Entscheidend ist, dass wir in Hessen jetzt die geeigneten Maßnahmen ergreifen, einem Modellversuch zur Umsetzung verhelfen und letztendlich eine höhere Verwertungsquote im Sinne der ökologischen Verbesserung erreichen. Herr Minister, Handeln ist angesagt.
Herr Dr. Müller, Sie haben sich für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Ihre Redezeit beträgt zehn Minuten.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da Heinrich Heidel mein Freund ist, möchte ich versuchen, die Zeit,die er überzogen hat,einzusparen.Damit werden wir das hier im Tandem lösen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Große Anfrage datiert aus dem Oktober des Jahres 2005. Ich bin der Auffassung, wenn wir noch ein wenig mit der Behandlung gewartet hätten,
hätten wir vielleicht das, was eigentlich die Intention dieser Großen Anfrage ist,auch wirklich noch erreichen können.
Da wir aber heute diskutieren, muss ich leider sagen, dass ich in einigen sehr wesentlichen Positionen die Visionen und Euphorie des Kollegen Heidel nicht teile, was die heute schon mögliche Vereinfachung dieser Getrenntsammlung, die er angesprochen hat, angeht.
Das Schöne an diesem Thema ist – wie übrigens bei Schule auch –, da wir alle Müllproduzenten sind, kann jeder in eigener Sache quasi als Sachverständiger mitreden. Das ist auf der einen Seite erschwerend, auf der anderen Seite aber auch erleichternd. Denjenigen, zu denen ich gehöre, die Tag für Tag treu, wie es das Gesetz befiehlt, den Müll zu Hause akribisch trennen, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen, wird natürlich diese Große Anfrage der FDP wie die Botschaft von einer besseren Müllwelt erscheinen. Nur leider ist die Realität nicht so. Auch die leitmotivisch vorgetragene Forderung an die Landesregierung, Handeln ist angesagt, ist eigentlich ein bisschen ungerecht, Herr Kollege Heidel.
Wenn Sie einmal Revue passieren lassen, was Sie zum Teil selbst getan haben, was in den letzten Jahren sowohl auf Bundesebene als auch auf Länderebene in der Abfallpolitik passiert ist, und zwar nicht nur in der Abfallpolitik, sondern vor allem auch in den Köpfen der Menschen – das ist ganz entscheidend – im Hinblick auf Müllverwertung passiert ist, dann muss ich sagen, wir sind ein großes Stück vorangekommen.
Als ich ein kleiner Junge war, wobei ich zugebe, es ist schon ein wenig her, aber ich kann mich noch dunkel erinnern
vielen Dank, den Zwischenruf hatte ich einkalkuliert –, galt damals beim Müll schlicht und einfach die Devise: einsammeln, vergraben und vergessen.
Da machte sich niemand Gedanken über chemische Reaktionen im Boden, über einen chemischen Zoo oder über Sickerwässer, sondern man hat den Müll eingesammelt und hat ihn vergraben und letztendlich kein großes Brimborium darum gemacht.
Meine Damen und Herren,in meiner früheren Zeit in den Achtzigerjahren war ich einmal umweltpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Deswegen kann ich sehr gut nachempfinden, was sich fast revolutionär und sehr dynamisch in dieser Zeit getan hat: Umweltgesetze, Abfallgesetze, TA Siedlungsabfall, die Verpackungsverordnung, das Kreislaufwirtschaftsgesetz. Herr Kollege Heidel, ich glaube, es wäre schon sehr ungerecht, wenn man den Eindruck vermittelte,als wäre – unabhängig von wem – in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf diesem wichtigen Gebiet nichts geschehen.
Wir sind ungeheuer weit in zwei Schritten vorangekommen, und zwar in der Gesetzgebung und, oft dann nachvollziehend, auch in dem Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger. Beides muss zusammenpassen, weil die beste Gesetzgebung gerade auch auf diesem Gebiet nicht erfolgreich sein kann, wenn das Handeln und das Denken der Bürger mit dem Gesetz nicht in Einklang stehen. Wir haben schon in einer denkwürdigen Debatte über die verwirrende Praxis des Dosenpfandes und vieler anderer Errungenschaften der Umweltpolitik diskutiert.
Ich möchte nun zu Ihrem Antrag kommen, da Sie dieser Landesregierung den Vorwurf gemacht haben,es sei quasi unglaublich, dass kein Modellversuch in Hessen stattfinde. Ich glaube zunächst einmal, es ist für die Ergebnisse eines Versuchs relativ uninteressant,an welchem Standort er stattfindet. Sie haben selbst gesagt, es finden Versuche statt. Diese muss man eben gut beobachten. Von da an, muss ich sagen, scheiden sich auch wenig unsere Geister. Wir haben diese bisherigen Versuche beobachtet. Ich glaube, die Ergebnisse geben weniger Ihnen als Visionär Recht, sondern bisher den Skeptikern, denn sowohl die Versuchsdauer als auch die Versuchsmengen waren aus meiner Sicht bisher nicht angetan, jetzt schon euphorisch das Ende der Mülltrennung und damit auch das Ende des gelben Sackes einzuleiten, so schön dies wäre.
Wenn man sich diese Versuche einmal ein wenig näher anschaut, dann muss man anerkennen – ich sage es jetzt einmal ein wenig zurückhaltend, wie es meine Art ist –, dass dies eigentlich Versuche im echten Sinne nicht sind. Sie sind Pilotexperimente. Andere würden sagen, es wurde einmal ein bisschen gemogelt bei dem Versuch, zu bestimmten Ergebnissen zu kommen. Grundvoraussetzung für den Abschied von der gelben Tonne wäre dann, dass sich dies unter ökonomischen, aber vor allem unter ökologischen Gesichtspunkten als erfolgreich darstellt. Man muss leider sagen, das ist bisher nicht der Fall.
Zunächst einmal fand überhaupt keine wirkliche gemeinsame Erfassung statt, sondern was erfasst wurde, waren Gemische aus sehr unterschiedlichen Abfallfraktionen. Selbst diese haben bisher im großtechnischen Versuch ihren Beweis noch nicht erbracht.
(Axel Wintermeyer (CDU): Das Wort „Abfallfraktion“ weise ich zurück! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das meint er anders, als es sich angehört hat! Er wollte nicht sagen, dass die Fraktionen Abfall sind!)
Nein, um Himmels willen. Herr Kollege Kaufmann, nichts läge mir ferner als das. Man spricht aber bei den Fachleuten von Müllfraktion. Ich weiß auch nicht, woher das Wort kommt. Es kann in der Tat bei Leuten ein bisschen zu falschen Bildern führen.
Ich glaube,dass wir auch bei dem Punkt,den Herr Kollege Heidel sehr euphorisch dargestellt hat, dass dies am Ende alles preiswerter würde, ein bisschen vorsichtig sein müssen. Ob es wirklich stimmt, dass diese gemeinsame Erfassung am Ende so preiswert wird, wenn man bedenkt, dass ganz andere Fraktionen dann gemeinsam erfasst und vor allen Dingen auch sortiert werden müssen, weiß ich nicht.
Ich habe aber vor einem Angst, was man auch einmal sagen muss, ob nämlich nicht am Ende dieses gemeinsame Sammeln, wie es von uns beiden auch im umweltpolitischen Sinne gewünscht wird, dazu führt, dass wir nicht wieder eine Wegwerfmentalität produzieren und möglicherweise auf der anderen Seite etwas erreichen, was wir dann ökologisch und ökonomisch nicht erreichen wollen. Das heißt, ich bin Ihnen dankbar und sage dies auch, dass Sie im Oktober des letzten Jahres heldenhaft diese Anfrage gestellt haben,
Sie zeigt in der Tat den Weg auf, den Umwelt- und Abfallpolitik nicht nur in diesem Land Hessen, sondern in
Deutschland gehen müssen. Sie wissen auch, dass bisher ein Versuch, der in Hessen einmal wie ein Bonsaibäumchen versucht worden ist, im Lahn-Dill-Kreis letztendlich an der Frage gescheitert ist, wer die Finanzen trägt.
Von daher möchte ich auch als Hommage an Ihren Berufsstand, die Landwirte, sagen:Wir sollten auch in dieser Frage so vorgehen, wie der Landwirt die Klöße isst, einen Schritt nach dem anderen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Müller, ich habe sehr viel Übereinstimmung in Ihren Ausführungen und unseren Abfallvorstellungen feststellen können.
Lieber Herr Kollege Heidel, Sie haben in der Vorbemerkung Ihrer Großen Anfrage gleich schon ein Ergebnis vorweggenommen. Ich möchte es Ihnen noch einmal vor Augen führen. Sie haben gesagt: „Ein Blick auf den aktuellen Stand der Technik zeigt, dass die Mühen und Kosten einer umfassenden Mülltrennung in den Haushalten im gegenwärtigen Umfang weder ökologisch weiterhin erforderlich noch ökonomisch länger zu vertreten sind.“ Sie führen dann dazu weiter aus: „Die derzeit in Deutschland praktizierte Form der Mülltrennung durch den Verbraucher ist also technisch weitgehend überholt und zu teuer.“
Lieber Herr Kollege Heidel,ich frage Sie dann,warum Sie überhaupt die Anfrage gestellt haben, wenn Ihnen die Antworten offenbar schon bekannt waren. Man muss aber feststellen, die Antworten der Landesregierung sind ganz anders, als Sie das in den Vorbemerkungen versucht haben darzustellen. Ich möchte es an einigen Punkten darstellen.
Es ist tatsächlich so, dass es Untersuchungen gibt, inwieweit es über eine verbesserte Technik zu Veränderungen kommen kann, was die Behandlung unserer Abfälle angeht. Nur muss man feststellen, das sind Laborversuche. Aufgrund der Fraktionen, die dort untersucht wurden, können Sie erkennen, dass es sich um geringe Mengen handelt. Ich darf Ihnen einmal vor Augen halten, wir haben allein im Jahr 2003 in Hessen 1,1 Millionen t Hausmüll gehabt. Die Leichtfraktionen betrugen ungefähr 157.000 t. Daran kann man erkennen, dass dies eine relativ große Summe ist, die dann auch in die separate Behandlung geht.
Bei einem Verzicht auf Mülltrennung wird es auf keinen Fall zu Kostensenkungen kommen, denn die Abfallmen
gen bleiben gleich. Sie müssen auch dann behandelt und entsorgt werden. Ich denke, das kann man aus den Antworten auf die Große Anfrage und den Untersuchungsergebnissen sehr deutlich entnehmen. Wir können darüber hinaus feststellen: Da, wo es zusammengeworfen wurde, gibt es Probleme im Hinblick auf die Wiederverwertbarkeit von Abfällen.
Ich spreche zwei Punkte an. Das sind zum einen Folien, Kunststoffe und zum anderen Leichtverpackungen wie Tetrapak. All diese Abfallfraktionen werden durch den Feinmüllanteil,der im gemischten Abfall enthalten ist,besonders belastet.Das heißt,die Wiederverwertbarkeit dieser Abfallfraktionen ist dadurch gefährdet. Wenn sie gefährdet ist, heißt das, dass für die Bürgerinnen und Bürger weitere Kosten entstehen. Es muss also unser Interesse sein, dass wir, wenn wir Abfälle schon nicht in Gänze vermeiden können, die Verwertung so hochwertig wie möglich vornehmen. So hochwertig wie möglich heißt, es muss wieder in den Wirtschaftskreislauf einfließen können und darf nicht dazu führen, dass es über eine besondere Vermüllung durch Feinstäube zu Absatzschwierigkeiten kommt und dass letztendlich die Gebühren der Bürgerinnen und Bürger steigen werden. Das wäre eine Fehlentwicklung.
Meine Damen und Herren, wir sind gegenüber Innovationen auf keinen Fall verschlossen.Wir sind bereit, auch zur Kenntnis zu nehmen, dass man sich Gedanken im Hinblick auf die Verwertbarkeit macht. Ich denke, wir sind uns aber darin einig, dass der beste Abfall der ist, der überhaupt nicht entsteht.