Protocol of the Session on May 9, 2008

tion immer das politische Tagesgeschäft sowie unterschiedliche... Standpunkte die sachliche Arbeit der Kommission beeinträchtigt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, diese Problembeschreibung unterschreiben wir sofort.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Beuth hat in seiner Rede anlässlich der Einbringung seines Antrags auf Einrichtung einer Härtefallkommission in Hessen im Mai 2004 in diesem Haus Folgendes gesagt – ich zitiere aus dem Protokoll –:Abgeordnete treffen „wahrscheinlich sogar bessere Entscheidungen, als sie eine Härtefallkommission treffen könnte, weil wir eine politische Einordnung“ vornehmen. – Da hat die CDU die Einrichtung einer Härtefallkommission mit NGOs vollends abgelehnt. Wir sind heute schon ein bisschen weiter. Ich habe dem Kollegen an dieser Stelle damals schon vehement widersprochen. Denn wenn wir zunächst eine politische Einordnung vornehmen und dann entscheiden, werden wir den Hilfesuchenden nicht gerecht. Hier spielt die Humanität die entscheidende Rolle und nicht die politische Einordnung.

(Beifall bei der SPD)

Meine Befürchtungen von damals haben sich leider bewahrheitet. Ich möchte nur an unsere Arbeit im ersten Jahr in der Härtefallkommission erinnern – das Jahr, in dem gerade einmal ein einziger Fall positiv empfohlen wurde. Sehr oft wurden Fälle durch die absolute Mehrheit negativ abgestimmt. Der Kollege Beuth wird sich daran vielleicht noch erinnern, denn er war damals Sprecher der CDU-Fraktion im Petitionsausschuss. Das ging so weit, dass wir Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion sehr ernsthaft überlegt haben, die Arbeit niederzulegen und die Härtefallkommission zu verlassen.Gespräche insbesondere mit Vertretern der Kirchen haben uns aber davon abgehalten, denn dann hätten wir überhaupt nichts mehr für die Menschen tun können.

Die Kommissionsarbeit hat sich daraufhin verändert, und es wurde ein bisschen besser. Im bundesweiten Vergleich finden sich die Ergebnisse der Arbeit der hessischen Härtefallkommission aber immer noch im hinteren Drittel. Das hat zum einen ganz bestimmt etwas damit zu tun,dass sehr viele Entscheidungen politisch motiviert waren. Das hat aber auch etwas damit zu tun, dass die Hürden bei uns in Hessen vergleichsweise sehr hoch sind.

Erstens. Ein Beschluss der Härtefallkommission, dem Innenminister die Aufenthaltsgewährung aufgrund eines Härtefalls zu empfehlen, muss mit Zweidrittelmehrheit gefasst werden. Dieses Quorum ist willkürlich festgelegt und hat überhaupt keine Grundlage im Aufenthaltsgesetz.Wir haben das schon damals kritisiert.Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf genügt die einfache Mehrheit. Das tragen wir als SPD-Landtagsfraktion mit.

Zweitens. Die derzeitig geltende Rechtsverordnung der Landesregierung sieht vor, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23a Aufenthaltsgesetz generell ausgeschlossen sein soll, „wenn... der Ausländer nicht in der Lage ist, den Lebensunterhalt einschließlich des ausreichenden Krankenversicherungsschutzes zu sichern“. Das ist ebenfalls eine sehr hohe Hürde. Das Aufenthaltsgesetz regelt die Sicherung des Lebensunterhalts so überhaupt nicht, sondern zielt immer auf eine Einzelfallbetrachtung ab. Hessen kehrt also die Systematik des

Bundesgesetzes an dieser Stelle zulasten der Hilfesuchenden um. Mit unserem Antrag, den wir bereits im letzten Plenum diskutiert haben, möchten wir das ändern.

Auch in der fraktionsinternen Anhörung, die wir damals durchgeführt haben, wurde von Vertretern beider Kirchen dringlich darauf hingewiesen, dass die Anerkennung als Härtefall nicht von der Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht werden darf. Um einzelne Sozialhilfeträger nicht über Gebühr zu belasten, kann man durchaus über die Einrichtung eines Ausgleichsfonds nachdenken. Solche Fonds gibt es in einigen Bundesländern bereits.

Drittens. Die zwingende Vorschaltung der Beratung der Fälle im Petitionsausschuss halten wir für verzichtbar, denn sie stellt wiederum eine Hürde dar. Das Verfahren ist intransparent und zufällig. Der Weg, den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dem Gesetzentwurf vorgeschlagen hat, ist gut und findet unsere Zustimmung. Es soll in Zukunft, wie in allen anderen Bundesländern, eine Geschäftsstelle der Härtefallkommission geben, an die sich die Betroffenen wenden können. In einer Vorprüfungskommission wird dann entschieden, ob sich die Härtefallkommission mit dem Anliegen befassen wird.

Zum Schluss noch ein Aspekt, den ich bereits bei der Einbringung unseres Antrags betreffend politikfernere Besetzung der Härtefallkommission im vergangenen Plenum angesprochen habe. Wir als SPD wollen eine Zusammenarbeit aller Mitglieder auf Augenhöhe und mit gleichen Rechten. Das ist für uns nicht verhandelbar.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man, wie in anderen Bundesländern, an einem Tisch sitzt, lernt man voneinander und kann Verständnis für die Entscheidungen und die Arbeit des anderen aufbringen. Diese Chance sollten wir auch in Hessen wahrnehmen.

Gerne sind wir bereit,über die einzelnen Mitglieder in der Härtefallkommission zu reden. Die SPD-Landtagsfraktion kann sich durchaus eine Kommission vorstellen, in der überhaupt keine Abgeordneten vertreten sind. Das war Inhalt unseres ersten Antrags im März 2004. Unser heutiger Vorschlag zur Entsendung je eines Mitglieds aller im Hessischen Landtag vertretenen Fraktionen ist ein Kompromiss, und zwar zwischen einer Kommission, die ausschließlich von Politikern besetzt ist, und einer Kommission, die vollkommen politikunabhängig arbeitet.

Die von uns vorgeschlagenen Mitglieder beschäftigen sich in ihrem beruflichen Umfeld tagtäglich mit den Problemen von Migrantinnen und Migranten. Diese Fachkompetenz sollten sie in die Arbeit der Härtefallkommission einbringen. Mit Verlaub und mit Blick auf die Debatte im letzten Plenum: Die Qualifikation, die Menschen mitbringen, die sich beruflich tagtäglich mit nichts anderem als mit den Angelegenheiten und Problemen unserer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern beschäftigen, können wir Abgeordneten beim besten Willen nicht mitbringen. Ich möchte niemandem absprechen, seine Arbeit im Petitionsausschuss und in der Härtefallkommission bestmöglich und umfassend erledigt zu haben.Aber wenn Sie ganz ehrlich sind, meine Damen und Herren, dann geben Sie zu, dass das allein schon aus Zeitgründen einen großen Unterschied macht. Ich bin davon überzeugt, dass die neu zu berufenden Mitglieder der Kommission – wie schon die bisherigen Mitglieder – sehr verantwortlich entscheiden werden.

SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben Vorschläge betreffend die Zusammensetzung der Härtefallkommission gemacht. Ob das über eine Änderung der Rechtsverordnung,wie es die SPD-Fraktion beantragt hat und wie es das Aufenthaltsgesetz vorsieht, oder ob es über einen Gesetzentwurf geschieht, wie es BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorschlägt, ist nicht so relevant. Wichtig ist aber, dass Entscheidungen der Härtefallkommission nicht vom politischen Tagesgeschäft überlagert werden und dass externer Sachverstand in die Arbeit eingebunden wird.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es liegen betreffend die Besetzung der Härtefallkommission ein gemeinsamer Antrag von CDU und FDP, ein Antrag der SPD und ein Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor. Wir werden uns im Innenausschuss mit den jeweiligen Initiativen weiter beschäftigen.Ich gehe davon aus,dass uns diesmal eine Anhörung nicht verwehrt werden kann, wie es 2004 geschehen ist. Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass wir eine vernünftige Lösung finden werden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Frau Waschke. – Herr Greilich, Sie haben Gelegenheit, für die FDP-Fraktion Ihre Position darzulegen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass ich vorab meine Verwunderung über das Selbstverständnis zum Ausdruck bringe, das hier von verschiedenen Rednern an den Tag gelegt worden ist. Nach allem, was ich über die Arbeit der Härtefallkommission in der letzten Wahlperiode gehört habe, kann ich mich bei den Abgeordneten aus allen Fraktionen nur bedanken, die in der Härtefallkommission tätig waren und dort eine hervorragende Arbeit geleistet haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Waschke, ich weiß nicht, in welchem Gremium Sie gearbeitet haben, wenn Sie meinen, die Arbeit müsse in der Sache verbessert werden. In der Sache ist dort hervorragend gearbeitet worden.

Gleichwohl, das wird Ihnen nicht entgangen sein, gibt es einen Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, die Zusammensetzung der Härtefallkommission nach den Erfahrungen aus der letzten Wahlperiode zu ändern. Wir wollen externen Sachverstand in die Härtefallkommission hereinholen.

Das hätten wir wahrscheinlich schon heute beschließen können, wenn die GRÜNEN nicht der Auffassung wären, das müsse unbedingt per Gesetz passieren.Ich habe in der Debatte in der letzten Plenarsitzung schon gesagt: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen. – Das ist eine Grunderkenntnis, die etwas mit Bürokratieabbau und auch damit zu tun hat, wie man mit dem Staat umgeht. Deswegen meine ich, wir bräuchten auf keinen Fall ein Gesetz.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das werden wir im Ausschuss noch einmal in aller Ruhe mit Ihnen besprechen.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, die FDP-Fraktion hat sich in der Vergangenheit dafür eingesetzt, dass die Mitglieder des Petitionsausschusses gleichzeitig Mitglieder der Härtefallkommission sein sollen.

(Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))

Das hat in der Vergangenheit hervorragend funktioniert. Das ändert aber nichts daran, dass es, wie ich schon gesagt habe, Sinn macht, die Arbeit der Härtefallkommission durch die Hereinnahme von Vertretern von Nichtregierungsorganisationen zu verstärken und deren Sachverstand einzubeziehen.Das wollen wir gegenüber der Praxis der Vergangenheit in der Tat ändern.

Die SPD-Fraktion hat einen ähnlichen Antrag eingebracht, hat dabei allerdings den Beratungen, die unseres Erachtens im Ausschuss geführt werden sollten, schon vorgegriffen und eine konkrete Zusammensetzung der Kommission vorgeschlagen. Entscheidend ist aber, dass die SPD immerhin erkannt hat:Wir brauchen hierfür keinen Gesetzentwurf.Das geht auch ohne.– Ich bin insoweit gespannt, wie sie sich in der Ausschussberatung positionieren wird.

Ich denke, wir können über die sachlichen Vorschläge, die in den drei jetzt vorliegenden Initiativen enthalten sind, im Ausschuss durchaus gemeinsam beraten, wobei über eine Grundfrage zu entscheiden sein wird. Dazu ist die Position der FDP eindeutig: Wir sind dezidiert anderer Auffassung als die GRÜNEN.Wir meinen in der Tat, dass die demokratische Legitimation der Härtefallkommission gewährleistet sein muss.

(Beifall bei der FDP)

Das bedeutet, dass weiterhin gewählte Vertreter des Volkes – sprich: Landtagsabgeordnete, am besten solche, die auch im Petitionsausschuss tätig sind – in der Härtefallkommission sitzen und sie mit ihrer demokratischen Legitimation stärken sollen, statt das Spielfeld völlig aus der Hand zu geben. Das ist der eine Punkt, der gegen den Ansatz der GRÜNEN spricht.

Bei dem zweiten Punkt geht es mehr um technische Angelegenheiten. Ich habe in dem Gesetzentwurf gelesen, dass zwei Vertreter der Kirchen in der Härtefallkommission sitzen sollen. Wir können uns wahrscheinlich darauf verständigen, dass es sich um je einen Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche handelt, nicht etwa um zwei Vertreter der katholischen oder zwei Vertreter der evangelischen Kirche.Aber das sind handwerkliche Angelegenheiten, die man noch ordentlich regeln muss.

Zwölf Vertreter von Non-Government-Organisationen: Auch darüber, ob dies unbedingt notwendig ist, um ein arbeitsfähiges Gremium zu erhalten, werden wir im Ausschuss zu sprechen haben. Ich meine, es könnten auch ein paar weniger sein.Aber letztlich soll es daran nicht scheitern.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Bei dem entscheidenden Punkt geht es um andere Fragen. Wir wollen schnelle und den Menschen gerecht werdende Entscheidungen der Härtefallkommission.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen aber keine in irgendeiner Form ausufernde Bürokratie. Abgesehen von den Kosten, die damit ver

bunden sein werden: Wenn ich lese, dass für eine Härtefallkommission eine eigene Geschäftsstelle eingerichtet werden soll, sehe ich nicht nur eine neue Bürokratie, sondern auch Kosten und zeitliche Verzögerungen entstehen.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen.

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Kollege Greilich, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Waschke?

(Wolfgang Greilich (FDP):Ich gestatte auch einmal eine Zwischenfrage, ich habe genug Zeit!)

Herr Kollege Greilich, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass in 14 Bundesländern eine solche Geschäftsstelle vorgeschaltet ist? So funktioniert das in 14 anderen Bundesländern. Haben Sie das zur Kenntnis genommen?

Frau Kollegin Waschke, ich habe das durchaus zur Kenntnis genommen. Aber ich habe noch nie eingesehen, dass es, wenn es 14-mal falsch gemacht worden ist, unbedingt notwendig ist, sich wie die Lemminge hinterherzustürzen und den gleichen Fehler noch einmal zu machen. Ich bin grundsätzlich dagegen, zusätzliche Bürokratien aufzubauen.