Protocol of the Session on February 23, 2006

Mein Gott, ihr könnt hier jetzt ein bisschen hineinrufen, aber ihr wisst doch, ihr spürt es doch auch, dass professionelles Arbeiten anders geht als das, was diese Landesregierung hier momentan macht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Anhaltende Zurufe von der CDU)

Herr Ministerpräsident, ich glaube tatsächlich, dass dieses Chaos, das heute Morgen offenkundig wird, zum Markenzeichen Ihrer Landesregierung und auch zu Ihrem persönlichen Markenzeichnen in diesem Lande Hessen wird.

Lassen Sie mich jetzt zu Minister Rhiel – –

(Heiterkeit und Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist vielleicht der Nächste. Ein freudscher Versprecher, Herr Rhiel. Das wird dann vielleicht in der nächsten

Plenarwoche am Mittwochnachmittag in einer Pressekonferenz erklärt werden.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, Herr Minister Rhiel, Ihnen gestehe ich zu, es ist unstrittig, dass eine Landesregierung einen Wirtschaftsminister braucht.

Diese Frage haben wir im Bereich der Staatskanzlei immer anders diskutiert. Herr Ministerpräsident, Ihre Ansage, dass wir in Brüssel einen Minister brauchen, dass in Brüssel ein Minister auftreten muss, um auch mit den Bayern, Baden-Württembergern und den Freunden aus den anderen europäischen Ländern zu verhandeln, die teile ich. Man kann das aber anders machen, als Sie es gemacht haben.

In Ihrer Staatskanzlei gibt es zwei Minister. Beide Posten haben Sie geschaffen. In der sozialdemokratisch-grünen Regierungszeit in diesem Lande waren diese Positionen mit Staatssekretären besetzt, und trotzdem, Herr Ministerpräsident – dies versuchen Sie durch feine Rhetorik ein wenig zu verdecken –, hat für die sozialdemokratischgrüne Landesregierung in Brüssel ein Minister agiert,

(Beifall bei der CDU)

weil, wie Sie wissen, der Justizminister, Rupert von Plottnitz, neben seinem Amt als Justizminister auch das Amt des Europaministers ausgeübt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt kann der Herr Ministerpräsident sagen: Aber guck dir doch mal meine Runde hier an, wem soll ich denn zumuten, dass er diesen Job auch noch macht?

(Große Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, könnten wir auch schwerlich widersprechen und sagen, wer es denn machen könnte.

Aber jetzt wirklich zum Thema „Vorbildcharakter von Politik“. Wir haben in den vergangenen Jahren beispielsweise den Polizistinnen und Polizisten in diesem Lande dreieinhalb Stunden Mehrarbeit abverlangt. Sie streichen Stellen bei den Schulen, haben die Lehrerarbeitszeit verlängert. Sie haben die Arbeitszeit in allen Bereichen dieser Verwaltung verlängert. Unser Ansatz von Politik ist, dass zuallererst die Führungsebene mit gutem Beispiel vorangehen muss. Es gibt fachlich gesehen keinen Grund, einen Minister dieses Kabinetts, einen Fach- und Ressortminister nicht mit der zusätzlichen Verantwortung für das Ressort Europa auszustatten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, alle Ihre Argumente gehen völlig fehl. Diese Damen und Herren hätten die Möglichkeit, dieses Amt mit auszuüben, und dies würde sofort und unmittelbar zu Einsparungen für den hessischen Steuerzahler führen.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir in dieser Parlamentssitzung beantragen, dass dieser Kabinettsposten mit dem Ausscheiden von Minister Riebel nicht mehr besetzt wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist das Gebot des Steuerzahlers, dieses Ministeramt ersatzlos zu streichen und die Aufgabe auf einen der anderen Minister zu übertragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir zweifeln natürlich daran, dass diese Landesregierung die Kraft dazu hat, mit gutem Beispiel vorbildlich für die Steuerzahler hier zu agieren.

Was mich nun aber wirklich entsetzt, ist der Zeitpunkt, der gewählt worden ist, um dem Kollegen Hoff dieses Amt zu ermöglichen. Dieses Amt soll im März dieses Jahres besetzt werden. Wir alle wissen, dass Versorgungsansprüche für Minister erst nach zweijähriger Dienstzeit wirksam werden. Von März 2006 bis zum Termin der Abwahl dieser Landesregierung im April 2008 sind es exakt zwei Jahre. Dies war der eigentliche Grund dafür, diese Besetzung jetzt zu machen, damit Herr Kollege Hoff die Möglichkeit hat, wenn er dann abgewählt sein wird, Versorgungsbezüge zu erwirtschaften –

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

alles auf Kosten des Steuerzahlers. Deshalb meine Aufforderung,hier und heute zu erklären,dass dieses Ressort, dass dieser Ministerposten nicht mehr besetzt wird.

Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen: Chaos in der Landesregierung, viele Probleme, die man nicht im Griff hat: Schule, Flughafen, Finanzen. Chaos mittlerweile auch innerhalb des Kabinetts: Notsitzungen mit der Fraktion, eilig anberaumte Pressekonferenzen. Das Chaos an diesem Beispiel macht deutlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, warum dieses Land mittlerweile wirtschaftlich absteigt – wir haben gestern darüber diskutiert –: weil diese Landesregierung, weil dieser Ministerpräsident dieses Land nicht mehr im Griff hat. Hessen hat eine bessere Regierung verdient.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Walter. – Das Wort hat der Kollege Al-Wazir, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fragt seit Beginn dieser Legislaturperiode immer wieder:Wo ist Riebel?

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Axel Wintermeyer (CDU): So etwas Niederträchtiges! Wo ist Ihr Anstand? Das ist keine Art! Wenn man das mit Ihnen machen würde, würden Sie protestieren!)

Ich verstehe ja, dass die CDU-Fraktion aufgrund dieser Probleme nervös ist. Aber wo ist Riebel, fragen wir seit Beginn dieser Periode.

(Axel Wintermeyer (CDU): Er arbeitet!)

Am Anfang dieser Plenarwoche wurde gesagt: Er ist krank. – Wir wünschen ihm gute Besserung.

(Axel Wintermeyer (CDU):Wirklich?)

Gestern wurde gesagt, er hat Termine. Heute wird gesagt, er wird entlassen. Ich frage Sie einmal, Herr Ministerpräsident:Was für ein Selbstverständnis haben Sie eigentlich als Regierungschef, der sich auf eine absolute Mehrheit stützt, wenn Sie einer CDU-Fraktion, die am Dienstag Fraktionssitzung hat, die am Dienstagnachmittag und am Mittwoch den ganzen Tag hier versammelt ist und mit uns gemeinsam Plenarsitzung abhält, zumuten, am Donnerstagmorgen in der „Frankfurter Rundschau“ zu lesen, dass es eine Kabinettsumbildung gibt? Ich frage einmal die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, ob sie sich eigentlich als Abgeordnete, als Souverän in diesem Land ernst genommen fühlen,

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

wenn hier eine solche Art von Regierungsführung, von Überrumpelungstaktik – etwas anderes ist es ja nicht – Platz greift. Und ich frage Sie auch, Herr Ministerpräsident, warum eigentlich jemand, der nach aus guten Gründen nicht dementierten Presseberichten vor ganz kurzer Zeit als CDU-Fraktionsvorsitzender nicht durchsetzbar war, eigentlich Minister in der Staatskanzlei werden soll.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU): Was geht Sie das eigentlich an?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun kann man sagen,dass der Herr Ministerpräsident in der Auswahl seiner Kabinettsmitglieder mehr oder weniger frei ist. Aber es gibt bei jeder Kabinettsumbildung am Ende in diesem Parlament – von der Verfassung des Landes Hessen vorgesehen – eine Vertrauensabstimmung. Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie haben die absolute Mehrheit in diesem Hause und damit ganz besondere Verantwortung.

(Zurufe von der CDU: Ja!)

Ich frage Sie einmal von Ihrem Selbstverständnis her:Wer regiert eigentlich dieses Land?

(Clemens Reif (CDU): Wir! – Axel Wintermeyer (CDU): Sie würden es gerne!)

Ist es in absoluter Mehrheit die Christlich Demokratische Union, oder sind es die Freunde mittelhessischer Tankstellen, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Gibt es eigentlich noch die theoretische und praktische Möglichkeit, dass man Ministerin oder Minister in diesem Kabinett werden kann, wenn man Roland Koch nicht schon vor seiner Volljährigkeit gekannt hat?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich frage, warum das jetzt alles so schnell gehen muss. Ich zitiere jetzt einmal § 5 Ministerbezügegesetz:

Ein ehemaliges Mitglied der Landesregierung erhält vom Ende des Monats an, in dem es aus seinem Amt ausgeschieden ist, Ruhegehalt, wenn es sein Amt mindestens zwei Jahre bekleidet hat.

Sie können relativ einfach rechnen: vom 1. April 2006 bis zum 4. April 2008. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube da nicht an Zufälle.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)