Protocol of the Session on April 22, 2008

Das christliche Menschenbild leitet uns auch in Zukunft.Jeder Mensch hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Person. Jeder trägt aber auch Verantwortung für seinen Mitmenschen.

Und einige Zeilen weiter:

Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf verwirklichen. Wir erkennen an, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Dies gilt nicht nur für nicht eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern, dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung.

Auf dieser Grundlage kann ich aber immer noch feststellen: Es gibt einen Unterschied zwischen Ehe und Familie und der gleichgeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaft.

Auf dieser Grundlage werden wir in der Debatte argumentieren. Ich werbe dafür, dass wir diese Debatte in gegenseitiger Achtung vor unseren Meinungen und vor allem in Achtung vor den Menschen führen, die durch diese Regelungen betroffen sind bzw. für die diese Regelungen geschaffen wurden.

Von daher sichere ich Ihnen zu, dass wir über alle Punkte eingehend beraten werden.Wir – mein Vorgänger an dieser Stelle – haben das in der vergangenen Legislaturperiode eingehend gemacht.Wir haben damals nicht grundsätzlich alles abgelehnt, weil wir es nicht haben wollten, sondern wir waren der Ansicht, dass an dem ersten Gesetzentwurf noch die eine oder andere Verbesserung vorzunehmen war.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Das hier ist kein Spielfeld für „Tests“, die aus rein parteipolitischen Gründen veranstaltet werden.Wir werden diese Diskussion ruhig und sachlich führen und, jeweils auf den Einzelfall bezogen, in der Ausschussberatung darüber entscheiden, was mit diesem Gesetzentwurf passiert. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Nächster Redner ist Herr Abg. Blum für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will es vorweg sagen: Die FDP-Fraktion wird sich diesem Gesetzentwurf in dem weiteren Gesetzgebungsverfahren mit der gebotenen und, wie ich meine, auch selbstverständlichen Offenheit nähern. Wir sind be

reit, über jeden einzelnen Punkt eine sachorientierte Debatte zu führen und gemeinsam mit der den Gesetzentwurf einbringenden Fraktion sowie mit den anderen Fraktionen bei jedem Problem, das in einem Einzelpunkt aufgeworfen wird,zielorientiert an einer für Hessen richtigen Lösung zu arbeiten.

Angesichts der Debatten, die in der letzten Plenarsitzung in diesem Haus geführt wurden – aber sicherlich auch noch in den nächsten beiden Tagen geführt werden –, in denen es um die Hochschulpolitik und die Hochschulfinanzierung, um die Neuausrichtung des hessischen Schulsystems, aber auch darum ging, wie wir in diesem Land künftig mit der Gewinnung regenerativer Energie umgehen, waren wir schon ein bisschen verwundert darüber – das will ich nicht verschweigen –, dass ausgerechnet die Frage der Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften zum Thema des ersten Gesetzentwurfs der grünen Landtagsfraktion in dieser Legislaturperiode geworden ist. Wir fragen uns, ob es in unserem Hause keine für unser Land dringenderen Probleme zu lösen und zu bearbeiten gibt

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg.Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

und ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, diesen Gesetzentwurf zu einem späteren Zeitpunkt einzubringen – zu einem Zeitpunkt, zu dem etwas mehr Alltag und vielleicht auch etwas mehr Ruhe und Sachlichkeit in dieses Haus Einzug gefunden haben werden. Dann hätte besser und zielorientierter darüber diskutiert werden können.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nichtsdestoweniger halten wir es für richtig, dass wir uns angesichts der ständigen Änderungen unterworfenen Wertevorstellungen in unserer Gesellschaft auch in diesem Haus immer wieder fragen, wobei wir gleichzeitig unseren eigenen Wertekanon infrage stellen – diese Veränderungen haben mit der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes nicht haltgemacht, sondern es hat auch noch Entwicklungen gegeben, nachdem das Rechtsinstitut eingeführt worden war –, ob die landesgesetzlichen Regelungen, die diese Themenstellung betreffen,noch richtig sind und dem geltenden Recht entsprechen.

(Beifall bei der FDP)

Aber lassen Sie mich an dieser Stelle für die FDP-Fraktion auch ganz deutlich sagen: Diese Debatte soll und muss ein gemeinsames Fundament haben. Unserer Auffassung nach muss dieses gemeinsame Fundament, ungeachtet der politischen Farbenlehre, das gesellschaftliche Werte- und Leitbild des Grundgesetzes sein und bleiben.

An dieser Stelle wollen wir es uns nicht so einfach machen, mit dem Finger auf Europa zu zeigen und uns vom Europäischen Gerichtshof eine möglicherweise gegebene Notwendigkeit und Unausweichlichkeit von Anpassungen des hessischen Landesrechts diktieren zu lassen. Wir glauben, dass hier noch einige Rechtsfragen offengeblieben sind. Wir glauben, dass wir in dem weiteren Prozess, im weiteren Verfahrensgang und natürlich auch in der Anhörung diese Fragen behandeln müssen.

Dies betrifft insbesondere auch die Frage – dazu liefert das Maruko-Urteil des Europäischen Gerichtshofs überhaupt keinen Anhaltspunkt – des besonderen Verhältnisses zwischen dem Staat und seinen Beamten, wie wir es in Deutschland nun einmal haben: Müssen wir das hier in

der Tat 1 : 1 anwenden und umsetzen, insbesondere was die Hinterbliebenenversorgung betrifft?

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen, dass über diese Fragen unaufgeregt diskutiert wird. Wir wollen, dass diese Fragen unaufgeregt einer sachlichen Klärung zugeführt werden.

Abschließend will ich sagen, damit es noch deutlicher wird: Wir reichen im weiteren Verfahrensgang gern die Hand zu einer sachlichen Debatte. Hierzu ist die FDPFraktion bei allen Punkten, die der Gesetzentwurf anspricht, bereit, auch was das Beamtenrecht betrifft.

Aber lassen Sie uns bei diesem Thema in keiner Weise überstürzt handeln. Lassen Sie uns die rechtlichen Fragestellungen, die gesellschaftlichen Fragestellungen, die wertepolitischen Fragestellungen und die landesrechtlichen Fragestellungen gemeinsam sauber abarbeiten, sodass wir an dieser Stelle insbesondere im Interesse der betroffenen Personen zu einer vernünftigen und sachgerechten Lösung kommen.

Denn darauf will ich noch eingehen und hinweisen – das sei mein letzter Satz –: Es geht hier um einen vielleicht überschaubaren, aber betroffenen Personenkreis. Dieser Personenkreis sollte ungeachtet der sicherlich ungewöhnlichen Verhältnisse, mit denen sich dieses Haus im Moment auseinandersetzen muss, nicht Gegenstand politischer Strategiespiele werden, sondern wir sollten uns mit Problematiken, die hier aufgeworfen sind, gemeinsam sachlich auseinandersetzen und solche Themenstellungen nicht zu Testläufen für die wie auch immer geartete Beweglichkeit einzelner oder mehrerer Fraktionen machen. Uns geht es in dieser Fragestellung um die Sache. Dazu sind wir in der weiteren Debatte bereit.

Herr Kollege Jürgens, auch ich freue mich auf einen anregenden und hoffentlich konstruktiven Austausch im weiteren Verfahren und bin mir sicher,dass wir gemeinsam zu einer entsprechend sinnhaften Lösung für das Land Hessen kommen werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Wilken, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um es gleich vorneweg zu sagen:Wir folgen dem vorliegenden Gesetzentwurf, weil er ganz klar das Ziel verfolgt, die nach wie vor bestehende Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft aufzuheben. Mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft auf Bundesebene ist eben keine vollständige Gleichstellung gegenüber der Ehe erfolgt.

Wir wissen beispielsweise, dass es nach wie vor unterschiedliche Regelungen in Bezug auf das Adoptionsrecht, die Hinterbliebenenversorgung usw. gibt. Herr Dr. Jürgens hat zu vielem bereits etwas gesagt. Aber wenn es schon ein solches Rechtsinstitut gibt, ist die völlige Gleichstellung mit den Rechten und Pflichten aus der Ehe das oberste Gebot, und dem müssen wir nachkommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es handelt sich aus unserer Sicht hierbei auch nicht um ein großzügiges Entgegenkommen, sondern schlicht und ergreifend um die Beendigung einer Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung, zu der die Bundesrepublik Deutschland schon seit dem Ende der Umsetzungsfrist zur Richtlinie 2000/78 EG aus dem November 2000 verpflichtet ist.

Wie Menschen leben, welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen und wen sie lieben, ist – um es mit Theodor Fontane und Günter Grass zu sagen – ein weites Feld,dem wir aber auch in diesem Hause nicht nur durch gesellschaftliche Normen, sondern sicherlich auch durch eine Regelung verpflichtet sind.

Nach Ansicht unserer Fraktion muss es unsere Aufgabe in der politischen Einflussnahme sein, alle Menschen, auch die, die anders als die gesellschaftlich gesetzten Normen aussehen, leben oder lieben, vor Diskriminierung zu schützen und ihnen ein gleichberechtigtes Leben zu ermöglichen.

Lesben, Schwule und andere Minderheiten werden nach wie vor im Alltag immer wieder massiv benachteiligt. Da wir die Institution der eingetragenen Lebenspartnerschaften geschaffen haben, müssen wir sicherstellen, dass damit nicht nur die gleichen Pflichten, sondern auch die gleichen Rechte wie mit der Ehe verbunden sind.

Wir LINKE stellen uns eindeutig gegen Diskriminierung aufgrund von Identität, sexueller Orientierung oder Lebensweise.Dazu gehören unserer Einschätzung nach über den vorliegenden Gesetzentwurf hinaus die Einrichtung von Antidiskriminierungsstellen, ein Verbandsklagerecht, eine Beweislastumkehr usw.

Wir wollen die rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Akzeptanz der Vielfalt von Lebensweisen. Im Mittelpunkt müssen die Anerkennung der Identität und die Gewährleistung der Entfaltungsmöglichkeit jeder und jedes Einzelnen stehen.

Kurz zurück zur Anerkennung eingetragener Lebenspartnerschaften. Ich sagte schon, dass wir diesem Gesetzentwurf vollinhaltlich folgen werden. Aber wir müssen an dieser Problematik der Nichtdiskriminierung von Lebensweisen durchaus weiter dranbleiben, weil die gesellschaftliche Veränderung doch schon wieder viel weiter ist. Wir müssen in den Blick nehmen, dass wir mit der Gleichstellung von Ehen und eingetragenen Partnerschaften als Institutionen einen Schritt gemacht haben, der aber z. B. noch nicht ausreicht, um die Phänomene und Probleme in Patchworkfamilien ausreichend zu lösen. Wir müssen dahin kommen, in der Richtung zu diskutieren: Familie ist, wo Kinder sind. – Aber das sind Zukunftsaufgaben, auf die wir sicherlich zu gegebener Zeit zurückkommen werden.

Tja, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, auf dieses Testverfahren haben schon die Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP hingewiesen. Auch für uns LINKE ist es durchaus befremdend, dass ausgerechnet die Lebenspartnerschaften der Prüfstein für eine eventuelle weitere Zusammenarbeit sein sollen. Uns fallen durchaus noch andere Themen ein. Wir fragen, ob da die Hemmschwelle nicht doch ein wenig niedrig gelegt ist. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Minister der Justiz, Herr Banzer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube,dass es ganz gut ist,wenn es immer wieder Themen gibt, die uns dazu veranlassen, sehr genau über den eigenen Standpunkt und über sehr grundsätzliche Fragen nachzudenken. Ich finde es dann fast notwendig, zumindest wünschenswert, dass bei schwierigen grundsätzlichen Diskussionen am Schluss auch nicht zwingend der Konsens in allen Fraktionen steht, sondern es durchaus unterschiedliche Positionen geben kann.

Herr Dr. Jürgens, ich bin Ihnen ausdrücklich für die Art dankbar, wie Sie diesen Gesetzentwurf eingebracht haben. Ich habe, wie wir alle, nachgelesen, wie Sie ihn das letzte Mal eingebracht haben.

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP)

Auch Ihnen ist dieser neue Landtag gut bekommen.

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP – Frank-Pe- ter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielleicht ein bisschen weniger Oberlehrer! – Gegenrufe von der CDU und der FDP)

Es ist so schwierig,etwas Nettes zu den GRÜNEN zu sagen.

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP)

Spannend ist aber immer wieder – das interessiert mich auch als Jurist – die Frage mit der Diskriminierung.Das ist auch die Diskussion, mit der sich jetzt der Europäische Gerichtshof zu beschäftigen hat. Es ist interessant, was das Bundesverfassungsgericht dazu gesagt hat. In seiner mehrfach angesprochenen Entscheidung formuliert das Gericht:

Wenn die Verfassung eine bestimmte Form des Zusammenlebens unter besonderen Schutz stellt, diskriminiert sie damit nicht andere Lebens- und Gemeinschaftsformen, die nicht in jeder Hinsicht an besonderen Schutz- und Fördermaßnahmen teilhaben.