Schon immer war das gesamte Spektrum vorhanden. Sie reden hier immer nur von Erhöhungen. Man kann auch von Kostenminderungen reden. Man kann von einer anderweitigen Finanzierung reden. Man kann von Verbundfinanzierung reden.All das steht in vielen Erlassen.Wenn Sie sich einmal um die Sache kümmern, dann werden Sie feststellen, all das steht da drin.
Das heißt, wir sollten die Dinge wesentlich tiefer hängen. Worum geht es hier eigentlich? Ein Blick in das Gesetz würde ein bisschen helfen. Es geht nicht darum, dass uns eingefallen ist, etwas zu tun, was alle auf die Bäume treibt. Wenn Sie einmal den § 93 der Hessischen Gemeindeordnung durchlesen würden, dann würde die Sache sehr viel schlichter. Dann würden Sie sehen, dass der Vorwurf, es handle sich um einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, barer Unsinn ist.
Das ist barer Unsinn, denn es ist die gesetzliche Aufgabe der Aufsichtsbehörden, bei Gemeinden mit defizitären Haushalten – nur von denen reden wir – genauer hinzuschauen. Die Kommune, die kein Defizit hat, kann also machen,was sie will.Defizitäre Haushalte sind aber zu genehmigen oder nicht zu genehmigen.
Das ist nicht uns eingefallen, sondern so steht es im Gesetz. Wer jetzt sagt, das sei ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung,von dem erwarte ich,dass er vorschlägt, das Gemeindehaushaltsrecht zu ändern.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Beim Sport haben Sie das auch vor die Klammer gesetzt! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Frömmrich, Sie können es sich doch nicht aussuchen. Sie können nur vorschlagen, § 93 der Hessischen Gemeindeordnung zu ändern. Schlagen Sie doch vor, das kommunale Haushaltsrecht zu ändern.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Herr Innenminister. Danach kommen weitere Redner.
Halten wir einmal fest: Die Aufsichtsbehörde ist gesetzlich verpflichtet. Das kann man für gut oder für schlecht halten. Nur kann man es nicht ignorieren. Das ist das Einzige, was man nicht machen kann. Das ist ein gesetzlicher Auftrag. Wer etwas anderes machen will, muss die Gesetze ändern. So einfach ist die Welt.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Gesetze habt ihr doch konkretisiert! – Jürgen Walter (SPD): Die Konkretisierung steht heute zur Debatte! – Zuruf der Abg.Andrea Ypsilanti (SPD))
Da Sie merken,dass die Welt ein bisschen anders aussieht, lesen Sie bitte einmal, was in § 93 HGO steht. Dort steht, dass besondere Leistungen zunächst durch Entgelte zu finanzieren sind. Das habe nicht ich entdeckt; das steht dort schon ewig. Wenn die Entgelte nicht ausreichen, sind die besonderen Leistungen über Steuern zu finanzieren. Das ist ein gesetzlicher Mechanismus. In einem weiteren Absatz steht, dass man, soweit das vertretbar und geboten ist, auch noch etwas Besonderes beschließen kann.
Genauso ist dieser Erlass aufgebaut. Erst werden die Entgelte erwähnt, und dann wird auf die Zuschüsse verwiesen. Aber dann heißt es – das ist das Neue an diesem Erlass –, dass den Kommunen eine bisher noch nicht da gewesene Gestaltungsmöglichkeit zur Verfügung steht. Wir haben dort hineingeschrieben: „Ihr könnt sogar völlig auf Gebühren verzichten, aber dann verlangen wir von euch“ – das halte ich für richtig – „dass ihr irgendeinen Vorschlag macht, wie ihr das finanzieren wollt.“ Das ist doch selbstverständlich, oder nicht?
Diese Debatte findet im Himmel statt.Wenn Sie sich hierher stellen und sagen: „Alles für die Kinder“, frage ich Sie: Wer ist denn dagegen? Man wird aber fragen dürfen: Habt ihr auch irgendeinen Vorschlag, wie wir das bezahlen wollen?
An dieser Stelle wird die Debatte wieder sehr erdgebunden. Sie ist im Übrigen völlig parteiunabhängig.Wie jeder meiner Vorgänger erlebe ich jeden Tag, dass die Sachverhalte gerade auf der kommunalen Ebene völlig unterschiedlich ausgelegt werden. Deshalb bleibt es bei diesem Punkt.
Die Kommunen haben erstmals die Möglichkeit,zu sagen: Wir verzichten völlig auf das Erheben von Gebühren. – Aber dann müssen sie, bitte, irgendeinen Vorschlag machen, wie sie das finanzieren. Das ist eine gesetzliche Verpflichtung, die die Aufsichtsbehörde einhält. Ich habe noch nie eine Gemeinde gezwungen, ihre Kindergartengebühren zu erhöhen. Das wird es auch in Zukunft nicht geben. Die Aufgabe der Aufsichtsbehörde besteht darin, einen Haushalt zu genehmigen oder die Genehmigung zu verweigern.
Regen Sie sich nicht so auf. – Herr Kollege Hahn hat gebeten, dass wir eine Übersicht über die Entgeltanteile der Eltern vorlegen. Das ist eine sehr bunte Welt. Die Aufsichtsbehörden arbeiten seit vielen Jahren daran, weil das jeder anders berechnet. Es gibt Gemeinden, in denen der Entgeltanteil der Eltern bei über 30 % liegt. In anderen Gemeinden beträgt er nur 12 %. Die Vertreter der Gemeinden mit einem 30-prozentigen Entgeltanteil der Eltern sagen mir: Es ist nicht gerecht, dass sich die anderen Gemeinden dafür feiern lassen, dass sie nur einen 12-prozentigen Anteil nehmen. Aber bei der allgemeinen Finanzverteilung nehmt ihr darauf keine Rücksicht.Wir bekommen genauso viel wie die anderen, obwohl die mehr Einnahmen haben könnten. – Das ist ein Thema, an dem ich nicht einfach vorbeigehen kann.
Das ist ein Thema, über das z. B. im Zusammenhang mit dem Landesausgleichsstock, der Kreisumlage und den besonderen Finanzzuweisungen debattiert wird.
Ich könnte jetzt – völlig parteiunabhängig – auf eine ganze Reihe von Bürgermeistern und Oberbürgermeistern verweisen, die, eben dieses Argument verwendend, sagen:
(Norbert Schmitt (SPD): Das ist ein schlechter Erlass! – Andrea Ypsilanti (SPD): Es hat sich noch keiner gemeldet!)
„Das ist nicht in Ordnung, wir werden benachteiligt. Wir haben uns trotzdem für die kommunale Selbstverwaltung entschieden.“
Herr Kollege Hahn, wir werden eine Übersicht über die Entgeltanteile vorlegen. Das ist eine bunte Welt. Das werden wir machen.
Der Erlass hat einen zweiten neuen Teil. Ich bin von dem, was ich dort gelegentlich lese, schon ein bisschen fasziniert. Es kann doch nicht sein, dass wir nur darüber diskutieren, ob wir die Gebühren bei den kommunalen Kindergärten senken oder sogar ganz abschaffen. Was ist die Konsequenz? Die Eltern werden, wenn sie sich vernünftig verhalten
Was ist die Konsequenz für die freien Träger? Die freien Träger verfügen zwar über keine Einnahmen mehr, aber sie haben immer noch ihre Kosten. Das heißt, die freien Träger können ihr Angebot nicht mehr aufrechterhalten. Jetzt kann man zunächst einmal darüber diskutieren, ob man das überhaupt für gut hält. Ich halte das nicht für gut.
Langsam, Frau Kollegin. – Wir haben in Hessen sehr unterschiedliche Verhältnisse. Es gibt Gemeinden, die viele Kindergartenplätze in freier Trägerschaft haben,und es gibt Gemeinden, die nur ganz wenige solcher Kindergartenplätze haben. Es geht nicht, zu beschließen: Wir senken die Gebühren im kommunalen Bereich oder gehen sogar ganz auf null, und dann schauen wir, was aus den freien Trägern wird. – Ich halte das für falsch.
Dann kommt es zu Folgendem. Wenn ein freier Träger sein Angebot nicht mehr aufrechterhalten kann – das ist die Konsequenz, wenn er keine Einnahmen mehr hat, sondern nur noch Kosten –, hat die Kommune das Problem, dass sie die bisher von dem freien Träger vorgehaltenen Kindergartenplätze selbst schaffen muss. Dann kann man nur eines machen:Sie müssen die Probleme,die den freien Trägern erwachsen,gleich mitbetrachten.Dann wird es bei dem Thema Finanzauswirkungen nicht nur um den Gebührenverzicht kommunaler Einrichtungen gehen. Vielmehr müssen wir die Gesamtsumme betrachten. Auch das steht darin, und das ist richtig.
(Reinhard Kahl (SPD): Gleichbehandlung, das ist der Punkt! – Petra Fuhrmann (SPD): Das ist ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, was Sie da sagen!)
Frau Fuhrmann, hören Sie auf. Das ist doch so klar wie Kloßbrühe. Nehmen wir die Gemeinde Hofheim als Beispiel.Wollen Sie, dass die Hälfte des Angebots an Kindergartenplätzen, das jetzt freie Träger vorhalten, nicht mehr aufrechterhalten wird? Wenn Sie das wollen, müssen Sie es sagen. Ich halte es für falsch. Deshalb ist der Erlass völlig richtig.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Völliger Quatsch! Das hat mit dem Erlass überhaupt nichts zu tun, was Sie jetzt erzählen! – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))
Doch,das steht in dem Erlass.Das ist völlig neu.Deshalb ist es auch notwendig, dass wir das hineingeschrieben haben. Sie lesen immer nur die ersten zwei Sätze, die der Formulierung in § 93 HGO und dem Haushaltsprüfungsrecht des kommunalen Haushaltsrechts nachgebildet sind.Ich könnte Ihnen all das vorlesen,aber das würde die Redezeit überstrapazieren. Das ist genau richtig.
Bleiben wir bei dem Kernpunkt. Es nützt nichts, sich mit tränenerstickter Stimme hierhin zu stellen und zu sagen: Wir sind dafür, dass niemand mehr Gebühren bezahlt.
Das ist doch schön. Ich bin dafür, dass wir darüber nachdenken und eine Antwort auf die Frage finden,wie wir das bezahlen wollen. Dazu gibt es ein herrliches Beispiel, das eben in der Debatte angesprochen worden ist.
Ganz spannend war, was die Vertreter von SPD und GRÜNEN in diesem Kommunalwahlkampf dazu gesagt haben. Sie haben nämlich öffentlich erklärt: Dies ist überhaupt nicht realistisch, nicht machbar, und wir lehnen das ab.