Der Vorschlag, den wir dem Landtag unterbreiten, beruht auf einem Formulierungsvorschlag des Kasseler Regierungspräsidiums. Die Kasseler Stadtverordnetenversammlung wollte im letzten Jahr ihre Satzung in Bezug auf den Aufwendungsersatz der Stadtverordneten entsprechend ändern. Das war mit allen Fraktionen abgesprochen. Zu guter Letzt wurden allerdings rechtliche Bedenken erhoben, weil die Hessische Gemeindeordnung eine solche Regelung in der Satzung nicht zulasse.
Wir haben dann das, was die Regierungspräsidentin der Kasseler Stadtverordnetenversammlung vorgeschlagen hatte, im Wesentlichen als Gesetzestext übernommen und glauben, dass damit ein zustimmungsfähiger Beitrag zur Behindertenpolitik geleistet wird. Ich hoffe, dass alle Kasseler Stadtverordneten, die auch hier im Parlament sind, in ihren Fraktionen dafür werben, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Ich möchte an dieser Stelle auf zwei Gegenargumente eingehen, die in der Kasseler Debatte, z. B. in Leserbriefen, geäußert wurden. Zum einen wurde moniert, dass ein behinderter Stadtverordneter vor seiner Kandidatur schließlich wisse, was er selbst könne und wobei er Hilfe brauche. Wenn er das Mandat nicht ohne Hilfe ausüben könne, dann solle er doch besser erst gar nicht kandidieren. Das ist meines Erachtens ein etwas merkwürdiges Demokratieverständnis.Schließlich sollen die Parlamente nach meinem Dafürhalten ein Abbild der realen Gesellschaft sein. Dann gehören behinderte Menschen eben auch dazu.
Wenn die Mandatsträger Unterstützung brauchen, dann muss diese Unterstützung eben gewährleistet sein,wie das auch in anderen Bereichen des Lebens der Fall ist.
Ein zweiter Einwand war, hier solle ein Sonderrecht für Politiker geschaffen werden.Auch dies stimmt nicht. Spätestens seit der Verabschiedung des SGB IX, aber eigentlich auch schon früher, haben alle schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine so genannte Arbeitsassistenz, wenn sie darauf angewiesen sind. Das ist genau das, was wir hier fordern.Wenn ein blinder Mensch z. B. eine Vorlesekraft oder ein Rollstuhlnutzer Mobilitätshilfen in Zusammenhang mit der Wahrnehmung eines Arbeitsplatzes benötigt, dann kann das über die Integrationsämter in Form einer so genannten Arbeitsassistenz geleistet werden. Es geht also auch hier nicht um eine Besserstellung, sondern um eine Gleichstellung.
Naturgemäß können wir zu den Kosten unseres Vorschlags keine konkreten Angaben machen, weil nicht bekannt ist, wie groß der Personenkreis ist, der davon betroffen sein wird, und in welchem Umfang derartige Kosten entstehen. Meine Umfrage bei den mir bekannten betroffenen Stadtverordneten und sonstigen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern in Kassel und Marburg hat ergeben, dass aller Voraussicht nach ein monatlicher Betrag von 100 bis 300 c ausreichen sollte.
Ich bin auch offen für den Vorschlag von Herrn Holler, den ich in der Presse gelesen habe, dass man eine Ober
grenze einführen sollte.Auch das ist sicherlich diskutabel. Wenn man z. B. sagt, dass die pauschale Aufwandsentschädigung gleichzeitig die Obergrenze für die Entschädigung in konkreten Fällen betragen solle, dann ist auch das diskussionswürdig.
Ich denke, im europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung sollten wir wenigstens diesen kleinen Beitrag zur Gleichstellung behinderter Menschen leisten. Das schließt nicht aus, dass dann noch weitere folgen werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion sieht keinen Bedarf für eine gesetzliche Spezialregelung, wie von der Fraktion der GRÜNEN hier vorgetragen. Diesen Bedarf sehen wir vor allen Dingen deshalb nicht, weil die Frage an sich abschließend und vor allen Dingen auch hinreichend und erschöpfend gesetzlich geregelt ist.
Niemand darf gehindert werden, sich um ein Mandat als Gemeindevertreter zu bewerben, es anzunehmen oder es auszuüben....
stellt sicher, dass die Kommunen in die Lage versetzt sind, mögliche Behinderungen oder Benachteiligungen auf sächliche und auch finanzielle Art und Weise auszugleichen.
Herr Kollege Dr. Jürgens, insoweit wäre das sogar ein Rückschritt, was Sie vorschlagen. Sie schlagen vor, den § 27 zu erweitern, der eine rein finanzielle Abgeltung vorsieht. Ich denke, es ist richtig, so wie es jetzt allgemein geregelt ist, dass wir sächlich und finanziell ausgleichen können. Diese Regelung ist auch überflüssig. Wie Sie wissen, ist es uns sehr ernst damit, die Gesetzesflut, wo immer es geht, einzudämmen.Wir wollen sie nicht unnötig ausufern lassen.
Bisher sind Fälle, in denen schwerbehinderte Menschen als Gemeindevertreter durch die Kommunen benachteiligt worden wären, nicht bekannt geworden. Das ist ein Sachverhalt. Es gibt einen Fall in Kassel – Sie sprachen es selber an. Da ging es aber darum, ob man möglicherweise eine pauschale Aufwandsentschädigung festsetzt. Das wäre nicht in Ordnung gewesen, insofern wird sich auch die Stadtverordnetenversammlung in Kassel anderweitig zu behelfen wissen.
Nach dem Regierungsprogramm der Hessischen Landesregierung ist vorgesehen, in der laufenden Legislaturperiode ein Behindertengleichstellungsgesetz einzubringen und zu verabschieden. Wenn überhaupt, dann wäre im Rahmen dieses Gesetzesvorhabens zu prüfen, ob man da
etwa auch Spezialvorschriften für Gemeindevertreter und Landtagsabgeordnete aufnimmt.Auch für Landtagsabgeordnete gibt es keine Spezialvorschriften. Insofern wäre das ein Novum.
Andere Länder haben in ihren Gleichstellungsgesetzen keine Spezialvorschriften für behinderte Gemeindevertreter, überhaupt für behinderte Mandatsträger. Insoweit ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass dies im Rahmen dieses Gesetzesvorhabens mit abgehandelt wird, eher unwahrscheinlich.
Wir wollen uns natürlich der Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss nicht widersetzen. Wir vermuten, dass Sie dort eine Anhörung beantragen werden. Dann werden die Zuständigen, die Kommunalen Spitzenverbände, sehr deutlich zu sagen haben, was sie von einer solchen speziellen gesetzlichen Regelung halten.
Wir weisen darauf hin, dass wir als neues Prinzip in der Verfassung jetzt das Konnexitätsprinzip verankert haben. Da könnte natürlich der eine oder andere auf die Idee kommen – wer bestellt, bezahlt –, da hätten wir einen, der die Kosten trägt. Das ist sehr bedenklich.
Wir stimmen der Überweisung an den Innenausschuss zu, sehen aber aus heutiger Sicht keine großen Aussichten auf Verabschiedung dieses Gesetzes. – Danke schön.
Herr Präsident, sehr verehrten Damen und Herren! Herr Haselbach, eigentlich schade, dass Sie dem Gesetzentwurf so negativ gegenüberstehen. Inhaltlich ist dem Kollegen Dr. Jürgens eigentlich nur zuzustimmen. Es wäre ein positives Signal des Landtags, auch ein Signal an diejenigen, die Behinderungen haben, sich um ehrenamtliche Tätigkeiten zu bewerben – um solche handelt es sich, und es geht nicht um Landtags- oder Bundestagsabgeordnete –: Nehmt solche Mandate wahr, wo es Barrieren gibt, wollen wir sie abbauen.
Herr Kollege Walter,das war zunächst keine Bewertung, das war eine Feststellung, und die war freundlich.
Herr Kollege Hahn, Sie wissen ja, der Feind des Juristen ist ein guter Verwaltungsbeamter. – Juristen haben offensichtlich ein Problem erkannt, im Fall Kassel eine Entschädigungssatzung. Wir hätten vielleicht die Diskussion nicht, wenn wir das hätten pragmatisch lösen können, so wie es Kollege Dr. Jürgens gesagt hat.
Ich bin auch dafür,weniger gesetzliche Regelungen auf allen Ebenen zu machen. Der Minister hätte einen Erlass herausgeben können, in dem man ganz pragmatisch – wir reden alle von Bürokratieabbau – dieses Problem vor Ort gelöst hätte.
Hier geht es nicht darum, dass sich irgendjemand bereichert, Geld verdient oder möglicherweise noch Vorteile zieht, sondern ganz einfach jemanden hat, der ihm hilft oder die Möglichkeiten hat, andere Dinge abzubauen.
Von daher finde ich das Anliegen in der Sache mehr als berechtigt. Es wäre eigentlich schade, wenn man dieses Anliegen ablehnt und es auf spätere gesetzliche Regelungen verweist – wie Sie es gemacht haben.
Wir wollen, dass sich auch Behinderte ehrenamtlich engagieren. Deswegen sollten wir Barrieren dort, wo sie existieren, abbauen. Das wäre das positive Signal. Dort, wo es bürokratische Hemmnisse gibt, müssten sie abgebaut werden. Diese Möglichkeiten hat auch ein Minister durch einen Erlass.
Wenn das so geregelt werden könnte, dann wäre der Gesetzentwurf entbehrlich. Da das nicht gewollt ist, ist der Gesetzentwurf sachlich richtig und nachvollziehbar. Wir von der SPD-Fraktion können diesem Ansinnen nur zustimmen und unterstützen diese Gesetzesinitiative. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele im Raum wissen, dass ich Vater eines behinderten Kindes bin und dass ich weiß, dass es sehr schlecht ist, wenn man in der öffentlichen Diskussion Hürden aufbaut, die letztlich nicht übersprungen werden können.
Lieber Herr Kollege Dr.Jürgens,ich habe ein bisschen die Befürchtung, dass ihr Gesetzentwurf, der gut gemeint ist, mit einer schlechten Folge eingebracht worden ist. Wenn es denn wirklich so ist, dass es Barrieren gibt, dann müssen die abgebaut werden. Da werden Sie mich als Betroffenen sofort an Ihrer Seite finden.
Nur wenn es objektiv gesehen bisher offensichtlich keine Barrieren gibt oder wenn es sie tatsächlich in einem Fall einmal geben würde, wo sie verfassungswidrig gelöst wurden, dann muss der Fehler dort behoben werden, wo er passiert ist – aber nicht so, indem man einen Gesetzentwurf in den Hessischen Landtag einbringt und versucht, das Thema in einem Kontext zu gebrauchen,wozu es nicht gehört.
Ich sage das sehr betroffen,weil ich meine,dass wir gerade in der Behindertendiskussion mit offenem Visier die vielen, vielen Probleme bekämpfen müssen, die dort vorhanden sind; auch die vielen Benachteiligungen, die dort vorhanden sind.Aber dort, wo es objektiv gesehen nur einen einzigen Fall gibt, von dem ich sage, der ist verfassungswidrig gelöst worden, darf man diesen nicht dazu gebrauchen, um das Thema in einer anderen Art und Weise zu nutzen.
Wie Sie an meinem Beitrag merken, gehen wir wertfrei in die Anhörung. Wenn es denn richtig ist, dass es noch andere Fälle gibt, wenn es denn richtig ist, dass tatsächlich – wie es Herr Kollege Rudolph eben gesagt hat – Barrieren vorhanden wären, dann sind wir sicherlich dazu be
reit, einen weiteren Paragraphen oder einen weiteren Absatz in die Hessische Gemeindeordnung aufzunehmen. Ich hoffe, dass die Anhörung dieses nicht ergibt.
Denn das würde etwas über den Zustand unserer Gesellschaft und unserer Kommunalparlamente aussagen. Mir ist so etwas bisher auch nicht bekannt geworden, und Sie, Herr Kollege Jürgens, hätten es hier vorgetragen, wäre es Ihnen bekannt geworden.
Aus diesem Grunde sage ich: Das Thema ist viel zu wichtig, als dass wir die Diskussion nach dem Motto führen: Hier gibt es eine verfassungswidrige Entscheidung, und deshalb blasen wir dieses Thema auf.
Ich möchte die Luft herausnehmen und sage deshalb: ganz entspannt eine Anhörung im Innenausschuss des Hessischen Landtags.Das hat auch nichts damit zu tun,ob später einmal eine andere Gesetzesvorlage kommt oder nicht.Wir halten ganz entspannt eine Anhörung ab.Wenn wirklich Barrieren in einer größeren Zahl vorhanden sind, dann müssen diese weggerissen werden. Als Jurist hätte ich da einen Tipp. Wenn andere eine Dummheit gemacht haben – Herr Kollege Rudolph –, dann können clevere Juristen das wieder aushebeln.