Protocol of the Session on June 5, 2008

Herr Wagner,deswegen sind Sie natürlich eingeladen,den drei Punkten unseres Dringlichen Entschließungsantrags zuzustimmen. Denn das ist eine klare Positionierung, ein klares Bekenntnis zu einer demokratisch legitimierten Einrichtung des Rechtsstaats.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU):Teilweise abgeschrieben!)

Das ist der Unterschied zu anderen Gesellschaftsformen, zu Diktaturen. Das unterliegt der demokratischen Kontrolle – das ist ein ganz wichtiges Element – der aus demokratischen Wahlen hervorgegangenen Vertreter.

Meine Damen und Herren, deswegen sprechen wir uns klar gegen jede Forderung aus, den Verfassungsschutz in Hessen abzuschaffen. Er hat in den letzten Jahren eine wichtige Funktion wahrgenommen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Warum stimmen Sie unserem Antrag dann nicht zu?)

Herr Wagner,letztlich wird Ihr Spiel nicht aufgehen,hier einen Keil hineinzutreiben. Wir sind selbstbewusst. Wir haben eine Geschichte und können glaubhaft belegen – im Gegensatz vielleicht zu dem einen oder anderen –, die Sozialdemokratische Partei ist immer für die Einhaltung der Demokratie, der Grund- und der Menschenrechte eingetreten. Da brauchen wir gar keine Nachhilfe von anderen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Deswegen werden Sie sich nachher entscheiden müssen, ob Sie unserem Antrag zustimmen. Es wird Ihnen nicht gelingen, Ihre kleinkarierten parteipolitischen Spiele zu treiben. Nicht jede Forderung, die DIE LINKE erhebt, ist sinnvoll, politisch klug und nachvollziehbar. Wir lehnen das entschieden ab. An dieser Position hat sich nichts geändert. Deswegen sind Sie eingeladen, bei uns mitzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Nächster Redner ist der Herr Kollege Al-Wazir für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn es bei dieser Debatte offensichtlich Teilen des Parlamentes schwerfällt, versuche ich trotzdem, nüch

tern darüber zu sprechen, was denn in puncto Verfassungsschutz sinnvoll ist und was nicht.

Deswegen meine erste grundsätzliche Feststellung: Es ist eine Lehre aus dem Scheitern der Weimarer Republik und aus der Nazizeit, dass die Feinde der Demokratie in der Demokratie keine Mehrheit bekommen dürfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ebenfalls eine Lehre aus der Weimarer Republik und aus der Nazizeit – auch dies zu aktuellen Debatten über die Frage, wie die Architektur der Sicherheitsorgane in der Bundesrepublik Deutschland gestaltet werden soll –, dass es keine Vermischung zwischen Polizei und Geheimdiensten geben sollte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP so- wie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Zweitens stelle ich fest, dass es natürlich immer wieder eine Veränderung der weltpolitischen Lage und der Bedrohungslage der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren von 1949 bis heute gegeben hat.

In den Siebzigerjahren gab es in Deutschland terroristische Aktivitäten. Bis zum Ende der Achtzigerjahre gab es den sogenannten Kalten Krieg. In den Neunzigerjahren durften wir die Hoffnung haben, bestimmte Bedrohungssituationen würden nicht mehr eintreten.

Ich glaube, in dieser Debatte wäre ein selbstkritischer Blick zurück für alle Seiten nicht so verkehrt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie sich das Eigenleben – wenn ich das einmal so nennen darf – auch der bundesdeutschen Geheimdienste in den Siebzigerjahren einmal genauer betrachten, dann wäre auch dort einmal ein kritischer Blick zurück angebracht.Wenn Sie sich heute die Lage betrachten – Stichwort: BNDUntersuchungsausschuss –, dann ist es auch heute klar, dass Geheimdienste immer der effektiven parlamentarischen Kontrolle bedürfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU):Völlig richtig!)

Liebe Kollegen von der CDU, wenn Sie einmal zurücküberlegen,wie Sie in Oppositionszeiten und zu Beginn Ihrer Regierungszeit krampfhaft auf der Suche nach neuen Themen für den Verfassungsschutz waren: Ich glaube, die Frage, ob das immer der Weisheit letzter Schluss war, ist erlaubt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn ich mich an die Oppositionsabgeordneten der CDU in den Jahren von 1995 bis 1999 zurückerinnere und an den Versuch, die Scientology-Organisation zu beobachten – wir haben keinen Streit darüber, dass die ScientologyOrganisation totalitäre Züge hat –, müssen wir, wie ich glaube, alle miteinander inzwischen der Meinung sein, dass sie keine Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(Michael Boddenberg (CDU): Ehemalige Mitglieder sehen das etwas anders!)

Wenn Sie sich das Ende der Neunzigerjahre und Ihre erste Regierungsperiode betrachten – da war auch noch die FDP dabei – und Ihre damaligen Versuche, auch die organisierte Kriminalität zum Aufgabenfeld, zum Blickpunkt des Verfassungsschutzes zu machen, so glaube ich, wenn man sich jetzt einmal die Ergebnisse betrachtet – wir haben keinerlei Streit darüber, dass die organisierte Kriminalität eine sehr gefährliche Form der Kriminalität ist –,so müssen wir nach einigen Jahren der Erfahrung feststellen: Es ist besser, wenn sich die Polizei damit beschäftigt, nicht aber der Verfassungsschutz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Insofern muss dann aber auch an die Linkspartei die kritische Frage gestellt werden, ob denn nicht wahrgenommen wird, dass der 11. September 2001 sehr wohl gezeigt hat, dass Dinge geschehen sind, die wir uns alle miteinander vorher nicht vorstellen konnten.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei, insofern glaube ich: Es ist natürlich so, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, im Grundgesetz, und in der Verfassung des Landes Hessen festgeschrieben ist, nicht ausdrücklich sagt, der Kapitalismus sei die einzige Variante. Aber, lieber Kollege van Ooyen, ich glaube, es müsste keinen Streit darüber geben, dass sich die Diktatur des Proletariats nicht mit der freiheitlichdemokratischen Grundordnung verträgt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU, der SPD und der FDP)

Wenn ich mir die innerparteilichen Plattformen der Partei DIE LINKE betrachte und auch das, was in der Zeitung zu lesen war – dass ein gewisser Oskar Lafontaine der Meinung war, dass Sahra Wagenknecht Mitglied des Parteivorstands werden soll –, dann meine ich, innerhalb der Linkspartei sollten bestimmte Klärungsprozesse stattfinden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD, der CDU und der FDP – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die ist im Vorstand!)

Herr Kollege Wagner, sie sollte stellvertretende Vorsitzende werden. Ich glaube, da könnte innerparteilich noch einiges passieren.

(Michael Boddenberg (CDU): Frau Wissler hat die meisten Stimmen bekommen!)

Auch Frau Wissler ist im Parteivorstand. Der Parteivorstand der Linkspartei scheint ziemlich groß zu sein.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wie beim ZK!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, insofern kann ich Ihnen nur sagen: Es dürfte keinen Streit darüber geben – Stichwort: Kommunistisches Manifest –, dass im Hessischen Landtag kein Gespenst umgeht, wenn Sie sich an den Originaltext erinnern. Vielmehr haben wir über die Frage zu entscheiden, ob Forderungen nach der Abschaffung des Landesamtes für Verfassungsschutz sinnvoll sind oder nicht.

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sage ich: Im Angesicht der weltpolitischen Lage, aber auch der innenpolitischen Lage des Jahres 2008 ergeben diese Forderungen aus unserer Sicht keinen Sinn.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Wir legen aber auch großen Wert auf die Feststellung,dass das aus gutem Grund so ist. Das ist der Punkt 2 des SPDAntrags: „Das Landesamt für Verfassungsschutz leistet auf der Grundlage seiner demokratischen Legitimation und Kontrolle durch das Parlament einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Demokratie in unserem Land.“

(Axel Wintermeyer (CDU): Kein Dissens!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich habe jetzt versucht,diese Debatte ein wenig herunterzukochen. Das ist mir auch halbwegs gelungen.

Im Grunde geht es in Ihrem Antrag um zwei Punkte. Erstens geht es um die Frage, wie man zum Landesamt für Verfassungsschutz steht. Zweitens geht es um den sehr offensichtlichen Diskussionsversuch – ich drücke es einmal so aus –:Wie bringe ich die Abgeordneten der Linkspartei im Hessischen Landtag dazu, möglichst viel Unsinn zu erzählen?

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das machen die schon selbst! – Zurufe von der CDU)

Das ist das Ziel gewisser Setzpunkte. – Herr Kollege Wintermeyer, ich glaube, bei allem professionellen Respekt, dass auch Sie hier zustimmen würden.Daher finde ich den SPD-Antrag sehr viel nüchterner. Er bleibt in der Sache klar und sagt sehr nüchtern,worum es eigentlich geht.Daher sage ich den Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP:Wir springen – im Gegensatz zu Herrn Kollegen Schaus – nicht auf jeden Apfelbutzen, der hier hingeworfen wird. Daher glauben wir, dass wir dem Antrag der SPD zu einer Mehrheit verhelfen sollten. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Al-Wazir, vielen Dank. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Hahn für die Fraktion der FDP.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir, die FDP, müssen mit Freude zur Kenntnis nehmen, dass jedenfalls die vier Fraktionen, die dem Hessischen Landtag auch während der vergangenen Legislaturperiode angehört haben, ein relativ übereinstimmendes Bild einerseits von der Verfassungssituation in unserem Lande sowie andererseits von der wichtigen Aufgabe des Verfassungsschutzes haben. Ich glaube, dass es wichtig ist, dies nach den Redebeiträgen von Herrn Rudolph, Herrn Kollegen Al-Wazir und natürlich von Herrn Dr. Wagner von dieser Stelle aus zu sagen.

(Beifall bei der FDP)

Wir wissen allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, die in der 16. Legislaturperiode bereits hier gewesen sind,dass es in diesem Hause eine Fraktion gibt, die in Bezug auf beide Punkte andere Auffassungen hat – sowohl, was das verfassungsgemäße Grundprinzip der Bundesrepublik Deutschland anbelangt, als auch, was die Aufgaben von Verfassungsschutzbehörden