Protocol of the Session on April 22, 2008

Insbesondere sehen wir die Veränderungsvorschläge zum Thema UG+ als eine Rückkehr zu mehr Ehrlichkeit. Es geht um die Klarstellung, dass mit den externen Kräften vielleicht eine verlässliche Schulzeit garantiert werden kann, was wir nicht geringschätzen wollen – denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kommt dadurch ein ganzes Stück voran –, aber doch nicht eine Unterrichtsgarantie oder auch nur eine verbesserte Unterrichtsversorgung.Wir begrüßen diese Änderungen auch deshalb, weil unseres Erachtens durch die bisherige UG+ der gesamte Berufsstand der Lehrer diskreditiert wurde,indem Unterricht angeblich auch durch nicht qualifizierte Kräfte durchgeführt werden konnte.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Querversetzung haben wir immer abgelehnt,von daher hat die SPD auch hierbei unsere Unterstützung. Ebenso bei der Streichung des § 161 Abs. 19, wo es um die Beteiligung der Eltern an den Schülerbeförderungskosten geht. Wir unterstützen den Vorschlag, sowohl Mindestwerte bei den Klassengrößen als auch Zweizügigkeit statt Vierzügigkeit bei den Gesamtschulen festzulegen, um Klassenzusammenlegungen sowie Schulschließungen zu vermeiden.

Zu Frau Henzler. Ich denke, dass das mit einer inneren Differenzierung auch bei der Zweizügigkeit geht. Da ist von den Lehrern und den Schulen einfach mehr gefordert, was die innere Differenzierung anbelangt.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu dem Antrag der GRÜNEN und später auch in Teilen der FDP. Die Wiedereinführung des Begriffs der Durchlässigkeit statt der Anschlussfähigkeit ist sinnvoll, vorausgesetzt, es handelt sich auch hierbei nicht nur um eine Sprachregelung, sondern es gelingt durch diese Gesetzesänderung tatsächlich, den Grundsatz der Durchlässigkeit zu gewährleisten, wie es die Änderung beabsichtigt. Natürlich ist dabei auch die Anschlussfähigkeit erforderlich.

Zum Thema G 8. Sie kennen unsere Sichtweise: Wir wollen zurück zu G 9.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): In der Ostzone gab es auch G 8!)

Von daher ist der Vorschlag, den Gymnasialzweig an kooperativen Gesamtschulen wahlweise fünf- oder sechsjährig zu organisieren, ein erstes Zugehen auf die Rückkehr zu G 9, aber von uns in dieser Form nicht zu unterstützen. Diese Regelung verlangt von den Eltern, schon bei ihren zehnjährigen Kindern zu entscheiden, ob sie ihnen G 8 zumuten wollen oder nicht. Schulwegentscheidungen in diesem Alter halten wir für falsch.Auch aus diesem Grund treten wir für das längere Lernen ein. Die sechsjährige Mittelstufe wäre für uns daher ein wichtiger Schritt.

Mit der Wahl zwischen fünf- und sechsjähriger Mittelstufe bzw. der Aufteilung von G 8 und G 9 auf die Gymnasien und kooperativen Gesamtschulen können wir uns nicht einverstanden erklären. Auch hier sollen die Eltern früh

eine Schulwegentscheidung fällen.Gesamtschulen für Benachteiligte und Gymnasien für die Bildungselite – das darf nicht auch noch verstärkt werden.An manchen Schulen ist es schon so.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Hans- Jürgen Irmer (CDU))

Wir denken daher, dass wir im Ausschuss weiter beraten und möglichst auch zu einem gemeinsamen Beschluss kommen sollten, wie wir gemeinsames Lernen weiter voranbringen können und durch individuelle Formen der Flexibilisierung von Lernzeiten entsprechend den individuellen Lernmöglichkeiten und den zu erreichenden Zielen durch Überspringen von Klassen, fachbezogene Mitarbeit in anderen Klassenstufen und anderes mehr allen Schülern gerecht werden können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke sehr, Frau Cárdenas. – Herr Staatsminister Banzer hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir in der letzten Landtagssitzung über Schule gesprochen haben,haben wir vor allem darüber gesprochen, wer denn nun an allem schuld ist und wo die Fehler liegen. Diesmal haben wir darüber gestritten, wer sich am meisten in seinen Positionen verändert hat. Die Diskussion wird immer spannender und immer aktueller.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sind mittendrin!)

Ich bitte aber einfach einmal, beide Sitzungen und das gesamte Antragskonvolut, das jetzt vorliegt, gemeinsam zu sehen – damit meine ich die Anträge vom letzten Mal und die von diesem Mal – und sich dann die Schulen in Hessen vorzustellen. Ich glaube, dass die jetzt hin und wieder leise singen: „Erbarmen, die Hessen kommen“. Das ist zu viel an Diskussion und an Unruhe sieben Wochen vor Beginn der Sommerferien. Ich glaube, dass der Weg, der eingeschlagen war – mit einer gründlichen Anhörung, mit der Konzentration auf das Thema G 8 –, zum kommenden Schuljahr Aufgabe genug ist. Die anderen Dinge, die mir ohnehin sehr punktuell vorkommen, werden in den Schulen nicht konstruktiv, nicht positiv ankommen.

Der heute schon mehrfach zitierte Vorsitzende der Arbeitsgruppe der Gymnasialdirektoren hat dazu gesagt – ich sage das auch vor dem Hintergrund,dass wir nicht wieder in diese Diskussion geraten –:

Parteipolitische Manöver wie die von der SPD geplante Abschaffung der Querversetzung bringen Unruhe in die Schule.Ich warne vor übereilten Korrekturen.

Ich bitte das wirklich ernst zu nehmen.Ich glaube,dass die Schulen mit den verschiedenen Positionen, die jetzt vorformuliert wurden, wenig anfangen können.

Ich muss zugeben, ich habe auch Probleme mit dem Antrag der GRÜNEN betreffend Durchlässigkeit oder Anschlussfähigkeit. Erreichen wir mit dieser Formulierung tatsächlich eine spürbare, nachhaltige Veränderung der

Situation? Ich will auch nicht in eine semantische Auseinandersetzung einsteigen. Aber an sich kann man sagen, dass Anschluss mehr ist als Durchlässigkeit. Die Anschlussfähigkeit formuliert einen unmittelbaren Anspruch des Schülers, die Durchlässigkeit ist eher ein Auftrag an die Schule. Wenn man unter dieser juristischen Fragestellung schaut, womit ein Betroffener, ein Schüler mehr anfangen kann, muss man das noch einmal diskutieren. Das kann im Ausschuss geschehen.

Positiv finde ich die Entwicklung zur Thematik verlässliche Schule. Mit den Querversetzungen, glaube ich, tut man den betroffenen Schülern nichts Gutes an. Ich denke schon, dass das nur zu Bildungsfrustration, zu schwierigen Situationen für die betroffenen Schülerinnen und Schüler führen kann.

Die Diskussion um die Richtwerte kann man in der Tat entspannter sehen. Ich denke aber, dass da auch wieder ein bisschen zu viel des Guten getan wurde. Wenn ich die integrierte Gesamtschule richtig verstehe und wenn Sie die integrierte Gesamtschule fair entwickeln und fahren wollen, dann können Sie die Größe nicht auf Zweizügigkeit festlegen. Das sorgt dafür, dass ein wesentlicher Vorteil des Systems nach Ihrer Argumentation nicht mehr erreichbar ist. Eine Differenzierung ist bei zwei Klassen – das liegt doch auf der Hand – praktisch nicht mehr möglich.

Ob man das Thema Schülerbeförderungskosten unbedingt wieder ansprechen musste,weiß ich nicht.Ich bin relativ sicher – dem Berufsstand der Landräte bin ich nach wie vor verbunden –, dass dies sofort wieder zu einer Diskussion führen wird, was unter Konnexitätsaspekten vom Land für die zusätzlichen Schülerfahrtzeiten, die durch Nachmittagsangebote an der Schule entstehen, zu zahlen wäre.An sich hatten wir auf dieser Baustelle Ruhe. Durch den Antrag wird sie wieder aufgemacht. Ich halte es für richtig, dass wir den Antrag zur G 8/G 9 diskutieren. Es ist auch richtig und klarstellend, dass wir die sechsjährige Mittelstufe dabei als einen festen Punkt in der Diskussion über die Zukunft des G 8 festlegen. Über weitere Punkte wird zu reden sein.

So liberal der Antrag der FDP ist – er ist schon fast radikal liberal, alle dürfen noch einmal fragen, jeder darf noch einmal entscheiden –, das System Schule mit 850.000 Schülerinnen und Schülern, mit über 55.000 Lehrerinnen und Lehrern kann eine solche Situation sieben Wochen vor Schuljahresende nicht verkraften. Man muss sich das auch sorgsam juristisch anschauen. G 8/G 9 ist mit einer gesetzlichen Grundlage verbunden, sonst müsste es den Gesetzentwurf der GRÜNEN dazu nicht geben.Ohne gesetzliche Grundlage die Schulen dazu aufzufordern, sich zu entscheiden, wird enorm schwierig. Es bleibt abzuwarten, bis die gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Der anschließende Entscheidungsprozess in den Schulen – es wird ja Diskussionen geben, wer G 8 und wer G 9 will, das läuft nicht so einfach –, jedes Elternpaar noch einmal zu befragen, ob sie angesichts dieser Situation bei ihrer Entscheidung bleiben oder eine neue treffen wollen, und darauf wiederum mit Lehrerzuweisungsfragen zu reagieren, würde zu einer Unruhe in den Schulen führen. Damit würde Ihr Anliegen, dass man jetzt neu wählen kann und dass dadurch die Beruhigung eintreten kann, konterkariert. Über die Machbarkeit dieses Antrags sollten wir ganz gelassen im Kulturausschuss diskutieren.

(Beifall bei der CDU)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Staatsminister Banzer. – Frau Kollegin Henzler hat sich zu Wort gemeldet. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werbe sehr intensiv dafür, dass wir jetzt nicht wieder irgendwelche Hürden aufbauen: Das geht nicht, und das geht nicht. – Glauben Sie, die kooperativen Gesamtschulen leben im politikfreien Raum und hören nicht schon seit der Landtagswahl einzelne Signale?

(Beifall bei der FDP)

Wir haben schon Briefe von kooperativen Gesamtschulen bekommen, die sagen: Lasst uns mit Beginn des nächsten Schuljahres damit anfangen. – Eltern an kooperativen Gesamtschulen – es geht insbesondere um die Eltern, die ihre Kinder für den Gymnasialzweig oder die gymnasialen Eingangsklassen angemeldet haben, es gibt ja nur noch ganz wenige originäre Förderstufen an den KGSen – wissen ganz genau, dass sich in diesem Kontext etwas verändert. Nicht alle Schulen in ganz Hessen müssen gefragt werden, und es müssen auch nicht alle Eltern gefragt werden. Die Eltern und auch die Schulen sind bereits für dieses Thema sensibilisiert und können sich relativ schnell entscheiden. Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich: Bei den Schülerströmen trifft es nicht alle Schüler, die jetzt dort angemeldet sind. Nur einige werden sich anders entscheiden. Ich glaube, man kann von den Staatlichen Schulämtern ein bisschen Flexibilität und intensives Arbeiten erwarten, um das zum kommenden Schuljahr umzusetzen.

(Beifall bei der FDP)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Frau Henzler. – Eine erneute Replik von Herrn Staatsminister Banzer. Bitte.

Frau Henzler, ich finde es ja richtig, dass die Staatlichen Schulämter arbeiten sollen. Das tun sie gerade in den Wochen vor Schuljahresende und zu Beginn eines neuen Schuljahres. Die gesetzliche Regelung führt aber auch zu Ansprüchen der Eltern. Sie haben einen gesetzlichen Anspruch auf G 8, solange nicht G 9 als Alternative beschlossen ist. Ein Elternpaar, das ein Kind bei einer kooperativen Gesamtschule angemeldet hat, hat einen Rechtsanspruch darauf, dass G 8 gegeben wird – mindestens so lange,bis der Hessische Landtag etwas anderes beschlossen hat.

Jetzt sollen, ohne dass das Gesetz geändert ist, die Staatlichen Schulämter fragen: Angenommen, es wird geändert, wie würden Sie entscheiden? – Abgesehen davon ist noch nicht abschließend darüber diskutiert worden, wie G 8 künftig aussieht. Das ist eine gute Idee, die aber nicht machbar ist.

(Florian Rentsch (FDP): Keine schöne Antwort!)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Staatsminister Banzer. – Die Rednerliste ist abgearbeitet. Ich stelle fest, dass die erste Lesung

der beiden Gesetzentwürfe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Änderung des Hessischen Schulgesetzes stattgefunden hat, ebenso die Beratung zum Dringlichen Antrag der FDP,Tagesordnungspunkt 31.

Ich gehe davon aus, dass die beiden Gesetzentwürfe und der Dringliche Antrag an den Kulturpolitischen Ausschuss überwiesen werden sollen. – Kein Widerspruch, dann ist das so entschieden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf:

Dringlicher Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes – Drucks. 17/69 –

Ich darf der Fraktion DIE LINKE das Wort erteilen. Bitte sehr, Frau Wissler. Fünf Minuten Redezeit sind verabredet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass der Gesetzentwurf heute noch aufgerufen wurde; es ist immerhin ein dringliches Anliegen. Kaum war die Frankfurter Universität zur Stiftungsuniversität umgewandelt, haben Senat und Hochschulrat beschlossen, ab dem kommenden Wintersemester keine Fachabiturienten mehr zum Studium zuzulassen. Dieser Beschluss war überschrieben mit den Worten: „Das Abitur zählt!“ Die Stiftungsuniversität Frankfurt ist damit die einzige hessische Universität, die Inhaber der Fachhochschulreife ablehnt. Damit bestätigen sich Befürchtungen, die es gab, als die Frankfurter Universität zur Stiftungsuniversität umgewandelt wurde.

Wenn der Präsident der Frankfurter Universität, Rudolf Steinberg, erklärt: „Wir wollen das Tor schließen, bevor viele kommen“, zeigt das sehr klar, dass es um Auslese geht, dass es darum geht, Fachabiturienten von der Universität fernzuhalten und an die Fachhochschulen abzuschieben. Die Universität Frankfurt will sich in Zukunft ihre Studierenden nach Gutdünken aussuchen. Das ist Elitebildung, und das lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Früher musste man Mitglied der FDJ sein, um studieren zu können!)

Laut Steinberg liegt dieses Vorgehen sogar im Interesse der Fachabiturienten. Ich zitiere noch einmal: „Durch die Neuregelung bliebe Studierenden, die aufgrund der Fachhochschulreife mit falschen Voraussetzungen an die Universität kämen, ein womöglich frustrierender Studienablauf erspart.“