Protocol of the Session on April 9, 2008

Dem werden wir selbstverständlich nicht zustimmen können. Der Anhörung sind wir gerne bereit zuzustimmen. Das macht Sinn. Sie ist in der Sache völlig unstreitig.Aber die angeblich schlechte Verfassung – ich glaube, da gehen wir ein bisschen an der Wahrheit vorbei.

(Beifall des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Lieber Herr Kollege Wagner, wir haben sicherlich Fehler gemacht. Ich weiß, andere Fraktionen und andere Menschen machen keine Fehler.Ich gestehe freimütig ein,dass man Fehler macht, dass es vielleicht auch Veränderungen und Entwicklungsprozesse gibt.Ich glaube,dass es der Politik insgesamt parteiübergreifend gut ansteht, auch zu sagen: Jawohl, wir haben gelernt; wir haben gesehen, es hat Fehlentwicklung gegeben; wir sind bereit, Fehlentwicklungen zu korrigieren.– Ich halte das nicht für ein Zeichen von Schwäche, sondern für ein Zeichen von Stärke.

(Beifall bei der CU)

Was die angeblich schlechte Verfassung, losgelöst von einzelnen Punkten und Problemen, die es objektiv gab, angeht, möchte ich in aller Ruhe darauf hinweisen, dass wir es in den letzten neun Jahren insgesamt geschafft haben, einen Bildungs- und Erziehungsplan ins Leben zu rufen, dass die Stundentafel in der Grundschule so dramatisch erhöht wurde, dass heute ein Grundschüler, wenn er die Grundschule verlässt,ein Dreivierteljahr mehr Unterricht hat, als es noch vor vielen Jahren der Fall war.

Der Unterrichtsausfall ist komplett beseitigt worden.Wir haben das Landesabitur eingeführt,SchuB-Klassen eingerichtet, die Lehrerausbildung reformiert, dreieinhalbtausend Lehrer zusätzlich eingestellt.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sind auch wieder Textbausteine!)

Meine Damen und Herren, wenn man das alles resümiert, glaube ich, mit Fug und Recht sagen zu können: Ganz so schlecht war es nicht. Insgesamt gesehen ist Schule sehr wohl in guter Verfassung. Aber nichts ist so gut, dass es nicht verbessert werden könnte. Auch deshalb haben wir einen entsprechenden Antrag gestellt, der Ihnen vorliegt.

Kollege Wagner hat die Frage gestellt, ob wir die Kraft haben, auch die Zukunft zu gestalten. In der Pressekonferenz habe ich gesagt, wir sind für die Beibehaltung des gegliederten Schulwesens. Natürlich sind wir das. Das ist essenzieller Bestandteil. Aber das impliziert natürlich Schulwahlfreiheit. Das haben wir zigmal gesagt.

Wir wollen,dass Eltern frei entscheiden können,ob sie ihr Kind in eine Schulform des gegliederten Schulwesens schicken oder in eine integrierte Gesamtschule in Reinkultur oder in eine kooperative Gesamtschule. Wenn Sie sagen, Sie wollten ein neues Modell erproben – von mir aus: ja. Das hat auch etwas mit Schulwahlfreiheit zu tun. Damit haben wir kein Problem. Aber konstitutiver Bestandteil unseres Schulverständnisses und Freiheitsverständnisses ist, dass dazu in Zukunft auch die Gymnasien, Haupt- und Realschulen gehören.

(Beifall bei der CDU)

Das unterscheidet uns sehr wohl von den Sozialdemokraten, die ganz gezielt in Richtung einer Einheitsschule gehen,die wir nicht haben wollen.Von daher glaube ich,dass Ihre Frage beantwortet worden ist. Ansonsten – auch das in aller Form – haben wir in unserem Antrag gesagt, wir

wollen einen Ausbau der Ganztagsangebote in gebundener und offener Form, ganz allgemein für alle geltend.Wir haben aber gleichzeitig gesagt, schwerpunktmäßig in naher Zukunft und natürlich in besonderer Weise sind die G-8-Schulen in dieses Programm aufzunehmen. Ich glaube nicht, dass sich das widerspricht, sondern im Gegenteil ergänzt.

U+ – verlässliche Schule ist im Antrag formuliert. Ich glaube, hier hat es in der Vergangenheit auch bürokratische Hürden gegeben, die in dieser Form gar nicht notwendig waren, wie wir heute wissen. Aber auch das kann man weiter optimieren. Deshalb möchten wir hier auch die Möglichkeit für Schulen schaffen, über das hinaus, was im Antrag steht, dass Schulen sogenannte Minijobs vergeben können, um damit ein Mehr an Flexibilität und Kontinuität gleichzeitig gewährleisten zu können.

Zum Thema G 8 ist im Grunde genommen das Wesentliche gesagt.Die Vorschläge stehen hier drin.Deshalb brauche ich das nicht zu wiederholen. Generell gilt für uns, dass wir durch unsere, hoffentlich weitgehend gemeinsame, Schulpolitik dazu beitragen können, Schule und Pädagogen insgesamt zu entlasten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Gerade im pädagogischen Bereich ist die Belastung eines jeden groß. Deshalb werden wir sukzessive dafür eintreten, dass z. B. der Versuch unternommen wird, Klassenstärken etwas zu reduzieren. Im Bereich der Grundschule sind kleinere Klassen im Landesdurchschnitt überhaupt kein Thema.Auch im Hauptschulbereich gilt das.

Aber wir wissen auch, dass gerade an den Gymnasialklassen in den Unterstufen die Klassenstärken schlicht und ergreifend zu groß sind. Das ist kein Staatsgeheimnis. Deshalb müssen wir sehen, dass wir dort zu Entlastungsmaßnahmen kommen. Das heißt auch, beispielsweise die Möglichkeit für Differenzierungsstunden durch mehr Lehrer schaffen.

Förderpläne vereinfachen – ein weiterer Punkt, der sicher zur Entlastung beiträgt, auch perspektivisch. Schulsozialarbeit, Schulpsychologen und Verwaltungskräfte für große Schulsysteme werden dazu beitragen, dass Kolleginnen und Kollegen in ihrer schwierigen Arbeit entlastet werden. Genauso werden Schule und Schulorganisation durch eine zwingend notwendige Entbürokratisierung, durch mehr Eigenständigkeit und mehr Eigenverantwortung entlastet. Ich glaube, da sind wir im Kern insgesamt relativ nahe beisammen. Wir werden darüber zu streiten haben, wie es im Detail aussieht.Aber die Kernaussage ist hier in dieser Runde relativ unstreitig.

Dazu gehört beispielsweise die Geschichte der Schulgirokonten. Das ist ein altes Thema. Da sind wir uns in der Sache einig. Das muss jetzt umgesetzt werden – das ist auch keine Frage.Was uns aus meiner Sicht noch etwas auf den Nägeln brennt, ist kein Massenphänomen, aber eine ärgerliche Geschichte, nämlich wie diese BAT-Verträge geregelt sind. Hier müssen wir zu Veränderungen kommen. Dazu gibt es durchaus unterschiedliche Vorstellungen. Aber ich glaube, dass wir eine große Chance haben, im Interesse aller betroffenen BAT-Kräfte,auch im Sinne der Kontinuität des Unterrichts, zu einer Veränderung zu kommen.

Deshalb unser Appell an Sie alle: Lassen Sie uns das in dieser offenen Form gemeinsam in den nächsten Sitzungen des Kulturpolitischen Ausschusses erörtern. Wir freuen uns auf eine sachliche Diskussionsrunde. Ich

glaube, dass wir dann gemeinsam sehr wohl Verbesserungen für die Schulen in diesem Land herstellen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Abg.Dorothea Henz- ler (FDP))

Vielen Dank, Herr Kollege Irmer. – Das Wort hat Frau Kollegin Cárdenas, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben fünf Anträge vorliegen, die sich mit der hessischen Bildungspolitik befassen. Ich möchte kurz voranstellen, welche fünf grundlegenden Fragen wir uns jeweils stellen, um zu beurteilen, ob wir die vorgeschlagene Maßnahme unterstützen können.

Erstens. Ist die Maßnahme geeignet, um mehr gemeinsames Lernen und Bildungsgerechtigkeit für alle herzustellen, oder befördert sie eher eine Auswahl?

Zweitens. Zielt sie auf den Ausgleich von Benachteiligung ab, indem sie das einzelne Kind in den Blick nimmt und individuell und ressourcenorientiert fördert, oder orientiert sie sich eher auf Wettbewerb entlang einer sogenannten Norm?

Drittens. Geht sie von einem Menschenrecht auf Bildung aus,die von daher auch kostenfrei anzubieten ist,oder soll Bildung Marktgesetzen folgen, sollen Angebot und Nachfrage reguliert und den Erwartungsinteressen der Wirtschaft unterworfen werden?

Viertens.Haben die beteiligten Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie die Eltern ausreichende Möglichkeiten der Mitbestimmung und Mitwirkung, oder werden Ziele, Inhalte und Methoden vorgegeben?

Schließlich fünftens. Sind die dafür notwendigen Rahmenbedingungen mit bedacht worden?

Schauen wir nun einmal auf die Anträge.

Zum Antrag der SPD, den Willen der Schulgemeinden umsetzen. Integrierte Gesamtschulen gehen beim gemeinsamen Lernen weiter als kooperative Gesamtschulen, die das dreigliedrige Schulsystem lediglich unter einem Dach vereinen. Daher unterstützen wir den Antrag, beantragte integrierte Gesamtschulen schnellstmöglich zu realisieren bzw. Umwandlungen in diese zu genehmigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Entschließungsantrag der GRÜNEN, zerstörtes Vertrauen zurückzugewinnen. Sicher ist das hessische Bildungssystem sukzessive heruntergewirtschaftet worden.

(Lachen des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Sicher war der Umgang des Kultusministeriums mit Lehrerverbänden, Schüler- und Elternvertretungen nicht gerade von Vertrauen geprägt.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Bodden- berg (CDU): Es gab Unstimmigkeiten, das ist richtig!)

Sicher kann es sinnvoll sein, als ein erstes Signal eine Anhörung mit allen wichtigen bildungspolitischen Akteuren durchzuführen. Daher können wir diesem Antrag auch zustimmen.

Folgendes aber möchten wir trotzdem anmerken.

Erstens. G 8 und Unterrichtsgarantie plus sehen wir nur als Spitze eines Eisbergs, als die Tropfen, die das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Die Gymnasialeltern haben sich massiv gewehrt und sich berechtigt gegen die drastische Verschlechterung der Unterrichtsbedingungen und den erhöhten Stress gewandt.

(Michael Boddenberg (CDU): Frau Kollegin, bei Ihnen wird es doch gar kein Gymnasium mehr geben!)

Aber demnächst sollten wir uns unbedingt den weniger spektakulären Bereichen, den Schülern ohne Lobby, zuwenden – nämlich Förderschülern, Schülern mit Förderbedarf in den Regelschulen, armen Kindern, Kindern, die wegen ihres Migrationshintergrundes benachteiligt sind, usw.

Zweitens. Eine Anhörung ist keine Anhörung. Wir fordern dazu auf, jährlich – oder besser halbjährlich – rechtzeitig vor Ende des Schulhalbjahres eine Anhörung anzusetzen und diese als Regel zu etablieren, um die Entwicklungen im Bildungsbereich zu reflektieren und gegebenenfalls rechtzeitig neu zu justieren.

Drittens halten wir die generelle Verbesserung der Mitwirkungsregeln auf allen Ebenen für ebenso wichtig: eine Stärkung der Rechte der Schulkonferenzen und einen Ausbau der Mitbestimmung für die Beschäftigten.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Sofortprogramm Schule. Wir haben der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits ausführlich geantwortet und unsere Position dazu schriftlich dargelegt.

Einzelne Punkte davon könnten wir sofort unterschreiben, z. B. die Reform der Lehrerausbildung, den Abbau von Bürokratie und Gängelung. Andere müssten ergänzt werden. Zum Beispiel halten wir neben einem Sozialfonds einen Lernmittelfonds für unbedingt notwendig. Auch darf der Stopp der neuen Verwaltungssteuerung nicht nur „vorerst“ gelten.

Manches ist zu ungenau oder bleibt im Appellativen stecken – wie bei der verlässlichen Schule.Nach unserer Meinung kann es doch nicht Teil eines Sofortprogramms sein, dass der Landtag lediglich feststellt, zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer sind erforderlich.Vielmehr muss tatsächlich Geld in die Hand genommen werden, damit sich sofort etwas ändern kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine hundertprozentige Unterrichtsversorgung und eine zehnprozentige qualifizierte Reserve sind der notwendige Rahmen dafür, dass Unterricht gelingen kann.

Bereits vor der Wahl haben wir einen diesbezüglichen Antrag vorbereitet und der Öffentlichkeit vorgestellt, und in Kürze werden wir ihn hier einbringen.