Protocol of the Session on January 27, 2005

(Beifall bei der CDU – Andrea Ypsilanti (SPD): Ihr seid erst aufgewacht und macht hier die großen Sprüche!)

Nirgendwo dort konnten Sie zaubern, denn Verantwortung zu tragen heißt auch, das finanziell Machbare zu beachten. Das hat selbst der Gesetzgeber gesehen und eine Übergangszeit bis 2010 eingebaut.Wie wenig Sie aber die Gegebenheiten beachten, zeigt auch der Satz in Punkt 5 Ihres Antrags, dass die Entwicklung des Betreuungsangebots nicht zulasten bestehender Betreuungsplätze entsteht. Meine Damen und Herren, damit ignorieren Sie von den GRÜNEN, dass wir in Hessen zwischen Nord und Süd und zwischen Land und Stadt völlig unterschiedliche Verhältnisse und Ausgangslagen haben. Während wir in Nordhessen bereits über Gruppenschließungen in Kindergärten reden und mithilfe der Offensive Kinderbetreuung des Landes bestehende Plätze für Kinder unter drei Jahren umwandeln,was das Taggesetz auch ausdrücklich vorsieht, müssen in Städten wie Offenbach in großem Maß für alle Kinder in jedem Kindergartenalter weiterhin neue Plätze geschaffen werden, denn hier wird nach allen Prognosen die Bevölkerung weiter wachsen.

Wir unterstützen die kommunale Familienpolitik, um hessische Gemeinden und Städte sowie das Land insgesamt noch familienfreundlicher zu gestalten. Wir sprechen uns selbstverständlich auch dafür aus, dass das Land bei der Umsetzung des Taggesetzes, z. B. bei der Bedarfsermittlung, Hilfestellung leistet.Wir unterstützen die Tagesmütter in Hessen und werden auch das Angebot qualitativ weiter zu verbessern helfen.Wir ruhen uns nicht auf Lorbeeren aus.Wir wissen, dass noch viel getan werden muss, aber wir wissen auch, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall bei der CDU)

Arbeiten auch Sie in Berlin daran, dass die Kommunen finanziell in die Lage versetzt werden, die Tagesbetreuung vor Ort bedarfsgerecht auszubauen.

(Beifall bei der CDU)

Wider besseres Wissen hat Frau Schmidt ein Gesetz auf den Weg gebracht, das auf tönernen Füßen steht, denn die Kommunen können die Mehrausgaben – Herr Rentsch hat es auch erwähnt – angesichts der prekären Finanzsituation nicht allein schultern. Wir brauchen eine Reform der Gemeindefinanzen, die die Kommunen auch in die Lage versetzt, die Betreuungsplätze für Kinder nach dem TAG bedarfsgerecht zu schaffen,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

sonst geht das notwendigerweise zulasten der Infrastruktur, z. B. zulasten des örtlichen Schwimmbads oder des Theaters. Das wollen wir doch alle sicher nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Eckhardt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Claudia,nach deinem Beitrag sage ich dir jetzt einfach nur – du wirst es verstehen, alle anderen müssen vielleicht nachfragen –: Schurri.

Meine Damen und Herren, der Hessische Ministerpräsident sieht sich ja umzingelt oder umgeben von geistigen Stoppschildern. Ich weiß nicht so ganz genau, wo er die

jetzt ausgemacht hat.Auf jeden Fall hat er im letzten Jahr auf dem Parteitag seiner – –

(Clemens Reif (CDU): Können Sie einmal übersetzen, was das heißt?)

Das ist ein Karnevalsschlachtruf. Den gibt es nur bei uns oben im Landkreis.

(Beifall bei der SPD)

Der Hessische Ministerpräsident hat also auf dem letzten CDU-Parteitag seiner Partei einen Sinneswandel in der Frage der Betreuung von Kindern unter drei Jahren verordnet.Seit diesem Zeitpunkt keimt in mir so ein bisschen die Hoffnung, dass jetzt auch alle Fraktionen die Wichtigkeit dieses Anliegens erkannt haben. Es gibt reichlich Gründe dafür. Die sind auch jetzt in verschiedenen Debatten lang und breit vorgetragen worden. Deshalb versuche ich das jetzt relativ kurz zu fassen:eine der niedrigsten Geburtenraten der Welt, nur 1,3 Kinder auf jede Frau bei einem Kinderwunsch von möglichst zwei kleinen Nachkömmlingen und, damit verbunden, erhebliche Auswirkungen auf Deutschland als Wirtschaftsstandort und natürlich auf die Sicherung der sozialen Systeme.

Wenn wir bei der Zahl der Geburten nicht die Kehrtwende schaffen, werden in 35 Jahren nur noch 24 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten statt heute 39 Millionen.Ich stelle auch nicht,Herr Rentsch,jetzt unbedingt einen monokausalen Zusammenhang her, dass die niedrige Geburtenrate unbedingt am fehlenden Betreuungsangebot liegt. Ganz gewiss nicht. Es gibt eine Reihe anderer Faktoren. Es kann durchaus sein, dass ökonomische oder soziale Probleme primär Ursache dafür sind, dass sich Männer oder Frauen nicht für Kinder entscheiden. Wenn Menschen von Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen sind, gibt es möglicherweise in der Tat völlig andere Probleme als einen fehlenden Krippenplatz.Aber es gibt oft eine Kombination von Ursachen und sicher genau solche Beispiele,wo fehlende Betreuung zum Verzicht auf Kinder führt oder sogar Hauptgrund für eine schwierige soziale Lage ist, also z. B. die Alleinerziehende, die wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten nicht arbeiten kann und deshalb von ALG II leben muss, oder die gut ausgebildete Akademikerin, die einen Karriereknick befürchten muss. Ich verzichte tatsächlich darauf, die Vielzahl der Argumente noch einmal zu wiederholen.Wir haben das in vielen Debatten sehr ausführlich besprochen.

Ich denke, die Betreuung von Kindern unter drei Jahren wird inzwischen von allen Fraktionen als ein sehr wichtiges Thema anerkannt. Aber in der Tat, verbale Bekundungen reichen wirklich nicht mehr aus.

(Beifall bei der SPD)

Warum hat die Hessische Landesregierung im Bundesrat erst einmal gegen die Gesetzesinitiative der Bundesministerin Schmidt gemauert? Warum über Monate hin? Die unsichere Finanzierung ist auch heute wieder der einzige Vorwand, den Sie dagegen einbringen. Spätestens seit der Revisionsklausel im Gesetz steht die Bereitstellung der Bundesmittel außer Zweifel,

(Beifall bei der SPD)

und der hohe Stellenwert des Gesetzes für Rot-Grün wird noch einmal deutlich.

(Reinhard Kahl (SPD): Das hat sie sogar zugegeben!)

Dann noch eines: Wir wissen doch ganz genau, dass mit dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes nicht auf der ganzen Ebene ein Bedarf von 1,5 Milliarden c entsteht. Das weiß doch jeder. Es wird schrittweise, stufenweise gehen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

von 400 bis 600 Millionen c geht man heute aus. Natürlich, Claudia, lese es dir noch einmal durch.

(Heiterkeit bei der SPD)

Die Thematik der Betreuung von Kindern unter drei Jahren ist viel zu lange – das gebe ich allerdings auch zu – ideologisch wenig sachbezogen und auch kontrovers quer durch die Parteien diskutiert worden: Kinder gehören in die Familie, der Staat darf den Familien die Kinder nicht wegnehmen.

(Zuruf von der SPD:Wer hat denn das gesagt?)

Das waren die Aussagen – bis hin zu „Rabenmütter“ oder „Rabeneltern“. Auf der anderen Seite hat man dann gehört: Na ja, Heimchen am Herd und so. – Das waren die Vorwürfe, die gegen die Mütter gingen, die zuhause geblieben sind und sich für die Kinderbetreuung entschieden haben. Ich denke, das haben wir jetzt überwunden. Auch das ist gut.

(Clemens Reif (CDU): Was haben Sie denn überwunden?)

Aber die Vorstellung, dass Kleinkinder in jedem Fall in die Familie gehören, ist unbestreitbar auch heute noch in vielen Köpfen vorhanden, teilweise leider auch in den Köpfen derer, die in den Kommunen vor Ort entscheiden müssen.

Selbst wenn sie die Notwendigkeit erkannt haben,kann es doch keinem verdacht werden, wenn die Kommunen bei der katastrophalen Finanzlage nicht unbedingt Geld in eine Aufgabe stecken, die eigentlich vor Ort nur von einer Minderheit gefordert wird. Diejenigen Städte, Gemeinden und Träger, die inzwischen so weit sind, ihr Betreuungsangebot auszuweiten – vielleicht sogar in den vorhandenen Kindertagesstätten, obwohl dort die Zahl der Kinder rückläufig ist –, lassen Sie vonseiten des Landes schlicht und ergreifend im Regen stehen.

(Beifall bei der SPD)

Machen Sie endliche klare und verbindliche Aussagen, wie das TAG in Hessen umgesetzt werden kann. Schaffen Sie endlich Planungssicherheit für diejenigen, die dieses Gesetz als eine Chance sehen. Das ist das Mindeste, was man von Ihnen erwarten kann. Eigentlich ist es noch nicht einmal genug. Wenn politisch Verantwortliche ihre Aufgabe so verstehen, auch die Zukunft der Gesellschaft zu gestalten, dann muss diese Landesregierung die Möglichkeit des TAG unverzüglich aufgreifen und sich – darin werden wir Sie unterstützen – zusammen mit der Bundesministerin an die Spitze der Bewegung setzen. Aber vielleicht ist dieser Landesregierung die wirtschaftliche Relevanz eines qualitativ hochwertigen Betreuungsangebots nur in Teilbereichen bekannt.Der Kollege Rentsch – er ist gerade nicht da – hat es vorhin schon angesprochen. Es ist nämlich eine ganz einfache Tatsache, dass Mütter, dass Eltern, die ihr Kind oder ihre Kinder während der Arbeitszeit gut betreut und gut gefördert wissen,gut und beruhigt arbeiten

(Andrea Ypsilanti (SPD): So ist es!)

und damit auch viel Qualität in die Leistung bringen, die sie an ihrem Arbeitsplatz erfüllen müssen.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Manche Arbeitgeber haben das kapiert!)

Es gibt etwas zum Nachlesen. Es gibt Studien des Familienministeriums in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, die klar zeigen, dass familienfreundliche Arbeitsbedingungen auch für das Betriebsklima und für die Wirtschaftlichkeit eines Betriebes förderlich sind. Für die mittelständischen und Kleinbetriebe gibt es eine solche Studie bereits. In diesem Jahr wird eine Studie über Großbetriebe vorgelegt. Ich empfehle dann die Lektüre.

Bei nachgewiesenen betriebswirtschaftlichen Vorteilen für die einzelnen Betriebe lässt sich in der Summe durchaus auf einen gesamtwirtschaftlichen Vorteil bei der Verbesserung von Arbeitsbedingungen im Sinne von Familienfreundlichkeit schließen. Ein qualifiziertes Betreuungsangebot ist dabei ein ganz zentraler Bestandteil. Kinderbetreuung ist schon lange kein weiches Thema mehr, vielmehr ein Zukunftsthema mit Auswirkungen auf Wirtschafts-, Struktur-, Bildungs- und Sozialpolitik. Aber ich habe wirklich den Eindruck, das haben noch nicht alle bemerkt. Deshalb möchte ich nochmals einen Aspekt hervorheben, der mir eigentlich insgesamt bei der Behandlung dieses Themas immer wieder zu kurz kommt. Das ist die Betrachtung unter dem Blickwinkel der frühkindlichen Entwicklung und Bildung.

(Beifall bei der SPD)

Die hirnorganische Entwicklung des Kleinkindes und die damit verbundene Entwicklungsmöglichkeit in nahezu allen Bereichen macht die erste Lebensphase zu einer Zeit, in der neben sozialer und emotionaler Prägung das Erlangen intellektueller Kompetenz wie in keiner anderen Phase des Lebens möglich ist. Das heißt, die Betreuung von Kleinkindern darf um Gottes willen keine Aufbewahrung mehr sein. Die Bildung und Förderung kognitiver Kompetenzen müssen schon lange vor dem dritten Lebensjahr beginnen.

Frauen und Männer, die im Bereich Kleinkinderbetreuung arbeiten, müssen dafür auch qualifiziert werden. Das gilt ganz besonders für Tagesmütter und Tagesväter, wenn sie diese Lösung favorisieren, allerdings auch die Erzieherinnen und Erzieher. Dieser Beruf muss dringend aufgewertet werden und kann in Qualität und Wichtigkeit nicht hinter den Lehrern stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Für das vorhandene Personal in den Kindertagesstätten muss ein gezieltes Fortbildungskonzept entwickelt werden,möglicherweise analog zur sonderpädagogischen Zusatzausbildung für Erzieherinnen und Erzieher in Hessen. Zu den Tagesmüttern und Tagesvätern gebe ich Ihnen eine kleine Brücke. Sie haben es gerne mit Überschriften. Nennen Sie es einfach: „Qualifizierungsoffensive für Tagesmütter und -väter“. Auch darin werden wir Sie unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Der Bildungs- und Erziehungsplan von null bis zehn Jahren – wieder überall der absolute Superlativ: Hessen an erster Stelle.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Das war doch was!)

Bloß ist das Ding irgendwo auf der langen Bank verschollen und wird mittlerweile zur unendlichen Geschichte, aber die Spannung steigt ins Unermessliche.