Protocol of the Session on April 5, 2008

Meine Damen und Herren, wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4:

Wahl der Präsidentin oder des Präsidenten (§ 2 GOHLT)

Ich erteile dem Fraktionsvorsitzenden der Christlich Demokratischen Union, Herrn Dr. Christean Wagner (Lahn- tal), das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich schlage namens der CDU-Landtagsfraktion Herrn Abg. Norbert Kartmann zur Wahl des Landtagspräsidenten vor.

(Beifall bei der CDU)

Schönen Dank, Herr Dr. Wagner. – Ich darf fragen, ob es weitere Vorschläge gibt? – Das ist nicht der Fall. Dann können wir in die Wahlhandlung eintreten.

Nach § 2 Abs. 1 der Geschäftsordnung wählt der Landtag in geheimer Wahl oder, wenn niemand widerspricht, durch Handzeichen die Präsidentin oder den Präsidenten für die Dauer der Wahlperiode. Ich frage deshalb, ob der Wahl durch Handzeichen widersprochen wird. – Es ist kein Widerspruch erfolgt. Ich bitte daher um das Hand

zeichen, wer dem Vorschlag Drucks. 17/2, Herrn Abg. Kartmann zum Präsidenten des Hessischen Landtags zu wählen, zustimmt. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Dann ist Herr Norbert Kartmann einstimmig vom Hessischen Landtag zum Landtagspräsidenten gewählt.

(Beifall)

Ich frage Sie, Herr Abg. Kartmann: Nehmen Sie die Wahl zum Präsidenten des Hessischen Landtags an?

(Norbert Kartmann (CDU): Herr Präsident, ich nehme die Wahl an!)

Ich darf Ihnen die Glückwünsche des gesamten Hauses übermitteln.

(Beifall – Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) überreicht einen Blumenstrauß.)

Ich darf Ihnen Glück für Ihre Amtsführung wünschen und darf Ihnen jetzt das Wort erteilen.

Herr Alterspräsident, lieber Kollege Klee, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren der Landesregierung, sehr geehrte Gäste! Zunächst erlaube ich mir, Ihnen, sehr geehrter Herr Alterspräsident, herzlich für Ihre Amtswaltung auch im Namen des gesamten Hohen Hauses zu danken,

(Beifall)

vor allen Dingen für das Herz, das Sie uns auf die Tische gelegt haben. Meine Damen und Herren, auch wenn ein Alterspräsident nur wenige Minuten zu Beginn einer Legislaturperiode tätig wird, bleibt er dies doch für die gesamte Wahlperiode und ist in der Präsidialhierarchie unmittelbar nach dem Präsidenten und seinen Vizepräsidenten, wenn die denn ausfallen, der Nächste.

Lieber Horst Klee, für Sie persönlich ist es auch etwas ganz Besonderes, die Periode dieses Landtags zu eröffnen, der in Ihrer Heimatstadt seinen Sitz hat. Mit Ihrem Vorgänger Armin Klein (Wiesbaden) teilen Sie nun die gleiche Freude.

Dank sei auch gesagt unseren beiden jüngsten Kolleginnen Lisa Gnadl und Janine Wissler, die einer guten Gepflogenheit folgend die Aufgaben der Schriftführerinnen begleiten.

Lieber Herr Kollege Klee, ich muss Sie nach meinen Dankesworten leider ablösen. Das ist nicht anders zu machen. Genießen Sie also noch die nächsten Minuten.

(Heiterkeit)

Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten der 17. Wahlperiode des Hessischen Landtags, will ich nun von Herzen für Ihr Vertrauen danken, das Sie mir mit der Wahl zum Präsidenten des Hessischen Landtags ausgesprochen haben. Es ist und bleibt für mich eine große Ehre, diesem Landtag vorzustehen, ihn vor den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes und vor den Repräsentanten, die hier sitzen, zu vertreten, für seine Interessen im Konzert der Länderparlamente in der Bundesrepublik Deutschland einzutreten und im Interesse unseres Landes parlamentarische Kontakte in Europa und darüber hinaus zu pflegen. Diese Aufgabe – das bekenne ich gerne – hat mir in der ersten Amtsperiode

große Freude bereitet. Umso mehr danke ich Ihnen, dass Sie mir erneut Ihr Vertrauen ausgesprochen haben.

Es ist zudem ein Amt, welches nicht täglich in den Schlagzeilen zu finden ist, und dies ist ohne Einschränkung gut so.Wer die Schlagzeile sucht oder gar braucht, sollte nicht Präsident oder Vizepräsident werden.

Mein Bemühen auch in dieser Legislaturperiode wird es sein, dieses Amt in der gebotenen Neutralität und für dieses Amt notwendigen inneren und äußeren Ruhe auszuüben. Beides obliegt diesem Amt unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen.

Gleichwohl verändern sich Abläufe und Handlungsweisen dann, wenn sich die Strukturen und die Zusammensetzung eines Parlaments ändern. Unsere Verfassung und die daraus abgeleiteten Gesetze und Bestimmungen, die die Pflichten und Rechte des Präsidenten und des Präsidiums definieren, ändern sich allerdings nicht durch Wahlen und deren Ergebnisse.

Die vergangene Landtagswahl hat die Zusammensetzung dieses Parlaments wesentlich verändert. Die Bestimmung der auf der Grundlage von Art. 86 unserer Verfassung formulierten Geschäftsordnung in § 44 gilt unbeschadet. Dort heißt es unter anderem: Der Präsident

wahrt die Würde und die Rechte des Landtags, fördert seine Arbeiten, leitet die Verhandlungen gerecht und unparteiisch und wahrt die Ordnung im Hause.

Meine Damen und Herren, aus der Sicht des Amtes des Präsidenten gibt es also zunächst und in erster Linie den Landtag, das höchste Verfassungsorgan unseres Bundeslandes, und 110 Abgeordnete mit gleichen Rechten und Pflichten, unabhängig von ihrer Fraktionszugehörigkeit.

Die Fraktionen allerdings sind die zentralen Partner des Präsidenten in der Gestaltung der Arbeit im Landtag.Ihre Vertretung analog der politischen Zusammensetzung des Landtags im Ältestenrat als vorbereitendes Gremium für die Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse sowie im Präsidium als dem mitbestimmenden Gremium bezüglich der Verwaltung des Landtags sind – im Zweifel mehrheitlich – maßgebend.

Nach der letzten Landtagswahl ist die politische Lage in Hessen sichtbar und hörbar schwieriger geworden. Grundsätzlich gilt, dass uns als gewählten Abgeordneten und damit als Vertretern der Bürgerinnen und Bürger Hessens unsere Gesamtverantwortung für dieses Bundesland trotz aller berechtigten Interessen der auf der Basis der Parteiprogramme handelnden Fraktionen immer klar sein muss.

Die Wege zur Wahrnehmung dieser Verantwortung sind unterschiedlich. Wie anders sollte es in einer freien und pluralistischen Gesellschaft sein? Aber sie unterliegen den Gesetzmäßigkeiten einer demokratisch verfassten Gesellschaftsordnung, die für alle gleichermaßen gültig und verpflichtend sind. Sie folgen den parlamentarischen Spielregeln einer parlamentarisch-repräsentativen Demokratie, in der das Parlament als Vertreter des Souveräns das oberste Verfassungsorgan ist. Diesen ist wiederum ein jeder ohne Ausnahme unterworfen. Diese Spielregeln sind zur Wahrung der elementaren Grundsätze eines Parlaments unabdingbar: zum einen der Rechte jedes einzelnen Abgeordneten und zum anderen der Würde des Parlaments. Darauf zu achten und dafür einzutreten ist die zentrale Aufgabe derer,die Sie heute in ihre Ämter als

Präsident, als Vizepräsidenten, als Mitglieder des Präsidiums und des Ältestenrats wählen.

Suchen wir in der Verfassung unseres Landes nach expliziten Formulierungen für die Pflichten von Abgeordneten, so werden wir nicht fündig. Diesbezüglich haben wir also die Pflichten, die ein jeder Staatsbürger hat. Dies gilt sowohl für die durch Gesetze geschriebenen Verpflichtungen als auch für die nicht geschriebenen Pflichten.

Als ich in diesen Tagen erneut unsere Hessische Verfassung gelesen habe – meine Damen und Herren, dies ist nützlich, hilfreich und lehrhaft, man sollte sie öfter lesen –, bin ich auf die Artikel gestoßen, die mich als Lehrer besonders interessieren. Ich erlaube mir daraus einige Ableitungen für unsere Tätigkeit. Dort ist die Rede von den Grundsätzen der Duldsamkeit, der Rücksicht auf weltanschauliche und religiöse Empfindungen,dem selbstständigen und verantwortlichen Dienst am Volk und der Menschheit durch Ehrfurcht und Nächstenliebe,Achtung und Duldsamkeit, Rechtlichkeit und Wahrhaftigkeit. Es ist dort auch die Rede von der Nichtduldung von „Auffassungen, welche die Grundlagen des demokratischen Staates gefährden“.

Meine Damen und Herren,wenn dies der Auftrag unserer Verfassung für die Erziehung unserer Kinder ist, dann sollten wir dies nicht erst lernen, sondern wir sollten ständig bemüht sein, danach zu handeln. Dies ist selbstverständlich, es muss aber auch offen bekannt werden.

Es ist aber auch selbstverständlich, dass uns dies nicht immer gelingt. Abgeordnete – welch überraschende Mitteilung – haben ähnliche oder gleiche menschliche Schwächen wie jedermann.Liebe Kolleginnen und Kollegen,wir stehen allerdings unter besonderer Beobachtung. Dies darf uns nicht beschweren, sondern ist Teil der Wahrnehmung eines hohen öffentlichen Auftrags, dem wir uns in freiem Willen gestellt haben – niemand ist gezwungenermaßen Landtagsabgeordneter.

Trotzdem suchen wir als Abgeordnete immer nach den Grenzen der Beobachtung – nicht um zu verbergen, sondern wegen der auch für Politiker notwendigen und berechtigten Grenzziehung zwischen öffentlichem Auftrag und Privatheit.

Unsere Aufgabe bringt es mit sich, dass wir miteinander disputieren. Ausweislich des Dudens bedeutet dies: ein Streitgespräch führen,seine Meinung vertreten.Dies ist in einer lebendigen Demokratie unverzichtbar.

Dem hessischen Landesparlament sagt man nach, es sei in der Lage,besonders heftig zu streiten.Der Ablauf der vergangenen Wahlperiode hat dieser Charakterisierung nicht so entsprochen,wie man das meint.Dies möchte ich schon betonen. Allerdings ist nicht in Abrede zu stellen, dass es in unseren Breitengraden eher und öfter stürmisch wird als anderswo.

In Anbetracht dieser Erfahrung geht mein Appell an alle auf ein hohes Maß an Vernunft im zwischenmenschlichen Umgang, in der parlamentarischen Debatte und darüber hinaus. Bei aller Bedeutung unseres Tuns und bei aller Wertschätzung der jeweils eigenen Ziele gelten selbstverständlich die allgemeingültigen Regeln des Umgangs miteinander, die ich eben als ungeschriebene Pflichten genannt habe. Deren Verletzung – sofern sie in diesem Hause geschieht – wird die Maßnahmen auslösen, die wir uns als Instrumentarium zur Wahrung der inneren Ordnung gegeben haben.

Dabei geht es uns wie den Feuerwehren:Ein erfolgreiches Jahr im Bericht einer Feuerwehr ist es dann, wenn sie immer bestens auf den Einsatz vorbereitet ist, aber nie zum Einsatz kommt. Das erhoffe ich mir, und das kann ich sicher auch schon jetzt im Namen derer sagen, die Sie nachher zu Vizepräsidenten wählen.

Meine Damen und Herren, ich für meinen Teil empfinde die Gemeinsamkeit – bei allem, was uns auch trennt – immer wohltuend. Ich halte es mit Saint-Exupéry, der sagt: Es gibt nur eine wahrhaftige Freude – der Umgang mit Menschen.

Ich empfehle Ihnen allen, diese Erkenntnis auf den Weg der nächsten fünf Jahre mitzunehmen, in einer zweifelsohne anstehenden schwierigen Zeit mit schwierigen Aufgaben.

Nun lassen Sie uns in dieser neuen Legislaturperiode an die Arbeit gehen – in diesem neuen Landtag, den wir gestern seiner Bestimmung übergeben haben. Hier funktioniert alles.

(Unruhe)

Die erste dpa-Meldung heute war: „Panne“. Dies wird die letzte Pannenmeldung sein.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

Meine Damen und Herren, dies ist der Ausdruck dafür, dass ich weiterhin sage:„Das Glas ist halb voll“,und nicht: „Das Glas ist halb leer“. Damit lebt man besser.

Wir gehen an die Arbeit. Wir wissen nicht, was uns die nächsten Monate bringen werden, aber wir sind alle gespannt.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und auf ein gutes Miteinander. – Vielen Dank.