Protocol of the Session on February 23, 2006

(Beifall bei der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Quatsch! – Gegenruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist wirklich Quatsch!)

Das ist doch die Politik.Das muss doch einmal gesagt werden dürfen. Sie schüren immer wieder die Angst der Menschen und wollen sich dann als Heilsbringer für diese Nation aufspielen.

(Beifall bei der FDP)

Das gelingt Ihnen aber zunehmend weniger. Ich will das ganz simpel an dem Beispiel Energiemix deutlich machen.Für die FDP-Fraktion in diesem Hause habe ich von Anfang an vertreten dürfen, dass wir für einen Energiemix stehen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

Dies war bei den GRÜNEN doch sehr umstritten.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Dazu gehört auch die Kernkraft!)

Gestern habe ich noch einmal in den Unterlagen zum Thema Getreideverbrennung nachgesehen: „Getreideverbrennung – nein danke“ in Hessen, in Berlin: „Getreideverbrennung – ja.“

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Um Gottes willen, Herr Heidel! Ihr Energiemix besteht aus Getreideverbrennung und heißer Luft!)

Lieber Kornkraft als Kernkraft,so kann ich durchaus argumentieren.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall sowie Zurufe)

Wer würde dem widersprechen? – Der Kollege Heidel hat das Wort.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, da wird doch Ihre scheinheilige Politik vorgeführt. Warum gehen Sie nicht offen auf diesen gesamten Bereich der nachwachsenden Rohstoffe zu? Nein, Sie brauchen ein Feindbild. Sie brauchen etwas, wo Sie Ängste schüren können, um damit Politik zu betreiben. Das wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall bei der FDP)

Als Letztes, weil es angesprochen worden ist: Ich habe die Rede des Kollegen Hohn aus Rheinland-Pfalz hier, die er im Landtag gehalten hat. Ich könnte sie Ihnen vortragen.

(Norbert Schmitt (SPD): Genau!)

Der Kollege Hohn stimmt insofern mit uns überein: kein Sicherheitsrabatt, ein Energiemix. Zum Dritten werden wir mit dem Kollegen Hohn in Biblis

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein klares Wort sprechen!)

ein Gespräch führen.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden ihm alle Informationen, die wir haben, zugänglich machen.

Herr Kollege Heidel, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Ich denke, dann können wir offen mit den Kollegen aus Rheinland-Pfalz über dieses Thema diskutieren – aber nicht so.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Nach drei Korn denkt er schon ganz anders!)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Ministerpräsident Koch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da Sie mich schon in der Überschrift verewigt haben, habe ich mit dem Kollegen Dietzel abgesprochen, dass an diesem Tag ich die Chance habe, hier Stellung zu nehmen. Sie wissen – und daraus brauchen wir auch keinen Hehl zu machen –, was meine persönliche Geschichte in diesem Hause angeht, übrigens auch die Ihres Altgurus Joschka Fischer, dass sie sich in wesentlichen Teilen in der Auseinandersetzung über dieses Thema in den Achtzigerjahren bis heute abgespielt hat. Ich gebe zu, ich hatte gedacht, dass es eigentlich nach den Diskussionen, die wir dazu in den Neunzigerjahren hatten, schwierig sein würde, noch einmal in die alte Diskussion zurückzukommen, weil ich glaubte, dass die Entwicklung in vielen anderen Teilen der Welt nicht so eindeutig sein würde,wie sie sich heute zeigt.

(Norbert Schmitt (SPD): Iran!)

Denn das ist doch, glaube ich, eine sehr spannende Frage. Die GRÜNEN, so wie sie die Sozialdemokraten gedrängt haben, denn Sie sind ja sozusagen politisch gesehen Getriebene, wenn also einer über den Standort von Kernkraftwerken – –

(Zurufe von der SPD)

Die Einzigen, die einen potenziellen Kernkraftwerksstandort in Hessen jemals ausgewiesen haben, sind Sozialdemokraten. Dort gibt es den Standort Biblis. Damals waren keine Christdemokraten in der Verantwortung. Insofern ist die Frage, wer hier wen getrieben hat und welche Erkenntnisunterschiede sind, schon nicht ganz unbedeutend.

(Norbert Schmitt (SPD): Das stimmt! – Petra Fuhrmann (SPD): Das ist doch uralt!)

Deshalb denke ich, es lohnt sich nach wie vor, einfach ein paar nüchterne Zahlen am Anfang der Analyse zu haben, damit man weiß, warum wir zu unterschiedlichen Schlüssen kommen.

Eine Zahl – nur eine, aber eine nicht unwichtige –: Der Stromverbrauch ist in Deutschland 50 % des gesamten nationalen Energieverbrauchs. Der größte industrielle Stromverbraucher verbraucht 20 % dieser gesamten Energie; das ist die chemische Industrie. Die chemische Industrie hat gestern hier eine Rolle gespielt im Vortrag der Sozialdemokraten zu der Frage „Wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit von chemischer Industrie in diesem Lande“ – zu Recht, weil in keinem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland die chemische Industrie einen so hohen Wertschöpfungsgrad und einen so hohen Anteil am Bruttoinlandsprodukt hat wie bei uns. Vor ein paar Wochen haben wir hier miteinander diskutiert, dass eine der Wettbewerbsschwierigkeiten von Opel im Vergleich zu dem schwedischen Produktionsbetrieb war, dass die Energiekosten prinzipiell um 40 % pro Einheit höher sind als in Schweden. Das heißt, wir reden hier über ein Problem vom Preis unter heutigen Bedingungen.

Da streite ich mit den Kollegen der GRÜNEN, weil diese immer der Auffassung waren, je höher der Energiepreis ist,desto besser ist es,denn dann verwenden die Leute weniger davon. Nur, wenn die chemische Industrie weniger Strom verwendet, wird sie am Ende nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland produzieren, weil sie im Vergleich zu allen anderen Teilen der Welt am Anschlag ist.

(Beifall bei der CDU)

Wir – und das macht die Verantwortung des Hessischen Landtages und der hessischen Politik so besonders – haben in unserem Lande durch Entscheidungen, die wiederum die sozialdemokratischen Kollegen getroffen haben, die ich aber nicht kritisiere – so einfach kann man sich nicht wegducken –,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Mit den Liberalen zusammen!)

mit den Liberalen zusammen, aber auch mit uns – –

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wir waren in der Koalition!)

Man kann doch nicht sagen, uns interessieren jetzt nur diejenigen,die heute auf der anderen Seite sind.Sie haben eine Entscheidung getroffen, dass 60 % der Stromproduktion des industriestarken Bundeslandes Hessen aus Kernkraft kommt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Richtig!)

Das kann ich, wenn ich heute als Regierung oder als Parlament die Zukunftsaussichten dieses Landes beurteile, nicht vollständig ignorieren.

Als Drittes muss ich es einordnen in einen Gesamtzusammenhang – und nur diese drei Zahlen seien noch gesagt –: Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland, grobe Größenordnung, denn das reicht für unsere Debatte, 120.000 MW installierte Leistung über Stromproduktion, quer durch die Republik. Wir wissen, dass wir in den nächsten Jahren einige Kraftwerke haben, unabhängig von Kernenergie,die wir gern austauschen und abschalten wollen, auch weil sie zu alt und emissionsmäßig nicht in Ordnung sind.

Nach Ihrem Plan kommen die Kernkraftwerke in dem Ausstiegsszenario dazu.Wenn man das addiert, muss man innerhalb von etwa 15 Jahren, von heute aus gerechnet, zwischen 40.000 und 50.000 MW von den 120.000 MW ersetzen. Und dieses geht von der Basis aus – sonst kommen wir damit nicht hin –, dass Sie es schaffen, dass wir es schaffen – wir haben das Ziel ja genauso übernommen, Sie haben es früher formuliert, auch das kein Streit –, 20 % mit dem, was man im weitesten Sinne regenerativ nennt,von traditionellem Wasser bis zu dem Korn,das aus meiner Sicht korrekterweise verbrannt werden sollte, dazuzunehmen.

(Zuruf: Das kriegen Sie aber nicht hin!)

Das ist eine Menge Zeug, und wir wissen, was es bedeutet, zu diesen 20 % zu kommen.

Das ist für Hessen eine große Herausforderung.Wir denken, dass wir das schaffen, und ich unterstelle, dass es andere auch schaffen. Ich akzeptiere also diese Zahl, aber es ist eine Zahl, die teuren Strom bedeutet. Es ist unvermeidlich, dass dieser Strom teuer ist, und es ist nicht möglich, über 20 % hinaus zu kommen, in einer gegebenen Zeit, in der Sie die Kraftwerke abschalten wollen. Das betrifft uns Hessen, denn bei uns schalten sie 60 % ab. Deshalb stellt sich die Frage:Wie geht das dann? Ich finde, da müssten wir in den letzten Monaten sensibel geworden sein.

Ich finde deshalb, man muss die Frage mitbeantworten: Was ist Grundlast? Wir reden auf theoretischer Ebene, viele Bürger verstehen das im Einzelnen nicht mehr. Wer weiß schon, was Grundlast, Mittellast und Spitzenlast ist? Hier im Parlament aber hat keiner das Recht, diese Aus

rede zu haben. Deshalb frage ich Sie: Woher wollen Sie denn die Grundlast nehmen? Mehr Steinkohle? Mehr Braunkohle? Oder wollen Sie etwa sagen,wir fangen auch noch an, Strom in nennenswerten Prozentzahlen in der Grundlast aus Gas herzustellen? Wir machen schon immer Strom aus Gas – in der Spitzenlast. Das ist auch sehr vernünftig. Aber wollen wir in der Grundlast Strom aus Gas machen? Dann müssen Sie erklären,wie Sie eine Versorgungssicherheit schon innerhalb Europas herstellen wollen. Diese Frage müssen Sie dann unbedingt beantworten.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD):Das hat RWE selbst überlegt!)

Sie gehen damit in eine Technologie, bei der Sie wissen, dass einer der Hauptstromlieferanten auf absehbare Zeit diesen Strom mindestens so politisch einsetzt, wie wir das an einer anderen Stelle mit dem Erdöl haben, weshalb wir mit Erdöl in der Grundlast extrem vorsichtig sind. Es gab immer einen strategischen Grund, warum man Heizöl als eine Grundlast für Kraftwerke in nennenswertem Unfang auch politisch nicht wollte:weil man die Abhängigkeit von Zulieferungen an dieser Stelle vermeiden wollte, im Verhältnis zu Grundlasten, die man über eine lange Zeit national kontrollieren kann. Bei Uran haben Sie immer einen Vorrat von ein paar Jahren, genauso wie Sie bei Steinkohle immer einen Vorrat von ein paar Jahren haben, genauso wie Sie bei der Braunkohle in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten einen Vorrat von ein paar Jahren haben.