Man kann diese Debatte ganz einfach herunterbrechen: Die GRÜNEN hatten eine Idee und haben die SPD gegeißelt.
Die SPD hat mitgemacht. Viele Minister haben sich beschwert. Die SPD hat gemerkt, auf welchem Weg dieses Gesetz ist,und dann hat der Bundeskanzler heute Morgen – wie wir erfahren haben – das ganze Thema abgeräumt.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Lebhafter Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, diese Veranstaltung, die Sie hier vorführen, ist dermaßen abenteuerlich. Der Bundeskanzler hat gemerkt, dass er vor der nächsten Wahl in Nordrhein-Westfalen kein weiteres Problem am Bein haben möchte. Nur das kann erklären, warum hier der Kollege Jürgens eine solche Rede gehalten hat, mit dieser Erzürnung. Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie sind enttäuscht. Das ist völlig klar. Aber wenden Sie sich mit Ihrer Enttäuschung bitte an den Bundeskanzler und an die SPD, nicht an die rechte Seite in diesem Haus. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal wundere ich mich darüber, welche Macht meine Partei hat.
Die deutschen GRÜNEN haben also die Macht,eine EURichtlinie zu erlassen, die dann in 25 Staaten der EU gilt. Alles sind die deutschen GRÜNEN. Danke, Herr Kollege Rentsch, dass wir so erfolgreich sind.
Manchmal ist es in der Politik so – und bei dem Thema Antidiskriminierungsgesetz können Sie das in Anbetracht der Vorwürfe, die hier vorgetragen werden, ganz besonders gut sehen –: Es kommt nicht darauf an, was wirklich ist, sondern es kommt nur darauf an, was man die Leute glauben machen kann.
Ich glaube, daran, wie die Debatte über das Antidiskriminierungsgesetz vonseiten von CDU und FDP läuft, kann man diesen Satz exemplarisch nachvollziehen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) und Florian Rentsch (FDP))
Ich sage es nochmals: Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wollen – das ist doch die Position von CDU/CSU und FDP –, dass man jetzt auf den Standard der EU zurückgeht.
Dazu sage ich als Erstes: Alles, was im Arbeitsrecht gilt, wird dann weiter gelten. Was dann allerdings nicht mehr gelten würde – und da müssen Sie sich entscheiden, ob Sie das richtig oder falsch finden –,ist z.B.,dass wenn ein über 65-Jähriger in einen Elektronikmarkt geht, der mit Ratenkrediten wirbt, und sagt: „Ich würde mir gerne diesen Laptop kaufen“,er gefragt wird:„Wann sind Sie geboren? Aha, vor 1940. Tut uns Leid, dann bekommen Sie leider keinen Ratenkredit mehr.“ – Das soll weiter erlaubt sein?
Wenn man auf die EU-Standards zurückgeht und es nicht mehr nur um – beispielsweise – die ethnische Herkunft geht, dann ist es trotzdem weiterhin erlaubt, dass bei
spielsweise einem Contergangeschädigten von einem Reiseveranstalter gesagt wird: Tut uns Leid, bei uns dürfen Sie leider nicht mitfahren, das könnte die anderen Gäste stören. – Das wäre dann weiterhin erlaubt.
Deswegen bitte ich Sie doch jenseits der ganzen Aufgeregtheit: Beschäftigen Sie sich einmal mehr mit dem, was im Antidiskriminierungsgesetzentwurf eigentlich steht – und nicht mit dem, was Sie in diesen Gesetzentwurf hineininterpretieren.
Ein letzter Satz: In Frankreich gab es einen Feldversuch. Dort wurden je 500 Bewerbungen an die 50 größten Firmen des Landes geschickt, und zwar mit genau den gleichen Lebensläufen, genau den gleichen Zeugnissen, nur die Namen wurden geändert. Die eine Hälfte waren klassisch gallische Namen, die andere arabische Namen. Ich könnte Ihnen einmal vortragen, wie viele von den einen zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurden und wie vielen der anderen die Bewerbung kommentarlos zurückgeschickt wurde.
Alle Personalchefs dieser Firmen – Herr Präsident, mein letzter Satz – waren entsetzt, als ihnen die Ergebnisse vorgetragen wurden.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, die Emotionalität der Debatte hat eine tiefe Ursache. Es geht nicht um irgendeinen Gesetzentwurf, um einen von vielen Hunderten, sondern wir alle spüren, dass wir mit diesem Gesetzentwurf an einer wichtigen Nahtstelle der Frage sind, wie unsere freiheitliche Wirtschaftsstruktur verfasst sein soll.
Deshalb begrüßt es die Landesregierung ausdrücklich, dass der Hessische Landtag erneut Gelegenheit nimmt, sich zu dieser wichtigen Frage zu äußern.
Ich meine, wir sind gemeinsam aufgerufen, unsere freiheitliche Rechts- und Wirtschaftsordnung entschieden zu verteidigen.
Denn das Antidiskriminierungsgesetz möchte uns vorschreiben, welche moralischen Vorstellungen beim Abschluss von Verträgen maßgeblich sein sollen.
Diese Form der gesetzgeberischen Bevormundung birgt die Gefahr einer schleichenden Umgestaltung des Rechts, und zwar aufgrund ideologischer Fixierung.
(Zuruf von der SPD: Nein, das stimmt nicht! – Nor- bert Schmitt (SPD): Wenn Ihre Partei eine Diskussion über Moral führen würde, fände ich es interessant, was Sie hier sagen!)
Deshalb denke ich, es geht tatsächlich um einen fundamentalen Angriff auf unsere grundgesetzlich garantierte Vertragsfreiheit.Wenn der Vermieter nicht mehr die Mieter aussuchen kann,wenn der Arbeitgeber nicht mehr den Arbeitnehmer aussuchen kann, dann muss man tatsächlich von einem Fundamentalangriff reden.
Dabei ist der Schutz der Minderheiten in unserem deutschen Verfassungsleben, in unserem deutschen Rechtsleben wie in kaum einem anderen freiheitlich-demokratischen Gemeinwesen ausgestaltet. Wir haben entsprechende Verfassungsbestimmungen.
(Norbert Schmitt (SPD): Es geht um das Verhältnis Staat – Bürger, aber nicht um private Rechtsverhältnisse!)
Wir haben § 823 BGB, Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Wir haben § 826 BGB, sittenwidrige Schädigung, und dergleichen mehr. Abgesehen davon, dass es um einen Fundamentalangriff auf die Vertragsfreiheit geht, denke ich, dieses Gesetz ist so unnötig wie ein Kropf.