Protocol of the Session on January 26, 2005

das sind gute Leute, die von der Praxis reden. Sie haben klar gesagt: Es ist nicht notwendig, sondern es ist hinderlich für eine kommunalpolitische Tätigkeit. Kommunen müssen die Möglichkeit haben, auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge zu arbeiten, aber auch sich weiterzuentwickeln.

Deswegen ist dieser Ansatz, die HGO zu ändern, völlig falsch. Er ist vor allem kommunalfeindlich und wird von uns daher konsequent abgelehnt.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben dann im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens in der letzten Sitzung des Innenausschusses, also kurz vor Toresschluss, einen sehr interessanten Antrag von der CDU und – hier war sie wieder keine Opposition, sondern heimliche Regierungspartei – von der FDP bekommen.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Hahn,vorhin waren Sie gut.Dann lobe ich Sie auch ausdrücklich. Das habe ich gemacht, dazu stehe ich. Der Änderungsantrag war nicht gut, deswegen kritisiere ich Sie an der Stelle.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Okay!)

Damit können auch Sie leben.

(Beifall bei der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sehr schwierig!)

Meine Damen und Herren, Sie haben einen Antrag zur Änderung der HGO eingebracht, nämlich dass sich zukünftig direkt Gewählte nicht mehr einer Entscheidung des Bürgers über die Abwahl zu stellen haben, wenn sie binnen einer Woche nach Beschluss der Vertretungskörperschaft schriftlich erklären, dass sie auf eine Entscheidung der Bürger über die Abwahl verzichten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese von Ihnen mit Ihrer Mehrheit verabschiedete Regelung ist höchst problematisch. Mit der Einführung der Direktwahl wurde den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben, ihren Bürgermeister direkt zu wählen. Bisher konnten auch nur die Bürgerinnen und Bürger letztlich einen Bürgermeister, Oberbürgermeister oder Landrat abwählen, wenn die Vertretungskörperschaft zweimal mit Zweidrittelmehr

heit den Antrag auf Abwahl gestellt hat. Es ist deswegen ein Systembruch, wenn nunmehr den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zur Abwahl genommen wird. Auf diese Weise werden die Rechte, die in einer Volksabstimmung hessischen Bürgerinnen und Bürgern gegeben wurden, untergraben. Dies ist falsch und rechtlich umstritten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es hat in Hessen auch schon Fälle gegeben, in denen die Bürgerinnen und Bürger gesagt haben:Wir stimmen dem Antrag der Vertretungskörperschaft auf Abwahl des Bürgermeisters nicht zu. – Das letzte aktuelle Beispiel war die Gemeinde Lollar im Landkreis Gießen. Diese Möglichkeit wird zukünftig genommen. Deswegen ist es falsch.

Schauen wir uns einmal die Landtagsprotokolle zur Einführung der Direktwahl von Kommunalpolitikern im Jahre 1990 an. Damals hat Herr Nassauer von der CDU – ich glaube, er war damals Fraktionsvorsitzender – in dieses Thema eingeführt. Er hat auch davon erzählt, dass die Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten ein Stück Distanz zwischen politischen Repräsentanten und den Bürgern überwinden würde, dass ein von der gesamten Bürgerschaft gewählter Bürgermeister eine gute Chance habe, Repräsentant aller Bürger zu sein, sodass es knappe Mehrheiten dann nicht mehr geben würde.

Wenn wir uns diese hehren Worte anhören, fragen wir uns:Warum nehmen Sie das nicht ernst? Wenn die Bürger einen Bürgermeister direkt wählen, können auch nur die Bürger einen Bürgermeister wieder abwählen. Alles andere ist unerträglich.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, warum machen Sie das in der dritten Lesung? In der letzten Sitzung des Innenausschusses – Vorbereitung der dritten Lesung im Plenum – haben Sie diesen Antrag eingebracht.Wollten Sie das en passant machen? Keiner soll das mitbekommen, weil es nicht in die politische Diskussion passt, in der nach Transparenz gerufen wird.

Die Bürgermeister, die Oberbürgermeister und die Landräte bilden damit eine Gruppe von hauptamtlichen Politikern, die Versorgungsansprüche erwerben, ohne dass ihre Tätigkeit einer Altersbegrenzung unterliegt. Das wird für die hessischen Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen in Zukunft teurer werden. Schon jetzt sagen direkt Gewählte nach sechs oder zwölf Jahren, sie hätten aus unterschiedlichen Gründen keine Lust mehr. Mit anrechenbaren Zeiten im öffentlichen Dienst kann man relativ schnell 40 oder 50 % der Versorgungsansprüche erwerben.

Das passt nicht in die heutige Diskussion, in der Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit gefordert werden. Deswegen vermuten wir an der Stelle, dass Sie klammheimlich vorgehen mussten, weil Sie nicht den Mut hatten, das in einem geordneten Gesetzgebungsverfahren zu machen. Aber dieser Versuch wird Ihnen misslingen. Er ist nämlich aufgefallen.

(Beifall bei der SPD)

Sie bauen damit Demokratierechte ab.Wir werden rechtlich prüfen müssen, ob das im Einklang mit den Vorschriften für die Direktwahl steht. Deswegen ist das falsch.

Aber man könnte sich wirklich Gedanken darüber machen, ob die HGO nicht an einer anderen Stelle refor

miert werden muss. Herr Innenminister, warum denken Sie nicht einmal darüber nach, dass die Wahlbeteiligung bei der Wahl von Landräten teilweise nur bei 30 % liegt? Wir müssten uns gemeinsam überlegen, ob man noch von einer demokratischen Legitimation sprechen kann.Wenn 30 % zur Wahl gehen und es ein knappes Wahlergebnis gibt, liegt eine Legitimation von 15,1 % der Wahlberechtigten vor. Darüber ließe sich trefflich streiten. Es gibt Bundesländer, wie z. B. Mecklenburg-Vorpommern, die Regelungen für den Fall getroffen haben, dass die Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang unter 50 % liegt. Herr Bouffier, es wäre sinnvoll, dazu Vorschläge zu machen, statt an anderen Regelungen der HGO herumzudoktern.

(Beifall bei der SPD)

Warum haben Sie nicht den Mut – wir haben entsprechende Anträge eingebracht –, die Elemente der direkten Demokratie zu verstärken? In Hessen sind die Quoren für Bürgerentscheide und Bürgerbegehren nach wie vor viel zu hoch. Andere Länder machen das besser. Warum haben wir nicht den Mut, die Quoren abzusenken? Auch das wäre ein Beitrag zu mehr Demokratie. Sie handeln in anderen Fällen genau entgegengesetzt: Sie bauen die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger ab. Das ist falsch.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Dass Sie von der CDU das nicht ernst nehmen, überrascht uns nicht weiter. Das ist die konsequente Fortsetzung Ihrer falschen Politik an dieser Stelle.

Wie sieht es aus? Wenn wir den hessischen Kommunen helfen wollen, brauchen wir Reformen. Insbesondere in den letzten Jahren hat sich die finanzielle Situation dramatisch verschlechtert. Änderungen wie die Aufnahme des Sports unter die Verfassungsziele nützen da nichts. Das ist alles wunderbar, klingt gut und ist auch ein hehres Ziel. Aber es nützt rein gar nichts, wenn die Kommunen ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können.

Schauen Sie sich die finanzielle Situation der Landkreise an. Übrigens haben die hessischen Landkreise bundesweit die schlechteste Finanzausstattung – um das einmal deutlich zu sagen. Wenn die Landkreise ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen können, gibt es Auflagen des Regierungspräsidiums, einer nachgeordneten Behörde des Innenministers. Auf die Städte und Gemeinden kommt dann eine erhöhte Kreisumlage zu. Die Bürgerinnen und Bürger müssen also letztlich dafür zahlen. Dort müssen wir ansetzen und helfen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Innenminister, Sie haben den hessischen Städten und Gemeinden in den letzten Jahren etliche Streichungen bei wichtigen Investitionsprogrammen zugemutet, sei es bei Abwassermaßnahmen, Alteneinrichtungen, Krankenhäusern oder Programmen der einfachen Stadterneuerung. Sie verlagern, etwa bei der Polizei, originäre Aufgaben der Landespolitik auf die Kommunen. Mit dem freiwilligen Polizeidienst ködern Sie die Kommunen. Gleichzeitig streichen Sie bei der Polizei 1.000 Stellen, und die Kommunen dürfen die freiwilligen Polizeihelfer auch noch bezahlen. Das sind Beispiele dafür, an welcher Stelle Sie Aufgaben auf Kosten der Städte und Gemeinden verlagern.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Antritt der Regierung Roland Koch 1999 hat es

300 Millionen c weniger für die Kinderbetreuung gegeben. 300 Millionen c weniger gibt es auf einem Feld, das existenziell wichtig ist. Dabei müsste dort mehr Geld investiert werden. Aber Sie kürzen bei den Kommunen. Im Haushalt 2005 kürzen Sie 92 Millionen c bei dem Kommunalen Finanzausgleich. Sie graben den Kommunen wirklich das Wasser ab,sodass sie nicht überleben können. Sie lassen ihnen keine Chance mehr. Die Verschuldung steigt – –

(Zuruf von der CDU:Totaler Quatsch! Blödsinn!)

Sehen Sie. Es mag ja sein, dass der eine oder andere Kollege von der CDU keine Erfahrung in der kommunalen Arbeit und Praxis hat. Das kann sein. Schauen Sie sich einmal die defizitären Haushalte an. Diese Situation wird durch eine völlig falsche Politik des Landes zulasten der hessischen Städte und Gemeinden verschärft. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Daher hätten wir wirklich einen Handlungsbedarf. Herr Innenminister, Sie sind auch der Kommunalminister. Sie hätten erklären müssen,wie wir die Finanzausstattung der hessischen Kommunen verbessern können. Stattdessen bringen Sie einen Gesetzentwurf ein, der die wirtschaftliche Betätigung einschränkt und die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen in vielen Bereichen weiter verschlechtert, mit der Konsequenz, dass die hessischen Bürgerinnen und Bürger darunter leiden. Das ist das Ergebnis der Politik, die Sie in den letzten Jahren betrieben haben. Die Bürgerinnen und Bürger zahlen die Zeche für eine völlig falsche Landespolitik.

Daher besteht hier ein Änderungs- und Handlungsbedarf, nicht aber bei der HGO und insbesondere nicht bei der wirtschaftlichen Betätigung.Als Interessenwalter der hessischen Kommunen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön,Herr Rudolph.– Frau Zeimetz-Lorz,Sie haben das Wort für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Rudolph, wir sind in der dritten Lesung des Gesetzentwurfs für ein Gesetz zur Änderung des Kommunalrechts. Sie haben sich bei allen drei Lesungen als Erster zu Wort gemeldet. Eines ist mir jedenfalls aufgefallen: Sie haben es geschafft, dreimal zu allem Möglichen zu reden, nur nicht zu dem Gesetzentwurf – jedenfalls größtenteils nicht.

(Lachen des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Sie haben dreimal die schlechte Finanzausstattung der Kommunen beklagt. Ich bin mir sicher: Alle hessischen Kommunen wissen, bei wem sie sich für ihre schlechte Finanzlage zu bedanken haben.

(Günter Rudolph (SPD): Bei Herrn Weimar!)

Das ist nicht die Hessische Landesregierung, sondern es heißt: Danke, Hans Eichel.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich kurz auf die Änderungsanträge eingehen. Die FDP-Fraktion möchte in ihrem Änderungsantrag die so genannte Eine-Person-Fraktion wieder einführen. Dem Antrag möchte die CDU-Fraktion nicht folgen; denn eine gesetzliche Gewährleistung für Eine-PersonFraktionen gibt es in keinem anderen Bundesland. Dabei spielt es keine Rolle, dass mittlerweile die meisten Flächenländer bei den Kommunalwahlen das Kumulieren und Panaschieren eingeführt haben.Selbst in Ländern mit einer FDP-Regierungsbeteiligung, wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, gibt es für Einzelkämpfer keine gesetzliche Gewährleistung des Fraktionsstatus.

Der FDP geht es mit ihrem Antrag offenbar darum, dass die fraktionslosen Einzelkämpfer auch künftig an der finanziellen Unterstützung der Fraktionen – insbesondere für die Öffentlichkeitsarbeit – aus den kommunalen Kassen teilhaben können. Dem ist entgegenzuhalten, dass fraktionslose Parlamentsabgeordnete verfassungsrechtlich keinen Anspruch auf eine finanzielle Gleichstellung mit den Fraktionen haben. Das OVG Münster hat vor einigen Monaten betont, dass über eine individuelle Ehrenamtsentschädigung hinausgehende Aufwendungen für fraktionslose Kommunalparlamentarier unzulässig sind, weil sie nicht den Koordinationsaufwand von Fraktionen haben.

Die FDP möchte auch eine weiter gehende Inkompatibilitätsregelung. Sie möchte künftig auch Bedienstete der Kommunalaufsicht, die nur eine mittelbare Aufsichtsfunktion über die betreffende Gemeinde ausüben, von der Ausübung eines kommunalen Mandats ausschließen. Das ist in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich geregelt. Eine weitgehende Inkompatibilitätsregelung, wie sie der FDP-Fraktion offensichtlich vorschwebt, existiert z.B.in Nordrhein-Westfalen.Auch in Bayern und Baden-Württemberg ist die Unvereinbarkeit nicht auf Beamte der unmittelbaren Rechtsaufsicht beschränkt. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen dagegen entspricht die Rechtslage der zurzeit in Hessen geltenden Regelung.