Ich komme zu meiner nächsten Bemerkung. Dabei geht es um die Frage, wie man damit praktisch umgeht. Sie wissen, dass wir Liberale in allen Bereichen immer wieder darauf drängen – das gilt natürlich auch bei der Innenpolitik –, dass man das mit so wenig staatlichem Einsatz und mit so wenig Bürokratie wie möglich bewältigt.
Ich glaube, es ist nicht klug, dass man einen Fragebogen – ich meine bewusst einen Fragebogen – entwickelt, gegebenenfalls sogar nach dem Multiple-Choice-Verfahren, und ihn den Einbürgerungswilligen vorlegt.Dann sind wir wieder bei der Fahrzeugprüfung:Keine Ahnung,fünf Fehler hat man frei,beim sechsten ist man durchgefallen.– Ich glaube, das ist relativ dumm.
Das ist auch nicht mit der Art und Weise in Einklang zu bringen, wie diese Gespräche stattfinden sollen. Auf der anderen Seite ist der Spruch mit dem Misstrauen gegenüber den Standesbeamten in Hessen falsch, lieber Kollege Walter. Wir wissen doch, dass es ganz unterschiedliche Organisationsstrukturen in unserem Lande gibt. Erst einmal halte ich es für falsch – das ist mir so richtig in unserer Fraktionssitzung am Dienstag bewusst geworden –, dass der Kundenkontakt vor Ort stattfindet und die Entscheidung beim RP.
Ich finde, hier könnte man die beiden Ebenen zusammenführen, dass die Stelle mit dem Kundenkontakt gleichzeitig der Entscheider ist. Dann kann der RP irgendwelche Rechtsmittelprüfungen vornehmen. Dass er nur nach Aktenlage entscheidet – wieso eigentlich? Aber das ist nur
Herr Walter, Sie sind jünger als ich in der Wetterau zugereist. Ich bin immerhin schon vor 30 Jahren zugereist.
Sie kennen die Wetterau. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass jeder Standesbeamte in einer kleinen Gemeinde vollkommen fit ist, um ohne eine Handreichung diese Gespräche zu führen.
(Jürgen Walter (SPD): Ich hatte schon befürchtet, dass du sagst, ich hätte einen Einbürgerungstest machen müssen!)
Lieber Jürgen Walter, für die Wetterau hättest du ihn alleine schon wegen deiner Aussprache nicht bestanden.
Aber das ist ein ganz anderes Thema. Die Debatte ist mir zu ernst, als dass man damit weiter Späße macht. – Es kann schon sein, dass der Standesbeamte in einer kleinen Gemeinde etwas mehr Handreichungen braucht als derjenige, der Amtsleiter in Frankfurt ist und das tagtäglich tut. Deshalb mag es klug sein, dass man bessere Schulungen durchführt, dass man möglicherweise in den Dezernentengesprächen oder den Standesbeamtengesprächen diese Leitfäden zur Verfügung stellt, damit die Gespräche so durchgeführt werden, dass wir als Politiker letztlich eine Sicherheit haben, dass tatsächlich nur diejenigen, die sich wahrlich zu den Werten bekennen, weil sie sie auch kennen, deutsche Staatsbürger werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Debatte hat weiterhin gezeigt, dass eine bundeseinheitliche Lösung vernünftig ist. Wir stimmen deshalb ausdrücklich auch diesem Teil des CDU-Antrags zu. Es gibt keinen Sinn, auch wenn es Länderhoheit ist, dass jedes Land eine andere Praxis bei der Einbürgerungspolitik betreibt. Das kann man auch herunterbrechen.
Frau Kollegin Wagner, ich wollte nicht meine Wetterau nehmen, weil sie in vielen Dingen einfach vorbildhaft ist.
Das finde ich jetzt nicht besonders gut. – Wir kommen wieder zurück zur Ernsthaftigkeit. Es gibt wenig Sinn, dass verschiedene Länder verschiedene Einbürgerungspraktiken haben. Deshalb ist es sehr vernünftig, wenn man eine entsprechende Regelung auf Bundesebene findet.
Abschließend will ich sagen, dass man dazu keine 15 Minuten und auch nicht so viel Aggression braucht, die die Rede des Kollegen Al-Wazir und insbesondere seine Intervention begleitet hat. Man kann dieses Thema relativ emotionslos diskutieren und sollte dies auch tun.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deutscher Staatsbürger zu sein ist etwas genauso Hohes, wie französischer oder marokkanischer Staatsbürger zu sein. Ich will das überhaupt nicht besser oder schlechter stellen. Wenn jetzt noch jemand versucht, eine Leitkulturdebatte daran andocken zu müssen,so irrt er.Aber es ist nun einmal eine Besonderheit, und aus dieser Besonderheit heraus muss man klarstellen können, dass die Grundwerte, die unsere
Gesellschaft zusammenhalten, von allen Beteiligten akzeptiert werden. Deshalb sehen wir auch hier noch Handlungsbedarf, aber nicht nach dem Motto Baden-Württembergs: „Ich sprenge die Verfassung gleich selbst“, sondern mit einem ruhigen, einem mit Fingerspitzengefühl zu entwickelnden Paket. Das erwarten wir vom hessischen Innenminister. – Vielen herzlichen Dank.
(Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei Ab- geordneten der CDU – Minister Volker Bouffier begibt sich zum Rednerpult.)
Vielen Dank, Herr Hahn. – Als Nächster hat Herr Staatsminister Bouffier das Wort, dem ich jetzt auch das Wort erteile.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen, meine Herren! Wir hatten,wenn ich es recht in Erinnerung habe, am letzten Mittwoch in öffentlicher Sitzung des Innenausschusses eine intensive Debatte. Dort hatte ich Gelegenheit, die Position der Landesregierung vorzutragen. Im Gegensatz zur heutigen Debatte hatten wir dort nach meinem Geschmack wesentlich intensiver in der Sache diskutieren können.
Gleichwohl bin ich dankbar für die Gelegenheit, hier einige Bemerkungen machen zu können. Ich greife zunächst einmal das auf, was Kollege Dr. Wagner und am Schluss auch Herr Kollege Hahn gesagt haben. Das trifft zu einem beachtlichen Teil die Position, die ich hier vortrage.Aber ich möchte einen Satz des Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten, den ich mitgeschrieben habe, an den Beginn meiner Ausführungen stellen. Denn je nachdem, wie man die Frage beantwortet, kommt man zu verschiedenen weiteren Schritten.
Herr Kollege Walter, Sie haben gesagt – ich habe es wörtlich mitgeschrieben –, es handle sich um eine „banale Debatte“.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das habe ich auch mitbekommen! – Michael Siebel (SPD): Weil alles unstreitig ist!)
Herr Walter, wenn die Frage, wie wir die Gesellschaft der Zukunft gestalten, eines nicht ist, dann ist es banal.
Ich muss sagen – Sie haben es gerade noch einmal bestätigt –, ich habe gedacht, das sei im Fluss der Rede gewesen. Nein, es ist offenkundig nicht unstreitig.
Aber wir können uns vielleicht in einem finden. Sie sind der Vorsitzende der Fraktion der Sozialdemokraten, also der zweiten großen deutschen Volkspartei.
Wenn wir uns dem Thema vernünftig nähern wollen, müssen wir zunächst einmal begreifen,dass wir auf keinen Fall erfolgreich sein werden, wenn wir uns entlang der Partei
Herr Al-Wazir hat gefragt – das habe ich auch mitgeschrieben –: Gibt es Anlass, sich mit dieser Frage besonders zu beschäftigen? – Uneingeschränkt ja. Das, was die Sozialdemokratie beantworten muss, ist die Frage: Sind Sie der Auffassung, dass es so, wie es ist, wie wir es machen, klug und weise ist und keinerlei Veränderung bedarf? Wenn das so ist, kommen Sie schlüssig zu dem Ergebnis:Wir können die Debatte an der Stelle beenden.
Nein. – Oder wir kommen zu dem Ergebnis, dass wir Handlungsbedarf haben. Ich bin in der Tat der Auffassung:Wir haben Handlungsbedarf.
(Beifall bei der CDU – Jürgen Walter (SPD): Es geht um die Verwaltungsvorschriften! – Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))
Schauen Sie, ich trage doch auch ganz ruhig vor. Ich habe Ihnen zugehört, nun hören Sie auch einmal zu.
Die Kernfrage lautet wie folgt. In den zurückliegenden Jahren sind viele Menschen aus aller Herren Länder zu uns gekommen. Wir haben sie aufgenommen. Die Gretchenfrage für diese Gesellschaft ist – deswegen ist die Frage nicht banal, sondern die Kernfrage für gedeihliche Entwicklung –:
Wie können wir diese Entwicklung so gestalten, dass sie für alle Seiten friedlich und erfolgreich verläuft? – Das ist die Kernfrage.