Protocol of the Session on January 27, 2005

In Hessen ist dieser Plan noch nicht einmal der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Meine Damen und Herren, das ist virtuelle Familienpolitik. Sie reden, aber Sie handeln nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Es waren schon fünf Veranstaltungen zu dem Thema! – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Ja, wenn sich die Arbeitsgruppe im Februar das nächste Mal getroffen hat, kommt Ihr Plan vielleicht auch endlich einmal in der Öffentlichkeit an die Reihe. Die meisten anderen Bundesländer sind inzwischen viel weiter und haben Hessen längst überholt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich trotzdem auf die Qualität der Angebote zurückkommen. Meine Damen und Herren, frühe Bildung für jedes einzelne Kind ist aus verschiedenen Gründen wichtig. Die Persönlichkeit eines Kindes entsteht nicht nur im Verhältnis zu den Eltern und den eigenen Geschwistern, sondern auch im Kontakt mit gleichaltrigen Kindern, mit Kindern aus anderen sozialen Schichten und mit zunächst fremden Erwachsenen. Das war im Übrigen – weil Sie immer so auf Tradition achten – auch in traditionellen Großfamilien so. Der gesellschaftliche Wandel hat dazu geführt, dass die inzwischen vorherrschende Kleinfamilie mit dieser individuellen Entwicklungsförderung oft überfordert ist oder sich in zunehmendem Maße überfordert fühlt.

Die Entscheidung für ein Kind ist bei vielen jungen Familien mit Ängsten verbunden, dem Anspruch auf eine gute Erziehung des Kindes nicht gerecht werden zu können. Junge Menschen stellen sich die Frage: Was kann ich für die Förderung meines Kindes optimal tun? Wie organisiere ich mein Leben mit einem Kind? Wird die Partnerschaft, die ich eingegangen bin, wirklich halten? Welche

Konsequenzen ergeben sich daraus, wenn sie nicht hält? Wie finde ich mit Kind einen Arbeitsplatz, wo und für wie lange? All das sind Fragen, die der Entscheidung entgegenstehen, den Kinderwunsch zu realisieren, von dem wir wissen, dass die meisten Menschen ihn haben. Gerade diese Menschen muss eine Gesellschaft unterstützen.Wir brauchen Angebote, auf die sie zurückgreifen können, von denen die Menschen wissen, dass sie verlässlich vorhanden sind, damit sie sich für Kinder entscheiden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Aber auch unter idealsten Bedingungen wird es immer noch Familien geben, die mehr oder weniger in der Lage sind, ihre Kinder zu fördern.Auch für diese Familien muss es ausreichend Hilfe und Unterstützung seitens der Gesellschaft geben. Das steht im krassen Widerspruch zu dem, was Sie tun, meine Damen und Herren. Sie streichen die Erziehungsberatung im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ auf Null. Das ist eine im Kern zutiefst familienfeindliche Politik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Quatsch!)

Sie haben dem Antrag auf Streichung zugestimmt.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Die Förderung von Kindern ist nicht nur im Interesse der Kinder und der Eltern, denn letztendlich profitiert die gesamte Gesellschaft davon. Wir brauchen doch eine kompetente und selbstbewusste junge Generation.Da sind wir uns doch hoffentlich einig. Das ist wichtig für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, deshalb fordern wir die Landesregierung zum wiederholten Male auf, den vielen, vielen Worten endlich Taten folgen zu lassen. Das Tagesbetreuungsausbaugesetz bietet dazu den Rahmen.Wenn Sie schon keine Landesmittel in die Hand nehmen wollen, wie Sie bewiesen haben, als Sie unser Konzept abgelehnt haben, dann unterstützen Sie die Kommunen wenigstens jetzt, damit diese die Ausbauplanungen zum 1. Oktober 2010 mit einem bedarfsgerechten Angebot tatsächlich umsetzen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Rahmen des Tagesbetreuungsausbaugesetzes wird den Kommunen durch eine sehr großzügige Übergangsregelung – analog zum Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz – ermöglicht, die verbindlichen Richtlinien einzuhalten. Wir erwarten von Ihnen als Landesregierung, dass Sie die örtlichen Träger der Jugendhilfe und die Gemeinden dabei aktiv unterstützen.

Es muss auch sichergestellt werden, dass der Ausbau dieser Betreuungseinrichtungen nicht auf Kosten anderer Altersgruppen stattfindet, insbesondere nicht auf Kosten der Grundschulkinder. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass alle Ihre Finanzierungen im Rahmen der Offensive die Defizite im Grundschulbereich ausgleichen. Der Ausbau der Betreuungsangebote für unter Dreijährige darf nicht auf Kosten anderer Altersgruppen gehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das sage ich auch deswegen, weil es nicht nur darum geht, ein Land der Tagesmütter zu haben,sondern wir brauchen – –

Frau Kollegin, Sie müssten zum Schluss kommen.

Ich komme zum Ende. – Es geht nicht nur darum, ein Land der Tagesmütter zu werden, sondern wir brauchen auch eine bedarfsgerechte Betreuung aller Altersgruppen mit einem bunten Mix aus Angeboten und Trägerschaften.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Politik hat nicht die Aufgabe, den Menschen vorzuschreiben, wie sie zu leben oder ihre Kinderbetreuung zu organisieren haben.

(Demonstrativer Beifall der Abg. Michael Denzin (FDP) und Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Politik hat aber die Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu verbessern, nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln. Es wird endlich Zeit. Hören Sie auf, die Leute an der Nase herumzuführen. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nächster Redner ist Herr Rentsch für die FDP-Fraktion.

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP))

Frau Präsidentin! Dann lieber doch keinen Applaus, als von nur einem Abgeordneten. Aber vielen Dank für die Geste. Ich hätte gedacht, dass doch mehr Leute klatschen würden.Vielleicht ist das am Ende meiner Rede der Fall.

(Heiterkeit – Andrea Ypsilanti (SPD): Warten wir ab, was Sie bieten, Herr Rentsch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Kinderbetreuung wird uns auch in den nächsten Jahren im Hessischen Landtag ständig begleiten – und zwar zu Recht, denn es ist eines der zentralen Themen der nächsten Jahre, vielleicht sogar die Herausforderung dieses Jahrhunderts. Das gilt nicht nur für die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die wir ermöglichen wollen, weil das ein ganz wichtiger Punkt der Selbstverwirklichung ist und teilweise auch aus materiellen Gründen eine sehr wichtige Rolle spielt. Nein, es geht natürlich auch um die demographische Entwicklung, die wir in verschiedenen Gremien diskutieren, im Hessischen Landtag z. B. im Rahmen einer Enquetekommission.

Die demographische Entwicklung in Deutschland stellt ein ernsthaftes Problem dar, weil wir unsere sozialen Sicherungssysteme auf dieser Grundlage konzipiert haben. Wir werden die Probleme der sozialen Sicherungssysteme ohne die Kinder in diesem Land nicht lösen können. Wir werden die in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Systeme nicht fortführen können, wenn wir keinen Nachwuchs mehr haben.Deshalb müssen wir darüber

diskutieren, wie wir dieses Thema seriös einer Lösung zuführen können.

Ich will zunächst einmal auf das eingehen, was die Frau Kollegin Schulz-Asche hier gerade ausgeführt hat. Frau Kollegin, wir sind uns in vielen Punkten einig, die im Antrag genannt sind, in der Zielrichtung aber nicht. Das Tagesbetreuungsausbaugesetz – was für eine markiger Name für ein Gesetz – führt nämlich überhaupt nicht dazu, die Situation in der Kinderbetreuung in Deutschland zu verbessern.

(Beifall bei der FDP)

Sie werfen den Kommunen einen Brocken hin und sagen: Mit diesem Brocken sollt ihr eine Kinderbetreuung organisieren.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir haben das Problem – Sie wissen das, denn auch Sie sind kommunal verankert –, dass die Kommunen überhaupt keinen finanziellen Spielraum mehr besitzen. Jetzt frage ich Sie: Was sollen die Kommunen an der Stelle denn tun? Sollen Sie die Hundesteuer erhöhen?

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wo haben die Kommunen noch die Möglichkeit, zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften? Eine Erhöhung der Hundesteuer wäre sicherlich ein Vorschlag. Ob der aber zielführend ist, wage ich zu bezweifeln.

Die nächste Ebene ist das Land. Das Land könnte hier einsteigen. Da bin ich Ihrer Meinung. Auch mir fehlt der Beweis, dass das Land hier richtig einsteigen will. Aber auch das Land ist sehr stark gebunden. Das Land tut etwas. Das reicht uns nicht, das ist nicht zu verneinen, aber man auch nicht sagen,dass das Land überhaupt nichts tue.

Auf der dritten Ebene haben wir den Bund. Der Bund ist mit der Versprechung in die Diskussion gegangen, dieses Problem zu lösen. Das Tagesbetreuungsausbaugesetz ist hierfür aber überhaupt nicht ausreichend. Es ist auch nicht zielführend.

(Widerspruch bei der SPD)

Deshalb können Sie sich nicht hierhin stellen und behaupten, der Bund habe alles Mögliche getan, um die Situation in der Kinderbetreuung in Deutschland zu verbessern. Das Gegenteil ist der Fall. Sie haben eine Erwartungshaltung erzeugt. Die Menschen erwarten jetzt von den Kommunen, dass alles besser wird. Das können die Kommunen aber nicht leisten, da sie nun einmal nicht den erforderlichen finanziellen Spielraum haben.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich bin deshalb überrascht, dass Sie diesen Antrag noch einmal stellen, obwohl wir ihn schon sehr ausführlich diskutiert haben. Die Situation hat sich in der Zwischenzeit nicht geändert. Weder hat der Bund gesagt, dass er die Kommunen stärker unterstützen will, noch gibt es andere Finanzierungszusagen. Ich frage mich: Was soll die News bei diesem Antrag sein?

Sie gehen im zweiten Teil des Antrags auf einzelne Punkte ein, in denen viel Wahrheit steckt. Die eigentliche Zielrichtung des Antrags kann aber,da das der falsche Weg ist, nicht unterstützt werden.

Wir diskutieren sehr stark innerhalb der vorgegebenen Schemata. Wir fordern, dass der Staat die Kinderbetreuung organisiert. Auch ich bin der Meinung, dass der Staat

zu denen gehört, die das Problem lösen können und müssen. Das reicht aber bei weitem nicht aus. Wenn wir nur auf staatliche Initiativen vertrauen – wir alle kennen die Situation der Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland –, dann werden wir das Problem nicht lösen können.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen innovative Ansätze in der Diskussion. Wo bleibt eigentlich die Verantwortung der Unternehmen in dieser Frage? Ich will Ihnen ein Beispiel nennen.Der Kollege Ludwig Georg Braun, Chef des Pharmaunternehmens Braun Melsungen AG und FDP-Mitglied, hat es geschafft, dass es in Melsungen ein kostenloses Angebot zur Kinderbetreuung gibt.