Ich will hier nicht sagen, dass dieser Leuchtturmansatz grundsätzlich ein falscher Ansatz wäre.Aber hier gilt:Wer bestellt, der muss auch bezahlen, und zwar nicht nur die Gutachter, sondern auch die daraus zu ziehenden Konsequenzen. Wenn der Politoberkommissar aus Wiesbaden von oben anordnen will, was seine Untertanen an Kultur um sich haben sollen, dann hat er uns bestimmt nicht an seiner Seite.
In dieser Debatte ist auch ganz wichtig, dass die kulturelle Zusammenarbeit nicht in erster Linie verbessert werden muss, um aus der Region heraus zu strahlen, sondern um in die Region hinein zu strahlen, die kulturelle Vielfalt zu stärken, die Qualität zu steigern und um eine noch immer fehlende – nicht nur kulturelle – Identität der Region zu fördern. Herr Koch, auf all das gehen Sie überhaupt nicht ein. Das Problem der fehlenden Vernetzung und der kulturellen Identität ignorieren Sie vollkommen. Dabei ist es genau das, was nicht nur für die Außenwirkung der Region, sondern gerade für die Menschen, die in der Region leben, wichtig ist. Wichtige Impulse für die kulturelle Identität gehen beispielsweise von der Kultur GmbH mit der Route der Industriekultur und mit anderen Projekten aus.Diese Ansätze zu stärken,hier Anreize zu bieten,dass eine solche Zusammenarbeit und Vernetzung auch an anderen Stellen der Region stattfindet, wäre eigentlich Ihre Aufgabe. Hier versagen Sie vollkommen.
Auch andere Fragen beantworten Sie nur andeutungsweise oder gar nicht. Herr Koch, Sie sagen ja, dass keiner Kommune eine Kultureinrichtung weggenommen werden soll, dass aber, wer bezahlt, auch mitbestimmen soll. Das ist so Wischiwaschi, dass es zuerst einmal nicht angreifbar ist. Sagen Sie doch bitte einmal, wie Sie sich das genau vorstellen. Nehmen wir, was wir aus dem Gutachten entnehmen können, als Beispiel einmal die Gemeinden der zwei wichtigsten Bürgermeister im Ballungsraum, Herrn Burghardt aus Friedrichsdorf und Herrn Kern aus Rödermark.
Nach den Vorschlägen des Gutachters Pfäffli müsste die Stadt Friedrichsdorf wegen der 159 Zuschauer, die in Frankfurt gezählt wurden, was 0,43 % des Zwangsbeitrages ausmachen würde, zahlen. Rödermark wäre mit 0,33 % des Zwangsbeitrages dabei. Herr Koch, jetzt beantworten Sie einmal die Frage, wie 0,43 % der Zwangsbeitragszahler an den Entscheidungen beteiligt werden. Hat Herr Kollege Burghardt dann 0,43 % Stimmanteile an der Frankfurter Oper? Was kann er mit diesen 0,43 % überhaupt entscheiden? – Hierauf müssen Sie endlich eine Antwort geben.
Das ist zwar ziemlich unrealistisch, wäre aber die Konsequenz aus Ihrem Vorschlag: Mitbestimmung entsprechend den Finanzierungsanteilen an der Zwangskultur GmbH. All diese Beispiele zeigen, Ihr Konzept ist nicht durchdacht. Dieses undurchdachte Konzept und das Abzocken der Kommunen noch einerseits mit weltweitem Ruhm und andererseits mit dem Notopfer für Frankfurt zu begründen ist relativ unschön.
Das bekommen Sie auch zurückgemeldet. Was Ihnen aus dem Nabucco-Chor der CDU-Landfrauen und -männer aus den Kommunen und Landkreisen des Ballungsraums entgegenschallt, ist doch mehr als ein Protestlied. Es ist, wie im Falle Offenbach, der geballte Widerstand auch der CDU, auch der Grüttner-Gruppe gegen das unsinnige Vorgehen eines kontraproduktiven Kulturzwangsverbandes.
Diese Situation, die wir jetzt haben, dass Offenbacher Kommunalpolitiker, die sonst eher auf rote Ferraris setzen, nun schon einmal den Opel Kombi zur Blockade auf die Straße fahren, haben Sie sich selbst eingebrockt.
Herr Ministerpräsident, aber auch Herr Stadtverordneter Grüttner, der Zwangsverband Kultur ist wirklich der falsche Weg.Er ist eine kulturelle Einbahnstraße,an der vielleicht 33 Leuchttürme strahlen, aber rundherum kulturelle Ödnis herrscht.
Herr Koch, wenn Sie Coca-Cola, McDonald’s und das Kabelfernsehen sowie die 33 Leuchttürme für das brutalstmögliche Kulturereignis halten, dann muss das noch lange nicht bedeuten, dass das für alle anderen in der Region gilt. Das Schlimmste aber ist, dass diese Auswahl der Leuchttürme und ihre Finanzierung durch die Gutachter ganz willkürlich von der Staatskanzlei gesteuert wurden und letztendlich die Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen total auf den Kopf stellen.
Roland Koch schreibt den Kommunen dann vor,wofür sie die Mittel, die sie aus dem kommunalen Finanzausgleich erhalten, nun ausgeben müssen. „Durchregieren“ heißt das ja auf Neudeutsch.Nur haben Sie eine – noch dazu falsche – Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Gutachter haben sich auf Geheiß der Landesregierung einen falschen Kulturbegriff zu Eigen gemacht – falsch deshalb, weil er zwei große Fehler hat.
Erstens war das Ergebnis sozusagen vor der Untersuchung schon klar.Viel Frankfurt und ein wenig Umland – damit es nicht so auffällt – sollten herauskommen. Dass
Zweitens wurde die Frage, was tatsächlich für die kulturelle Entwicklung der Region wichtig ist, absolut außen vor gelassen. Ich bin mir beispielsweise mit vielen Musikkritikern einig, dass eines der besten Konzerte der letzten Jahre in Offenbach im Capitol stattgefunden hat,
also nicht in einem der berühmten Leuchttürme, sondern in einer kleineren Halle. Das war ein Konzert mit Philipp Boa, dem Voodooclub und Pia Lund. Ebenso bin ich mir mit vielen Musikkritikern darüber einig, dass der Grieche Mikis Theodorakis einer der wichtigsten Musiker der klassischen und auch der modernen Musik ist. Mikis Theodorakis hatte sein letztes großes Konzert in Hessen auch nicht in einem der 33 Leuchttürme gegeben, sondern in Limburg.Wie schnell man also bei diesen Kriterien falsch liegen kann, ist offensichtlich.
Es leuchtet viel im Rhein-Main-Gebiet. Ihre Leuchtturmpolitik birgt die Gefahr, dass sie kleinere Leuchttürme damit kaputtmacht. Ihre Spekulationen, mit dem Bärentrick der 33 Leuchttürme die Kommunen über den Tisch ziehen zu können und der Stadt Frankfurt Gutes zu tun, ohne in den eigenen Geldbeutel zu greifen, wird nicht funktionieren. Es müssen eben alle mitmachen. Wie Sie sehen, machen die Kommunen nicht mit.
Stoppen Sie also die Drohgebärden mit einem kulturellen Zwangsverband, um die Kommunen und Landkreise gegenüber Frankfurt in die Pflicht zu nehmen. Wenn es darum geht, die kulturelle Leistung Frankfurts endlich anzuerkennen, dann haben Sie uns allerdings auf Ihrer Seite. Darauf, dass es auch für die Kultureinrichtungen Hessens größter Stadt einen gerechten Ausgleich geben muss, können wir uns schnell einigen. Dies darf aber nicht zulasten der Umlandgemeinden gehen, sondern das ist Aufgabe des Landes.
Wir kritisieren auch einen weiteren großen Fehler der Gutachter, dass nämlich die Region zu eng gefasst ist, wenn man so wichtige Städte wie Wiesbaden und Darmstadt weglässt. Wir stellen auch fest, dass die Gutachter unterschlagen haben, dass andere Städte wie Darmstadt, Kassel, Gießen und Wiesbaden jeweils vom Land ein Staats- oder Stadttheater sowie die jeweiligen Landesmuseen finanziert bekommen. Wir sagen also: Was für diese Städte gilt, das muss mindestens auch für Frankfurt gelten. Genau das fordern wir heute in unserem Antrag.
Weiterhin sind wir der Auffassung, dass es um eine feiwillige, vom Land geförderte Zusammenarbeit der gesamten Region gehen muss und nicht um die 33 Kulturinstitutionen im so genannten Ballungsraum. Deshalb fordern wir die konkrete Unterstützung der Frankfurt/Rhein-Main Kultur GmbH. Wir werden sehen, wie sich die vagen Ankündigungen des Ministerpräsidenten im Haushalt widerspiegeln werden.Wir wissen, dass die Kultur GmbH noch nicht das große Feuerwerk ist. Aber es ist der richtige Weg.
Die diesjährigen Ansätze der beteiligten Kommunen wie die „Route der Industriekultur“ von Aschaffenburg über Frankfurt und Wiesbaden nach Mainz, das gemeinsame Ticketing und die anderen Projekte zeigen: Das ist die richtige Richtung, in die sich die Kulturlandschaft in der Region entwickeln muss. Wir sagen bewusst: „weiterentwickeln“, und wir meinen, ein Zwangsverband Kultur
wird diese Entwicklung wieder stoppen und das zarte Pflänzchen der Zusammenarbeit, das gerade entstanden ist, brutalstmöglich zerstören.
Meine Damen und Herren, das sehen nicht nur wir GRÜNEN so, sondern auch die Grüttner-CDU in Offenbach. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, weil wir GRÜNEN Menschenfreunde sind, fordere ich Sie auf, vom Kulturzwangsverband Abstand zu nehmen und unserem Antrag zuzustimmen, damit sich der Stadtverordnete Grüttner wieder erhobenen Haupts – von mir aus auch im offenen Ferrari – in Offenbach blicken lassen kann. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kunst und Kultur sind von zentraler Bedeutung für die Lebenserfüllung und die Selbstfindung des Menschen. Die Kunst und die künstlerische Arbeit sind ein Teil der Selbstreflexion einer Gesellschaft. Künstlerisches Schaffen sichert nicht nur individuelle, sondern auch soziale Identität. Kunst und Kultur sind wesentlich für die menschliche Verständigung und konstituieren eine Gemeinschaft. Künstlerisches Schaffen fördert zugleich das Verständnis und den Austausch zwischen verschiedenen Kulturen, zwischen Alteingesessenen und neu Zugezogenen. Kurz: Kultur ist die Seele eines Landes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe diese Ausführungen an den Anfang meiner Rede gestellt, weil ich finde, dass dieser Aspekt, der der eigentliche Aspekt der Kultur, der kulturellen Arbeit und der Kulturpolitik sein sollte, in der aktuellen Diskussion viel zu kurz kommt.
Gleichzeitig trifft aber auch zu, dass das kulturelle Angebot ein wichtiger Faktor im internationalen Wettbewerb der Standorte ist. Damit hat die Kultur für die Sicherung der Zukunft einer Region zentrale Bedeutung. Das gilt insbesondere auch für das Rhein-Main-Gebiet.
Herr Ministerpräsident, die FDP begrüßt es daher, dass Sie sich höchstpersönlich der Belange der Kultur und dabei insbesondere der Belange der Kultur des Rhein-MainGebietes annehmen.Allerdings halten wir den von Ihnen eingeschlagenen Weg für falsch, die Möglichkeiten des Ballungsraumgesetzes zu nutzen und eine Erklärung der Dringlichkeit nach § 6 Ballungsraumgesetz abzugeben.
Lassen Sie mich Folgendes betonen: Die FDP steht weiterhin hinter dem Ballungsraumgesetz, das auch mit den Stimmen der Mitglieder der FDP-Fraktion verabschiedet wurde.
Herr Kollege, wir halten es aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht für gerechtfertigt, die Dringlichkeit zu erklären. Herr Ministerpräsident, wie die Gründung der Kulturre
gion Frankfurt/Rhein-Main gGmbH zeigt,bilden sich derzeit erste freiwillige Zusammenschlüsse. Ich gebe zu, dass es sich da noch um zarte Pflänzchen handelt.Aber es handelt sich dabei um Ansätze,die entwicklungsfähig sind,die wachsen können und wachsen sollen, ohne bedroht zu werden.
Wir glauben nicht, dass der von Ihnen skizzierte Zweckverband gemäß § 6 Ballungsraumgesetz „aus Gründen des öffentlichen Wohls dringend geboten ist“. So steht das im Gesetz. Wir glauben nicht, dass ohne diesen Zweckverband der Betrieb und die Unterhaltung kultureller Einrichtungen überörtlicher Bedeutung nicht zweckmäßig erfolgen könnten. Das wären aber die Voraussetzungen, die gegeben sein müssten, damit das für dringlich erklärt werden kann.
Die Region weist ein sehr vielfältiges und reichhaltiges Kulturangebot auf, das auf den verschiedensten Ebenen von privaten und öffentlichen Trägern erstellt und verantwortet wird. Es wird auf unterschiedliche Art und Weise finanziert. Ebenfalls wird es, räumlich gesehen, von Menschen unterschiedlicher Entfernung genutzt. Die Bevölkerung empfindet diese große Vielfalt des kulturellen Angebotes positiv, die es in der polyzentrischen Region Rhein-Main-Gebiet gibt.
Frau Kollegin, ich darf Sie einen Augenblick lang unterbrechen. – Ich bitte darum, die Gespräche vor der Türe zu führen. Das stört wirklich sehr.
(Rudi Haselbach (CDU): Ich habe gerade an die vielen Opernaufführungen gedacht, die es in Mörfelden-Walldorf gegeben hat! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade auch in der Fläche gibt es eine Vielfalt.Herr Kollege,vielleicht mag in Ihrer Heimatgemeinde das Angebot etwas spärlicher sein.
Herr Ministerpräsident, aber gerade die Vielfalt, die es in der Fläche gibt, gerät in Gefahr, wenn man die Diskussion über die Kultur im Rhein-Main-Gebiet auf eine rein finanzielle Diskussion über die Umverteilung von 120 Millionen c reduziert, statt ein kulturpolitisches Konzept zu erarbeiten. Wir, die Mitglieder der FDP, wollen keine Überforderung der kommunalen Haushalte. Wir wollen auf kommunales kulturelles Engagement nicht verzichten.Wir wollen auch keinen Notbehelf à la Pflichtverband zur Umsetzung des komplexen und vorrangigen Ziels haben, das die Landesregierung im Auge hat. Ich glaube, das ist ihr eigenes Ziel. Dabei geht es um die Schaffung einer dauerhaften, effizienten und erfolgreichen Förderung des Ballungsraums Frankfurt/Rhein-Main.
Gerade unter den Gesichtspunkten, dass eine möglichst breite Identifikation mit dem kulturellen Angebot des Rhein-Main-Gebietes erfolgen soll und dass durch freiwillige Trägerschaft eine breite Zustimmung erlangt werden kann, stellen wir die Bildung eines Pflichtverbandes als Mittel zur Erreichung eines solchen Ziels infrage. Herr Ministerpräsident, ein Pflichtverband mag für die Abfall
beseitigung oder die Beschaffung von Trinkwasser ein probates Mittel sein. Die Kultur gerade in der Gesamtheit einer Region ist etwas vergleichsweise Komplexes. Genau in dieser Weise haben Sie hier die Kultur angesprochen. Sie sind nicht auf einzelne Einrichtungen eingegangen, sondern Sie haben von der Kultur in der Gesamtheit des Rhein-Main-Gebietes gesprochen. Dies ist ein vergleichsweise komplexes Gebilde mit anderen inhaltlichen und finanziellen Zielen. Mit einem Pflichtverband springt man da zu kurz.