Lassen Sie mich an dieser Stelle ein oft bemühtes Vorurteil aufgreifen, dass nämlich junge Menschen die Tragweite einer Wahlentscheidung noch nicht im vollen Umfange ermessen könnten. Viele junge Menschen, die sich in ihrem sozialen Umfeld durch Familie und Freundeskreis mit Politik auseinandersetzen, können politische Entscheidungen oftmals besser beurteilen, als viele unterstellen.
Entscheidend ist mitnichten das Alter eines Menschen,als vielmehr sein Interesse und sein Engagement für Politik. Dies spricht aus Sicht meiner Fraktion umso mehr dafür, Jugendliche möglichst früh für Politik zu interessieren, und zwar – wie könnte dies besser erreicht werden? – durch die mögliche Teilnahme an Wahlen in der eigenen Stadt oder in der eigenen Gemeinde.
Zudem kann das Vorurteil, Jugendliche wären geradezu politikunfähig, durch die langjährige Praxis in anderen Bundesländern und die dort gemachten Erfahrungen widerlegt werden. Seit Ende der Neunzigerjahre werden in Berlin,in Mecklenburg-Vorpommern,in Niedersachen, in Nordrhein-Westfalen, in Sachsen-Anhalt und in Schleswig-Holstein die Wähler im Alter ab 16 Jahren zu den Urnen gerufen, ohne dass es zu politisch vollkommen wirren Wahlentscheidungen gekommen wäre.
Zu Hessen lässt sich an dieser Stelle bedauerlicherweise sagen, dass auch bei uns die damalige rot-grüne Landesregierung das kommunale Wahlrecht ab 16 Jahren eingeführt hatte. Doch bevor dies ein einziges Mal zum Tragen gekommen wäre, wurde die progressive neue Regelung mit dem Wahlsieg der Konservativen durch die sich anschließende CDU/FDP-Regierung 1999 unmittelbar wieder abgeschafft. Es sei der Hinweis gestattet, dass die CDU/FDP-Regierung in Nordrhein-Westfalen mit ihrer Machtübernahme im Jahre 2005 weitaus klüger damit umgegangen ist und das Wahlrecht in diesem Punkt nicht angetastet hat. Vernünftige Entscheidungen im Sinne der Demokratie sind also auch jenseits von Parteilinien woanders – möglicherweise außerhalb Hessens besser – möglich.
Meine Damen und Herren, wir beraten in Gremien des Hessischen Landtags eine ganze Reihe von Gesetzentwürfen und Anträgen, mit denen das Ziel von mehr Demokratie verfolgt wird – Gesetzentwürfe für Volksinitiativen und Volksbegehren, für mehr wirtschaftliche Beteiligung der hessischen Kommunen, für mehr Demokratieteilnahme der Einwohner und mit unseren Initiativen auch für mehr Beteiligung der Jugend und von Migrantin
Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Ich bin zuversichtlich, dass die neue Parlamentsmehrheit darin ein gemeinsames Anliegen sieht und unsere Auffassung mehrheitlich getragen wird. Lassen Sie mich dennoch den Wunsch äußern, dass auch die Fraktionen von CDU und FDP dem nähertreten wollen und können. Lassen Sie uns gemeinsam bei der sich immer weiter reduzierenden Wahlbeteiligung im kommunalen Bereich auch an dieser Stelle ein Angebot für mehr Demokratie machen. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schaus, Sie haben uns mit einem Pathos Ihr Grundanliegen erklärt, das offensichtlich überhaupt die Grundlage für demokratische Verhältnisse hier sein soll. Gehen wir einmal ein Stück von diesem Pathos herunter und schauen uns die Fakten an. Ich räume Ihnen gern ein, dass es den einen oder anderen 16-Jährigen, vielleicht auch den einen oder anderen 14- oder 15-Jährigen oder die eine oder andere 14- oder 15-Jährige geben mag, die so manches hier besser beurteilen können als Menschen, die älter sind, die Wahlrecht haben und 18 Jahre alt sind, die 30, 40, 50 Jahre oder wie alt auch immer sind, vielleicht auch besser als mancher, der auf der linken Seite in diesem Hause sitzt.
Aber wo Sie diese Grenze ziehen – warum eigentlich nicht bei 14, 16 oder 18 Jahren? –, das ist letztlich immer eine willkürliche Festlegung. Irgendwo muss dieser Schnitt gemacht werden. Dann müsste man sehr genau überlegen, welche Aspekte man als relevant ansieht und welche nicht. Ich will Ihnen nur drei Punkte nennen.
Zum einen ist das, was Sie uns vorgelegt haben, schlichtweg inkonsequent. Sie beantragen die Herabsetzung des aktiven Wahlalters, lassen aber das passive Wahlalter unangetastet.Wenn es Ihnen ernst ist,wenn Sie der Meinung sind, dass 16-, 17-Jährige genauso gut politisch beurteilen und handeln können wie die 18-Jährigen, warum wollen Sie ihnen dann das passive Wahlrecht verweigern? Damit – das könnte man so sagen – degradieren Sie die 16- und 17-Jährigen zum bloßen Stimmvieh, das nur mitstimmen darf, aber nicht die Chance zur echten Mitwirkung hat. Insofern sind Sie inkonsequent.
Als zweiten Punkt möchte ich Ihnen das Gesamtsystem unserer Rechtsordnung nennen, das z. B. an die Volljährigkeit, an die Geschäftsfähigkeit anknüpft. Wenn Sie die Geschäftsfähigkeit unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes auch noch herabsetzen wollten – das habe ich bis jetzt allerdings nicht gehört –, müssten wir uns darüber
auch unterhalten. Aber ich finde es nach wie vor erstens richtig, dass 16- und 17-Jährige im Rechtsverkehr noch etwas besser als Erwachsene geschützt sind.
Ich bin zum Zweiten der Auffassung, wenn der Jugendliche nicht in der Lage ist, weil wir es ihm mit der Rechtsordnung nicht erlauben, sein sprichwörtliches Moped allein zu kaufen oder seinen Berufsausbildungsvertrag ohne Mitwirkung der Eltern zu unterschreiben,dann ist es inkonsequent, zu sagen: Das Wahlrecht ist so eine Kleinigkeit; das geben wir einmal vorab.
Meine Damen und Herren, aus Sicht der Kommunen ist besonders wichtig: Was Sie hier machen, ist, dass Sie ein Wahlrecht zweiter Klasse einführen, nämlich das Kommunalwahlrecht.
Wir haben das Wahlalter für den Landtag und den Bundestag an das 18.Lebensjahr geknüpft.Das wollen Sie offenkundig unangetastet lassen. Das ist auch gut so. Dann dürfen Sie aber nicht das kommunale Wahlrecht abqualifizieren als Wahlrecht zweiter oder gar dritter Klasse.
Meine Damen und Herren, wenn Sie meinen, eine andere Möglichkeit für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an den Entscheidungen gebe es nicht, darf ich Sie darauf hinweisen, einfach einmal in die Hessische Gemeindeordnung zu schauen. Dort ist das längst geregelt. In § 4c ist unterhalb der Schwelle des Wahlrechts in der Hessischen Gemeindeordnung vorgeschrieben, wie heißt es so schön:
Die Gemeinde soll bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen.
Da sind unterschiedlichste Möglichkeiten gegeben – ob das Beiräte sind, ob das Kinder- und Jugendparlamente sind, wie es die in verschiedenen Städten gibt. Die Beteiligungsmöglichkeiten sind durchaus da. Dazu müssen Sie nicht das Wahlrecht in einer unangemessenen Art und Weise angreifen.
Meine Damen und Herren, Mitte der Neunzigerjahre gab es in Hessen eine Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung. Sie war auch mit von der FDP initiiert. Damals wollten wir das passive Wahlalter für den Hessischen Landtag, das immer noch bei 21 Jahren liegt, auf 18 Jahre absenken.
Das Interessante an dieser Volksabstimmung war das Ergebnis: 70 % der hessischen Bürgerinnen und Bürger, die sich an dieser Volksabstimmung beteiligt haben, haben klar abgelehnt, was der damalige Landtag ihnen zur Abstimmung vorgelegt hat.
Wie ich gerade höre, durch einstimmigen Beschluss. Ich habe es nicht nachgelesen, aber wenn Sie das sagen, Herr Kollege, wird das stimmen.
70 % der Hessen haben sich damals gegen die Veränderung des Wahlrechts, gegen eine solche Absenkung der Altersgrenze ausgesprochen. Warum wollen Sie dann heute an das Kommunalwahlrecht gehen und es verändern?
Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren, hören Sie auf den Souverän,auf das Volk.Lassen Sie die Finger vom Kommunalwahlrecht. Lassen Sie es, wie es ist, so ist es gut.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Hause haben wir schon mehrfach über das kommunale Wahlalter gesprochen. Im Januar 1998 hat die damalige rot-grüne Mehrheit dieses Landtags einen Gesetzentwurf eingebracht, der vorsah, das aktive Wahlalter auf kommunaler Ebene von 18 auf 16 Jahre zu senken. Diesem Gesetzentwurf wurde auch stattgegeben, aber nach dem Regierungswechsel 1999 hat die CDU/FDP-Landesregierung dieses Gesetz wieder rückgängig gemacht und ist den beschrittenen Weg wieder zurückgegangen.
Für die SPD-Fraktion ist dies ein wichtiger Schritt, den wir hier gehen, ein Schritt in Richtung mehr Demokratie, den auch schon viele Länder zuvor gegangen sind. Herr Schaus hat einige aufgezählt: Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder auch Sachsen-Anhalt.
Wir sind der Meinung, dass wir diesen Weg wieder weitergehen sollten. Hessen war da einmal vorne dran, und jetzt sind wir das nicht mehr.
Mit 16 Jahren verdienen viele Jugendlichen bereits ihren eigenen Lebensunterhalt. Sie beteiligen sich am gesellschaftlichen Leben im Ehrenamt, erfüllen ihre ersten staatsbürgerlichen Pflichten, und im Fall einer Beschäftigung zahlen sie auch schon Steuern.
Ab 14 Jahren sind sie straf- und religionsmündig. Deshalb spricht für uns als SPD nichts dagegen, ihnen auch einen Teil des staatsbürgerschaftlichen Rechts, zu wählen, zumindest auf kommunaler Ebene, zuzubilligen.
Insbesondere bedeutet das ein richtiges und wichtiges Signal für mehr Bürgerbeteiligung, um auch junge Menschen stärker für Politik zu interessieren. Der vielfach beklagten Politikverdrossenheit kann so vielleicht auch ein Stück weit entgegengewirkt werden. Junge Menschen können auf diese Weise besser erleben, welche Chancen das Wählen hat, welche Chancen in der Demokratie stecken. Sie können an der Demokratie teilhaben.
Deswegen ist das ein wichtiger Schritt zu mehr Mitverantwortung auch für junge Menschen. Die SPD-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen. – Danke schön.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Koch. Das war die erste Rede des Kollegen Koch. Herzlichen Glückwunsch.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der LINKEN sieht die Absenkung des aktiven Wahlalters bei Kommunalwahlen und bei Wahlen zu Ausländerbeiräten auf 16 Jahre vor.Die CDU-Fraktion wird diesem Ansinnen nicht folgen.Wir halten das für inhaltlich nicht begründet und für rein populistisch.