wir dieses Gesetz in zweiter und dritter Lesung beraten. Das bedeutet: In Hessen werden aller Voraussicht nach Studiengebühren ab dem kommenden Semester der Vergangenheit angehören.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Aber wir schaffen nicht nur die Studiengebühren ab, sondern vor allem haben wir uns auch explizit – gerade in der momentanen politischen Situation war das nicht ganz so einfach – Gedanken darüber gemacht, wie wir die Einnahmeausfälle aus den Studiengebühren für die Hochschulen gegenfinanzieren können.

(Michael Boddenberg (CDU):Ah ja!)

In unserem Gesetzentwurf ist eine Gegenfinanzierung vorgesehen, die den Hochschulen die Studiengebühren 1 : 1 aus dem Landeshaushalt zweckgebunden für die Verbesserung der Studienbedingungen und vor allem der Lehre zur Verfügung stellt.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist aber eine tolle Gegenfinanzierung!)

Das war ein Punkt, der uns wirklich sehr wichtig war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Bodden- berg (CDU): Beachtlich!)

Jetzt schauen wir uns einmal an, was Roland Koch hier vorgeschlagen hat. Er möchte das Hamburger Modell. Das bedeutet nachgelagerte Studiengebühren und eine Senkung der Studiengebühren von 500 auf 375 c pro Semester. Das ist ohne Zweifel sozial gerechter als das, was in Hessen bislang Gesetz ist.Aber es sind eben allgemeine Studiengebühren. Daher lehnen wir sie – wie gesagt – ab.

Interessant ist aber, dass Roland Koch hier Fehler bei seiner bisherigen Position einräumt. Er hat wohl erkannt, wie sozial selektiv und abschreckend sein eigenes Studiengebührengesetz ist. Eva Kühne-Hörmann hat gerade den Kolleginnen und Kollegen der SPD Wankelmütigkeit vorgeworfen. Da frage ich mich: Wie viel Wankelmütigkeit liegt denn eigentlich in diesem Vorschlag von Roland Koch?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Das ist doch Unsinn! Das wissen Sie auch! Kommen Sie doch noch einmal auf die Gegenfinanzierung!)

Herr Boddenberg, lassen wir uns doch einmal für eine Sekunde auf das Modell und den Vorschlag von Roland Koch ein, und schauen wir einmal genauer hin. Wenn wir nachgelagerte Studiengebühren einführen wollten, müssten diese aus dem Landeshaushalt vorfinanziert werden. Wenn wir eine Senkung auf 375 c wollten, müssten die fehlenden 125 c ebenfalls aus dem Landeshaushalt für die Hochschulen gegenfinanziert werden. Hier hat die CDU nicht weit genug gedacht, und ich kann damit nur feststellen: Hiermit ist jegliche Kritik der CDU an der

Gegenfinanzierung in unserem Modell wie eine Seifenblase zerplatzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Ich habe gerade festgestellt, dass ich nur noch eine halbe Minute habe. Also möchte ich noch ganz schnell feststellen: Wir haben im Hessischen Landtag eine neue Situation. Koch gibt in Zeitungsinterviews bekannt, was er für richtig hält. In der letzten Legislaturperiode packte einen da oft das Grausen, weil man wusste, dass seine Vorschläge im Land dann auch umgesetzt werden.Heute aber kann man sein Frühstücksbrötchen trotz einer solchen Nachricht erst einmal genüsslich weiterkauen und dann gemütlich runterschlucken. Denn Roland Koch und die CDU haben in dieser Frage nun definitiv keine Parlamentsmehrheit mehr. Also wird nicht alles, was Roland Koch morgens im Radio vorschlägt, hinterher auch umgesetzt. Und das ist auch gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Sorge. – Für die Landesregierung hat Staatsministerin Lautenschläger das Wort.

Silke Lautenschläger, Sozialministerin, zugleich mit der Leitung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst beauftragt:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon sehr spannend, dass wir heute noch einmal das Thema in einer Aktuellen Stunde behandeln, nachdem wir drei Dringliche Gesetzentwürfe im Verfahren haben, die wir in einer Anhörung ausführlich beraten werden.Insofern überrascht es dann doch,dass die SPD es für notwendig hält, heute noch einmal über das Hamburger Modell und darüber,dass es hierfür keine Mehrheit geben würde, zu diskutieren.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Es wäre natürlich sehr sinnvoll, wenn wir grundsätzlich wieder in die Beratungen in der Anhörung gehen und uns dort gemeinsam verschiedene Modelle anschauen. Klar ist aus Sicht der Landesregierung: Das, was wir dort im letzten Jahr umgesetzt haben, halten wir für den richtigen Weg.

(Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber selbstverständlich,Herr Kollege Schmitt,sind wir zu Diskussionen über vernünftige Modelle bereit. Das und nichts anderes hat auch der Ministerpräsident in einem Zeitungsinterview deutlich gemacht, und zwar dass er das Hamburger Modell für eines hält, über das man nachdenken kann. Ich habe Ihnen schon in den letzten Plenardebatten gesagt: Ich wäre bereit, über Einkommensgrenzen in diesem Bereich nachzudenken, wenn wir über Studienbeiträge sprechen und wenn Sie der Auffassung sind, die Einkommensgrenze sei heute noch nicht richtig gesetzt.

(Zuruf von der SPD)

Aber es grundsätzlich so zu machen, wie Sie vorschlagen, nämlich schlichtweg zu sagen, dass das aus dem Landeshaushalt gegenfinanziert wird – und es gibt keinerlei an

dere Vorschläge dazu –, halte ich nach wie vor für den falschen Weg.

(Norbert Schmitt (SPD): Sie sollten unseren Gesetzentwurf lesen! – Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Schmitt, ich verstehe Ihre Aufregung gar nicht.

(Norbert Schmitt (SPD):Doch! Sie haben nicht einmal den Gesetzentwurf gelesen!)

Ich weiß, dass Sie eine Summe im Gesetzentwurf stehen haben.Aber ich bin immer noch darauf gespannt, von Ihnen zu hören, wo genau das dann wiederum eingespart werden soll und wie Sie sich das dann vorstellen, wenn Sie das Ganze auch mit Ihrem Modell möglicherweise nur auf nächste Generationen verlagern, indem Sie neue Schulden aufnehmen wollen.

(Lachen des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Aber darüber werden wir sicher noch bei den Haushaltsberatungen miteinander diskutieren. Denn auch ich bin Realistin und sehe, dass es hier eine Mehrheit gibt, um das jetzige Gesetz abzuschaffen.

Aber,meine lieben Kolleginnen und Kollegen,Sie müssen sich natürlich auch entscheiden. Ist das jetzt eine abschreckende Wirkung, Frau Kollegin Sorge? – Die Zahlen zum Wintersemester haben das jedenfalls nicht hergegeben. Auch in den anderen Bundesländern, die Studienbeiträge eingeführt haben, war das gerade nicht der Fall.

(Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Auf der einen Seite sagen Sie, das sei eine abschreckende Wirkung, und gleichzeitig sagen Sie auf der anderen Seite: Wir übernehmen das, was für die Studienbeiträge angesetzt war, im Haushalt quasi 1 : 1. – Deswegen sind Sie auch in die Diskussion mit dem Finanzministerium getreten, wie hoch das ist. Aber Sie sagen gleichzeitig, dass Sie mehr Studierende wollen.Also fehlt Ihnen die Klausel im Gesetz, um das anzupassen, weil es nicht um die abschreckende Wirkung geht, sondern es müssen tatsächlich für alle Studierenden, wenn wir es schaffen, den Hochschulpakt 2020 umzusetzen, entsprechend mehr Gelder zur Verfügung gestellt werden.