Protocol of the Session on January 27, 2005

Wir brauchen innovative Ansätze in der Diskussion. Wo bleibt eigentlich die Verantwortung der Unternehmen in dieser Frage? Ich will Ihnen ein Beispiel nennen.Der Kollege Ludwig Georg Braun, Chef des Pharmaunternehmens Braun Melsungen AG und FDP-Mitglied, hat es geschafft, dass es in Melsungen ein kostenloses Angebot zur Kinderbetreuung gibt.

(Andrea Ypsilanti (SPD):Wunderbar!)

Die Firma Braun Melsungen AG hat eine Stiftung

(Andrea Ypsilanti (SPD): Dagegen haben wir nichts!)

dagegen haben wir beide nichts, Frau Kollegin – und einen Förderverein gegründet, der im Rahmen seiner Tätigkeiten Geld sammelt. Das Angebot zur Kinderbetreuung wird über diese Stiftung finanziert. Es gilt nicht nur für Mitarbeiter des Unternehmens, sondern für alle Familien in dieser Kommune. Das ist eine wunderbare Situation. Herr Braun hat diese Initiative natürlich nicht aus völlig uneigennützigen Gründen ergriffen. Er sagt: „Ich habe hoch qualifizierte Mitarbeiter. Es ist mir lieber, dass sie schnell wieder in den Beruf zurückkehren, als dass ich lange darauf warten muss, weil die Kinderbetreuung nicht geregelt ist.“ Dieses Angebot sichert die Lebenssituation der Mitarbeiter ab, es schafft Vertrauen und Beständigkeit.Auch das brauchen wir.

(Zurufe von der SPD)

Wir brauchen mehr Beispiele unternehmerischer Verantwortung dieser Art und Ideen wie die von Herrn Braun. Wenn wir es hinbekommen, bei den Unternehmern das Bewusstsein zu erzeugen, dass sich eine gute Kinderbetreuung für die Unternehmen lohnt, dann sind wir sicherlich ein ganzes Stück weiter.

Des Weiteren geht es auch darum, wie wir die Kinderbetreuung auf privater Ebene organisieren können. Ich will das Beispiel eines Freundes anführen, der sich in Hamburg mit verschiedenen anderen Eltern zusammengetan, eine Wohnung angemietet und eine Erzieherin angestellt hat, bis ihm dieses Projekt von der Stadt wieder geschlossen wurde, weil diese private Initiative verschiedenste Vorgaben von Bundes- und Landesgesetzen nicht erfüllt.

Meine Damen und Herren, wenn derartige Initiativen entstehen, dann dürfen wir als Staat dieses Engagement doch nicht wieder kaputtmachen.Wir müssen es vielmehr unterstützen und fördern. Daher erwarten wir auch von der Hessischen Landesregierung kreative Vorschläge, wie man in diesem Zusammenhang zu einer Deregulierung kommen kann. Es geht hier nicht nur darum, wieder einmal gesetzliche Vorschriften abzubauen, sondern vor allem darum, private Ideen zu fördern und nicht abzuwürgen.

Ich denke, dass wir bei der Kinderbetreuung neue Wege gehen müssen – außerhalb der Diskussion nach dem Motto: Was kann der Staat tun? Wir sind aber auch der Meinung, dass der Staat eine erhebliche Verantwortung für diesen Bereich trägt, allein schon deshalb, weil er sich um seine Existenz kümmern muss. Der Staat muss seine Existenz sicherstellen. Deshalb brauchen wir ein umfas

sendes Angebot zur Kinderbetreuung. Das kann aber nicht der einzige Weg sein.

Meine Damen und Herren, die Kollegin Schulz-Asche ist schon sehr intensiv auf das CDU-Programm eingegangen. Lassen Sie mich dazu nur so viel sagen: Frau Ministerin, wir haben das ausführlich diskutiert.Wir als FDP sind der Meinung, dass es nicht ausreicht, auf Parteitagen Beschlüsse zu fassen, große Ankündigungen zu machen – es aber dann zu versäumen, im Land die notwendigen Mittel in den Haushalt einzustellen.

(Beifall bei der FDP)

Sie müssen sich entscheiden. Entweder sagen Sie, wir sind finanziell nicht so weit fortgeschritten, um so viel Geld für die Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen – oder Sie dürfen solche Reden auf den Parteitagen der CDU nicht halten. Das ist das Problem.

(Beifall bei der FDP)

Hinzu kommt – das lässt sich nicht wegdiskutieren –, dass in der Union natürlich auch ein anderes Verhältnis zum Thema Kinderbetreuung herrscht. Wir haben diese Diskussion in der Zeitung verfolgen dürfen. Natürlich gibt es dort an vielen Orten ein ganz anderes weltanschaulich geprägtes Bild, wie man Kinderbetreuung organisieren kann. In der Union ist das sehr häufig die Familie.

Ich will Ihnen ganz klar sagen, ich halte es für begrüßenswert, wenn die Familie diese Aufgabe übernimmt. Aber man kann doch nicht den Umkehrschluss ziehen und sagen:Wer seine Kinder nicht in der Familie betreuen kann, ist familienfeindlich, kinderfeindlich.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es gibt viele Menschen in diesem Land, die müssen die Kinderbetreuung outsourcen. Die haben gar nicht die Möglichkeit in der Familie und müssen deshalb auf Externe zurückgreifen.Auch das ist ein wichtiger Punkt.

Drittens geht es um die bildungspolitischen Aspekte im Rahmen der Kindererziehung. Ich teile das, was Frau Kollegin Schulz-Asche gesagt hat – dass wir diesen Aspekt natürlich nicht vernachlässigen dürfen. Wesentliche Bestandteile des „Bildungssektors im Kopf“ – wie man so schön sagt – werden im Alter von null bis drei Jahren gelegt. Es ist sehr schwierig, das, was in dem Alter versäumt wurde, später nachzuholen. Das ist unbestritten.

Frau Ministerin, deshalb ist es auch falsch gewesen – das kann man hier nicht wegdiskutieren –, dass Sie den Erziehungsberatungsstellen in Hessen die Mittel gekürzt haben. Es geht nicht darum, dass Sie eine Maßnahme durchgeführt haben, die uns nicht passt, sondern Sie widersprechen damit Ihrer eigenen Argumentation.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie selbst haben ein Defizit im Rahmen der Erziehungskompetenz bei Familien festgestellt. Ich unterstreiche das. Ich glaube das auch. Ich glaube, dass die Erziehungskompetenz in den Familien, dass die Verantwortung in diesem Bereich immer weniger wird.

Wenn man aber diesen Schluss zieht und diese Situation feststellt, dann muss man dem entgegenwirken. Das wollten Sie eigentlich tun, und deshalb war dieser Schritt nicht sehr konsequent und auch nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb: Auch für die FDP ist die Familie eine wichtige Stelle, an der Erziehung und Kinderbetreuung stattfinden kann. Aber wir müssen genau über dieses Thema reden: Wie können wir auch dort bildungspolitische Aspekte einbeziehen?

Wir haben dazu vielfältige Vorschläge unterbreitet – beispielsweise wie man Bildungspläne und Bildungspartnerschaften zwischen Familie und uns, dem Staat, schließen kann, damit auch die Eltern verbindliche Aufgaben im Rahmen der Erziehung und im bildungspolitischen Bereich übernehmen.All das haben wir diskutiert.

Es ist ganz klar, wir erwarten – ich denke, das werden wir hoffentlich in diesem Jahr auch bekommen – den so genannten Bildungsplan der Landesregierung. Das Land Bayern ist hier etwas vorgeprescht. Es ist nicht richtig, dass in Hessen auf diesem Feld nichts passiert,das ist nicht wahr. Es wird gearbeitet, das wissen wir. Aber wir erwarten in diesem Jahr Ergebnisse, denn nur durch Arbeiten werden wir in der bildungspolitischen Diskussion auch nicht weiter kommen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Ministerin, wir brauchen in diesem Jahr Ergebnisse. Das erwarten wir von Ihnen.

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss kommen. Ich glaube schon, dass die Bildungspolitik mit der Kinderbetreuung verbunden werden muss. Das schließt einander nicht aus. Wir werden das Thema Bildungspolitik in der Kinderbetreuung weiter diskutieren müssen, und dazu werden wir wahrscheinlich noch eigene Vorschläge unterbreiten.

Der zweite Aspekt lautet:Wie kann man selbst Initiativen fördern und so etwas auf freiwilliger Basis organisieren? Ich habe schon einmal im Spaß gesagt – aber vielleicht können wir das einmal ernsthaft diskutieren, ob wir hier nicht auch als Hessischer Landtag mit gutem Beispiel vorangehen müssen.

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP))

Wenn wir die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern wollen, sollten wir einmal überlegen, ob man es nicht organisieren kann oder muss, auch für die Mitarbeiter des Hessischen Landtags eine Kinderbetreuung einzurichten.

(Beifall bei der FDP)

Das sollten wir vielleicht in einem kleinen Rahmen und nicht öffentlich hier diskutieren; aber man kann nicht immer nur von anderen fordern und selbst nichts bringen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns deshalb einmal versuchen, dieses Thema interfraktionell anzugehen. Ich glaube, das wäre eine gute Idee.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nun, dann ran, Flori!)

Auch wenn viele richtige Elemente in diesem Antrag der GRÜNEN enthalten sind, geht uns der Tenor in eine völlig falsche Richtung. Wir halten das Tagesbetreuungsausbaugesetz für keinen guten Schritt.Wie Sie wissen, lehnen wir dieses Gesetz ab. Deswegen werden wir auch den Antrag der GRÜNEN hier ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nächste Rednerin für die CDU-Fraktion ist Frau Ravensburg.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich bin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dankbar, dass sie mir mit der Wahl ihres Setzpunktes heute Gelegenheit gibt, zur Familienfreundlichkeit in unserem Land zu sprechen.

Liebe Frau Ravensburg, ich fühle mich zwar nicht diskriminiert, aber ich bin eine Frau.

Oh, Entschuldigung, Frau Präsidentin.

Bitte.

Ich hoffe,Sie verzeihen mir noch einmal.– Ich möchte den Familienatlas ansprechen, der in der vergangenen Woche von Bundesfamilienministerin Schmidt vorgelegt wurde.

(Frank Gotthardt (CDU): Der ist sehr interessant!)

Das Ergebnis des Vergleichs von 439 Landkreisen und Städten in Deutschland zeigt sehr beeindruckend, dass Hessen wieder einmal mit vorn ist.

(Ministerin Silke Lautenschläger: Ganz vorn!)

Allein 12 der 21 hessischen Landkreise liegen in der höchsten Kategorie, wo es sich für Familien besonders gut wohnen und leben lässt.