Herr Frankenberger, vielen Dank. – Frau HölldoblerHeumüller, ich darf Ihnen jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es mag sich als Forderung eines Dringlichen Antrags bescheiden anhören, es wäre aber doch sehr viel erreicht, wenn unsere Forderung angenommen würde, dass der Landtag die Landesregierung auffordert, sich endlich der Realität hinsichtlich der Arbeitslosen zu stellen und sich endlich der Realität zu stellen, dass in Hessen die wirtschaftliche Kraft zurückgeht.Es wäre an der Zeit,dies endlich einmal ernst zu nehmen, damit Sie beginnen, sich Gedanken darüber zu machen, was man dagegen tun könnte.
Falls Sie nicht wissen, was man dagegen tun kann, sollten Sie zuhören. Ich werde in meiner Rede schon noch sagen, was wir GRÜNEN dazu an Ideen haben.
Sie verharren in Selbstverzückung und Ignoranz. Solange das so ist, wird man in Hessen weiterhin die Treppe nach unten beschreiten. Je nach Belieben sind dann entweder die Roten und die GRÜNEN oder die rot-grüne Landesregierung, die bis vor sieben Jahren regiert hat, die Banken oder das Wetter schuld.
Genau, oder Herr von Plottnitz ist schuld. – Schauen wir doch einmal auf das Jahr 2001 zurück. Damals waren die Zahlen besser. Da war es plötzlich die Hessische Landesregierung, die die Situation hinsichtlich der Arbeitsplätze verbessert hat. Das nehmen Sie dann gerne für sich in Anspruch.
Da sind wir uns doch einig. – Wir fordern Sie auf, etwas zu tun, damit die Situation in Hessen besser wird.
Der Wirtschaftsminister hat nicht mehr als Plattitüden zu der gegenwärtigen Situation genannt. Ich habe sie schon aufgezählt. Jetzt schaut er hoffnungsfroh in die Zukunft und verkündet: Alles wird besser. – Hinsichtlich dessen, was die Hessische Landesregierung dazu beitragen wird, hört man nur leere Worthülsen und Allgemeinplätze. Diesem Wirtschaftsminister fehlt es an Ideen, Visionen, Tatkraft und Realitätssinn.
Sie geben in diesem Plenum immer gerne Regierungserklärungen zu allen möglichen wichtigen Themen ab, z. B. wie die Gepflogenheiten hinsichtlich des Umgangs mit E-Mails in der Hessischen Landesregierung sind. Aber zum Thema Wirtschaft wurde noch keine abgegeben. Das
heißt, die hessische CDU und die Hessische Landesregierung haben anscheinend zum Thema Wirtschaft überhaupt nichts zu sagen.
Herr Boddenberg erklärte, er freue sich auf die heutige Plenarsitzung. Ich nehme an, er ist wie ich ein Fan des lebenslangen Lernens, und dazu hat er jetzt Gelegenheit.
Ich muss noch einen kurzen Ausflug in die Zahlenwelt machen. Denn Sie haben in Ihre Erfolgsmeldungen wieder einmal Zahlen eingebaut, ohne sich um deren Bedeutung oder die Rückkopplung zu kümmern. Sie freuen sich über die höchste Wirtschaftskraft pro Kopf und die höchste Arbeitsproduktivität – wir vernachlässigen an dieser Stelle einmal, dass es die zweithöchste ist – und nehmen das als Indiz dafür, dass der Wirtschaftsmotor rund läuft. Herr Boddenberg, dass ein Börsianer – davon haben wir in Hessen nun einmal ein ganzes Rudel – eine höhere Produktivität hat als ein Fleischer, dürften Sie wissen. Deshalb nützt die Wirtschaftskraft pro Kopf dem Arbeitsmarkt nur wenig. Sie wird ja nur mit relativ wenig Manand-Woman-Power erwirtschaftet. Sie verschweigen auch, dass sich das hohe Niveau leider kontinuierlich absenkt.
Bleiben wir also dabei: Hessen hat ein Arbeitsmarktproblem, und die Wirtschaft rundherum – in Bayern, in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz – steigt stärker an als bei uns. Das Saarland ist uns auf den Fersen, und dort herrschen die gleichen bundesdeutschen Bedingungen. Fangen Sie also nachher nicht wieder an zu erzählen, alles liege noch an Rot-Grün von damals.
Die genannten Länder haben weitere Nachteile. Sie sind nämlich längst nicht so dienstleistungsorientiert wie Hessen, und auch verkehrstechnisch liegen sie nicht so günstig.
Dann greifen Sie in die Mottenkiste und behaupten in Ihrer Presseerklärung,wir seien Arbeitsplatzblockierer,weil wir den Flughafen schlechtreden. Wir reden den Flughafen nicht schlecht. Wir wollen keinen weiteren Ausbau dieses Flughafens.
Wir wollen nämlich nicht nur Arbeitsplätze, sondern wir wollen für die Menschen in Hessen auch Lebensqualität. Wenn Herr Koch Ticona enteignen will, können Sie ja dort eine Eigenheimsiedlung für die CDU-Landtagsfraktion bauen. Dann werden Sie glaubwürdiger. Sie sind die Partei, die immer Opfer von den anderen verlangt und sich gleichzeitig im Eigenheim im Grünen sonnt. Sie setzen auf Beton, drei Autobahnen und zwei Flughäfen. Wir setzen für Nordhessen auf 150 Ideen für die 150 Millionen c, die Sie für den Flughafen verbraten wollen.
Hessen wird sich verändern müssen. Die traditionellen Wirtschaftszweige haben sich verändert. Wir setzen auf eine kleinteilige Wirtschaft,wir setzen auf Lebensqualität, und wir setzen auf Wachstum ohne Steigerung des Ressourcenverbrauchs; denn auch das ist möglich. Monokulturen in der Wirtschaft sind wie Monokulturen im Wald: Einmal ein Wind aus der falschen Richtung, und schon klappt das Ganze zusammen.
(Clemens Reif (CDU): Können Sie außer Biodiesel und Holzpellets einmal anderes nennen? – Gegen ruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie müssen ruhig sein! – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Was für ein Zwischenruf!)
Meine Damen und Herren, die SPD belegt in ihrem Antrag den Abbau von Arbeitsplätzen in der chemischen Industrie, im Maschinenbau und in der Automobilindustrie, wenn man sich die Entwicklung dieser Industrien seit dem Jahr 2000 in Deutschland insgesamt ansieht. Erst recht steigen wir ab, wenn man Hessen nicht nur mit anderen Bundesländern, sondern auch noch mit anderen dynamischen Regionen in Europa vergleicht. Sie behaupten ja, wir seien eine führende Wirtschaftsregion in Europa.
Wenn der Abbau von Arbeitsplätzen so enorm ist, wird schnell der Ruf nach einer Industriepolitik laut. Da handelt man nach dem Motto: Wir geben alles frei. – Wie begeistert war man in China, weil es dort so wenig Planungsverfahren gibt. Allerdings hat man übersehen, in welchem Dreck die Menschen dort leben müssen.
Wenn man sagt, es wird produziert auf Teufel komm heraus, egal, welche Zukunftsaussichten ein Produkt hat, ist das wenig zielführend. Es nützt nichts, einen BlaumannArbeitsplatz zu schaffen. Wir wollen keine Industriepolitik nach dem schlechten Vorbild der Agrarpolitik, protektionistisch und dauersubventionsgeschützt.Das ist mit uns nicht zu machen.
Wir wollen die Chancen und die Risiken von Produkten und Techniken analysieren. Es wird Sie nicht wundern, wenn ich hier auf die Energie- und Umwelttechnik zu sprechen komme. Davon ist inzwischen weltweit die Rede. Gerade die aufsteigenden Wirtschaftsnationen haben erkannt,dass es weder mit dem Ressourcenverbrauch noch mit der Umweltverschmutzung so weitergehen kann.An dieser Stelle haben wir richtige Vorteile.Wir haben Vorteile,weil wir ganz frühzeitig angefangen haben,in diese Techniken zu investieren. Die Chinareise war symptomatisch: Die Hessen kamen nach China, und Trittin und Hans-Josef Fell waren schon da. Sie waren nämlich auf der Konferenz zu erneuerbaren Energien.
Inzwischen haben nämlich selbst die Chinesen ihre Atomkraftpläne auf die Hälfte reduziert.Auch da haben sie erkannt: So geht es nicht.
Unsere Umweltpolitik setzt andere Standards und andere Grenzwerte, und das ist ein Wettbewerbsvorteil. Wir waren die Ersten, die diese Techniken entwickelt und eingesetzt haben, und die anderen müssen mit ihren Standards nachziehen. Wir haben große Chancen, wenn wir diese Trümpfe nicht mutwillig verspielen.
Nach einer Statistik des hessischen Wirtschaftsministeriums waren 2003 in Hessen 70.000 Menschen in der Umweltschutzwirtschaft, in den Bereichen Wasserreinhaltung, Wassereinsparung, Energieeinsparung, regenerative Energien, Abfallkreislaufwirtschaft und Luftreinhaltung beschäftigt.
Ich bin mir nicht ganz sicher,ob wirklich alle diese Ideen von Ihnen kamen, Herr Minister, wirklich nicht.
Dazu kommen noch die 4.000 Beschäftigten in der Ökolandwirtschaft, die Sie immer zu diffamieren versuchen.
Das alles sind Arbeitsplätze, bei denen der Erhalt der Lebensqualität gesichert ist. In Deutschland sind allein 160.000 Menschen im Bereich der erneuerbaren Energien tätig. Die Biotechnologie, die Umwelttechnik und die Erzeugung von Bioprodukten sind Wachstumsbranchen.
Sie sollten sich hüten, sie schlechtzureden. Vielmehr sollten sie weiter ausgebaut und gefördert werden, weil sie Zukunft haben.
Meine Damen und Herren, die Förderung alternativer Energien und der Umwelttechnik insgesamt ist für eine nachhaltige Entwicklung unumgänglich. Sie ist, wie mit den von mir zitierten Zahlen belegt, grüne Industriepolitik im besten Sinne.
Wie aber ist es um die Ideen des Wirtschaftsministers bestellt? Das Zauberwort heißt „Diamant“. Da soll ein System entwickelt werden, das es Rasern ermöglicht, im Nebel weiterzurasen,weil sie informiert werden,wenn weiter vorne gebremst wird.Außerdem sollen sie informiert werden, wenn bei den Vorderleuten die Scheibenwischer angestellt werden. Das sind die innovativen Gedanken des Wirtschaftsministers. Sie sind gut geeignet, dass man über sie in der ADAC-Zeitung lächeln kann.Aber sind das die Lösungen, auf die die Welt wartet?
Die deutsche Automobilindustrie, die nicht einmal den Dieselrußfilter auf die Reihe gebracht hat und die immer erst anfängt, über Problemlösungen nachzudenken, wenn sie der Staat mit Subventionen verzuckert, hat anscheinend immer noch nicht begriffen – Sie genauso wenig –, dass die Zukunft in sparsamen und innovativen Antriebssystemen liegt.Wenn die Chinesen eine Autoquote wie in Deutschland erreichen wollen – mit welchem Argument wollen Sie sie eigentlich verweigern? –, ist die Erde mausetot und die Leute auch.
Die einzige Möglichkeit besteht darin, schadstoffarme und Ressourcen schonende Autos zu produzieren.In Hessen aber will man Fördergelder einsetzen, damit man weiß, ob der Vordermann bremst oder die Scheiben wischt.
Dann gibt es noch das Innovationsprojekt „Staufreies Hessen“ der Hessischen Landesregierung, das Lieblingskind des Ministerpräsidenten.Zu „Staufrei 2015“ brauche ich aber nichts zu sagen. Ich hoffe, dass es dem Land Hessen erspart bleibt, dass Sie dann immer noch an der Regierung sind. Das System mag vielleicht zwischen Eschborn und Wiesbaden funktionieren. Wenn man die Autofahrer so lange Umwege über andere Autobahnen fahren lässt, dass sie nicht stehen bleiben, haben Sie ohne Zweifel einen Stau vermieden.Aber Herr Rhiel könnte ab und zu einmal im Zug fahren, um sich ein Bild über die Motivlage der Bahnfahrer zu machen. Im Zug sitzen ja nicht hundertprozentig überzeugte Ökos, sondern die Men