Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch, vielen Dank für das Lob. Aber ich glaube, dass Sie nicht begriffen haben, was eine Koalition ist. Der Politikansatz von FDP und CDU mit den marktradikalen Vorstellungen ist jedenfalls von der Bevölkerung nicht gewählt worden. Die CDU konnte sich die FDP auch nicht dreimal klonen, damit es für eine Mehrheit reicht. Was macht man in solchen Fällen? Eine Koalition. Dann gibt es einen Koalitionsvertrag. Das ist weder das CDU-Parteiprogramm, noch ist es das SPD-Parteiprogramm, sondern es ist an allen einzelnen Stellen ein Kompromiss, den man schließen muss. Meine Damen und Herren, so geht Politik.
Ich komme zu dem, was hier kritisiert wurde. Natürlich knirscht es in den Arbeitsgemeinschaften. Das habe ich vorhin in meiner Rede auch ausdrücklich gesagt. Es gibt Klagen über Zentralismus und irgendwelche verrückten Sachbearbeiter. Aber ich möchte die Koalitionsvereinbarung hier ganz klar zitieren: „Ein so komplexes und umfangreiches Reformvorhaben“ – das muss man wirklich einmal sagen, es ist das größte der Nachkriegsgeschichte – „erfordert allerdings flexible Anpassungen und Verbesserungen. Wir werden daher durch detaillierte und passgenaue Veränderungen auf die Erfahrungen dieses Jahres
Genau das werden wir tun, und zwar abwägend, die CDU und die SPD.Wir werden sehr genau gucken, was wir verbessern müssen, damit es noch besser läuft. Ich habe vorhin einige Beispiele genannt.
Ich habe übrigens das Zitat von Herrn Forell wieder gefunden. Das ist nicht unwichtig. Deswegen möchte ich seine Pressemitteilung zitieren. Er hat gesagt:
Selbst wenn man die Zahlen der Optionskommunen so akzeptiert, wie die Ministerin sie unterstellt hat,kann hieraus in keinem Fall eine Überlegenheit des Optionsmodels abgeleitet werden. Selbst wenn man die umstrittene Kenngröße der Hessischen Landesregierung,
nämlich Integration in den Arbeitsmarkt je 100 Arbeitslose, zugrunde legen würde, würden zwei Arbeitsgemeinschaften besser abschneiden als die beste optierende Kommune, und die letzten drei Plätze würden von Optionskommunen eingenommen werden.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns schon der Wahrheit stellen. Die Wahrheit haben wir, wie gesagt, noch nicht endgültig auf dem Tisch. Deswegen wundert es mich sehr, Herr Staatssekretär, dass Sie immer wieder mit großer Überzeugung ein Glaubensbekenntnis ablegen. Ich glaube, wir sollten uns an die Fakten halten, und insbesondere die Regierung sollte sich an die Fakten halten.
Nächster Punkt. Die Landesregierung sagt immer, die Landkreise wollen die Option. Das stimmt. Ein größerer Teil der Landkreise möchte die Option. Es gibt aber auch andere Kommunale Spitzenverbände. Die müssen wir auch berücksichtigen. Hier habe ich auch ein Zitat. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sagte: „Ein solcher Systemwechsel würde den Reformprozess ins Stocken bringen und damit den verbreiteten Unmut über die eigentlich richtige Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe noch vergrößern.“ So weit der Städte- und Gemeindebund.
Der Deutsche Städtetag bzw. der Präsident desselben, Christian Ude, hat das im Hartz-IV-Gesetz verankerte Engagement des Bundes bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit als richtig bezeichnet und einer Rekommunalisierung des Themas eine klare Abfuhr erteilt.
Also, meine Damen und Herren: Wir müssen bei solchen Reformen natürlich auch immer die Kommunalen Spitzenverbände fragen, ob sie sich der Aufgabe wirklich alle stellen wollen – und das ist eben zum Teil nicht der Fall.
Letzter Punkt. Der Staatssekretär hat vorhin in seiner Rede gesagt, man habe vor fünf Jahren festgestellt, dass sich die Bundesagentur nicht ausreichend um Langzeitarbeitslose kümmert. Herr Staatssekretär, damals war die Bundesagentur dafür eben nicht zuständig.
Das war ja genau das Problem. Die Bundesagentur war nur für die Arbeitslosen zuständig, nicht für die Langzeitarbeitslosen. Die sind dann bei den Kommunen in der Sozialhilfe gelandet,
egal,ob sie arbeitsfähig oder nicht arbeitsfähig waren.Das haben Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten damals zum Anlass genommen, zu sagen: „Diesen Verschiebebahnhof darf es nicht weiterhin geben“,
und das Programm „Arbeit statt Sozialhilfe“ ausgelöst, um sozusagen zu fördern, zu fordern und gleichzeitig klarzumachen: Arbeitsfähige Menschen gehören nicht in die Sozialhilfe. Das war der Grund dafür, und deswegen sage ich Ihnen:Das ist alles gar nicht neu.Man hätte es damals nicht so wütend bekämpfen müssen. Wir sind vielleicht gemeinsam auf einem guten Weg.
Noch ein abschließender Satz. Das Interview von Herrn Koch hat mich doch schon sehr erstaunt. Die Frau Präsidentin hat heute gesagt: Immerhin, es ist eine Frau gewählt worden. Das ist ein bemerkenswerter Prozess. – Wenngleich ich sagen muss, dass ich jede Mitwirkung an der Wahl von Frau Merkel abstreite,
muss ich doch auch sagen: Das Interview ist schon sehr erstaunlich. Die Solidaritätsbekundungen von Herrn Koch sind noch nicht drei Tage alt, und sie ist erst einen Tag im Amt.Dann zieht er ihr mit diesem Interview aber so etwas den Stuhl unter dem Hintern weg. So etwas habe ich selten erlebt. Das muss ich wirklich sagen. Aber das muss Herr Koch mit ihr abmachen.
Ich finde es schon nachhaltig überraschend, wie die FDP, wie die CDU und der Staatssekretär argumentieren, obgleich die Zahlen vorliegen. Herr Boddenberg, Sie gehen ja auch manchmal zur Eintracht. Wenn man 2 : 0 verliert, kann man doch nicht hinausgehen und sagen: Wir haben 2 : 2 gespielt, oder: Wir haben 2 : 0 gewonnen. – Da muss man doch sagen: Hallo, machen Sie sich doch einmal die Mühe, die Zahlen schlicht zur Kenntnis zu nehmen. Es sind doch nicht meine oder die der GRÜNEN, das sind die offiziellen Zahlen der Optierer und die offiziellen Zahlen – natürlich die vorläufigen – der Arbeitsgemeinschaft. Die sagen nach den eigenen Aussagen des Staatssekretärs: 6,9 und 7,1 % im Vergleich als Vermittlungsquote. „Etwa gleich“, sagt er. Ich habe noch eine andere ausgerechnet. Da waren es 8 : 14. Aber egal, wie es ist, ob gleich oder besser für die Arbeitsgemeinschaft: In keinem Falle kommt heraus, dass die Optionskommunen besser sind, Herr Rentsch. Das ist ja nahezu beratungsresistent. Sie weigern sich festzustellen, dass die Optierer nicht besser sind. Nehmen Sie es jetzt endlich einmal zur Kenntnis.
Wir haben Probleme vor Ort.Was wir wollen, ist, dass Sie von der Landesregierung und auch alle anderen Freiwilligen, von mir aus auch die FDP, sich daran beteiligen, dass der politische Druck darauf erhöht wird, dass gefördert wird, dass den Menschen wieder geholfen wird. Das muss der Fokus sein und nicht die intellektuell abtrünnige Debatte darüber, welche Organisationsform womöglich den Titel gewinnt. Das muss man doch einmal kapieren.
Ein letzter Punkt. Herr Rentsch, Sie sinken danieder. Ich glaube, da sollten Sie auch bleiben. Ich sage Ihnen auch gerne,warum:Wir sind einer Meinung,dass vor Ort – nehmen Sie sich noch drei Sekunden Zeit, mir zuzuhören – tatsächlich der Sachverstand vorhanden ist. Aber wir haben Hartz IV deshalb gemacht, weil wir zwei nebeneinander herlaufende Systeme von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe hatten.Die sollten fusionieren.Jetzt haben wir sie zusammen,und es gibt Probleme.Nun muss man sie lösen.
und die Optionskommunen bundesweit flächendeckend einführt, was machen wir dann? Dann schmeißen wir doch genau die Agenturen wieder raus und haben wieder zwei nebeneinander herdümpelnde Systeme. Das ist doch der Unfug, den wir verhindern wollten.
Deswegen ist die Position der GRÜNEN auch recht eindeutig. Das haben wir auch in Frankfurt konkret so beantragt,und ich bin mir sicher,in Gießen auch.Herr SchäferGümbel, ich habe da auch schon einen Antrag im Schacht gesehen. Da gibt es Probleme wie Räumlichkeiten und Stellen, die bei der GIAG, bei der Arbeitsgemeinschaft, nicht vorhanden sind.
Das Problem ist,dass dort die Kommunen nicht die Mehrheit haben. Achtung, aufgepasst. Die haben nicht die Mehrheit,um das Patt aufzulösen.Sie brauchen die Mehrheit, um dieses Patt aufzulösen und organisatorische Schwierigkeiten schneller zu lösen. Was sie aber nicht brauchen, ist, den Sachverstand der Bundesagentur wieder rauszuschmeißen. Dann haben wir wieder die alten Zustände wie vorher in der alten Sozialhilfe.
Genau das wollten wir ja nicht. Deswegen ist Ihr Weg ein falscher Weg. Der richtige Weg ist, den politischen Druck auf das Fördern zu verstärken. Da höre ich nichts von Ihrer Aufsichtspflicht, der Sie nachkommen, dass Sie die einbestellen und fragen: Wo werden denn die Personalschlüssel erfüllt, 1 : 75 bei Jugendlichen, 1 : 175 bei den Erwachsenen? Fast keine der in Hessen arbeitenden zuständigen Behörden hat diesen Schlüssel bisher erfüllt. Und das sind Personalberatungsschlüssel für die Menschen,für die Langzeitarbeitslosen. Die müssen sie erfüllen, und da erwarten wir, dass der Druck auf das Fördern – ich wiederhole es – erhöht wird, weil es sonst zum Schaden der Langzeitarbeitslosen ist. Denen wollten wir helfen, und denen wollen wir GRÜNEN nach wie vor helfen.
Es ist hier vorgeschlagen, dass der Antrag der FDP betreffend bundesweite Zuständigkeit der Kommunen für Hartz IV/SGB II, Drucks. 16/4647, an den Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen wird. Alle einverstanden? – Danke.
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Verlängerung befristeter Rechtsvorschriften und zur Änderung des Gesetzes über Volksabstimmung – Drucks. 16/4692 zu Drucks. 16/4195 –
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Hauptausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unter Berücksichtigung des Änderungsantrages Drucks.16/4686 in der aus der Anlage – das bezieht sich auf die Drucks. 16/4692 – ersichtlichen Fassung anzunehmen.
Der Gesetzentwurf war dem Hauptausschuss, federführend, und dem Innenausschuss, beteiligt, in der 74. Plenarsitzung am 13. Juli 2005 zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden.