Protocol of the Session on February 22, 2006

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich zur 95. Plenarsitzung am 22. Februar 2006. Für einen in diesem Haus ist das ein besonderer Tag: Ich darf Herrn Staatssekretär Lemke ganz herzlich zum 50. Geburtstag gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Lemke, ich wünsche Ihnen alles Gute, Gesundheit, viel Schaffensfreude und alles, was Sie sich wünschen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung: Wir haben die Tagesordnungspunkte 1, 2, 25, 28 und 67 erledigt.

Zum Ablauf der Sitzung: Es ist vereinbart, dass wir heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden tagen.

Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 41 – Setzpunkt der SPD –, Antrag der Fraktion der SPD betreffend Schluss mit der für Hessen schädlichen Wirtschaftspolitik,Drucks. 16/5280. Zu diesem Thema werden auch Tagesordnungspunkt 30, Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN betreffend Januar-Arbeitslosenzahlen zeigen: Die Hessische Landesregierung steht vor dem Scherbenhaufen ihrer Wirtschaftspolitik, Drucks. 16/5217, und Tagesordnungspunkt 54, Antrag der Fraktion der FDP betreffend sieben Impulse für den Wirtschaftsstandort Hessen, Drucks. 16/5295, aufgerufen.

Anschließend folgt Tagesordnungspunkt 50, Antrag der Fraktion der CDU betreffend Unterstützung und Förderung des Ehrenamtes, Drucks. 16/5291. Hierzu werden die Tagesordnungspunkte 32 und 48 aufgerufen.

Ich darf Herrn Staatsminister Jochen Riebel entschuldigen, der an verschiedenen Terminen zur Koordinierung von Bundesratssitzungen teilzunehmen hat.Ab 12.30 Uhr lässt sich Herr Staatsminister Dr. Alois Rhiel entschuldigen, der in Berlin am Kamingespräch der Verkehrsminister mit Bundesminister Tiefensee teilnimmt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 41:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Schluss mit der für Hessen schädlichen Wirtschaftspolitik – Drucks. 16/5280 –

mit Tagesordnungspunkt 30:

Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Januar-Arbeitslosenzahlen zeigen: Die Hessische Landesregierung steht vor dem Scherbenhaufen ihrer Wirtschaftspolitik – Drucks. 16/5217 –

und Tagesordnungspunkt 54:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend sieben Impulse für den Wirtschaftsstandort Hessen – Drucks. 16/5295 –

Ich darf Herrn Frankenberger für die SPD-Fraktion das Wort erteilen. Die vereinbarte Redezeit beträgt 15 Minuten je Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen im zweiten Monat eines neuen Jahres.Statistikämter und Presseinstitute veröffentlichen sowohl die wirtschaftspolitischen Daten für das vergangene Jahr 2005 als auch die Prognosen für 2006. Für Hessen ist das eine verheerende Bilanz.

(Beifall bei der SPD)

Das einstige wirtschaftliche Kraftzentrum in Deutschland verliert seit Jahren an Boden und steigt ab. „Hessen fällt beim Wachstum zurück“, so die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 18.02.2006. „Hessens Wirtschaft verliert an Dynamik“, so die „Frankfurter Rundschau“ vom 18. Februar dieses Jahres. „Wachstum auf Sparflamme“, so der „Wiesbadener Kurier“ an demselben Tag.

(Beifall bei der SPD)

Unter sozialdemokratischer Verantwortung war das Bundesland Hessen in Deutschland jahrzehntelang vorn. Die Regierung Koch hat es in knapp sieben Jahren geschafft,dass Hessen,gemessen an seinem Potenzial,auf einen für unser Bundesland beschämenden mittleren Platz abgerutscht ist.

(Beifall bei der SPD)

In der Vergangenheit spielte sich in diesem Haus immer dasselbe Ritual ab: Die Hessische Landesregierung versuchte, mit Verweisen auf die damalige rot-grüne Bundespolitik von ihrer eigenen Verantwortung abzulenken. Diese Polemik diente schon immer dazu, von den eigenen Schwächen und Fehlern abzulenken.

(Beifall bei der SPD)

Bei gleichen Rahmenbedingungen konnten uns nämlich andere Bundesländer unsere Spitzenposition streitig machen.Aber nun, da Sie in Berlin selbst in der Regierungsverantwortung sind, gibt es keine Ausflüchte mehr. Für das schlechte Abschneiden ist die Regierung Koch mit Wirtschaftsminister Dr. Rhiel selbst verantwortlich.

(Beifall bei der SPD)

Insbesondere dem Wirtschaftsminister gelingt es nicht, Hessens wirtschaftliches Profil zu stärken, geschweige denn, weiterzuentwickeln.Wir Sozialdemokraten sind der festen Überzeugung, dass die Politik den Auftrag hat, zu gestalten. Sie soll somit auch die Wirtschaftspolitik gestalten.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Aha! Ganz was Neues!)

Dagegen verkündet der Wirtschaftsminister immer wieder, dass sich die Politik in der Konsequenz aus der Wirtschaft herauszuhalten habe, weil die Wirtschaft am besten bei der Wirtschaft aufgehoben sei.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man das konsequent zu Ende denkt, heißt das nichts anderes, als dass der Wirtschaftsminister sein eigenes Amt infrage stellt.

(Beifall bei der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): So etwas kann man noch nicht einmal in Kassel denken!)

Die Bürgerinnen und Bürger in Hessen bezahlen für die an den Tag gelegte Zurückhaltung die Zeche: durch den Verlust von Arbeitsplätzen und durch das beschädigte Image als attraktiver Wirtschaftsstandort. In zwei Jahren

ist diese Legislaturperiode zu Ende. Herrn Dr. Rhiel ist es aber bislang nicht gelungen, deutlich zu machen, welche wirtschaftspolitischen Schwerpunkte er setzt und welche Ziele er eigentlich verfolgt.

Auch beim europäischen Satellitennavigationssystem hinkt der Wirtschaftsminister wieder einmal weit hinter den Bayern her, die dieses System schon 2002 installiert haben und im Jahr 2003 zudem eines der beiden Kontrollzentren nach Oberpfaffenhofen holen konnten. Wie ist das gelungen? Den Entscheidern bei ESA und EU wurde bei den Standortverhandlungen ein technologisches Gesamtkonzept präsentiert. Dieses Konzept überzeugte.

Wir sind gespannt, ob die Empfehlungen der Machbarkeitsstudie in Hessen tatsächlich zeitnah umgesetzt werden. Herr Dr. Rhiel, Sie sind den Bürgerinnen und Bürgern bisher den Beweis schuldig geblieben, dass Ihnen Hessen als Innovationsstandort wirklich am Herzen liegt.

(Beifall bei der SPD)

Zum dritten Mal in Folge hat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in Zusammenarbeit mit der „Wirtschaftswoche“ eine Studie mit einem Bundesländerranking veröffentlicht, die die wirtschaftliche Entwicklung und die Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen untersucht. Der Blick auf die Zahlen für Hessen lässt einem einen kalten Schauer über den Rücken laufen.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Hessens Position im Dynamikranking ist vernichtend: Platz 12.Es hat 47,5 Punkte erreicht.Hinter uns liegen nur noch Bremen, Brandenburg, Berlin und MecklenburgVorpommern. Den ersten Platz belegt Sachsen. Unser Nachbarland Rheinland-Pfalz ist auf den zweiten Platz gekommen.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Es ist das zweifelhafte Verdienst dieser Landesregierung, dass Hessen kontinuierlich absteigt. 2004 ist Hessen beim Dynamikranking auf den neunten Platz abgestiegen. In der Studie aus dem Jahr 2005 – das Ergebnis ist vernichtend – kam Hessen nur noch auf den zwölften Platz.

(Beifall bei der SPD)

Was sagt der Ministerpräsident dazu? In der „FAZ“ vom 09.02.2006 sagt er, es gehe um „Zurückhaltung in der Wirtschaftspolitik“.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist der Wesenszug des Ministerpräsidenten! Das passt!)

Zur Veranschaulichung nenne ich Ihnen ein paar Fakten, die für sich sprechen. Arbeitslosenquote: Rang 15. Erwerbstätigenquote: Rang 11. Bruttoinlandsprodukt: Rang 9.Ausbildungsplatzangebot:Rang 14.Im Jahr 2005 fehlten 10.000 Ausbildungsstellen. Patentintensität: Rang 11. Unternehmensinsolvenzen je 1.000 Erwerbstätige: Rang 11. Gründungsintensität: Rang 8. So katastrophal wird die Wirtschaftspolitik dieser Landesregierung bewertet. Es gibt überhaupt keinen Grund für die von dem Ministerpräsidenten propagierte Zurückhaltung.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Traurig, traurig!)

Zu diesem Gesamtbild passen auch die Ergebnisse des Zukunftsatlasses 2006, den das Beratungsinstitut Prognos für das „Handelsblatt“ erstellt hat. Unter der Überschrift „Deutschlands Kraftzentren“ werden Regionen aufgeführt,in denen sich Cluster gebildet haben – Regionen mit

einer überdurchschnittlich dichten Ansiedlung von Unternehmen aus Leit- und Wachstumsbranchen. Als wichtigste Messlatte gilt die Zahl neu geschaffener Arbeitsplätze.

Fazit für Hessens Wirtschaftspolitik: Unser Bundesland findet in diesem Artikel des „Handelsblatts“ überhaupt keine Erwähnung. So sieht auch die Dynamikkarte, die die Beschäftigungsentwicklung in den 14 Leit- und Wachstumsbranchen zwischen 2000 und 2004 wiedergibt, in Bezug auf Hessen außerordentlich blass aus.Meine Damen und Herren, Sie sind dabei, dieses Bundesland durch Ihre Politik herunterzuwirtschaften.