Protocol of the Session on April 9, 2008

Deshalb können Sie von uns nicht erwarten, dass wir jetzt eine Verurteilung von neun Jahren Schulpolitik vornehmen,von denen wir vier Jahre sehr positiv mitgestaltet haben.

(Petra Fuhrmann (SPD):Aber die Kultusministerin hat die CDU gestellt!)

Für die Zukunft gesehen, muss es einen Wettbewerb um die besten Ideen geben. Sie haben recht, Herr Wagner: Wir müssen in die Zukunft schauen und dürfen nicht nur

das reparieren, was zurzeit am wichtigsten ist. Ziel aller Anträge und aller Bestrebungen muss eine Qualitätsverbesserung des Schulalltags in Hessen sein. In diesem Zusammenhang sind die Ganztagsangebote sehr, sehr wichtig. Je länger die Kinder in der Schule sind, desto mehr Räume brauchen sie, umso mehr Entspannungsmöglichkeiten brauchen sie. Ich bin der Überzeugung, das gilt nicht nur für die G-8-Schulen, nicht nur für die Gymnasien, sondern das muss auf alle Schulen ausgeweitet werden.

(Beifall bei der FDP)

Dabei ist allerdings Voraussetzung, dass das nur auf die Schulen ausgeweitet wird, die das wollen, und nur so ausgeweitet wird, wie es diese Schulen wollen. Es gibt mit Sicherheit auch Schulen, denen reicht es durchaus, wenn sie im Programm pädagogische Mittagsbetreuung sind, weil sie nämlich gar nicht wollen, dass die Schüler am Nachmittag in der Schule sind. Frau Habermann, dazu gehört auch die Entscheidung, wie die Schule die Hausaufgabenstellung strukturiert. Wir reden immer von der Eigenverantwortung von Schule, aber Sie wollen den Schulen jetzt wieder vorschreiben, an welchen Tagen sie Hausaufgaben geben dürfen und an welchen nicht.

(Beifall bei der FDP)

Zur Qualitätsverbesserung gehört auch eine deutliche Veränderung des Unterrichts. Wir alle haben gesagt, man muss die Lehrpläne entschlacken. Ich habe aber in der „Süddeutschen Zeitung“ einen Artikel von Ulrich Hermann gefunden, der mir noch besser gefällt. Der schreibt Folgendes.

Erstens sind die heutigen Lehrpläne keine Lehr-, sondern Stoffverteilungspläne. Zweitens sind sie nicht einfach Pläne, sondern Vorschriften und insofern ein zentrales Instrument der bürokratischen Verregelung der Schule. Drittens sind Lehrpläne keine Lehrgänge, denn sie sagen ja nicht, wie die Schüler praktisch vorgehen sollen.

Er sagt also, man soll sehr viel weniger darauf achten, was die Lehrer unterrichten, was sie den Schülern an Input geben, sondern darauf, was die Schüler anschließend tatsächlich können. Hermann sagt: Die Hauptaufgabe einer Lehrkraft besteht nicht darin, ständig Unterricht zu erteilen. Das stört die Schüler nur bei der Arbeit.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Wenn man den Unterricht generell verbessern will, dann muss man sehr viel grundsätzlicher an diese Fragen herangehen, als wir das jetzt vorhaben.

Für die FDP-Fraktion ist eine wirkliche und nachhaltige Qualitätsverbesserung für die Schulen nur über zwei Wege zu erreichen. Der eine betrifft die Ausstattung der Schulen. Wir plädieren nachhaltig für unseren Vorschlag, den Schulen eine Lehrerversorgung im Umfang von 105 % zuzuweisen, wobei die Schulen 20 % der Zuweisung in Form von Geld bekommen können. Dann haben sie die Chance, sich zu entscheiden, ob sie mehr Lehrer oder mehr Sozialpädagogen einstellen oder ob sie das Geld für Sachmittel ausgeben wollen.

(Beifall bei der FDP)

Der zweite Weg betrifft die Eigenverantwortung für die Verwendung dieser Schulressourcen. Deshalb ist das ein ganz,ganz wichtiger Bestandteil der zukünftigen Schulpolitik der FDP-Fraktion. Wenn wir die größten Missstände beseitigt haben, muss mit Volldampf in Richtung Eigen

verantwortung und Rechtsfähigkeit der Schulen gefahren werden. Das fehlt uns in den Anträgen der anderen Fraktionen. Die atmen nicht so sehr die Luft der Freiheit und der Eigenverantwortung,obwohl wir uns in den vorhergehenden Legislaturperioden und Debatten an diesem Punkt eigentlich ziemlich einig waren.

Dem Ziel der Eigenverantwortung muss alles auf dem Weg dorthin untergeordnet und diesem Ziel gegenüber verantwortet werden.

Ich komme jetzt zu den Missständen, die schnell beseitigt werden müssen. Es war schon von G 8 die Rede. Der Kollege Wagner und auch Frau Habermann haben gesagt,was sie in früheren Plenarsitzungen schon gefordert haben. Die FDP-Fraktion hat im Mai 2003, also gerade einmal vier Monate, nachdem die absolute Mehrheit der CDU nach der Landtagswahl feststand, einen Antrag eingebracht, mit dem die Entschlackung der Lehrpläne gefordert worden ist. Das war vor fünf Jahren. Wir hätten fünf Jahre lang Zeit dafür gehabt, wenn man schon damals begonnen hätte, das zu einem Ergebnis zu führen. Das wäre für die Schüler sehr viel angenehmer und besser gewesen.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU)

Ich kann Ihnen nur sagen, der Antrag ist mit absoluter Mehrheit abgelehnt worden.Wer damals außer uns zugestimmt hat, weiß ich nicht.

Im März 2004, also bevor die Anhörung stattfand und die Umstellung begann, haben wir beantragt, den kooperativen Gesamtschulen den Weg freizugeben, zwischen G 8 und G 9 zu wählen, auch deshalb, um sie zu einer echten Alternative zu dem verkürzten gymnasialen Bildungsgang zu machen. Dann hätten die KGS – das halte ich für eine ganz,ganz wichtige Entscheidung – die freie Wahl gehabt. Dann hätten sie die Förderstufen nicht abschaffen müssen. Wir hätten noch KGS mit originären Förderstufen. Übrigens muss man den KGS kein Grundschulgutachten vorlegen, wenn man sein Kind in die Förderstufe anmeldet.

Eine Alternative wären kooperative Gesamtschulen mit gymnasialen Eingangsklassen und – parallel dazu – Förderstufen.Auch das ist ein Modell, eine echte Alternative zum Gymnasium, denn viele kooperative Gesamtschulen haben gymnasiale Oberstufen. Das bedeutet, dass die Schüler nicht mehr wechseln müssen. Der Wechsel nach der 10. Klasse in eine fremde Schule, in eine andere gymnasiale Oberstufe ist eine Notwendigkeit, über die viele Eltern klagen. Deshalb halten wir eine freie Wahl für die kooperativen Gesamtschulen für ganz wichtig.

Jetzt komme ich zu Ihrem Antrag, mit dem Sie uns auffordern, zu beschließen, dass alle Umwandlungen von KGS in eine IGS sofort genehmigt werden sollen. Wenn eine kooperative Gesamtschule die Möglichkeit hat, zu G 9 zurückzukehren, bin ich aber nicht sicher, ob wirklich alle integrierte Gesamtschulen werden wollen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das muss man sie erst einmal fragen. Deshalb sage ich für meine Fraktion:Wir wollen heute nicht festlegen,dass alle Anträge genehmigt werden müssen. Wir wollen, so steht es in unserem Antrag, dass die Landesregierung unverzüglich mit den kooperativen Gesamtschulen ins Gespräch eintritt, sie fragt, ob der Antrag auf Umwandlung weiterhin aufrechterhalten bleibt, wenn sie die Möglichkeit haben, zu G 9 zurückzukehren. Wenn sie das weiterhin wollen, sind wir dafür, dass die Anträge sofort geneh

migt werden. Ich denke aber, man muss das erst einmal mit den Schulen rückkoppeln und sie fragen: Die Situation verändert sich.Wollt ihr das trotzdem?

(Beifall bei der FDP)

Wir halten die Schulvielfalt in Hessen und die Möglichkeit der Wahl zwischen einem Gymnasium, einer kooperativen Gesamtschule und einer integrierten Gesamtschule für ein wirkliches Markenzeichen Hessens. Für die FDP-Fraktion ist die freie Wahl der Schulform auch ein Freiheitsthema.Wir wollen nicht, dass es eine Schule gibt, in die alle Kinder gehen müssen, und die Eltern keine freie Auswahl mehr haben.

Das Kerncurriculum habe ich schon angesprochen. Ich denke, daran muss sehr dringend gegangen werden.Allerdings darf die zuständige Arbeitsgruppe nicht nur aus Lehrern bestehen.

(Beifall bei der FDP)

Da müssen auch Fachdidaktiker, Professoren, Vertreter von Unternehmerverbänden und Gewerkschafter vertreten sein. Es ist doch klar, dass ein Fachlehrer für sein Fach wirbt, für sein Fach schwärmt, es liebt und sich nicht gerne irgendwelche Unterrichtsinhalte herausnehmen lässt.

Die Stundentafel muss man in Richtung Ganztagsbetrieb strecken. Wenn das relativ schnell, zum nächsten Schuljahr, geschieht, wäre das wunderbar. Die Unterrichtsgarantie plus muss ebenfalls geändert werden. Hierzu haben wir gleich zu Anfang des Jahres 2006 gefordert, dass man den Schulen das Geld gibt und ihnen in Eigenverantwortung überlässt, was sie mit diesem Geld machen und wie sie eine verlässliche Schule organisieren.

Lassen Sie mich ein kleines Beispiel für die derzeitige übergroße Eigenverantwortung erzählen.Die Schulen bekommen Sachmittel aus U-plus-Geldern. Davon dürfen sie Papier kaufen, weil sie ja Unterrichtsmaterialien vorbereiten müssen. Sie dürfen davon aber nicht die Tuschepatrone bezahlen, mit deren Hilfe das Papier mit Unterrichtsmaterialien bedruckt werden könnte. So etwas nennt sich Eigenverantwortung von Schule.

(Beifall bei der FDP)

Nach Beseitigung der größten Mängel bei G 8 und U+ gibt es ein wichtiges Ziel für die Schulen in Hessen: Ruhe und Freiheit.Sie brauchen Freiheit in der Verwendung der Mittel. Sie brauchen Freiheit in der Unterrichtsorganisation. Sie brauchen Freiheit in der Unterrichtsgestaltung. Sie brauchen Ruhe, damit sie ihre Schulprogramme endlich durchsetzen können – im Rahmen von Zielvereinbarungen, die mit den nötigen Mitteln unterfüttert werden müssen.

(Beifall bei der FDP)

Mit dem Weg in die Eigenverantwortung muss sich auch die Kultusverwaltung verändern. Sie muss sich von einem Oberaufseher, wie sie sich momentan den Schulen gegenüber geriert, zu einem Dienstleister für die Schulen entwickeln. Wenn die Schulen mit ihren Problemen ernst genommen werden, wenn man wieder auf sie hört, dann wird sich auch die Stimmung an den Schulen in diesem Lande ändern. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Henzler. – Das Wort hat Herr Kollege Irmer, CDU-Fraktion.

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit dem Antrag der Sozialdemokraten starten, was die Umwandlungsangelegenheit angeht. Frau Kollegin Hartmann, ich hätte die große Bitte – damit schließe ich mich dem an, was Frau Kollegin Henzler gesagt hat –, dass man den heute noch nicht abschließend verabschiedet.Wir werden die Überweisung an den Fachausschuss beantragen, weil wir in der Tat Gesprächsbedarf haben.

Ich will an dieser Stelle nicht die Frage erörtern,inwieweit der Antrag im Grunde rechtlich zulässig ist, weil es im Schulgesetz ein verankertes Verfahren gibt,wie mit Schulentwicklungsplänen und entsprechenden Anträgen umzugehen ist. Ob das zulässig ist, sei dahingestellt. Unabhängig davon glaube ich, dass keiner im Saal in der Lage ist, derzeit alle Anträge sachlich zu prüfen.

Deshalb wäre meine oder unsere Bitte, dass wir das im Kulturpolitischen Ausschuss in der ersten Sitzung erörtern – in aller Form und Offenheit –, dass das Ministerium gebeten wird, einen jeweiligen Sachstand dazu zu geben. Was die Frage der Antragsgestaltung angeht, haben Sie nach meinem Kenntnisstand zwei Schulen erwähnt, die noch keine Anträge gestellt haben. Das wird man sicherlich in der Diskussion vertiefen können.

Unabhängig davon teile ich das, was Frau Henzler in der Sache gesagt hat. Diese Anträge, so sie denn gestellt worden sind, sind zu einem Zeitpunkt gestellt worden, als wir bei den kooperativen Gesamtschulen G 8 obligatorisch hatten.G 8 ist jetzt nach gemeinsamem Wollen nicht mehr obligatorisch, sondern fakultativ, sodass kooperative Gesamtschulen auch über G 9 befinden können.

Unter diesen veränderten Rahmenbedingungen kann es durchaus sein, dass sich manche Schule, die diesen Antrag jetzt oder vor einiger Zeit gestellt hat, sagt: Darüber würde ich gerne noch einmal nachdenken. – Deswegen macht es Sinn, dass wir in der ersten Sitzung des Kulturpolitischen Ausschusses diesen Antrag noch einmal erörtern.

(Reinhard Kahl (SPD):Ach nee!)

Deshalb werden wir eine Überweisung beantragen.

(Beifall bei der CDU)

Zweiter Punkt. Auch da teile ich das, was Frau Kollegin Henzler gesagt hat. Es war im Grunde genommen absolut wohltuend. Es ist ein bisschen merkwürdig, wenn man hier steht und die alten Rituale gar nicht machen kann: Die einen beschimpfen, und die anderen schimpfen ein bisschen mit. Es ist alles ganz anders geworden.

Das hat aber auch seine Vorteile. Das andere war nicht immer – parteiübergreifend gemeint – unbedingt so ganz zielführend.Ich schließe mich durchaus ein.Wenn aber im Antrag der GRÜNEN in dem ersten Satz steht, dass die Schullandschaft „in schlechter Verfassung“ ist, dann bitte ich um Verständnis, lieber Kollege Wagner. Wir werden beantragen, Punkt 1 und 2 und 3 getrennt abzustimmen, denn die ersten beiden Punkte sind ein Überbleibsel aus den alten Ritualen – Klammer auf: nette Beschimpfung.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Was wahr ist, muss wahr bleiben!)

Dem werden wir selbstverständlich nicht zustimmen können. Der Anhörung sind wir gerne bereit zuzustimmen. Das macht Sinn. Sie ist in der Sache völlig unstreitig.Aber die angeblich schlechte Verfassung – ich glaube, da gehen wir ein bisschen an der Wahrheit vorbei.