Protocol of the Session on October 11, 2005

Lassen Sie mich noch etwas Weiteres zur Finanzierung sagen. Momentan sehen wir noch ein weiteres Problem.Wir alle wissen nicht, wie lange die Mittel in der jetzt durch Lotto- und Sportwetten vorgehaltenen Höhe zur Verfügung stehen werden. Grundsätzlich begrüßen wir die Initiative, das Vorgehen des Innenministers gegen die illegalen privaten Sportwetten in Hessen.Was aber wird passieren, wenn durch höchstrichterliche Rechtsprechung der Fall eintritt, dass diese Wettform aufgrund von EU-Recht zugelassen werden muss? Führt das zwangsläufig zu einer Kürzung bei der Jugendbildungsförderung, oder sollte man nicht schon zum jetzigen Zeitpunkt sicherstellen, dass bei privaten Wettanbietern Umsatzanteile für gemeinnützige Zwecke abzuführen sind?

Des Weiteren halten wir auch die Begrenzung der Förderung auf 80 % für problematisch. Das wird wiederum ganz besonders hart die Kommunen treffen, die finanzschwach sind. Dieser Schuss kann durchaus nach hinten losgehen. Diese Regelung kann nämlich dazu führen, dass einige ärmere Kommunen ihre Jugendbildungsangebote zurückfahren bzw. gänzlich einstellen müssen. Im Gegenzug stehen dann möglicherweise – das stelle ich jetzt einmal als Frage in den Raum – den finanzkräftigeren Kommunen mehr Mittel zur Verfügung? Das kann nicht im Interesse des Gesetzgebers sein, erst recht nicht im Interesse von Abgeordneten aus finanzschwächeren Kreisen.

Wir sehen auch nicht die Notwendigkeit, die Förderung für die kreisangehörigen Städte ohne eigenes Jugendamt auslaufen zu lassen. Warum eigentlich? Was Sie als Auslaufen einer nicht mehr zeitgemäßen Förderstruktur bezeichnen, wird in Witzenhausen, Korbach, Bad Schwalbach und auch in Baunatal als Demontage betrachtet.

(Beifall bei der SPD)

Die dort gut funktionierenden Strukturen werden zerstört. In diesen Städten sieht man die Gefahr, dass auf diese Weise einem qualifizierten Angebot schrittweise der Boden entzogen wird. Das kann doch nicht wahr sein.

Frau Ministerin, meine Damen und Herren, abschließend möchte ich noch einmal unsere Bereitschaft zur konstruktiven Mitarbeit an der Neufassung dieses Gesetzes anbieten, solange ein Stück Ergebnisoffenheit vorhanden ist und der Vorsatz der konservativen Umgestaltung der außerschulischen Jugendarbeit nicht manifestiert wird.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Bellino für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Jugendbildungsförderungsgesetz steht nach Ablauf der Fünfjahresfrist auf dem Prüfstand.Obwohl es sich

hier um ein bewährtes und allgemein anerkanntes Gesetz – auch in der Ausführung – handelt, ist das auch gut so.

Es ist gut so, denn das Bessere ist der Feind des Guten. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir jetzt auf Veränderungen reagieren, die in unserer Gesellschaft in den letzten fünf Jahren stattgefunden haben, und dieses Gesetz – das jetzt ausläuft – entsprechend modifizieren.

Es ist bewährt und anerkannt, denn es hat sich in den vergangenen Jahren sehr wohl bewährt, dass man auch in der Jugendbildung ein Splitting zwischen den öffentlichen Trägern, den Jugendverbänden – die dies sehr engagiert und gut machen – und den so genannten ergänzenden Trägern realisiert.

Bewährt und anerkannt ist es aber auch, weil sich das Fachministerium nicht nur das Recht geschaffen hat, mit den Experimentiermitteln in Höhe von 3 % umzugehen, sondern diese auch sehr konstruktiv und für das Thema Jugendbildung zielführend eingesetzt hat.

Bewährt und anerkannt ist es – Frau Kollegin, daran wird sich auch in der Zukunft nichts ändern –, dass die Zuwendungen auch in finanziell angespannten Zeiten nicht reduziert wurden. Sie wissen ganz genau, dass zu Beginn des Jahres 2002 die Mittel sogar aufgestockt wurden.

Ich weiß aus meinen Gesprächen mit den Landesvorständen verschiedener hessischer Jugendverbände, dass ihre Kollegen in anderen Bundesländern ganz neidisch nach Hessen schauen, weil hier eben nicht gekürzt, sondern sogar aufgestockt wurde. So wird es auch bleiben.

Dadurch wird es auch in Zukunft möglich sein, dass jährlich 6.000 oder sogar mehr als 6.000 verschiedenste Maßnahmen und Aktionen – da sind auch keine Gesinnungsschnüffelei und kein Einfluss auf die Inhalte der angebotenen Maßnahmen zu befürchten – direkt an die Jugendlichen gerichtet und ihnen angeboten werden können. Ausgedacht, initiiert und umgesetzt werden die Maßnahmen nicht von einem Ministerium, sondern von Fachleuten vor Ort in den einzelnen Verbänden mit über 130 Referenten, die nicht nur die Sprache der Zielgruppe Jugend sprechen, sondern auch das entsprechende Angebot erarbeiten und umsetzen können.

Dies ist aus unserer Sicht – dabei soll es auch bleiben – eine ganz wichtige Ergänzung durch die außerschulische Jugendbildung.Deshalb wollen wir das Bewährte auch erhalten, deshalb wird es auch in Zukunft keine Einsparungen geben,deshalb wird es auch in Zukunft bei der Selbstverwaltung der zugesprochenen Mittel bleiben – es soll also keine Gesinnungsschnüffelei betrieben werden –, und deshalb soll das plurale Angebot nicht nur erhalten, sondern ausgebaut werden. Wir wissen aus unseren Gesprächen, dass die Zielsetzung, das plurale Angebot zu erweitern,sehr wohl positiv aufgenommen wird.Der Closed Shop, den wir bisher hatten, soll aufgeweicht werden, und weitere Träger sollen aufgenommen werden können.

Eine Erweiterung der Trägerschaft bedeutet aus unserer Sicht eine Steigerung der Angebotsvielfalt, und eine Steigerung der Angebotsvielfalt bedeutet nicht nur mehr Gerechtigkeit – jetzt können auch andere hineinkommen –, sondern auch mehr Wahlmöglichkeiten für die Zielgruppe, mehr Vergleichsmöglichkeiten für Menschen, die sich außerhalb der Schule weiterbilden wollen, und – davon gehen wir auch aus, weil Wettbewerb immer etwas Gutes hat und mehr Wettbewerb für noch mehr Gutes sorgt – eine Steigerung der Qualität.

Die Bildung ist – nicht nur im Hessischen Landtag, sondern auch anderswo – immer wieder in aller Munde: PISA,IGLU,Bildung von Anfang an und anderes.Auch in diesem Bereich wird heute und in Zukunft eine wichtige Bildungsarbeit geleistet – eine Bildungsarbeit nicht nur im klassischen Sinne, sondern auch im Bereich der oft zitierten sozialen Kompetenz. Deshalb wollen wir die Gelegenheit nutzen, uns an dieser Stelle bei denjenigen zu bedanken, die dies – teilweise ehrenamtlich, teilweise hauptamtlich – entsprechend umsetzen und in Hessen garantieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wichtig sein wird es – deshalb auch der Blick in die Zukunft –, dass durch die Rechtsverordnung und das Gesetz als solches dafür gesorgt wird, dass wir transparente Kriterien zur Auswahl haben, dass die zeitliche Begrenzung sichergestellt wird – das erhöht auch den Wettbewerbsdruck, dass man gut bleiben muss und besser werden sollte –, dass in der Reaktion derer, die über die entsprechenden Mittel zu entscheiden haben, Flexibilität möglich ist, dass es bei der Selbstverwaltung bleibt – darauf hatte ich bereits hingewiesen – und dass der Minderheitenschutz wirklich ernst genommen wird, damit das plurale Angebot mit Leben erfüllt werden kann. Genauso wichtig ist, dass die bewährten Strukturen, gerade im Bereich des Hessischen Jugendrings, erhalten bleiben; denn dort wird seit vielen Jahren eine ganz wertvolle Arbeit geleistet.

In diesem Sinne freuen wir uns auf die anstehenden Beratungen im Fachausschuss und auf die Umsetzung dessen, was wir in der Anhörung hören werden. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Bocklet, Frankfurt, das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin! Ich bedanke mich für die Glückwünsche. Meine gute Kinderstube sagt mir, dass ich mich dafür bedanken soll. Allerdings muss ich sagen, dass mir die gute Kinderstube bei der Lektüre des Entwurfs des Jugendbildungsförderungsgesetzes recht rasch abhanden gekommen ist.

(Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Haben Sie Bildung, oder haben Sie keine?)

Schon so früh? Ich habe noch keine drei Sekunden gesprochen.

(Volker Hoff (CDU): So ist das hier!)

Das ist wahrscheinlich neuer Rekord. Ich bin erst seit 9.37 Uhr MdL, und schon nach drei Sekunden gibt es einen Zwischenruf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Land hat die Pflicht, außerschulische Jugendbildung vorzuhalten, wie es auch im Sozialgesetzbuch formuliert ist. Damit ist klar: Das Land muss ein Jugendbildungsförderungsgesetz anbieten, und dieses muss novelliert werden; denn es läuft zum 31. Dezember aus.

Wir GRÜNE haben als Fraktion zwei entscheidende Kritikpunkte. Frau Ministerin, Sie sprachen von der Modernisierung.Da muss man nach der Lektüre natürlich sagen:

Sie haben einen entscheidenden Punkt verschlafen. Der Kollege Bellino sprach das Stichwort an: PISA. Der Gesetzentwurf ignoriert die Ergebnisse der PISA-Studie völlig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich will auf einen Punkt hinaus. Der Mangel an Selbstbestimmung in Lernprozessen, der Mangel an Vielfalt und Flexibilität in Arrangements von Bildungsangeboten, ein interessengeleitetes alltags- und lebensfeldorientiertes Lernen und Betonung des sozialen Lernens, das sind die Hauptmängel des jetzigen Schulsystems, die die PISAStudie feststellt. Wir als GRÜNE fragen uns: Wo bitte ist die Aufforderung des Jugendbildungsförderungsgesetzes zu einer Verzahnung mit der Schule? Kein Wort und keine Silbe. Das finde ich schon sehr unglaubwürdig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir gehen zu Ihren Gunsten einmal davon aus, dass Sie am Beschluss der Jugendministerkonferenz im Mai 2004 und am Beschluss der Kultusministerkonferenz im Juni 2004 beteiligt waren, mit denen dazu aufgefordert wird, eine weitere Zusammenführung von Jugendhilfe und Schule zu ermöglichen. Dort wird gefordert – ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin –, dass die Angebote der Jugendarbeit und damit auch der Jugendbildung als sinnvolle Erweiterung und Ergänzung von Schule akzeptiert werden.Wo bitte findet diese Verzahnung im Gesetz statt? Kein Wort davon. Das aber ist keine Modernisierung, sondern die Entwicklung wurde verschlafen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen den Kolleginnen und Kollegen in BadenWürttemberg kein parteischädigendes Verhalten unterstellen, und die Baden-Württemberger sind auch – weiß Gott – nicht in dem Verdacht, grün regiert zu sein. Aber dort heißt es im Jugendbildungsförderungsgesetz:Jugendbildung muss als gleichberechtigter Teil des gesamten Bildungswesens anerkannt werden. – Wo ist hier ein solcher Paragraph? Er fehlt völlig. Damit – ich wiederhole mich – fehlt die Modernisierung im Gesetz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Mein Vorredner von den Sozialdemokraten hat schon zu Recht bemängelt: Die Inhalte sind hausbacken, die Ziele sind eher rückwärts orientiert und konservativ. Das darf aber auch nicht so richtig überraschen,Frau Kollegin Eckhardt. Wenn man eine konservative Regierung hat, kann man eigentlich nichts Besseres erwarten.

Mehr allerdings ist über den Versuch zu sagen, dass der Weg von der gesetzlichen Zusicherung der Finanzierung – da sind wir bei einem ganz entscheidenden Punkt – hin zur Rechtsverordnung bei den Trägern eine Rechtsunsicherheit verursacht. Das aber lässt angesichts der bisherigen Erfahrung mit der Finanzierung sozialer Angebote in diesem Land eher befürchten, dass es schlimmer wird, als dass es besser wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen nach der Rechtsverordnung in Zukunft im Ministerium – in Klammern: in einem Hinterzimmer – selbst bestimmen, welcher Träger wie finanziert wird. Das hat nichts mit demokratischer Transparenz zu tun.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das hat viel mit Junger Union zu tun!)

Deswegen kritisieren wir auch, dass die gesetzliche Sicherheit aufgehoben wird.Wir GRÜNE sagen: Jugendbildung ist ein gesetzlicher Auftrag und eine dringende gesellschaftliche Notwendigkeit. Deshalb darf die Finanzierung nicht in Hinterzimmern entschieden werden, sondern sie muss eine gesetzliche Aufgabe bleiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ein dritter Punkt. Sie feiern die Öffnung für neue freie Träger im Jugendbildungsförderungsgesetz.Wir begrüßen diese Öffnung. Wir selbst hatten ja schon hin und wieder das Vergnügen, darüber zu reden. Wir begrüßen die Öffnung ausdrücklich. Doch eine Frage bleibt ungeklärt; auch da hat Frau Eckhardt den Finger in die Wunde gelegt. Wenn man mehr Träger an einer Summe beteiligt, muss man vorher – und dies öffentlich – klären,wer leiden wird und wohin die Reise gehen wird. Man kann den anderen Trägern im Lande, vor allem den Akademien, nicht sagen:Meldet euch bei uns,ihr bekommt Geld,wenn nicht gleichzeitig den anderen Trägern zugesichert wird, wie sie zukünftig finanziert werden. Das ist eine Situation, die wir nicht hinnehmen wollen. An welche Finanzierung nach dem Jugendbildungsförderungsgesetz ist also in Zukunft gedacht? Zu diesem Punkt werden Sie in den Ausschüssen und auch der mündlichen Anhörung, die wir fordern, kritische Nachfragen von uns haben.

Eine letzte Frage ist,wie die Förderkriterien für die neuen freien Träger der außerschulischen Jugendbildung aussehen werden. Hier haben wir den Verdacht, dass es bei der außerschulischen Jugendbildung – so ist es auch formuliert – zu einer quantitativen Bewertung kommen wird. Das heißt, der Berechnung liegt die Zahl der Teilnehmer pro Jahr zugrunde. Ich kann unsere Bedenken nur so formulieren, dass ich sage: Es riecht danach, dass es zu einer „Fastfood-Bildung“ kommt. Die Träger, die bisher gute, nachhaltige und mehrtägige Veranstaltungen durchgeführt haben,werden zu kurzen Veranstaltungen mit vielen Teilnehmern gedrängt. Das ist genau das Gegenteil dessen, was die außerschulische Bildung eigentlich will. Sie will weg von einem Frontalunterricht, will benachteiligte Jugendliche erfassen und will die Defizite beheben, die im Schul- und Bildungssystem aufgekommen sind.Wenn wir Jugendbildung schnell und billig machen und Masse statt Klasse setzen,kommen wir weg von einer guten und nachhaltigen Jugendbildung, die wir GRÜNE wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kurz die erste Stellungnahme meiner Fraktion heute: PISA ignoriert, die Finanzierungsfrage offen gelassen bzw. lediglich in eine Rechtsverordnung überführt, für andere Träger geöffnet, ohne die Finanzierung zu sichern, und schließlich weg von gut und nachhaltig hin zu schnell und billig.Wir fordern deshalb eine mündliche Anhörung. Wir werden den Prozess kritisch begleiten und haben in dieser Stunde äußerste Bedenken bezüglich des Ausgangs des Verfahrens. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)