Die Lohnnebenkosten haben eine Höhe erreicht, die für die Arbeitnehmer zu einer kaum mehr tragbaren Belastung geworden ist und die auf der Arbeitgeberseite als Hindernis wirkt, mehr Beschäftigung zu schaffen. Investitionen und Ausgaben für den Konsum sind drastisch zurückgegangen... In
dieser Situation muss die Politik handeln, um Vertrauen wieder herzustellen. Wir müssen die Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und für mehr Beschäftigung verbessern.
Das war damals der Ausgangspunkt für die Diskussion über die Agenda. Es hat noch eine ganze Weile gedauert, bis das in Sachpolitik eingegangen ist. Ich will heute daran erinnern, dass die Hessische Landesregierung und mit ihr auch die Kolleginnen und Kollegen aus dem Hessischen Landtag bereits im Jahre 2001 auf die überfällige Reform der sozialen Sicherungssysteme und vor allem der Arbeitslosen- und Sozialhilfe hingewiesen haben.
Ein Teil der Kolleginnen und Kollegen war damals mit in Wisconsin. Wir haben uns gemeinsam Systeme in Dänemark, in Holland und an anderen Stellen angeschaut, um zu sehen, wie dieser deutsche Arbeitsmarkt wieder in Ordnung gebracht werden kann und welche Maßnahmen überhaupt notwendig sind. Das war 2001.
Im Jahre 2002 haben wir als Land Hessen mit dem OFFENSIV-Gesetz schon erste Gesetze im Bundesrat vorgelegt. Es hat dann immer noch bis März 2003 gedauert, bis die Regierungserklärung von Schröder kam und die Regierung quasi wachgerüttelt wurde; denn die Zahlen am Arbeitsmarkt und damit ganz viele menschliche Schicksale gaben endlich so zu denken, dass man zum Handeln aufgerufen war.
Wenn man sich das heute im Nachgang anschaut, dann weiß jeder, der Begriff Agenda war grundsätzlich falsch; denn er war technokratisch, und die Menschen haben ihn nicht verstanden. Das hat noch weiter unter dem Gesichtspunkt Hartz IV zu mehr Verwirrung geführt; denn nach den persönlichen Verfehlungen von Peter Hartz war auch der Begriff Hartz ein verbrannter Begriff.
Trotzdem war es richtig, an den Inhalten festzuhalten. Die Inhalte haben wir als Landesregierung mit unterstützt, vorangetrieben und immer wieder gemahnt, dass endlich Gesetze vorgelegt werden, die die Misere auf dem deutschen Arbeitsmarkt stoppen und dazu führen können, Menschen wieder Perspektiven zu geben.
Wenn man sich das im Nachgang anschaut – trotz aller Diskussionen, die heute noch geführt werden –, dann war diese Aufgabe eine der wichtigsten, die wir in der deutschen Geschichte bei den Reformen auf dem Arbeitsmarkt hatten. Man kann im Nachgang auch sehen, dass sich das, was uns 2002 bis 2005 täglich 1.000 Jobs in Deutschland gekostet hat, ab 2005 zum Besseren verkehrt hat. Die Regierungszeit Merkel kann seit 2005 bis 2008 auf täglich rund 750 neue Jobs blicken.
Am 01.01.2005 ist das Nebeneinander von zwei staatlichen Fürsorgesystemen mit der sogenannten Hartz-IVReform beendet und in ein soziales Fürsorgesystem eingegliedert worden. Ich habe darauf hingewiesen, wir mussten lange mahnen, dass das tatsächlich kommt, dass es endlich verändert wird. Ob das Wisconsin, Dänemark oder die Niederlande sind:An anderen Stellen in Europa – das will ich deutlich betonen – wurde schneller und konsequenter gehandelt, um Menschen schlichtweg wieder Zukunftsperspektiven zu geben, sie nach vorne schauen zu lassen und nicht in Arbeitslosigkeit verharren zu lassen.
Unser vorrangiges Ziel war dabei immer,das Fördern und das Fordern des Einzelnen in den Mittelpunkt zu stellen. Ich glaube, das ist im Nachgang auch wichtig. Wir disku
tieren heute häufig in den Ausschüssen über die Frage von Organisation oder Statistik – einige der hier im Haus befindlichen Parteien nach wie vor auch eher über innerparteiliche Befindlichkeiten. Aber der Grund, warum wir über all das sprechen, ist, weil die Menschen damals arbeitslos und in einer ausweglosen Situation waren, wo wir wieder neue Maßnahmen brauchten, um sie überhaupt aus der Arbeitslosigkeit herauszuholen.
Jeder, der vor Ort Arbeitsämter oder heute auch die Jobcenter, die Argen, besucht hat, der sich mit Arbeitsmarktmaßnahmen auseinandersetzt, weiß, dass Arbeitslosigkeit für jeden Einzelnen eine ganz bedrückende Erfahrung ist, eine Erfahrung, die Angst in Familien hervorruft, nicht nur bei demjenigen,der direkt arbeitslos geworden ist und der erst wieder sieht, wie wichtig Arbeit für die Menschenwürde, für das einzelne Schicksal ist, um überhaupt teilhaben zu können; und damit sind wir beim Kernstück sozialer Gerechtigkeit.
Das definiert sich bei fast allen Menschen über die Teilhabe am Arbeitsmarkt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war das eigentliche Ziel, das wir auch unter der Überschrift des Förderns und des Forderns intensiv diskutiert und zu dem wir als Landesregierung selbst Vorschläge unterbreitet haben. Wir sehen heute, dass immerhin von 26 Trägern der Grundsicherung in Hessen 13 die Aufgabe als Arbeitsgemeinschaft und 13 als Optionskommune wahrnehmen, d. h. das, was wir vorgeschlagen haben,in entsprechenden Formen so ausführen,dass Hessen das Optionsland Nummer eins geworden ist. Gleichzeitig findet der Wettbewerb um die Vermittlung von Menschen in Arbeit statt, und es wird dafür gesorgt, dass Menschen wieder Perspektiven eröffnet werden.
Ich möchte ausdrücklich betonen, wenn ich die Anträge der Kollegen vorliegen sehe, dass wir an manchen Stellen noch weiter gehende Vorschläge gemacht haben.Aber wir haben uns immer für einen Kompromiss eingesetzt. Wir haben diese Reformen unterstützt, vor allem selbst mitgetragen und auch in der Öffentlichkeit vertreten. Das ist der große Unterschied zumindest zu einer Fraktion hier im Haus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen heute – das zeigte sich seit 2005 jeden Tag –, dass zusätzliche Arbeitsplätze entstanden sind. Sehr geehrte Frau Vorsitzende der SPD-Fraktion, aber wir wissen auch, dass Sie von Anfang an, schon im Jahre 2003, all das bekämpft haben und nicht dafür eingetreten sind, dass überhaupt Reformen kommen, die Menschen wieder in Arbeit bringen. Man muss sich immer wieder daran erinnern, dass man in den Jahren von 2000 bis 2005 täglich 1.000 Jobs in Deutschland verloren und damit vielen Schicksalen keinerlei Perspektive mehr eröffnet hat.
Uns war immer wichtig, dass vor Ort entschieden werden kann, ob das in dem Kompromissmodell geschieht, dass es die Arbeitsgemeinschaft oder die Optionskommune macht. Klar ist, wir wollten damals eine komplette Kommunalisierung. Aber wir haben diesen Kompromiss getroffen.
Für uns standen dabei das wirksame Fallmanagement, die Eingliederungsvereinbarung im Vordergrund. Nicht jeder soll über einen Kamm geschoren werden, sondern ein Fallmanager muss vor Ort eine Eingliederungsvereinba
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man sich heute fragt, was die Agenda 2010 tatsächlich gebracht hat, dann muss man anerkennen, dass wir im Jahr 2008 zum dritten Mal in Folge die deutsche Wirtschaft haben wachsen sehen, und zwar um mehr als 2 % – nach einer jahrelangen Stagnation. Diese positive konjunkturelle Entwicklung ist eine Ursache für die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Es dürften aber kaum Zweifel daran bestehen: Nicht zuletzt haben auch die weitreichenden Reformen des Arbeitsmarktes dazu geführt, dass wir auf der einen Seite tatsächlich eine höhere Nachfrage, vor allem aber auch wieder die Chance haben, Langzeitarbeitslose in Arbeit zu vermitteln.
So schwer man sich auch an vielen Stellen der öffentlichen Diskussion im politischen Bereich mit der Umsetzung der sogenannten Agenda 2010 und mit Hartz IV getan hat, so können wir heute doch feststellen: Es hat eine Reformdividende gegeben. Die Reform hat dazu geführt, dass Arbeitslose intensiver betreut werden und mehr Chancen haben, neue Beschäftigungen zu finden.
Der Sachverständigenrat hat das verdeutlicht, indem er sich frühere Aufschwungsentwicklungen angeschaut hat. Heute haben wir eine deutliche Verbesserung,einen überdurchschnittlich hohen Rückgang der Arbeitslosigkeit und eine deutliche Verbesserung im Verhältnis der offenen Stellen zu den Arbeitslosen – und damit eine echte konjunkturelle Belebung.
Ich will auch deutlich machen: Damit haben wir es geschafft, mehr Flexibilität zu erreichen. Diese Flexibilität hat dazu geführt, dass wir bundesweit 27 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt haben. Das entspricht immerhin einer Steigerung von knapp 4 % innerhalb von zwei Jahren und ist der höchste Wert, den die Bundesrepublik je erreicht hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, darum muss es uns auch heute noch gehen, wenn wir uns anschauen, was das bewirkt und wie es in Zukunft weitergeht.
Dabei kann ich nur daran erinnern, dass wir in diesem Hause sehr häufig gerade über die Menschen gesprochen haben, die geringe Qualifikationen haben und lange – nicht einen und nicht zwei Monate, sondern zum Teil über Jahre – in Arbeitslosigkeit waren. Auch wenn es teilweise bestritten wird, etwa von der SPD-Fraktion in diesem Hause, zuletzt in einer Rede von Kollegin Ypsilanti, so haben gerade die gering Qualifizierten vom Aufschwung am Arbeitsmarkt profitiert.
So hat beispielsweise die Anzahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter Hilfsarbeiter von März 2006 bis März 2007 bundesweit um knapp 90.000 zugenommen.
Diese positive Entwicklung sehen wir genauso in Hessen. Auch bei uns stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten,anteilig sogar stärker als im Bund.Liebe Kolleginnen und Kollegen, spannend dabei ist aber, dass bei uns vor allem der Raum, der häufig als der benachteiligte hessische Raum galt, nämlich Nordhessen, einen überproportionalen Sprung nach vorn getan hat und dort mehr Menschen in Arbeit gekommen sind. Wir haben dort einen überdurchschnittlichen Anstieg von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung.
(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und alles ohne Kassel-Calden! – Gegenruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU): Das kommt noch hinzu!)
Herr Kollege Al-Wazir, ich bin Ihnen wirklich herzlich dankbar für diesen Zwischenruf. Das hat alles damit zu tun, dass dort inzwischen Infrastruktur verändert wurde,
dass sich inzwischen Unternehmen auf den Infrastrukturausbau verlassen können und dort Förderungen eingesetzt werden – und selbstverständlich auch damit,dass der Ausbau von Kassel-Calden als ein wichtiges Ziel von dieser Landesregierung vorangetrieben worden ist.
Wenn immer darüber geredet wird, ob das alles schlecht bezahlte Jobs sind,die dazugekommen sind,dann schauen Sie sich das genau an: Gerade in Nordhessen hat sich durch die gute Infrastruktur und durch die neue zentrale Lage, die wir jetzt im vereinigten Deutschland haben, etwas entwickelt. Beispielsweise sind bei Amazon in Bad Hersfeld tatsächlich 1.500 neue Arbeitsplätze entstanden, und zwar für ganz unterschiedliche Qualifikationen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das muss unser Ziel bleiben. Wir müssen für alle möglichen Qualifikationen Chancen am Arbeitsmarkt eröffnen, für den gering Qualifizierten genauso wie für den gut Ausgebildeten – und das hat sich in Nordhessen entwickelt.
Wir können stolz auf die besonders positive Entwicklung in Nordhessen sein. Betrug der Abstand zwischen den Arbeitslosenquoten in Nord- und Südhessen im Jahr 2000 noch rund 3,3 Prozentpunkte, so haben wir im Jahr 2008 hier nur noch einen Unterschied von 0,7 Prozentpunkten. Wir haben dort also durch regional klar konzentrierte Maßnahmen zukunftsorientiert strukturelle Veränderungen geschaffen, die dem gesamten nordhessischen Raum auf Dauer helfen, anstatt mit der Gießkanne zu arbeiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will auch deutlich machen: Das hilft vor allem jungen Menschen in Arbeitslosigkeit. Denn durch den Hessischen Pakt für Ausbildung, den wir ganz klar auf den Schwierigkeiten der Jahre 2002 bis 2005 aufgebaut haben, konnten wir 2004 und 2006 jährlich 2.000 neue, zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen, 2007 sogar 4.000.
Dort haben die Partner zusammengearbeitet. Die Unternehmen haben sich genauso intensiv in den Pakt mit eingebracht, und dadurch haben wir es geschafft, gerade im nordhessischen Raum auch beim Thema Ausbildung deutlich über dem Bundesschnitt zu liegen: Im Berichtsjahr 2007/2008 betrug die Zunahme der Ausbildungsstellen im Bundesdurchschnitt 1,8 %, in Nordhessen ganze 7,8 %. Das bedeutet für Jugendliche, tatsächlich einen Ausbildungsplatz zu haben, der ihnen Zukunftschancen eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Liste ließe sich an vielen Stellen immer weiter fortsetzen und auch mit ganz harten Fakten untermauern. Wir haben es geschafft, in diesen Jahren – aufbauend auf bundesgesetzlichen Regeln, aber mit klarer Zielsetzung auf Landesebene – die
Benachteiligung des nordhessischen Raumes weiter abzubauen, die jahrzehntelang vorhanden war. Das hat etwas mit Zukunftsprojekten zu tun und damit, dass die Infrastruktur dort vorangetrieben wurde, dass sie nicht blockiert wurde,dass Menschen nicht – wie im Übrigen heute schon wieder – Angst haben mussten, dass Projekte ins Stocken geraten, und dass auch große Ziele wie ein Flughafen Kassel-Calden angepackt wurden, um international agierenden Unternehmen die Chance zu geben, dort tatsächlich aufzubauen und größer zu werden,und zwar auch in Nordhessen, nicht nur im Ballungsraum in Südhessen.
In den letzten Jahren haben wir auch in diesem Hause häufig über die Agenda 2010 gestritten. Ich erinnere mich auch an viele dieser Debatten im Ausschuss: Wird denn jungen Menschen damit tatsächlich geholfen? Wie sieht es mit den Einzelschicksalen aus?
Ich habe auf das Fallmanagement und die Eingliederungsvereinbarung hingewiesen, die in den Arbeitsgemeinschaften, in den Optionskommunen vor Ort immer eine der wichtigsten Voraussetzungen waren. Deswegen will ich Ihnen noch einige Beispiele nennen.
Es ging beispielsweise darum, der Frau – die lange Jahre tatsächlich keine Chance hatte, auf eigenen Füßen zu stehen, weil sie Kinder zu betreuen hatte oder keinen Unterhalt erhielt – die Chance zu eröffnen, über Kinderbetreuung, die sie finanziert bekam, eine auf sie zugeschnittene Einzelfallmaßnahme zu erhalten, an der sie wirklich teilnehmen konnte. Solche Fälle wurden vor Ort durch das Fallmanagement ausgestaltet.
Oder dem Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss wurde die Teilnahme an einem Vorbereitungskurs auf den Hauptschulabschluss überhaupt ermöglicht.Solche Dinge sind durch die Fallmanager, die sich wirklich eingehend mit den Menschen beschäftigen, in den letzten Jahren tatsächlich gelungen.
Wir können durchaus sehr stolz darauf sein, dass wir – nicht nur in Hessen, sondern bundesweit – ganz an der Spitze liegen, wenn es darum geht, Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Mit einem Anteil von lediglich 10,3 % ausländischer Schulabgänger, die keinen Abschluss aufweisen, hat Hessen bundesweit die niedrigste Quote erreicht. Das sind Maßnahmen der Landesregierung, die sich ebenfalls auszahlen: die Investition in Sprache, ein klares Miteinander. Es geht aber auch darum, die Erfolge gegenüber den anderen Bundesländern zu sehen.