Protocol of the Session on September 22, 2005

(Zuruf des Ministers Volker Bouffier)

Sie gehen her – freiwilliger Polizeidienst, eine freiwillige Leistung – und verlagern eine Landesaufgabe auf die Kommunen, nehmen die Kommunen in die Pflicht. Auf der anderen Seite aber schreiben Sie den Kommunen vor, wie groß der Kostenanteil für die Kindergärten sein kann. Das ist Ihre politische Prioritätensetzung.

Herr Frömmrich, Sie müssen zum Schluss kommen. Die drei Minuten sind um.

Herr Innenminister, lassen Sie mich das hier einmal klarstellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich komme sofort zum Schluss. – Im Innenausschuss haben wir das diskutiert. Der Landrat des Landkreises Waldeck-Frankenberg hat uns den Einnahmeanteil bei Kindergärten in die Genehmigung des Haushaltes hineingeschrieben. Aber ein paar Tage vorher war Frau Scheibelhuber da und hat einen Vertrag mit einem Bürgermeister über 30.000 c unterschrieben, in dem der freiwillige Polizeidienst fest vereinbart wurde. Auch das ist eine freiwillige Leistung.

Herr Innenminister, das ist Ihre Prioritätensetzung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Rudi Haselbach (CDU))

Als Nächster hat sich Herr Rentsch zu Wort gemeldet. Herr Rentsch, für die FDP-Fraktion stehen Ihnen noch sieben Minuten Redezeit zur Verfügung.

Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren! Herr Innenminister, Sie haben hier soeben sehr interessante juristische Ausführungen über das Spannungsverhältnis des Art.28 Abs.2 des Grundgesetzes – kommunale Selbstverwaltung – auf der einen Seite und des § 93 Hessische Gemeindeordnung gemacht.

Neben dieser juristischen Diskussion, die sich auch in Ihrem Antrag wieder findet – der viele Zeilen enthält, die

man für sich genommen nicht ablehnen kann, weil sie für sich genommen richtig sind –, ist es aber sehr spannend, wie die Landesregierung das Thema Kinderbetreuung und den Slogan „Kinderland Nummer eins“ in Hessen fährt.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Auf der einen Seite haben wir die Familienministerin,

(Günter Rudolph (SPD):Wo ist die eigentlich?)

die zu Recht sagt, das Thema Kinderbetreuung ist wichtig – wie gehen wir in Hessen mit Kindern um, wie können wir es schaffen, dass unser Land kinderfreundlicher wird? –,

(Andrea Ypsilanti (SPD): Beim Familientag!)

und Projekte und Konzepte vorlegt, wie wir das erreichen können. Ich denke, es ist auch klar, warum das wichtig ist. Wir haben gesagt, wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern – gestern gab es dazu eine Debatte. Auf der anderen Seite hat die Kollegin SchulzAsche völlig zu Recht ausgeführt,dass wir zurzeit über die Bildung im Elementarbereich diskutieren. Dazu haben wir schon etliche Diskussionen geführt. Deshalb bin ich auch etwas verwundert, dass das anscheinend im Innenministerium nicht richtig angekommen ist.

(Zurufe der Abg. Norbert Schmitt und Petra Fuhr- mann (SPD))

Aber ich glaube,über diese allgemeinen Punkte besteht in diesem Hause Konsens. Einerseits wollen wir die Kinderbetreuung sicherstellen, auf der anderen Seite wollen wir natürlich den Bildungsauftrag im Elementarbereich ernst nehmen und weiter ausbauen.

(Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Innenminister und Frau Familienministerin, für eines aber muss sich das Land entscheiden. Es geht nur eines. Wenn man in Deutschland Familienland Nummer eins sein will, dann aber auch in allen Bereichen. Dann darf es keine Privilegierung für einen Bereich geben, und der andere Bereich – die Kinderbetreuung – fällt hinten runter. Herr Innenminister, das kann es nicht sein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben es gerade selbst hier ausgeführt. Sie haben gesagt, der Erlass stellt in einem anderen Teil die Sportvereine von Kosten frei – den Kommunen ist es freigestellt, dort Gebühren zu erheben. Tun sie es nicht, wird keine Konsequenz folgen.

Eben das ist es. Herr Innenminister, solange in Hessen Kinder nicht die gleiche Lobby wie der Sport haben, wird dieses Thema nicht zum Erfolg geführt werden können.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU)

Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, da muss gar nicht eine solche Unruhe in der Union aufkommen.Wir haben den Slogan „Kinderland Nummer eins“ nicht erfunden.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Ich frage einmal ganz im Ernst:Welche Position hat denn die Familienministerin in diesem Kabinett, wenn sie mit diesem Slogan nicht so weit durchdringt und sich der Innenminister mit dieser Privilegierung durchsetzt?

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank Gotthardt (CDU): Das ist ein Unterschied!)

Das kann man so oder so sehen. Das kann man unterschiedlich beurteilen. Das ist doch völlig in Ordnung. Aber ich lasse es nicht durchgehen – und das finde ich auch nicht in Ordnung bei diesen vielen Projekten für Kinder, die wir in diesem Land durchführen –, dass wir sagen, die Kosten, die für Sport anfallen, sind bei weitem nicht so hoch wie die für Kinderbetreuung. Herr Innenminister, das kann es nicht sein. Entweder gibt es einen Grundsatz, dann halten wir den auch durch, oder es gibt diesen Grundsatz nicht, und dann kann es an dieser Stelle auch keine Privilegierung geben.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Meine Damen und Herren, es ist eben so, und viele Kollegen, die hier sitzen – auch bei der Union, der FDP, den GRÜNEN und der SPD –, sind selbst Kommunalpolitiker und wissen von den schwierigen Situationen auf kommunaler Ebene.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Herr Kollege Gotthardt, Sie wissen doch selbst um die schwierige kommunale Situation in Marburg, und wie viel Marburg dafür tut, dass die Kinderbetreuung ausgebaut wird.

(Frank Gotthardt (CDU): Gibt es diese Nutzungsgebühren, oder nicht?)

Ich erkenne in Ihren Worten Zustimmung, Herr Kollege Gotthardt. Solange Kinder und der Ausbau der Kinderbetreuung nicht die gleiche Lobby haben wie z. B. der Ausbau eines Fußballstadions in Frankfurt, brauchen wir über die Thematik Kinderbetreuung und Familienland Nummer eins nicht zu diskutieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich frage mich, ob das Zukunftsthema Kinderbetreuung von der Landesregierung durchgehend ernst genommen wird. Eigentlich hatte ich immer gedacht, Frau Ministerin, dass Sie als Familienministerin eine stärkere Lobby haben.Aber anscheinend ist diese Lobby sozusagen bis zum Innenministerium gekommen und dort abgeschnitten worden. Entweder gilt die Familienpolitik auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Landesregierung, oder Sie müssen, wenn sie das nicht tut, den Slogan „Kinderland Nummer eins“ leider zurücknehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Nor- bert Schmitt (SPD): Was sagt die Sozialministerin zu dem Erlass?)

Danke schön, Herr Rentsch. – Herr Minister Bouffier, Sie haben das Wort.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Herr Rentsch, Sie haben dankenswerterweise zunächst einmal darauf

hingewiesen, wie die gesetzlichen Grundlagen sind. Ich glaube, das können wir zur Seite legen. Dann haben Sie eine Position aufgemacht,die ich einmal problematisieren will.Ich bin nicht Ihrer Auffassung,dass es dann,wenn wir um die Frage ringen, wie wir Kindern am besten helfen, nur ein Entweder-oder geben kann. Bei Entweder-oder geht es immer um Maximalpositionen. Maximalpositionen aber werden ganz selten zum Ziel führen.Das erleben wir gerade in der Bundesrepublik auf höherer Ebene.

(Zuruf)

Sie haben gesagt, man muss einmal über unsere Position diskutieren. Ich will deshalb unsere Position darlegen.

Ich bin der Auffassung: Wenn ich nicht alles gleichzeitig lösen kann, was wir wahrscheinlich alle möchten – wir würden am liebsten alles so gestalten, dass niemandem irgendwelche Kosten in Rechnung gestellt werden; ich glaube, darauf könnte man sich hier im Hause verständigen –, ist nur noch eine Frage zu klären: Wie bekommen wir das hin?

Herr Kollege Rentsch, bitte kein Entweder-oder. Wir befinden uns in einem vergleichsweise sehr schmalen Segment. Wovon sprechen wir denn? Wir sprechen von Hallenbenutzungsgebühren. Soweit sie schon eingeführt sind, bleiben sie; das können die Kommunen entscheiden. Soweit sie keine einführen, bekommen sie das nicht nachteilig angerechnet.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum kann das für Kindergärten nicht genauso gelten?)

Die finanzielle Bedeutung ist völlig unterschiedlich. Ich finde, das muss man zur Kenntnis nehmen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht ums Geld und nicht um den Grundsatz!)

Sie tragen in Wiesbaden Verantwortung, Herr Kollege Rentsch. Ich habe die Zahlen des Haushalts relativ gut im Kopf, weil ich auch Teil der Aufsichtsbehörde für die Stadt Wiesbaden bin. Sie wissen, dass wir immer jeden einzelnen Punkt durchgehen. Sie werden für den gesamten Bereich der Hallenbenutzungsgebühren in Wiesbaden keine 150.000 c zusammenbringen. Bei den Aufwendungen für die Kinderbetreuung bewegen wir uns in Wiesbaden, aber auch in anderen Städten im Millionenbereich.