Protocol of the Session on April 22, 2008

Nächste Wortmeldung, Herr Dr. Wilken für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will der Versuchung widerstehen, jetzt auch über den Elften und Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu reden, auch wenn das sicherlich viel spannender ist, insbesondere der Zwölfte, als der vorliegende Zehnte. Ich möchte Ihnen aber mitteilen, von welchen Prämissen und Grundsätzen unsere Fraktion der LINKEN sich in der Bewertung dieses Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags hat leiten lassen, weil sich daraus sicherlich auch Anforderungen und Aufforderungen an den Elften und insbesondere an den Zwölften Staatsvertrag ableiten lassen.

Erstens. Wir benötigen sicherlich qualitativ neue und effektivere Regulierungsmechanismen und Regulierungsinstrumente für die Sicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das ist angesichts fortschreitender Digitalisierung und auch der Konvergenz der Medien sowie – das beobachten wir sehr genau – sich verschärfender Konzentrationstrends am Medienmarkt und selbstverständlich der Globalisierung durch internationale Investoren unabdingbar.

Zweitens. Wir wünschen, dass diese neuen Regulierungsmechanismen mit einer Demokratisierung einhergehen. Wir wollen weg von der bisher allein auf die Ministerpräsidenten bzw. Direktoren der Landesmedienanstalten fokussierten Regulierungsbefugnis. Selbstverständlich muss auch dabei in Zukunft jederzeit Staats- und Politikferne gewährleistet werden.

Drittens. Wir sind auch der Auffassung, dass Regulierungskompetenzen und Regulierungsentscheidungen dabei gebündelt werden müssen, selbstverständlich bei Beibehaltung des Subsidiaritätsprinzips.

Viertens. Dabei muss das Angebot regionaler und lokaler Sender bzw. lokaler Programmveranstalter nicht nur beibehalten, sondern aus unserer Sicht deutlich weiter ausgebaut werden. Wir wollen konzernunabhängige Produzenten stärken sowie insbesondere alle Formen von Bürgermedien, seien es offene oder Ausbildungskanäle, Campusprogramme, nicht kommerzieller Rundfunk usw. Wir müssen diese in ihrem Fortbestand schützen und ihnen vor allem eine Entwicklungsgarantie zugestehen.

All das schon im Vorgriff darauf, womit wir uns beim Zwölften Rundfunkänderungsstaatvertrag sicherlich beschäftigen müssen. Der Kollege Siebel und alle anderen Vorredner haben darauf hingewiesen.

Wir sehen aber durchaus auch bei dem vorgelegten Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag einige kritische Punkte, die aus unserer Sicht weit über das rein Technische hinausgehen.

Schwerpunkt unserer Kritik ist die Neuorganisation der Medienaufsicht. Ich habe mich gerade gefreut, dass nicht nur wir das alles mit KEK und ZAK noch nicht so verstanden haben, sondern dass auch meine beiden Kollegen Vorredner an der Stelle sagen: Ob das jetzt alles so das Richtige ist, ist noch die Frage. – Da wird zusätzlich zur Kommission zur Ermittlung der Konzentration eine Kommission für Zulassung und Aufsicht geschaffen.Wir fragen durchaus: Ist das jetzt Bürokratieabbau oder Verwaltungsaufbau? So ganz schlüssig sind wir uns da nicht.

Weitere Fragen,die dringend geklärt werden müssen,sind z. B. die Frage, von wem sich Rundfunkanstalten und die GEZ Daten der Rundfunkteilnehmerinnen und -teilnehmer besorgen dürfen oder können,oder die Frage – ich erwähnte das schon –, wie wir unabhängige Produzenten im Medienmarkt fördern wollen.

Zum Schluss will ich durchaus sagen, dass wir nicht nur Fragen haben, sondern selbstverständlich ausdrücklich die Verbesserung des Jugendschutzes begrüßen. Wir finden es erfreulich, dass jetzt genaue Vorschriften über Gewinnspiele erlassen werden und dass der Jugendschutz einen besonderen Stellenwert erhält. Wir begrüßen auch, dass die Pflichten der sogenannten Plattformanbieter geregelt werden, weil nach unserer Einschätzung diese Plattformen mit ihren Angeboten des mobilen Fernsehens oder auch der Kabelnetze und Satelliten eine Schlüsselstellung einnehmen.

Auch in dem Sinne werden wir heftig mitdiskutieren und freuen uns auf die Beratung im Ausschuss. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs beendet.

Wir überweisen diesen Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Hauptausschuss. – Dem wird nicht widersprochen. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (HAG/SGB XII) – Drucks. 17/46 –

Vereinbart sind zehn Minuten Redezeit. Anschließend soll die Überweisung an den Sozialpolitischen Ausschuss erfolgen. Die erste Wortmeldung stammt von Frau Kollegin Fuhrmann von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für diejenigen in diesem Hause,die dem Landtag ein bisschen länger angehören oder zumindest in der letzten Legislaturperiode angehört haben, möchte ich in Erinnerung rufen, dass es bereits im Sommer letzten Jahres einen Gesetzentwurf der SPD-Landtagsfraktion gab mit dem Ziel, das betreute Wohnen dauerhaft beim Landeswohlfahrtsverband zu belassen.Dieser Gesetzentwurf wurde im Verlauf der Beratungen zu einem Konsens zwischen SPD, GRÜNEN und der FPD-Fraktion gebracht; allerdings scheiterte er dann an der absoluten Mehrheit der CDU.

Ziel der SPD-Fraktion ist nach wie vor: Wir wollen Hilfe aus einer Hand. Wir möchten, dass das betreute Wohnen genau wie die stationäre Unterbringung beim Landeswohlfahrtsverband als überörtlichem Träger verbleibt, und bringen Ihnen heute einen gemeinsamen Gesetzentwurf von SPD und GRÜNEN ein mit dem Ziel, dass die Behindertenhilfe in einer Hand bleibt. Würden wir diese Änderung nicht beschließen, so würde 2009 automatisch die Zuständigkeit für das betreute Wohnen an die Kommunen fallen. Wir sind und bleiben der Auffassung, dass wir nur dann einen landesweit gleichmäßigen und quali

tätsvollen Ausbau des betreuten Wohnens erreichen, wenn beides in einer Hand und damit auch in einer Finanzierungsverantwortung verbleibt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schon mit der Landesdirektorin Barbara Stolterfoht – für diejenigen, die sich ein bisschen zurückerinnern mögen – wurde der Ausbau des betreuten Wohnens vorangetrieben. Er ist inzwischen auf einem sehr guten Standard, wenn wir ihn mit anderen Bundesländern vergleichen. Im Jahr 2005 hatten wir 7.400 Plätze, derzeit sind es 8.400 Plätze in betreutem Wohnen, und geplant sind für dieses Jahr sogar 9.500 Plätze.

Der Rechnungshof hat ein Gutachten in Auftrag gegeben. – Ich begrüße den Landesdirektor. Hallo, Herr Brückmann, Herr Kollege Ex.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Ex oder Herr Ex-Kollege? – Heiterkeit)

Der Ex-Kollege,der ehemalige Kollege,der hier mit großer Freude verfolgt, dass wir in dieser Frage sein Geschäft betreiben. Nicht wahr, Herr Kollege?

Der Rechnungshof hat in dem Gutachten, das er in Auftrag gegeben hat, festgestellt, dass es durchaus möglich wäre,20 % sämtlicher Plätze im stationären Bereich in betreutes Wohnen zu überführen. Das hieße, weitere 3.000 Plätze zu schaffen.Wir wollen keinen Verschiebebahnhof und fürchten genau diesen, wenn die Zuständigkeit auseinanderfällt. Unser Ziel ist dabei ganz klar mehr Lebensqualität für die Betroffenen.Die Betroffenen haben in der damaligen Anhörung ebenfalls ganz ausdrücklich gefordert, dass sie Hilfe aus einer Hand wollen. Das heißt, wir haben hier den wundervollen Fall, der nicht oft eintritt, nämlich dass es die Betroffenen so wollen, dass es von der Qualität her gut ist und dass es auch noch finanziell günstiger ist.Also:Was will man in der Politik mehr? Wir wollen, dass Menschen mit Behinderungen ein tatsächliches Wahlrecht haben und selbstbestimmter leben bzw. mehr Eigenverantwortung wahrnehmen können, wenn sie es wollen. Das ist im betreuten Wohnen möglich.

Ich möchte abschließend denjenigen ein Bespiel vor Augen führen, die unter Umständen noch zögern, z. B. die CDU-Fraktion: Stellen Sie sich einmal vor, Sie stehen morgens mit all Ihren Nachbarinnen und Nachbarn gemeinsam auf, frühstücken gemeinsam, fahren im gleichen Bus zur Arbeit, frühstücken dort nach Beginn der Arbeit wieder gemeinsam, essen zusammen Mittag, steigen abends in den gleichen Bus und verbringen wiederum den Feierabend mit all Ihren Nachbarinnen und Nachbarn. Ich glaube, an diesem Beispiel wird relativ deutlich, wo unsere Aufgabe liegt, nämlich Menschen mit Behinderungen ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Das geht im betreuten Wohnen, und es geht sehr viel weiter als das, was wir bisher haben. Wir müssen nur ins europäische Ausland schauen. Dort gibt es – in Teilen – keine stationären Einrichtungen mehr.

Ich will diese Vision nicht für heute oder morgen anstreben, aber ich sage Ihnen: Wir sind auf gutem Wege, wenn wir ehrgeizige Ziele setzen. Dafür bitte ich auch um die Unterstützung der CDU-Fraktion. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir möglicherweise einen gemeinsamen Gesetzentwurf aller Fraktionen verabschieden könnten. Ich biete heute an – damit haben wir keine Probleme, ich denke, da sind wir uns alle einig –, den Kopf von SPD und

GRÜNEN um alle drei anderen Fraktionen zu erweitern. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Fuhrmann. Vielen Dank, dass Sie den Direktor begrüßt haben. Das ist in Ordnung, dann kann ich mir das ersparen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist die neue Zeit, Herr Direktor. Die SPD hat Wert darauf gelegt, dass sie den LWV-Direktor begrüßt, also machen wir das auch so. – Ich rufe die nächste Rednerin auf. Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen ist sehr vielfältig. Ebenso vielfältig sind ihre Probleme. Dafür müssen individuell passende Lösungen gefunden werden. Es kann nicht davon abhängen, ob jemand in einer Gemeinde wohnt, die es sich leisten kann, ob jemand in einer Stadt wohnt, die ein Angebot vorhält, oder irgendwo auf dem Land, wo gerade kein Angebot vorhanden ist, was einen Menschen dazu zwingt, seinen Lebensraum, seinen Lebensmittelpunkt zu wechseln.

Die wichtigsten Punkte zu dem Thema sind gerade schon gesagt worden. Ich muss nicht alles wiederholen, nur weil es noch nicht von uns gesagt worden ist. Es muss klar sein, dass die Betroffenen, die Menschen, die mit den Betroffenen arbeiten, die tragenden Einrichtungen, die Angehörigen und Familien darum herum ein klares Votum abgegeben haben. Diesem Votum sollten wir als Haus folgen und dafür sorgen, dass die Dinge in einer Hand bleiben und vernünftig geregelt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Abg. Rentsch für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Fuhrmann, wir haben uns sehr gefreut, dass Sie dieses Thema, das Ende letzten Jahres im Plenum debattiert wurde, so schnell initiativ im Hessischen Landtag aufgegriffen haben. Die FDP hat damals gesagt: Es macht keinen Sinn, das betreute Wohnen für ein Jahr dem LWV wegzunehmen und an die Kommunen zu übergeben. Wir sind erstens der Auffassung, dass Hilfe aus einer Hand die Grundlage für jegliche Diskussion ist, die wir zu führen haben. Die Vorredner haben es gesagt: Für die Betroffenen ist es wichtig,dass es zwischen ambulant und stationär einen Ansprechpartner gibt, dass eben nicht hin und her gewechselt wird.

Zweitens bin ich der Auffassung, dass der LWV seine Aufgabe sehr wohl gut löst. Ich glaube, dass die politische Konstellation, die wir im LWV haben, nämlich eine Jamaikakoalition aus CDU, FDP und GRÜNEN, den Ver

band in einer sehr verantwortungsvollen Weise reformiert, aber für die Betroffenen immer auch Politik macht.

(Beifall bei der FDP)

Diesen Spagat empfinde ich als sehr wichtig. Deshalb haben wir damals,als Sie den Gesetzentwurf eingebracht haben, Frau Kollegin Fuhrmann, zugestimmt.

An der Stelle verstehen wir allerdings die Vorgeschichte nicht. Es gab immer einen Streit zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden,wie es mit dem Thema weitergehen soll. Wenn wir ehrlich sind, ist das – ich glaube, die Kollegen, die sich damit beschäftigt haben, erinnern sich daran – kein Thema, das im Hessischen Landtag zu diskutieren ist. Wir tun es jetzt, weil es einer Lösung bedarf. Deshalb haben wir uns des Themas angenommen.Zunächst einmal haben es aber die Kommunalen Spitzenverbände mit ihrem eigenen Verband zu lösen – der LWV ist ein Kommunalverband –, es sollte zunächst in der eigenen Reihe diskutiert werden.

Dass es dort keine Einigung gegeben hat, ist nicht erfreulich, zumal es auch ein Stück weit die Diskussion erschwert: Wie geht es überhaupt mit dem LWV weiter, auch als Träger der Eingliederungshilfe? Das wird ein Thema sein, das uns noch beschäftigen wird. In der nächsten Zeit müssen die Kommunalen Spitzenverbände dringend ihre Hausaufgaben machen, wenn es darum geht, klarzumachen, was man sich in diesem Bereich vorstellt. Davon sind auch wir als Landesgesetzgeber betroffen. – Das zunächst als erste Feststellung.

Zweitens. Ich glaube, dass es fachlich keine Diskussion darüber gibt, dass der LWV gerade für das eine Jahr, bis das Stammgesetz ausläuft, die Aufgabe weiter übernehmen soll und muss.Wir werden darüber diskutieren, ob es langfristig beim LWV in den richtigen Händen ist. Ich glaube, dass vieles dafür spricht: zum einen die Art und Weise, wie der LWV vor allen Dingen in den letzten Jahren die Arbeit gelöst hat, zum anderen die sehr hohe Zufriedenheit bei den Menschen, die es betrifft. Das muss man einfach feststellen.Die Menschen,die es betrifft,sind mit ihrem Ansprechpartner beim LWV zufrieden. Das muss auch ein Argument für uns als Gesetzgeber sein, zu sagen: Es ist dort richtig aufgehoben.

Drittens geht es um die Frage – das ist das eigentlich Interessante an der ganzen Diskussion, liebe Frau Fuhrmann –, wie der Gesetzentwurf zustande gekommen ist.Man kann sagen: Das ist ein Gesetzentwurf, der politisch möglicherweise nicht auf großer Bühne diskutiert wird. Diese Meinung kann man vertreten. Fakt ist aber, dass Sie am Anfang – ich habe die Pressemitteilungen hier –,als es um das Werben für eine Ampelkoalition ging, gesagt haben, Sie seien nach allen Seiten offen.Wenn man das Verfahren zu diesem Gesetzentwurf jetzt sieht, Frau Kollegin Fuhrmann, muss man feststellen, Sie sind leider nur nach links offen.

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Nein, so habe ich das bestimmt nicht gesagt!)

Gegenstände, die nur nach einer Seite offen sind, versinken meistens. Insofern müssen Sie an der Stelle einmal erklären, warum das Werben um die Freien Demokraten, wenn es um gemeinsame Initiativen geht, dort endet, wo Sie der Meinung sind: Wir müssen nicht einmal den Telefonhörer bemühen.

Ich glaube,dass es sinnvoll gewesen wäre,zunächst einmal die Kolleginnen und Kollegen zu fragen, die diesem inhaltlichen Punkt in der letzten Legislaturperiode zuge

stimmt haben, ob sie bereit sind, einen solchen Gesetzentwurf mit zu unterschreiben und auch auf den Briefkopf zu gehen. So macht man das eigentlich.