Protocol of the Session on April 5, 2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir nehmen heute im Auftrage der Bürgerinnen und Bürger unseres Heimatlandes Hessen zum 17. Mal nach 1945 die parlamentarische Arbeit auf.Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre – in der Regel.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Schauen wir mal!)

Wir nehmen heute Besitz vom neuen Plenarsaal des Hessischen Landtags, der unsere Arbeitsbedingungen verbessert und sich in völlig veränderter Form präsentiert. Es war ein langer Findungsprozess, und es war alles andere als leicht, den Landtagsumbau zu bewerkstelligen. Nach einer Phase der Irritationen ist eine Phase des kooperativen Miteinanders entstanden. Wir können nun gemeinsam stolz sein, dass wir das geschafft haben.

Der Hessische Landtag, die Landeshauptstadt Wiesbaden und vor allem die Bewohner im Umfeld haben an einem Strang gezogen und somit eine von allen akzeptierte Lösung gefunden. Wir haben ab heute die Möglichkeit, den neuen Landtag einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen und die Ziele,die mit dem Umbau formuliert wurden,hier in besonderem Maße die Öffnung für die Bürgerschaft, zu verwirklichen.Die Landeshauptstadt und das Land haben mit diesem Umbau gewonnen. Den bereits jetzt hin und wieder auf den Plan tretenden Kritikern rate ich Zurückhaltung. Ich setze auf die Fähigkeit, das Positive in den Vordergrund zu stellen.

Meine Damen und Herren, es ist für mich als Wiesbadener Abgeordneter, der in dieser Stadt geboren ist und dessen Lebensmittelpunkt immer diese schöne Stadt war, etwas ganz Besonderes, hier und heute die Eröffnungsrede halten zu dürfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Wahlergebnis der Landtagswahl vom 27.Januar 2008 hat uns eine schwer zu lösende Aufgabe gestellt. Die vor der Wahl gemachten Absichtserklärungen von Parteien, wie man sich handlungsfähige Regierungen vorstellen könnte, sind aufgrund dieses Ergebnisses nicht zu realisieren.Aber, meine Damen und Herren Abgeordnete, wir haben kein anderes Ergebnis. Die sehr unterschiedlichen Politikansätze und Programme, die in vielen Jahren geübte und anerzogene Sprachunfähigkeit in diesem Hause, die persönlichen Verwerfungen untereinander blockieren zurzeit scheinbar unauflöslich die für das Land notwendige volle Handlungsfähigkeit. Wir sollten versuchen, diesen Zustand in angemessener Zeit aufzulösen. Dazu ist allerdings mehr

als nur guter Wille notwendig. Eine geschäftsführende Landesregierung kann aus meiner Sicht nur eine mittelfristige Lösung sein.

Unser Heimatland Hessen befindet sich trotz unterschiedlicher Betrachtungsweisen und Gott sei Dank etwas entfernt von Wahlkampfgetöse im Konzert der Bundesländer aus meiner Sicht in einem alles in allem hervorragenden Zustand. Wir haben alle Chancen, auch in der Zukunft in Deutschland ganz vorne zu stehen. Wir sind ein starkes Land, in dem unsere Bürgerinnen und Bürger täglich hervorragende Leistungen erbringen. Hierzu gehören auch alle Bediensteten des Landes und der Kommunen. Dazu gehören auch die Unternehmensführer und die Personal- und Betriebsräte, die keine Steuern hinterziehen, die keine unangemessenen Abfindungen kassieren und denen Wolfsburger Eskapaden fremd sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hunderttausende Ehrenamtliche machen unser Land täglich reicher. Ihr nimmermüder Einsatz für die von ihnen selbst gesteckten Ziele ist für unser Land unverzichtbar, und wir sollten sie dabei kräftig unterstützen.

Vor dem Hintergrund der Wahlkampfauseinandersetzung im Januar liegt mir das Thema Integration unserer ausländischen Mitbürger, der Deutschen mit Migrationshintergrund und der Aussiedler besonders am Herzen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich halte die positive Lösung dieser Frage gerade in den Ballungsräumen unseres Landes für eine absolute Zukunftsfrage. Im Rahmen dieser Eröffnungsrede der Plenarperiode ist ein solches Thema nicht erschöpfend zu behandeln. Es sind schon viele Maßnahmen auf den Weg gebracht und verwirklicht worden. Die Landespolitik darf hier nicht nachlassen.

Der Gewaltbereitschaft von Jugendlichen, egal welcher Nationalität, ist nur entgegenzuwirken, wenn es uns gelingt, im Elternhaus, in der Schule, in der Freizeit und im Arbeitsleben sinnvolle Perspektiven anzubieten.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht wundern, dass ich die besondere Integrationskraft des Sports herausstelle. Wer von Kindesbeinen an in Vereinen, die die Eltern einbinden, gemeinsam Sport treibt, wer ausländische Vorstandsmitglieder in die Vereinsarbeit einbindet und über den Sport hinaus Hilfen bei Schule und Arbeitsplatz anbietet, leistet mehr, als erlassene Gesetze, Strategiepapiere und Integrationsvereinbarungen erreichen können.

(Beifall)

Diese Kinder, diese Jugendlichen und diese Eltern bei der Gestaltung unserer Gesellschaft mitzunehmen ist das Gebot der Stunde. Es gibt meiner Ansicht nach keine Alternative zu einer kreativen und offensiven Integrationspolitik. Sie ist für die Zukunft unseres Bundeslandes lebensnotwendig.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ob der Beitrag, den der türkische Ministerpräsident in Köln geleistet hat, diese Bemühungen positiv begleitet,stelle ich infrage.Ich glaube,eher nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute unsere Arbeit beginnen, zwingt uns die aktuelle politische Lage, nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen. Die positiven Signale zwischen der türkischen und der griechischen Volksgruppe im Zypernkonflikt, wo man jetzt endlich wieder miteinander spricht, können die vielen ungelösten und kriegerischen Konflikte nicht ersatzweise überdecken. Das Gewaltpotenzial, das durch die Unabhängigkeit des Kosovo entstanden ist, liegt vor unserer Haustür und macht uns betroffen, zumal ja auch deutsche Soldaten dort im Einsatz sind, deren Angehörige täglich um sie bangen.

Auch fünf Jahre nach Beginn des Irakkonflikts zeichnet sich keine positive Lösung ab. Stattdessen stirbt dort täglich eine große Zahl von Menschen.

Im israelisch-palästinensischen Konflikt ist man weiter denn je von einem Lösungsansatz entfernt.Absichtserklärungen bleiben aufgrund aktueller Ereignisse immer wieder auf der Strecke. Eine Lösung des Problems wäre nicht nur für diese Region ein Segen. Die Bundeskanzlerin hat in einer bemerkenswerten Rede in der Knesset unsere Verantwortung für das Existenzrecht des Staates Israel beschrieben. Hier gibt es nichts hinzuzufügen. Fest steht aber auch: Es gibt nur Frieden, wenn dem palästinensischen Volk eine Perspektive gegeben wird.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang hoffe ich, dass auch der neue Landtag die Aufrechterhaltung unseres Kooperationsbüros in Gaza nicht infrage stellt.

(Beifall)

Es ist ein ganz, ganz bescheidenes Zeichen der Hoffnung für eine bessere Zukunft in dieser Region.

Meine Damen und Herren, täglich bangen wir um unsere Soldaten in Afghanistan, die für den Frieden in diesem Land stehen und unsere volle Solidarität erwarten dürfen.

Meine Damen und Herren, ich bin der Landeshauptstadt Wiesbaden sehr dankbar, dass sie die tibetische Fahne gehisst hat. Wir dürfen zu den seit Wochen andauernden Vorkommnissen in Tibet nicht schweigen. Was die kommunistische Volksrepublik China mit einem kleinen, unbewaffneten, friedlichen Volk dort anstellt, fordert klare, unmissverständliche Worte und Taten.

(Anhaltender Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking ein Volk niederknüppelt und niederschießt, dessen Freiheitswillen er auch nach 58 Jahren der Annexion nicht gebrochen hat, hat es nicht verdient, das Treffen der Sportler dieser Welt ausrichten zu dürfen. Es erweist sich wieder einmal, dass Diktaturen keine geeigneten Stätten für Olympische Spiele bieten können. Das hat 1936 in Berlin begonnen, wurde 1980 in Moskau fortgesetzt, und Peking folgt in gleicher barbarischer Form. Solche Regime benutzen die Spiele, um die vermeintliche Überlegenheit ihres politischen Systems durch Medaillenregen zu dokumentieren. Ihnen ist jedes Mittel recht. Dass das Internationale Olympische Komitee, vornehmlich sein Präsident, schweigt, ist aus meiner Sicht ein Armutszeugnis, und der deutsche IOC-Vertreter ist da keinen Deut besser.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Reaktionen der Weltgemeinschaft sind eher vom Wohlverhalten im Sinne wirtschaftlicher Interessen als

vom kraftvollen Eintreten für die Freiheit und für die Wahrung der Menschenrechte getragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Hessen hat nicht nur eine zentrale Lage in Deutschland, sondern auch in Europa. Dies bedeutet, dass Hessen traditionell internationale Kontakte pflegt, ob nun durch die in Hessen ansässigen Unternehmen und Kultureinrichtungen oder durch die Mitbürger – aus über 190 Staaten –, die in Hessen leben, arbeiten und studieren.Wir im Landtag sollten diese internationale Zusammenarbeit positiv begleiten und dazu beitragen, dass Hessen seinen Platz in Europa und in der Weltgemeinschaft weiter ausbaut.

Unsere Außenwirtschaftspolitik leistet hierzu einen wichtigen Beitrag, ebenso unsere Außenwissenschaftspolitik und Entwicklungszusammenarbeit. In den letzten Monaten haben wir durch die Gründung der vietnamesischdeutschen Universität internationale Aufmerksamkeit erlangt und gezeigt, welch guten Ruf sich unsere Hochschulen international erarbeitet haben. Die Außenwissenschaftspolitik und die Entwicklungszusammenarbeit von heute sind die Außenwirtschaft von morgen.

In den letzten Wochen ist sehr viel über die Glaubwürdigkeit der Politik, über die Verlässlichkeit politischer Aussagen, aber auch über die Politikverdrossenheit berichtet worden. Es steht mir an dieser Stelle nicht zu, als Alterspräsident auf aktuelle Ereignisse einzugehen. Es ist mir bei Durchsicht protokollierter Eröffnungsreden vorangegangener Alterspräsidenten aber gelungen, Passagen zu finden, die heute so aktuell sind wie damals.

Ich will aus der Rede der Alterspräsidentin der 15. Legislaturperiode, Frau Prof. Fellner, SPD, eine mir sehr wichtige Passage zitieren:

Die Bürgerinnen und Bürger registrieren, dass die politischen Parteien immer wieder an Bodenhaftung verlieren, dass sie ihre Versprechen und Zusagen nicht umsetzen können oder wollen, dass der Dialog mit dem Wähler oft zum einseitigen Versuch der Parteien missrät, sie mit Parolen einzudecken. So nimmt die Distanz zu. Immer mehr Wählerinnen und Wähler bleiben zu Hause.

Diese Passage hatte damals Gültigkeit,und sie hat es noch heute. Wenn 1972 noch 27 % der Bevölkerung eine positive Meinung von Politikern hatten und es heute nur noch 7 % sind, ist dies alarmierend.Wir müssen uns Gedanken machen, ob die Form der Auseinandersetzung, wie wir sie zum Teil praktizieren, in Ordnung ist. Steht die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund, oder geht es darum, dem politischen Gegner Verletzungen zuzufügen, auch im persönlichen Bereich? Hören wir doch einmal genau hin, was Besuchergruppen im Landtag an Meinung artikulieren,wenn wieder einmal so richtig geholzt wurde.

Ob für die Vertreter der Medien bei ihrer Berichterstattung immer und ausschließlich die Sache im Vordergrund steht, ist – zumindest meiner Meinung nach – mit einem Fragezeichen zu versehen.Hier unterliegt man auch oft zu sehr der Versuchung, noch verschärfend ein- und mitzuwirken.

Die neue Umgebung,aber auch das Wahlergebnis vom 27. Januar 2008 sollten einen positiven Neuanfang möglich machen. Wir müssen um den besten Weg für unser Land und dessen Bürgerinnen und Bürger ringen. Wir können lebhafte und auch emotionale Debatten führen. Wir sollten es aber unterlassen, dem jeweils anderen zu unterstellen, dem Land bewusst schaden zu wollen.

Die Wählerinnen und Wähler haben uns den Auftrag erteilt, das Land voranzubringen. Ich hoffe sehr, dass wir es gemeinsam schaffen, die hohe Lebensqualität in unserem Lande zu halten, soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen, das Miteinander aller in unserem Land lebenden Menschen zu fördern und unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern. Ich wünsche uns allen Schaffenskraft, Einsatz, aber auch Freude bei der vor uns stehenden Arbeit.Ich bin sicher:Wer seine Arbeit gern macht, macht sie auch gut – mit Herz und Verstand.

Ich habe mir erlaubt, eine kleine Erinnerung an diesen Tag des Neustarts auf Ihre Plätze zu legen – ein Herz in den Farben Ihrer Partei. Ich wünsche uns, dass wir unsere Arbeit so machen, wie dort aufgeschrieben ist: mit Herz und Verstand. – Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2:

Beschlussfassung über eine Geschäftsordnung (Art. 99 HV)

Die Geschäftsordnung des Hessischen Landtags – vorläufige Ausgabe April 2008 – befindet sich auf Ihren Plätzen, ebenso ein interfraktioneller Antrag, Drucks. 17/1. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann darf ich davon ausgehen, dass Sie damit einverstanden sind, dass diese Geschäftsordnung in Kraft gesetzt wird. – Ich sehe keinen Widerspruch. Damit haben wir diese einstimmig beschlossen. Ich danke Ihnen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 3:

Feststellung der Tagesordnung (§ 58 Abs. 3 GOHLT)

Der Vorschlag für eine Tagesordnung vom 26. März 2008 liegt Ihnen vor. Werden Vorschläge zur Änderung oder Ergänzung der Tagesordnung gemacht? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die heutige Tagesordnung angenommen.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4: