Protocol of the Session on January 27, 2005

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD – Rein- hard Kahl (SPD):Vorsicht!)

Diese Aktuelle Stunde ist ebenso überflüssig wie Ihre schlecht gespielte Empörung, meine Damen und Herren. Es ist Klamauk. Ich darf Ihnen durchaus sagen – da stimme ich der Kollegin zu –: Lassen Sie Frau Wolski aus dem Spiel. Die hat sich hier nichts vorzuwerfen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Werfen wir einmal einen Blick auf die juristischen Fakten.

Erstens. Es wurde keine Auskunft über vertrauliche Inhalte eines laufenden Ermittlungsverfahrens gegeben. Der ganze Minisachverhalt beschränkt sich einzig darauf, dass Herr Grüttner Staatssekretär Landau fragte, ob gegen Frau Wolski ein Ermittlungsverfahren läuft. Es kam nur ein klares Nein, mehr nicht.

(Zurufe – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zehn Minuten! – Jürgen Walter (SPD): In Offenbach wird es gänzlich anders gesehen! – Norbert Schmitt (SPD): Nein, nein, nein!)

Zweitens. Frau Wolski war mit dieser Auskunft einverstanden. Ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht kann daher nicht vorliegen. Auch der Hessische Datenschutzbeauftragte – der Herr Minister hatte es gesagt – hat hieran nichts auszusetzen.

(Norbert Schmitt (SPD): Haben Sie das schriftlich?)

Damit sind eigentlich alle weiteren Fragen nach einer Rechtsgrundlage und nach den Kompetenzen erledigt.

Drittens. Es ist ein letzter Rettungsanker, seitens der Opposition zu versuchen, mit juristischen Spitzfindigkeiten zu behaupten, die Staatsanwaltschaft allein hätte die Auskunft geben dürfen, nicht aber das Ministerium. Dabei wissen Sie alle – das betone ich auch, das wird von niemandem angezweifelt –, dass das Justizministerium die Staatsanwaltschaft hätte anweisen können.Verlangen Sie nun allen Ernstes, dass Herr Staatssekretär Landau auf die Frage von Herrn Grüttner zum Telefon hätte greifen sollen, um dem Generalstaatsanwalt mitzuteilen, er solle die untergeordnete Staatsanwaltschaft anweisen, diese Auskunft zu geben? Daraufhin hätte der Generalstaatsanwalt den Behördenleiter anrufen und diesem eine entsprechende Weisung erteilen müssen, damit der seinerseits Herrn Grüttner anruft,um ihm zu sagen:Nein,es gibt kein Verfahren.

(Unruhe – Zurufe von der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, mit Verlaub, das ist absurd.

(Beifall bei der CDU)

Sie suchen in den Krümeln, und Sie behaupten nun in der Aktuellen Stunde polemisch, dass der Staatssekretär mit der Strafprozessordnung auf Kriegsfuß stehe.Auch in diesem Punkt liegen Sie sachlich wie fachlich daneben. § 475 Abs. 4 StPO gibt jedem das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen sogar Auskünfte aus Akten zu erhalten. Eine Auskunft, ob ein Ermittlungsverfahren läuft, ist dadurch allemal gedeckt. Das haben Sie mittlerweile auch erkannt. Frau Hofmann hat umgesattelt und sagt jetzt: Es liegt ein Verstoß gegen § 478 StPO vor. – Aber auch diese Angriffswelle ist handwerklich schlecht gemacht und verläuft sprichwörtlich im Sande.

(Zuruf der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Wer den hierarchischen Aufbau der Staatsanwaltschaft verstanden hat, der weiß, dass das Ministerium die oberste Behörde der Staatsanwaltschaft ist. Genau dies ergibt sich aus § 147 Gerichtsverfassungsgesetz. Ein Blick ins Gesetz erspart viel Geschwätz.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Und wenn der Kreisvorsitzende der Republikaner anruft? – Weitere Zurufe von der SPD)

Denn dort ist sowohl die Generalstaatsanwaltschaft wie auch das Ministerium gleich lautend als Dienst- und Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaft festgeschrieben. Wenn Sie aber selbst nicht bezweifeln, dass der Generalstaatsanwalt die umstrittene Auskunft hätte geben dürfen, dann ist mir und uns völlig schleierhaft, wieso dieses Recht dem Ministerium nicht auch eingeräumt werden kann.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach unserer Auffassung durfte das Justizministerium in diesem begründeten Fall und mit Zustimmung der Betroffenen Auskunft – zumal negative Auskunft – geben. Hinzu kommt, dass am Dienstag Fragen des Kollegen Kaufmann hier im Hessischen Landtag ordnungsgemäß und unbeanstandet vom Justizminister beantwortet wurden. Ich frage daher noch einmal: Wo liegt der Skandal, oder wollen Sie wegen der Antwort auf die kaufmannsche Frage in der Fragestunde auch noch eine Aktuelle Stunde beantragen? – Nein, Ihre juristische Argumentation hat sich bei genauer Betrachtung in nichts als Luft aufgelöst.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren gerade von der SPD, dass es Ihnen in keiner Weise auf eine sachliche Auseinandersetzung ankommt, haben Sie heute bewiesen, auch während der Rechtsausschusssitzung. SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben eine Sondersitzung des Ausschusses für letzten Montag einberufen, um Antworten auf die angeblich unzureichende schriftliche Antwort des Justizministeriums zu erhalten. Um 10 Uhr ging es los. Bereits 13 Minuten später und nicht, wie zwischendurch von der SPDPressestelle behauptet, um 12 Uhr,

(Reinhard Kahl (SPD):Um 10.45 Uhr hat der Fraktionsvorstand entschieden!)

also 13 Minuten nach Beginn der Sitzung, der Justizminister hatte gerade mit seiner Erklärung begonnen, reichte die SPD-Fraktion einen Antrag zur jetzigen Aktuellen Stunde ein.

(Zurufe von der CDU und der SPD – Der Redner zeigt ein Blatt Papier.)

Herr Kahl, hier ist er. 10.13 Uhr und keine Sekunde später haben Sie den Antrag betreffend diese Aktuelle Stunde eingereicht.

(Beifall bei der CDU)

Das Verhalten zeigt völlig eindeutig: handwerklich schlecht gemacht, vom Stil her mies. So macht man eine Aktuelle Stunde mit der vorgespielten Empörung, die Sie hier haben, zu einer durchsichtigen Farce.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen. Der Opposition geht es nicht um die Sache. Es wird mit Parolen, Unterstellungen und mit persönlichen Angriffen Stimmung gemacht. Der Sachverhalt ist klar und in Ordnung.

(Zurufe von der SPD)

Die Negativauskunft durfte durch das Ministerium eindeutig gegeben werden. Die angebliche Affäre hat sich in Luft aufgelöst. Es sind lediglich juristische Haarspaltereien. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD):Wie ein herrenloser Ferrari!)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen.Damit ist der Punkt 82 erledigt.

(Zuruf von der SPD: Er ist nicht erledigt!)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 83 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Nach Indien mit Metz-Ra- batt – die zweifelhafte Pressepolitik der Staatskanzlei) – Drucks. 16/3538 –

Erster Redner ist Herr Kollege Kaufmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Geschichte erster Teil: Der Ministerpräsident fährt nach Indien und in den mittleren Osten – warum auch nicht, zumal die Reise schon einmal umdisponiert werden musste, um nicht durch den Schatten von Eddie Stoiber von den Kameralinsen übersehen zu werden.Auf

Reisen lässt man sich nicht nur gerne begleiten, um die eigene Bedeutung zu betonen – Stichwort: Chefarztvisite –, sondern man will natürlich auch zu Hause in den Medien über die fernen Ereignisse möglichst umfassend berichtet wissen. Das alles ist normal und legitim.

(Volker Hoff (CDU): Was für ein Armutszeugnis! Sie sind sich für nichts zu blöd!)

Gerade die Berichterstattung der Medien ist natürlich auch ein wichtiges Interesse der Bürgerinnen und Bürger. So weit,so gut.– Der Geschichte zweiter Teil,auch für den Kollegen Hoff.

(Clemens Reif (CDU): Fahren Sie mit?)

In unserem Land wurde im vergangenen Jahr eine längere Diskussion über die Wirtschaftsförderung mit der Gründung der Hessen-Agentur abgeschlossen.Sie soll die nicht monetären Förderaktivitäten des Landes bündeln und hat obendrein – auch glückliche Fügung – einem schwergewichtigen Mitglied der Eschborn-Connection endlich, nach einigen vorher gescheiterten Anlaufversuchen, einen hoch dotierten Job verschafft. So weit, so schlecht.

Die Sache wurde jetzt brisant, als diese beiden – die Regierungsbegleitung und die Hessen-Agentur – unter der Regie von Dirk Metz zusammengebracht wurden. Herausgekommen ist der Metz-Rabatt für handverlesene Journalisten oder, man kann auch sagen: eine Subventionierung ausgesuchter Presseorgane durch Steuergeld, kaschiert über die Firma Hessen-Agentur. Das ist der skandalöse Tatbestand.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, die Arroganz der absoluten Mehrheit – wir hatten auch beim letzten Punkt davon die Rede –, gepaart mit dem Hochmut der stets Selbstgerechten und die längst unerträgliche Selbstherrlichkeit der selbst ernannten Nummer Eins zeigt sich wieder überdeutlich.Was hier gemacht wird, ist nicht nur rechts-, sondern nach klarer juristischer Beurteilung sogar verfassungswidrig. Bevor Sie, verehrte Kollegen Fachjuristen, jetzt wieder polemisieren, will ich Ihnen sagen: Das ist nicht mein Urteil, sondern steht in einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin, für die ganz Kundigen – der Justizminister gehört gerade leider nicht zu –: Aktenzeichen VG 27a 72/95.

Damals ging es in Berlin, der Regierende Bürgermeister gehörte Ihrer Partei an, um eine Reise zu den Pandabären nach China. Nach diesem Beschluss wie auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – verehrter Herr Staatsminister, für Sie nenne ich auch die Quelle –, BVerfG 80, 123 ff, gilt zu der aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz folgenden Neutralitätspflicht des Staates ein subjektives Abwehrrecht der Träger der Pressefreiheit – das sind die Presse selbst, die Journalisten und die Verlage – gegen die mit staatlichen Fördermaßnahmen etwa verbundene inhaltslenkende Wirkung sowie ein Anspruch auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb. Die Praxis einer unmittelbaren bzw.mittelbaren Finanzierung von Reisen von Journalisten ist damit offensichtlich rechtswidrig. Eine Übernahme gegebenenfalls auch zu teilen ist eine unmittelbare Subvention bestimmter Presseorgane und deshalb auch verfassungswidrig, weil der Anspruch auf Gleichbehandlung in wirtschaftlicher und in Hinsicht auf Informationsbeschaffung überhaupt nicht gewahrt werden kann.

Für eine Auswahlentscheidung in einem solchen Zusammenhang sind nämlich keine dem Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 genügenden Kriterien vorhanden. Es kommt weder die Bedeutung des Presseorgans noch der Verbreitungsgrad infrage, schon gar nicht politische oder sonstige Richtungen.Auch ein Losverfahren wäre rechtswidrig. Bei Presseorganen darf ein unterschiedlicher Zugang zu Informationsquellen seitens des Staates nicht ermöglicht werden.

Meine Damen und Herren von der CDU, dies alles hätten Sie wissen müssen. Sie hätten es auch beachten müssen. Ausflüchte, dass das nur in Berlin und nicht in Hessen gelte, können Sie getrost vergessen, denn wir streiten nicht darüber, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auch in den Ländern, also auch in Hessen, gelten. Das Gleiche gilt für den politischen Anstand. Der gilt ebenfalls über Ländergrenzen hinweg.Früher gab es ihn übrigens auch einmal in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Volker Hoff (CDU): Davon verstehen Sie nichts!)

Sie haben es nicht für nötig befunden, die klaren rechtlichen Verpflichtungen zu beachten – ein weiterer offenkundiger Beleg dafür, dass Ihnen Recht und Gesetz in Ihrer Selbstherrlichkeit völlig Wurst geworden ist. Früher hieß es bei Ihnen – ich erinnere mich an Auftritte des Kollegen und jetzigen Justizministers Wagner –: Law and order, ganz vorne Recht und Gesetz. Der kleinste Verstoß sollte unnachsichtig geahndet werden. Heute sind Rechtsverstöße bei der Regierung an der Tagesordnung. Ihre Parteigänger wie Rennclub-Paul und Ferrari-Wolski sollen im Notfall sicherstellen, dass Sie ungeschoren davonkommen.