Mitarbeiter der Unikliniken inzwischen Angst haben, Missstände überhaupt aufzuzeigen, wenn Kranke in dieses Krankenhaus gehen und das Gefühl haben, dass sie nicht richtig versorgt werden, und wenn die Pflegerinnen und Pfleger sagen,dass sie so überlastet sind,dass sie nicht mehr in der Lage sind, die Kranken ordentlich zu versorgen,
Herr Kollege Hahn, ich habe sehr deutlich hier in beide Richtungen argumentiert, und ich bitte Sie, hier auch anzunehmen, dass da auch bei Ihnen etwas falsch ist, nämlich dass Sie nicht anerkennen, dass hier in der Gesundheitsversorgung tatsächlich Gefahren bestehen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nur bei Ihnen ist nichts falsch! Frau Sorge weiß alles!)
Herr Kollege Hahn, wir haben durch diese missliche Situation hier im Hessischen Landtag das Glück, dass die Wissenschaftsministerin inzwischen gleichzeitig die Gesundheitsministerin ist. Dann möchte ich doch die geschäftsführende Landesregierung dringlich auffordern, genauer hinzusehen und sich vor Ort kundig zu machen, was mit diesen Vorwürfen ist.
Es gibt jetzt diese Internetseite www.rhoenwatch.de, auf der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die Kranken sowie die Mediziner vor Ort Fälle eintragen können, bei denen sie der Meinung sind, dass die Versorgung nicht ordnungsgemäß läuft.Frau Lautenschläger,ich finde, dass es Ihre Aufgabe ist, das auch ernst zu nehmen.
Das ist es, was ich der Seite von der CDU und der FDP hier in der Debatte vorwerfe. Sie sagen zu Herrn Dr. Spies, er würde Ängste schüren. Aber genauso kann man in Ihre Richtung sagen – und das tue ich hiermit –,dass Sie diese Ängste auch nicht ernst nehmen.
Sie sagen einfach nur, dass Sie schon immer gegen die Privatisierung waren, und Sie schüren Ängste. Aber die Leute vor Ort haben diese Ängste ja real. Deswegen rate ich dazu,abzuschichten und keine Ängste zu schüren,sondern sich dieser Probleme anzunehmen, statt hier nur von beiden Seiten polemisch in die Debatte einzutreten. – Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Sorge. – Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Wilken das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht hier doch nicht um einen Einzelfall. Und es geht schon gar nicht um eine politische Instrumentalisierung. Heute sind nach Agenturmeldungen ca. 60.000 Menschen in Berlin, um auf die Missstände in unseren Krankenhäusern hinzuweisen. Aus Hessen sind in den frühen Morgenstunden 7.000 Kolleginnen und Kollegen aufgebrochen. Herr Bar
dann weiß ich nicht, ob ich mich darüber freuen soll oder Sie nicht doch hoffnungslos überschätzen, welchen Einfluss wir in der Gewerkschaftsbewegung haben.
Meine Damen und Herren, die Finanzierungslücke auch in den hessischen Krankenhäusern hat für Patientinnen und Patienten sowie Personal gleichermaßen bedrohliche Ausmaße angenommen. Das gilt für alle Krankenhäuser. Das hat nichts mehr mit privatisierten Krankenhäusern zu tun. Patientinnen und Patienten beklagen in allen Krankenhäusern fehlende pflegerische und ärztliche Betreuung. Die Arbeitsverdichtung durch Stellenabbau, Gehaltsabsenkungen, Notlagentarifverträge, Befristung von Arbeitsverhältnissen und Beschäftigung von Leiharbeitskräften sind Massenphänomene in den Krankenhäusern geworden. Es geht hier nicht um einen Einzelfall.
Wer die Kliniken so kaputtspart, nimmt den Niedergang der stationären Versorgung in Kauf. Wenn das Ausbluten unserer Kliniken noch gestoppt werden soll, müssen wir auch hier im Land die Krankenhausfinanzierung schnellstens umsteuern. Ich glaube, darum geht es auch der SPD in ihrem Antrag.
Wir müssen feststellen – ich glaube, auch von Ihnen war der eine oder andere in den letzten Wochen in Kliniken und hat sich die Situation sehr genau angesehen –, dass der Druck, der auf die Beschäftigten ausgeübt wird, zunehmend auch bei den Patienten ankommt. Der Pflegerat – eine nicht gerade als linksradikal verschriene Organisation – und andere, die sich mit der Patientensicherheit beschäftigen, stellen fest, dass dieser Druck mehr und mehr in eine rationalisierte Versorgung, quasi in eine Fließbandversorgung in Krankenhausfabriken mündet. Diese Art der Versorgung wird selbstverständlich von den Pflegekräften nicht gewollt. Aber sie müssen die schnellstmögliche Versorgung der Patienten gewährleisten – ungeachtet der massiven Pflegeprobleme,die damit verbunden sind.
Patienten schildern dies als riesiges Problem. Sie fühlen sich selbstverständlich außerordentlich unwohl. Der Druck, der in den Kliniken auch aufgrund neuer Finanzierungsgrundsätze herrscht, führt am Ende dazu, dass sich die Krankenhäuser gegenseitig noch massiven Konkurrenzdruck schaffen, der in der letzten Konsequenz dann wiederum die Beschäftigten trifft. Deswegen sagen wir zusammen mit ver.di: Der Deckel muss weg.
Der Abbau von Pflegekräften und technischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den letzten zehn Jahren hat zu einer unerträglichen Arbeitsverdichtung geführt. Das Personal kommt aufgrund der durch das Fallpauschalengesetz erzwungenen Konzentration der Leistungen an seine psychischen und physischen Belastungsgrenzen. Wenn weitere Mittel- und Personalkürzungen wie z. B. in
Die Auswirkungen dieser dramatischen Sparpolitik – das sage ich noch einmal – sind aber in fast allen Krankenhäusern zu spüren. Patientinnen und Patienten klagen über längere Wartezeiten, weniger Zuwendung und belastetes Personal. Patientinnen und Patienten werden schnellstmöglich aus den Krankenhäusern entlassen, ohne dass eine gute nachstationäre Versorgung gewährleistet wäre. Und – das geht vor allen Dingen uns hier im Land an – der bauliche Zustand vieler Kliniken ist besorgniserregend. Wegen mangelhafter hygienischer Bedingungen kommt es dann zu einer Zunahme von Infektionen.
Auch für die Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern gilt: Unbegrenzte Leistungen zu begrenzten Kosten sind nicht möglich. – Ich bedanke mich.
Herzlichen Dank, Herr Dr. Wilken. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Staatsministerin Lautenschläger das Wort.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will drei Punkte festhalten.Zum einen glaube ich,dass es nicht richtig ist, in einer Aktuellen Stunde über tatsächliche Vorwürfe in Einzelfällen bei dem eigentlich wichtigsten Gebiet, das Menschen betreffen kann, zu diskutieren.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Minister Stefan Grüttner: Da klatscht der Spies! Das ist ja nicht zu fassen!)
Denn wer sich in ein Krankenhaus begibt,der hat zum Teil tatsächlich ganz existenzielle, ganz persönliche Sorgen, Ängste und Nöte. Sie taugen nicht dafür, zum Aufmacher und dadurch auch zum Spielball von Interessen zu werden. Ich glaube, es ist deswegen ganz wichtig, dass wir auf der einen Seite jegliche Beschwerden in Krankenhäusern sehr ernst nehmen.
Frau Kollegin Sorge, dazu möchte ich schon sehr deutlich machen: Egal, aus welchem Krankenhaus oder von wo sonst ein Patient bei uns Sorgen, Nöte, aber auch Missstände vorträgt – es kommt immer wieder vor, dass Patienten das Sozialministerium direkt anschreiben oder wir durch andere Quellen aufmerksam werden –, wir gehen jedem Fall nach. Ich bin froh, dass die anonymen Vorwürfe, die im Raum standen – es ist immer der schlechteste Fall, wenn man über anonym erhobene gegenseitige Vorwürfe sprechen muss –, inzwischen geklärt sind.
Es ist ganz wichtig, dass wir uns gerade im Bereich der Medizin um den Patienten und um den Menschen kümmern, der Vertrauen braucht. Es ist auch im politischen Bereich von uns allen zu erwarten, dass wir dieses Vertrauen nicht aufs Spiel setzen, sondern die Arzt-Patienten-Beziehung sehr ernst nehmen, damit entsprechend umgehen und versuchen, wenn nötig, Aufklärung zu schaffen. Wir müssen zwar jedem Einzelfall nachgehen, aber wir sollten nichts aufbauschen und hoffen,wenn man anonym gegen etwas vorgeht, dann wird schon etwas hängen bleiben.
Das ist nicht im Sinne der Patienten, das ist nicht im Sinne unseres Gesundheitssystems. Ich möchte sehr ausdrücklich sagen, dafür dürfen wir uns nicht missbrauchen lassen.
Wenn wir heute schon über Krankenhäuser diskutieren, kommen weitere Punkte hinzu. Die Patienten wollen in den Kliniken gut versorgt werden. Auf der anderen Seite geht es um die Arbeitsbedingungen in den Kliniken. Es ist zum Glück in einigen Beiträgen angeklungen, dass das relativ wenig damit zu tun hat, ob es sich um einen gemeinnützigen Träger, einen kommunalen oder einen privaten Träger handelt. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, bei allen hinzuschauen.
Interessant war, dass der Kollege Wilken heute Morgen nicht mehr die Forderung erhoben hat, über den Rückkauf von Kliniken zu sprechen.
Man muss schon sehr genau hinhören und hinschauen, wann Sie welche Forderungen stellen und wann Sie versuchen, etwas zu instrumentalisieren.
Der eigentliche Punkt ist, dass Sie mit irgendeinem Dreck werfen und hoffen, dass ein bisschen Dreck schon hängen bleiben wird.
Das ist nicht im Sinne der Medizin, nicht im Sinne der Pflegekräfte, nicht im Sinne der Ärzte und schon gar nicht im Sinne der Patienten.
Ich will sehr deutlich sagen: Wir alle wissen, dass die Frage, wie das Gesundheitswesen in Zukunft finanziert wird und wie hoch die Mittel sind, die an die Krankenhäuser fließen, viele Menschen in unserem Lande umtreibt und deshalb auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kliniken umtreibt. Da will ich sehr deutlich machen, Herr Kollege Wilken: Schauen Sie sich wenigstens zuerst einmal die Zahlen an. Vielleicht gehen Sie auch einmal ins Saarland, wo Ihr Kollege Lafontaine einmal Ministerpräsident war, und schauen Sie in seine Regierungszeit zurück, wie er die Krankenhäuser finanziert hat. Schauen Sie sich dann bitte einmal an, was seit dem Jahr 2000 in Hessen an Mitteln für diesen Bereich aufgewandt worden ist, und versuchen Sie, zu vergleichen.
Ich gebe Ihnen gerne ganz aktuelle Statistiken, nicht vom Hessischen Sozialministerium, sondern bundesweite Vergleiche. Dann werden Sie sehen, dass Hessen zu den Ländern gehört, die ihre Hausaufgaben machen, die sich dieses Bereichs angenommen haben und ihn ausbauen,die es unternommen haben, Investitionsstaus aufzulösen. Das hat aber nichts mit dem zu tun, was Sie hier vortragen. Es ist einfach unanständig, verschiedene Dinge zu vermischen, zu verrühren und dann zu hoffen, dass irgendetwas hängen bleibt.