Protocol of the Session on November 24, 2005

Der Gesetzentwurf war dem Hauptausschuss, federführend, und dem Innenausschuss, beteiligt, in der 74. Plenarsitzung am 13. Juli 2005 zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden.

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf zuletzt in seiner Sitzung am 8. November 2005 behandelt und einstimmig dem federführenden Hauptausschuss die Formulierung einer Beschlussempfehlung an das Plenum überlassen.

Der Hauptausschuss hat zu dem Gesetzentwurf im Oktober 2005 eine schriftliche Anhörung durchgeführt und sich zuletzt in seiner Sitzung am 22. November 2005 mit dem Gesetzentwurf befasst. Der Hauptausschuss ist mit den Stimmen von CDU,SPD und FDP bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem oben genannten Votum gelangt.

Durch die Annahme des Änderungsantrages Drucks. 16/4686 hat sich der Änderungsantrag Drucks. 16/4645 erledigt. – Vielen Dank.

Vielen Dank für die Berichterstattung.

Meine Damen und Herren, es liegt mir für die Aussprache und die Redezeit von zehn Minuten

(Reinhard Kahl (SPD): Fünf Minuten!)

ja, für die Redezeit von fünf Minuten – zunächst die Meldung von Dr. Jürgens für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor.

Vielleicht können die Geschäftsführer inzwischen klären, was wir mit dem Punkt 14 machen, ob der noch vor der Mittagspause aufgerufen wird.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich darf zunächst für meine Fraktion der Befriedigung Ausdruck ge

ben, dass durch die vorgenommene Änderung, die Sie gerade im Bericht gehört haben, von allen anderen drei Fraktionen einer Forderung gefolgt worden ist, die ich für meine Fraktion bereits in der ersten Lesung von diesem Pult aus formuliert habe. Aus der Formulierung der Beschlussempfehlung geht das ja nicht so ganz eindeutig hervor, aber ich möchte schon noch einmal betonen, dass das, was jetzt gemacht worden ist, auf eine GRÜNEN-Initiative zurückgeht. Darüber freuen wir uns natürlich sehr, dass wir schlussendlich Erfolg hatten.

Es geht um Folgendes: In der ersten Fassung des Gesetzentwurfes war ja noch eine Änderung des § 1 des Gesetzes über Volksabstimmungen vorgeschlagen, wo aufgenommen werden sollte, wann eine Abstimmung zu einer Änderung der Verfassung stattfinden muss. Dieses Ganze sollte mit dem Zusatz versehen werden: „die der Zustimmung des Volkes bedarf“.

Ich habe schon bei der ersten Lesung gesagt: Es kann nicht sein, dass der Gesetzgeber etwas vorwegnimmt, was der Verfassungsgeber bisher nicht beschlossen hat. Denn es ist so – das wissen wir alle – in der Verfassung vorgegeben, dass bisher jede Änderung der Verfassung einer Abstimmung durch das Volk bedarf.

Ich habe von Anfang an gesagt: Es ist nicht zulässig, dass der Gesetzgeber im Vorgriff auf eine mögliche Änderung tätig wird. Das war ja das Diskussionsergebnis in der Enquetekommission, dass auch eine qualifizierte Mehrheit des Landtages möglicherweise die Verfassung ohne nachfolgende Volksabstimmung ändern kann. Wenn dies aber gerade der Verfassungsgeber, das Volk selbst, bisher nicht beschlossen hat, dann darf der Gesetzgeber es auch nicht vorziehen.

Wir wissen seit der Stellungnahme von Herrn Prof. Wieland aus Frankfurt:Das wäre ein eklatanter Verstoß gegen den Vorrang der Verfassung gewesen und damit gegen ein Fundamentalprinzip unserer Demokratie. Er hat mit dieser Stellungnahme bestätigt, was wir schon immer gesagt haben, und die jetzt vorgenommene Änderung folgt dem ja auch.

Vielleicht kann man daraus auch etwas lernen, insbesondere in der Mehrheitsfraktion: Sie sollten vielleicht künftig gelegentlich die Argumente der Opposition ernst nehmen, abwägen und tatsächlich auch darüber nachdenken. Für uns bedurfte es jedenfalls nicht der Stellungnahme eines namhaften Professors, um den Respekt vor der Verfassung zurückzugewinnen. Bei uns war das von vornherein klar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir könnten nach dieser vorgenommenen Änderung an sich dem Gesetz, dem Art. 1, ohne weiteres zustimmen. Ich habe das in der ersten Lesung schon gesagt. Für uns sind die weiteren vorgenommenen Änderungen am Gesetz über die Volksabstimmung unproblematisch. Daran hat sich auch durch die Einwände, die teilweise in der schriftlichen Anhörung vorgetragen worden sind, nichts geändert, weil wir die – ich habe nicht ausreichend Zeit, das auszuführen – im Ergebnis jedenfalls für nicht stichhaltig halten.

Gleichwohl können wir dem Gesetz nicht zustimmen,weil es in den übrigen Artikeln Bestimmungen enthält, die wir nicht mittragen können. In den nachfolgenden Artikeln werden die Laufzeiten der dort angeführten Gesetze ausschließlich verlängert. In der Begründung heißt es jeweils lapidar: „Die Befristung der Gesetze wird nach erfolgter

Evaluierung um... verlängert.“ Wir wissen aus der Besprechung in den Ausschüssen, insbesondere aus der Besprechung im Hauptausschuss, dass im Grunde genommen – wenn überhaupt – allenfalls eine Scheinevaluierung stattgefunden hat. Eine fundierte Evaluierung hat jedenfalls nicht stattgefunden. Der Hessische Städtetag hat in seiner Stellungnahme ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er sehr bereit gewesen wäre, sich an einer Evaluierung zu beteiligen, es habe ihn aber niemand gefragt.

Wir sind nicht der Auffassung, dass alle in dem Gesetzentwurf genannten Gesetze, die einfach verlängert werden sollen, auf der Höhe der Zeit sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir glauben das nicht vom Altenpflegegesetz,wir glauben das nicht vom Naturschutzgesetz, wir glauben das nicht vom Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheide. Daher sind wir der Auffassung, dass eine schlichte Verlängerung von Gesetzen ohne eine ausreichende Evaluierung dem Grund der Befristung nicht gerecht wird. Deshalb können wir im Ergebnis dem Gesetzentwurf unsere Zustimmung nicht geben. Art. 1 des Gesetzentwurfs hätten wir hingegen zustimmen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der FDP hat Herr Kollege Posch das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf die Einbringung dieses Gesetzentwurfs zurückkommen. Seinerzeit hat Herr Staatsminister Wagner gesagt, es handle sich um einen parlamentarischen Routinevorgang. Ich habe für die FDP-Fraktion dieser Aussage widersprochen, denn es geht nicht um einen parlamentarischen Routinevorgang, sondern um die Frage: Macht es Sinn, Gesetze weiterhin zu befristen, oder nicht?

(Beifall bei der FDP)

Sie wissen, dass wir in der vorigen Legislaturperiode beschlossen haben, Gesetze zukünftig zu befristen – wohl wissend, dass es eine sehr intensive Diskussion gab, ob das Sinn macht oder nicht.Es gab eine Diskussion darüber,ob es „Ewigkeitsgesetze“ gibt, die man immer braucht, und Gesetze,die man tatsächlich einer Befristung unterwerfen sollte.

Ich habe damals gesagt: Es geht nicht, dass wir keine ausreichenden Erfahrungsberichte über das bekommen, was die Ressorts dazu veranlasst hat, uns vorzuschlagen, die Laufzeit bestimmter Gesetze zu verlängern. Deswegen kann ich der Landesregierung den Vorwurf nicht ersparen, dass erst eine parlamentarische Initiative dazu geführt hat, dass Herr Staatsminister Grüttner im Hauptausschuss die Vorlage einer Evaluation nachgeholt hat. Ich kann nur bitten, in Zukunft eine wirkliche Überprüfung und Bewertung vorzunehmen und die Verlängerung der Laufzeit von Gesetzen eben nicht zu einem parlamentarischen Routinevorgang zu machen, denn sonst wird das Ansinnen, das wir mit der ursprünglichen Beschlussfassung verfolgt haben, beim besten Willen nicht gewährleistet.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann der Landesregierung einen zweiten Vorwurf nicht ersparen. Ich habe in der ersten Lesung darauf hingewiesen, dass ein wesentliches Essential des Gesetzentwurfs die Tatsache war, dass man in dem Gesetz über die Volksabstimmung bereits einen Stimmzettel für die Abstimmung über die Frage entworfen hat, wie man eine Verfassungsänderung vornehmen kann, per Einzelabstimmung oder in Form einer Abstimmung über alle vorgelegten Änderungen. Man hat dies getan, wohl wissend, dass die Enquetekommission überhaupt keinen Vorschlag vorgelegt hat, der für eine Verfassungsänderung relevant gewesen wäre. Es ist ein Armutszeugnis, dass die CDUFraktion in Kenntnis sowohl dieses Sachverhalts als auch der Argumente, die Kollege Dr. Jürgens vorgetragen hat, das nun aus dem Gesetz herausnehmen will.Wenn das ordentlich vorbereitet gewesen wäre, hätten wir uns das ersparen können. Dieser bürokratische Aufwand wäre entbehrlich gewesen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ändert nichts an der Tatsache, dass wir, nachdem die Erfahrungsberichte vorliegen, dem Gesetzentwurf zustimmen werden. Ich gebe allerdings zwei Aspekte zu bedenken.Wir müssen in Zukunft darüber nachdenken, wie wir den Meinungsbildungsprozess darüber, ob ein Gesetz noch benötigt wird oder nicht, verfeinern und verbessern können. Das, was wir jetzt machen, reicht unseres Erachtens in Zukunft nicht mehr aus.

Herr Dr. Jürgens, einer Ihrer Aussagen widerspreche ich. Sinn der Entscheidung darüber, ob die Laufzeit eines Gesetzes verlängert wird,ist nicht,bei der Gelegenheit gleich eine Aktualisierung des betreffenden Gesetzes vorzunehmen.Wenn es einen konkreten politischen Anlass gibt,ein Gesetz zu ändern, dann ist auch ein konkreter politischer Anlass dafür gegeben, dieses Gesetz zu novellieren. Beim Ablauf der Befristung eines Gesetzes geht es ausschließlich um die Frage: Brauchen wir dieses Gesetz überhaupt noch, oder können wir es substanziell ändern, beispielsweise verkürzen, um Beschleunigungseffekte zu erzielen?

Ich sage das deswegen noch einmal, weil wir über die Frage diskutieren,wie wir das künftig beantworten,ob wir wirklich jedes Gesetz befristen oder die alte Debatte über „Ewigkeitsgesetze“ und befristbare Gesetze wieder aufgreifen. Die FDP-Fraktion will an dem Reformvorhaben, Gesetze zu befristen, nach wie vor festhalten. Es reicht aber nicht aus, einer Verlängerungsentscheidung ausschließlich die Meinungsbildung der Ressorts zugrunde zu legen.

Das sind die Überlegungen, die uns in dieser Sache bewegen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass wir die Notwendigkeit sehen, dass die Gesetze, die von der Landesregierung zur Verlängerung vorgeschlagen werden, in der vorgesehenen Form verlängert werden müssen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Frau Zeimetz-Lorz für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte gern noch einmal auf die Einbringung dieses Gesetzentwurfs, auf die erste Lesung zurückkommen. Dort wurden von den anderen Fraktionen im Wesentlichen zwei Kritikpunkte vorgetragen.

Der erste Kritikpunkt betraf die Evaluation. Herr Posch hat das richtig dargestellt. Es ist eine Evaluation nachgeliefert worden. Ich bin schon ein wenig erstaunt, Herr Dr. Jürgens, wenn Sie plötzlich erklären, es würde Ihnen nicht ausreichen, was Herr Staatsminister Grüttner an Evaluation nachgeliefert hat. In der Ausschussberatung ist nirgendwo zum Ausdruck gebracht worden, dass diese Evaluation nicht hinreichend sei.

Herr Posch, auch ich hätte mir ein anderes Ergebnis der Evaluation gewünscht. Sie haben gesagt, Ziel der Befristung der Gesetze sei es, zu prüfen, ob man sie noch brauche oder nicht. Nach der Evaluation müssen wir feststellen, dass die Laufzeit fast aller Gesetze, die in diesem Gesetzentwurf genannt sind,durch bundesgesetzliche Vorgaben oder durch europarechtliche Vorgaben festgelegt ist. Ich hatte erhofft, dass man die Laufzeit des einen oder anderen Gesetzes nicht verlängern müsse. Leider sind aber die Vorgaben der EU und des Bundes anders. Auch ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht, aber auch das sind Erkenntnisse, die man erst bei einer Evaluation gewinnen kann.

Der zweite Kritikpunkt betraf den § 1 des Volksabstimmungsgesetzes. Die anderen Fraktionen haben vorgetragen, dass hier eine mögliche Verfassungsänderung vorweggenommen werde. Wir haben dies zum Anlass genommen, lieber Herr Dr. Jürgens, einen Änderungsantrag zu stellen. Ich muss heute feststellen, dass wir es Ihnen aber auf keinen Fall recht machen können. Einerseits sagen Sie, wir seien stur und würden im Gesetzgebungsverfahren die Anhörungen nicht nutzen, um zu anderen Erkenntnissen zu kommen. Sie sagen, wir würden die Gesetze „stur durchhauen“. Wenn wir das – Ihrer Meinung nach – nicht tun, dann machen Sie uns den Vorwurf, wir hätten doch gleich auf die GRÜNEN hören sollen. Wenn ich mir das unter dem Strich betrachte, dann muss ich eigentlich zu der Feststellung kommen: Auf die GRÜNEN können wir gar nicht hören, weil es sowieso verkehrt ist, was wir tun.

Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht. Wir wollen den kritisierten Halbsatz herausnehmen,sodass Sie eigentlich zustimmen könnten, zumal Ihre Kollegen und Sie in den Ausschüssen an den Ergebnissen der Evaluation nichts zu kritisieren hatten. Heute haben Sie eine Pirouette gedreht, um begründen zu können, warum Sie dem Gesetzentwurf doch nicht zustimmen können. Ich freue mich aber, dass offensichtlich eine breite Mehrheit in diesem Hause bereit ist, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Darüber freue ich mich, und dafür bedanke ich mich ganz herzlich.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Pauly-Bender das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Zeimetz-Lorz, Herr Dr. Jürgens, ich wundere

mich ein bisschen darüber, wessen Urheberschaft Sie für die notwendigen Änderungen, die die Landesregierung noch eingebracht haben, reklamiert haben. Die SPDFraktion hat im Hauptausschuss nicht nur einmal vorgetragen, dass wir der Auffassung sind, dass Gesetze unterhalb der Verfassung mit der Hessischen Verfassung in Einklang stehen müssen.Wir haben moniert, dass die vorgeschlagene Änderung in § 1 des Volksabstimmungsgesetzes, die auch von den GRÜNEN streitig gestellt worden ist, diese Grundregel missachtet. Zukünftig soll von zwei Formen der Verfassungsänderung die Rede sein.

In der Enquetekommission zur Reform der Hessischen Verfassung waren wir diejenige Fraktion, die gesagt hat,

(Günter Rudolph (SPD): Sehr richtig!)

es ist für uns ein hoher Wert der hessischen Verfassungskultur, dass das Volk der Souverän, der Verfassungsgeber ist. Das Parlament darf zwar Vorschläge machen, aber der Souverän – klar bestimmt – ist das Volk. Deshalb konnten wir es nicht hinnehmen, dass – ich will noch nicht einmal sagen: in vorauseilendem Gehorsam, sondern: verfassungswidrig – unterhalb der Verfassung eine andere Regelung gefunden werden soll. Deshalb haben wir dies streitig gestellt.

Frau Zeimetz-Lorz, wir haben es für einen sehr normalen Akt gehalten, dass die Landesregierung – nachdem sie darauf aufmerksam gemacht wurde – diese verfassungswidrige Gesetzesänderung in dem Entwurf zurückgezogen hat.