Sie zeigt Ihre Konzept- und Kraftlosigkeit und macht deutlich, wie unsicher sich die SPD selbst ist, ob sie eine stabile Mehrheit für die Abschaffung der Studienbeiträge hat.
Wir erinnern uns: Herr Kollege Siebel, der von SPD und GRÜNEN erarbeitete Gesetzentwurf zur Abschaffung von Studienbeiträgen befindet sich im Verfahren. Am 19. Mai wird die öffentliche Anhörung stattfinden. Ich frage jetzt: Warum bedarf es der Unterstützung dieses Vorhabens durch eine Aktuelle Stunde?
Frau Kollegin Beer hat eben darauf hingewiesen: Die CDU-Fraktion und auch der Herr Ministerpräsident haben schon vor einigen Wochen erklärt – in der Vorbereitung der Anhörung und in der Debatte im Plenum –, dass das Hamburger Modell ein interessantes und diskussionswürdiges Konzept ist. Das ist also nicht neu.
Die CDU-Fraktion wird im Rahmen der schriftlichen und der mündlichen Anhörung das Hamburger Modell in die Beratung einbeziehen und zur Diskussion stellen. Das ist selbstverständlich und auch legitim.
Ich habe den Eindruck, die SPD hat Angst davor, dass ihr die GRÜNEN aus sachlichen Erwägungen heraus doch noch von der Fahne gehen könnten, und zwar um die Interessen der Studierenden zu wahren. Mit welcher Not und Eile verlangt die SPD von den GRÜNEN im Rahmen einer Aktuellen Stunde ein erneutes Bekenntnis zur Abschaffung von Studienbeiträgen, frage ich. Wie wenig muss die SPD den GRÜNEN trauen? Oder, anders gesagt: Wie wenig verlässlich ist die SPD selbst, dass sie so wankelmütig, wie sie selbst handeln würde, das auch den GRÜNEN zutraut?
Jedenfalls kann man heute feststellen, dass der Ministerpräsident stolz auf die Wirkung seines Interviews sein kann, in dem er über das Hamburger Modell redete. Das hat die SPD so in Wallung versetzt, dass heute eine Aktuelle Stunde daraus geworden ist.
Ja, Herr Kollege Spies, Sie haben eine solche Panik vor dieser Anhörung und den Inhalten, was da herauskommt, dass Sie denken, Sie müssten das noch ein bisschen begleiten.
Herr Kollege Siebel, wenn Sie schon Herrn Al-Wazir zitieren, dann müssen Sie es auch richtig zitieren. Er hat nämlich nicht gesagt, dass man sich die Freunde nicht aussuchen kann, sondern die Verehrer. Und das ist inhaltlich ein ganz schöner Unterschied.
Wenn es also um nachgelagerte Studienbeiträge geht, dann geht es um die Verbesserung der Studienbedingungen. Und wenn es um die Verbesserung der Studienbedingungen und nachgelagerte Studiengebühren geht, dann müssen sich die GRÜNEN auch daran erinnern lassen, dass das erste Modell für nachgelagerte Studienbeiträge von einem hessischen Grünen vorgeschlagen wurde, nämlich dem früheren Vorsitzenden Matthias Berninger.Also ist es nicht so, dass sich die GRÜNEN mit nachgelagerten Studienbeiträgen inhaltlich nicht beschäftigen.
Der Dringliche Berichtsantrag der GRÜNEN, der vorliegt, macht auch deutlich, dass es den GRÜNEN um die Gegenfinanzierung bei der Abschaffung von Studiengebühren geht und dass es natürlich auch darum geht, dann die Situation der Studierenden zu verbessern. Deswegen sage ich hier ganz deutlich: Davon ist bei der SPD nichts zu spüren.
Wir sind uns jedenfalls einig, dass es um die Verbesserung der Studiengebühren gehen muss. Auf welchem Weg wir das machen, darüber sind wir bisher unterschiedlicher Auffassung.Aber es geht im Ziel um die Verbesserung der Studienbedingungen und nicht rein um das Prinzip, Studienbeiträge,koste es,was es wolle,abzuschaffen – mit negativen Effekten.
Das Hamburger Modell ist eine Lösung mit deutschlandweitem Vorbildcharakter. So wird es jedenfalls auch von einigen Fachleuten wie dem Bildungsökonomen Dieter Dohmen kommentiert.
Herr Kollege Siebel, Sie haben darauf hingewiesen. Nachgelagerte Studiengebühren gibt es in Australien seit den
Achtzigerjahren, dort mit großen Erfolgen und mit langjährigen Erfahrungen. Selbst der AStA der Uni Hamburg lobte die Einigung. Torsten Hönisch, Mitglied der Jusos, bezeichnete den Kompromiss als durchaus akzeptabel.
Ich sage: Es geht uns bei der kommenden Anhörung zu den Gesetzentwürfen darum, dass die Verbesserung der Bedingungen der Studierenden im Vordergrund steht und nicht allein das Prinzip der Abschaffung aus ideologischen Gründen, wie das die SPD sieht.
Vielen Dank, Frau Kollegin Kühne-Hörmann. – Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Kollegin Wissler das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stelle zunächst einmal fest: Die Landesregierung ist in der Frage Studiengebühren auf dem Rückzug, und das ist schon einmal sehr erfreulich, weil es zeigt, dass sich die Ausdauer der Studentenbewegung gelohnt hat, wenn die Landesregierung jetzt selber nicht mehr an ihrem Gesetz festhält.
Studiengebühren sind und bleiben sozial ungerecht – in welcher Form und Ausprägung auch immer – und sind nicht vereinbar mit der Hessischen Verfassung,Art. 59.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Da schauen wir einmal! – Michael Boddenberg (CDU): Wissen Sie schon etwas? – Zuruf der Abg. Eva Kühne-Hörmann (CDU))
Deshalb hält die LINKE auch an ihrer Forderung fest, dass die verfassungswidrig gezahlten Studiengebühren zurückgezahlt werden müssen.
Die LINKE sagt, jeder Mensch hat ein Recht auf eine gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni. Frau Beer, da bin ich ganz bei Ihnen. Auch ich finde es ungerecht, dass für Kindergartenplätze bezahlt werden muss,dass die etwas kosten. Deshalb hat die LINKE auch in ihrem Wahlprogramm gefordert, dass Kindergartenplätze kostenlos sein müssen. Vielleicht kriegen wir gemeinsam einen Antrag dazu hin.
Das Argument des Hamburger Modells ist, dass Menschen, die nach oder aufgrund ihres Studiums einen guten Job haben, der Gesellschaft etwas zurückgeben sollen. Auch wir, die LINKE, sind durchaus der Meinung, dass Menschen, die nach oder aufgrund ihres Studiums besser verdienen, an die Gesellschaft etwas zurückgeben sollen.
Herr Boddenberg,Sie kennen mich schon gut.– Deshalb fordern wir eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen. Deshalb fordern wir die Wiedereinführung der Vermögensteuer.
Das ist doch eine wunderschöne Möglichkeit, einmal Danke zu sagen. Das ist die Möglichkeit für Menschen,
Jetzt bringen wir auch in den Haushalt etwas ein. Die Wiedereinführung der Vermögensteuer würde dem Land Hessen 1,2 Milliarden c pro Jahr bringen.
Ich will das nur einmal zahlenmäßig einordnen. Das ist das Zehnfache von den derzeitigen Einnahmen, die aus Studiengebühren erzielt werden.
(Michael Boddenberg (CDU): Leistungsträger müssen richtig abkassiert werden! Frau Kollegin, reden Sie nicht drum herum!)
Es ist immer die Frage, wer der Leistungsträger ist. Leistungsträger sind nicht nur Manager. Auch die Krankenschwestern sind Leistungsträgerinnen, Herr Boddenberg.
Der Unterschied zwischen Gebühren und Steuern ist nämlich, dass man zumindest im Prinzip – ich will nicht behaupten, dass wir in Deutschland eine gerechte Steuergesetzgebung hätten – über Steuern verschiedene Einkommen verschieden besteuert und verschiedene heranzieht. Die Gebühren sind für alle gleich. Und weil Gebühren für alle gleich sind, treffen sie niedrige Einkommen und Menschen aus sozial schwachen Schichten unverhältnismäßig härter als andere.
Meine Vorrednerin hat Australien angesprochen. Der „hervorragende“ Erfolg von Australien, wo es genau dieses Gebührenmodell gibt, ist nämlich, dass die Studiengebühren permanent erhöht wurden und dass die Jahreseinkommensgrenze in all den Jahren gesenkt wurde. Das heißt also, der Einstieg war relativ niedrig und klang mehr sozial verträglich.
Aber es war eben nur der Einstieg, und die Gebühren wurden erhöht und erhöht. Am Ende mussten die Leute mit sehr viel geringerem Einkommen das alles zurückzahlen.
Deshalb: Die LINKE lehnt jede Form von Studiengebühren ab, auch wenn sie nachgelagert sind. Bildung ist für uns keine Ware, sondern muss den Menschen kostenfrei zur Verfügung stehen. Das Hamburger Modell sieht vor, ab 30.000 c Jahresgehalt sollen Gebühren nachgelagert gezahlt werden. Ich möchte einmal festhalten, ich halte 30.000 c brutto im Jahr für keinen Spitzenverdienst.
Wenn junge Menschen gerade dann, wenn sie in das Berufsleben einsteigen, wenn sie anfangen, eine Existenz aufzubauen, wenn sie anfangen, eine Familie zu gründen, immer stärker belastet und zur Verschuldung gezwungen werden, braucht man sich nicht zu wundern, wenn sich die Leute drei- oder fünfmal überlegen,ob sie überhaupt Kinder bekommen wollen.
Da braucht man auch gar nicht Sonntagsreden zur Stärkung der Familie zu halten, wenn man nämlich jungen Menschen immer mehr die materielle Basis nimmt, überhaupt in der Lage zu sein, eine Familie zu gründen.