Protocol of the Session on April 24, 2008

Das grundsätzliche Spannungsverhältnis, in dem wir uns bewegen, ist die Frage der Gewährleistung der Bürgerrechte, der verfassungsmäßigen Rechte einerseits und der staatlichen Eingriffe andererseits, die zur Wahrung der Sicherheit notwendig sind. Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu wahren, ohne das Maß zu verlieren, ist die Grundaufgabe.Dabei ist eine Grundaussage:Wir müssen nicht danach fragen, was technisch möglich ist, was man alles machen könnte, sondern danach, was wirklich nötig ist, um unsere Sicherheit zu gewährleisten.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zur Regelung der Rechte des Bundeskriminalamtes wird eine Grenzlinie überschritten, die nicht überschritten werden darf.

(Beifall bei der FDP)

Dabei fokussiert sich die Diskussion auf die Frage der Onlinedurchsuchung. Dazu haben wir auch eine klare Aussage getroffen. Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung muss gewährleistet sein. Onlineüberwachungen stehen dem entgegen. Das gilt insbesondere durch die zwangsläufig notwendige Einbeziehung von Kontaktpersonen für unbeteiligte Dritte. Dieses Mittel ist untauglich oder unzulässig. Wenn man sich an den Grenzen des Bundesverfassungsgerichts bewegt, kann man es entweder gleich lassen, weil nichts dabei herauskommt, oder man muss in Kauf nehmen, die Grenzen, die das Verfassungsgericht gezogen hat, zu überschreiten.

(Beifall bei der FDP)

Worauf ich Ihre Aufmerksamkeit lenken will, ist, dass der vorliegende Gesetzentwurf, bei dem nur über Onlineuntersuchungen diskutiert wird, noch ganz andere Inhalte hat, mit denen sich auseinanderzusetzen lohnt. Ich nenne Ihnen zwei Beispiele.

Das eine ist die Scheinauseinandersetzung, die offensichtlich zwischen dem CDU-Innenminister Schäuble und der SPD-Justizministerin Brigitte Zypries über die Frage der Notwendigkeit des Eindringens in Wohnräume inszeniert wird, um Onlinedurchsuchungen zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren, das ist eine Scheinauseinandersetzung. Offenkundig nimmt man dies von vornherein als Voraussetzung in Kauf. Denn wie wollen Sie sonst erklären, dass im gleichen Gesetzentwurf neben dem

Lauschangriff auch die Videoüberwachung von Wohnräumen vorgesehen ist? Mir hat jedenfalls noch keiner erklärt, wie man durch Beamen oder sonst wie Kameras in Wohnungen bringen soll.

Also ist offenkundig vorausgesetzt,dass das Eindringen in Wohnungen zulässig sein soll.Warum diskutiert man jetzt über diese Frage? Weil man meint, von entscheidenden anderen Fragen ablenken zu müssen.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann aus einer Erklärung des Hessischen Datenschutzbeauftragten zitieren. Herr Prof. Ronellenfitsch hat erklärt: „Weder für die optische noch für die akustische Wohnraumüberwachung ist geregelt, ob die Beamten zur Vorbereitung dieser Maßnahmen die Wohnung betreten dürfen.“ Meine Damen und Herren, das ist in der Tat so und nicht anders. Für die FDP gilt: Es muss immer noch zwischen James-Bond-Filmen, netten Inszenierungen und Polizeiarbeit im Rechtsstaat unterschieden werden. Deswegen kann es solche Dinge nicht geben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Menschen in ihrem intimsten Bereich zu filmen und zu fotografieren – dazu hat der Staat kein Recht. Schon beim Thema Lauschangriff hat uns das Bundesverfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben: Die Bänder müssen aus sein, wenn es privat wird. – Filmaufnahmen sind immer privat, wenn sie in diesem Bereich laufen.Also müssen sie von vornherein unterbleiben.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Es gibt einen letzten Punkt, den ich ganz besonders Ihrer Aufmerksamkeit empfehlen will, auch Ihnen, Herr AlWazir. Sie sollten in der Tat den Gesetzentwurf einmal lesen. Dann werden Sie auf einen § 20c des Gesetzentwurfes zur Novellierung des BKA-Gesetzes stoßen.Dort wird so ganz nebenbei einmal das Zeugnisverweigerungsrecht abgeschafft. Das heißt, in Zukunft muss die Ehefrau gegen ihren Ehemann aussagen, der Ehemann gegen die Ehefrau. Es gibt kein Beichtgeheimnis mehr. Das Anwaltsgeheimnis wird außer Kraft gesetzt werden. Die journalistische Verschwiegenheitspflicht ist dahin.

Meine Damen und Herren, ich kann mich nur wundern, dass dieser Grundangriff bislang überhaupt noch keine Resonanz in der Öffentlichkeit gefunden hat.Wir müssen genau über diese Frage reden. Ich frage mich in der Tat, wo in diesem Bereich noch die Grenzlinie ist. Um das auch noch fortzusetzen: Bekommen wir demnächst einen Gesetzentwurf zur Einführung der peinlichen Befragung? Das kann in der Tat nicht der Weg sein.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Greilich, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen. Die vereinbarte Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss.

Wir werden in den nächsten Wochen die Hausaufgaben zu erledigen haben. Wir haben einiges im Bereich des Polizeirechts abzuräumen. Ich kann Ihnen nur sagen:Wer für

die Sicherheit Freiheitsrechte aufgeben will, der wird zum Schluss Freiheit und Sicherheit verlieren. Das wird es mit Liberalen nicht geben.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Greilich. – Das Wort hat Herr Kollege Beuth von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich den Titel noch einmal ins Auge nehmen, den die GRÜNEN der Aktuellen Stunde gegeben haben: „Bürgerrechte bewahren – Bouffier bremsen“. Lassen Sie mich zunächst mit den Bürgerrechten anfangen.

(Günter Rudolph (SPD): Da scheint etwas dran zu sein!)

Herr Kollege Greilich, es ist in der Tat so, dass wir hier Freiheit und Sicherheit miteinander wiegen müssen.Aber Freiheit wird eben gerade durch Sicherheit gewährleistet, und damit werden Bürgerrechte am Ende bewahrt.

(Zurufe von der FDP: Überwachungsstaat!)

Insofern befinden wir uns in einer sehr wichtigen Abwägung, die wir gemeinsam treffen müssen. Bei der Frage „Bouffier bremsen“ werden Sie mir nachsehen, dass ich hier für die CDU-Landtagsfraktion erklären darf: Bloß nicht unseren Innenminister bremsen,

(Beifall bei der CDU)

weil wir es nicht zuletzt der durchaus erfolgreichen Sicherheitspolitik der vergangenen Jahre zu verdanken haben,

(Günter Rudolph (SPD): Na ja!)

dass wir eine sehr hohe Aufklärungsquote in unserem Land haben. Wir haben sinkende Zahlen an Straftaten. Wir haben eine hervorragend ausgebildete und ausgestattete Polizei, und wir waren sehr erfolgreich auch bei der Terrorismusbekämpfung. Also stelle ich insofern für die CDU fest: Bloß nicht bremsen, lieber Herr Innenminister, sondern weitermachen.

(Beifall bei der CDU)

Sollten Sie den Titel allerdings anders verstanden haben – jetzt darf ich aktuelle Diskussionen in den Fokus nehmen –, wenn Sie der Auffassung sind, dass wir kurz anhalten sollen, damit Sie auf den Weg nach Jamaika aufspringen, dann werden wir darüber sicherlich debattieren können. Aber „Bremsen“ ist nicht im Interesse unseres Landes – das will ich hier festhalten.

Meine Damen und Herren, wir brauchen zur Gewährleistung der Sicherheit in unserem Lande auch die notwendigen Hilfsmittel, und zwar die rechtlichen Hilfsmittel wie auch die notwendigen technischen Hilfsmittel.

Dazu reicht es nicht mehr, wie vielleicht vor 100 oder 120 Jahren, dass man mit Pickelhaube und strengem Blick durch die Straßen geht. Im 21. Jahrhundert funktioniert das nicht mehr. Heute reichen nicht einmal mehr das Handy und der Computer dazu aus, um die Sicherheit und damit auch die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren, die Globalisierung bringt eine unglaubliche Vernetzung der Welt mit sich.Auf diese digitale Vernetzung müssen wir als Staat im Interesse der Bürgerinnen und Bürger reagieren.Wir stellen fest, dass mittlerweile Verbrechen im Internet und wo auch immer verabredet werden, und wir können nicht zulassen, dass am Ende digitale Freiräume entstehen, die es dem Staat unmöglich machen, in gewissen Bereichen Verbrechen und insbesondere Terrorismus zu bekämpfen. Insofern ist es klug und richtig, dass im Rahmen des BKA-Gesetzes unter anderem auch die Onlinedurchsuchung vorgesehen ist, die hier in Rede steht.

Meine Damen und Herren, wir haben es hier bereits ein paar Mal miteinander diskutiert: Bei der Onlinedurchsuchung geht es nicht um eine polizeiliche Standardmaßnahme. Nein, das war nie geplant. Es geht da um einen ganz bestimmten Bereich, um ganz wenige Fälle, die für dieses Ermittlungsinstrument überhaupt nur infrage kommen. Nur bei einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut, also bei schwerwiegendsten Vorwürfen, ist eine Onlinedurchsuchung angedacht, und das Ganze unter Richtervorbehalt. Meine Damen und Herren,solche Onlinedurchsuchungen können überhaupt nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit der Behörde durchgeführt werden. Die Vorstellung, mit dem BKA-Gesetz bekäme der Staat am Ende die Möglichkeit, in jeden privaten Computer hineinzuschauen, ist – abgesehen davon, dass das rechtlich überhaupt nicht vorgesehen ist – auch technisch überhaupt nicht möglich. Denn eine Onlinedurchsuchung, wie sie hier in Rede steht, muss in jedem speziellen Fall mit großem Aufwand von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Behörde vorbereitet werden.

Bei der Onlinedurchsuchung reden wir hier von vielleicht zehn, vielleicht 20 Fällen in einem ganzen Jahr. Das muss man zur Versachlichung der Debatte an dieser Stelle noch einmal sagen, und ich bitte Sie, das auch zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir hier von einem ganz bestimmten Bereich reden, dann müssen Sie vielleicht auch die Wirklichkeit einmal zur Kenntnis nehmen,nämlich dass wir nicht mehr nur mit Handys, mit Telefon miteinander kommunizieren und Verbrecher auf diese Weise Verbrechen und Terrorakte miteinander verabreden, sondern wir haben mittlerweile Techniken wie Voice-over-IP mit Verschlüsselungstechniken, die es den Sicherheitsbehörden überhaupt nicht mehr möglich machen, mit den herkömmlichen Mitteln dort mitzuhören, wo eine Gefahr für die Sicherheit und Freiheit der Bürgerinnen und Bürger besteht.

Meine Damen und Herren, es reicht nicht, E-Mails abzufangen, wenn die von den Sicherheitsbehörden nicht gelesen werden können. Im Übrigen reicht es auch nicht, hinterher

Herr Kollege Beuth, ich bitte, zum Schluss zu kommen.

ja, ich komme zum Schluss – den Computer mitzunehmen, wenn man ein Verbrechen aufgeklärt hat, und ihn auszulesen.Wenn er entsprechend verschlüsselt ist, ist das auch nicht möglich. Deshalb muss man auf ihn zugreifen,

wenn er aktiv ist, und dafür brauchen wir die Onlinedurchsuchung.

Meine Damen und Herren,ich komme zum Schluss.Bouffier nicht bremsen – das ist im Interesse der Sicherheit unseres Landes. Deshalb freuen wir uns, dass er weitermachen kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Beuth. – Das Wort hat für die SPD-Fraktion der Kollege Rudolph.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Jetzt kommt Qualität in die Debatte! – Gegenruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU): Das würde ich anders sehen! – Weitere Zurufe von der SPD und der CDU)