Meine Damen und Herren! Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Achtes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, Drucks. 16/2352: Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags der Fraktion der CDU, Drucks. 16/3170, in zweiter Lesung anzunehmen. Die geänderte Fassung des Gesetzentwurfs ist der Beschlussempfehlung als Anlage beigegeben.
Der Gesetzentwurf war dem Innenausschuss in der 38. Plenarsitzung am 15. Juni 2004 nach der ersten Lesung zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden. Der Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Drucks. 16/3019, wurde dem Innenausschuss am 15. November 2004 und der Änderungsantrag der Fraktion der CDU, Drucks. 16/3170, am 16. November 2004 vom Präsidenten überwiesen.
In ihren Sitzungen am 29. September 2004 haben der Innenausschuss und der Rechtsausschuss eine mündliche öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchgeführt.
Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 15. November 2004 beraten und mit den Stim
men der CDU und der FDP gegen die Stimmen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN beschlossen, dem federführenden Innenausschuss die Formulierung einer Beschlussempfehlung an das Plenum zu überlassen.
Zuvor war der Antrag der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, dem Innenausschuss vorzuschlagen, dem Plenum die Ablehnung des Gesetzentwurfs zu empfehlen, mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der FDP abgelehnt worden.
Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 17. November 2004 beraten und mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der FDP die oben wiedergegebene Beschlussempfehlung gefasst.
Zuvor wurde der Änderungsantrag der Fraktion der CDU, Drucks. 16/3170, mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der FDP angenommen.
Der Änderungsantrag der FDP,Drucks.16/3019,wurde zu Nr. 1 mit den Stimmen der CDU und der SPD gegen die Stimme der FDP bei Enthaltung des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, zu Nr. 2 mit den Stimmen der CDU und der SPD gegen die Stimmen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP, zu Nr. 3 mit den Stimmen der CDU und der SPD gegen die Stimme der FDP bei Enthaltung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und zu Nr. 4 mit den Stimmen der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme der FDP abgelehnt.
(Beifall bei der CDU und der Abg. Nicola Beer (FDP) – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das war authentisch vorgelesen!)
Herr Berichterstatter, ich bedanke mich für die Berichterstattung. Den Zuhörern möchte ich zur Information mitteilen: Bei Gesetzentwürfen dürfen wir nicht auf die Berichterstattung verzichten, das ist uns so vorgegeben. Aber da wir in diesem Jahr freitags noch keine Berichte gegeben haben, ist das heute ein bisschen kompliziert gewesen.
Zur Aussprache rufe ich den Kollegen Günter Rudolph – erste Wortmeldung –, SPD-Fraktion, auf. Die vereinbarte Redezeit je Fraktion sind zehn Minuten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Möller, das üben wir noch ein bisschen, dann wird es auch besser. Die Opposition ist natürlich vorbereitet, ganz klar.
Meine Damen und Herren, bereits im vergangenen Oktober hat die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Regelung des finalen Rettungsschusses im hessischen Polizeigesetz eingebracht. Mit dieser Gesetzesänderung wollen wir für die Polizeibeamten im Lande Hessen in einer der schwierigsten Situationen,in die sie geraten können,mehr Rechtssicherheit erreichen. Danach darf ein mit Sicherheit tödlich wirkender Schuss ausschließlich dann abgegeben werden, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.
Meine Damen und Herren, damit wird auch deutlich – und das ist auch die Absicht –, dass der Rettungsschuss unzulässig ist, wenn es andere, Erfolg versprechende Maßnahmen zur Rettung eines Opfers gibt.
Wir wollen aber auch ändern und sicherstellen, dass sich hessische Polizeibeamte nicht mehr – wie in der Vergangenheit – auf die allgemeinen Grundsätze der Nothilfe berufen müssen. Stattdessen wollen wir dafür eine präzise, unmissverständliche rechtliche Regelung haben. Klare Bestimmungen, die den Polizeibeamten in Extremsituationen Rechtssicherheit verschaffen, sind notwendig. Der gezielte Todesschuss darf nur das letzte Mittel sein, wenn Menschenleben nicht anders gerettet werden können.
Die hierzu durchgeführte Anhörung hat unsere Rechtsauffassung bestätigt. Deswegen ist es sinnvoll und richtig, unserem Antrag zuzustimmen. Die Landesregierung sieht es ähnlich und hat einen fast gleich lautenden Gesetzentwurf eingebracht.
Meine Damen und Herren, die weiteren im Polizeigesetz vorgesehenen Änderungen müssen kritisch betrachtet werden. Ob sie wirklich zu einer Verbesserung der inneren Sicherheit führen, ist zweifelhaft. Dabei befolgt die Landesregierung stets das gleiche Verfahren: Nach einer intellektuell eher schlichten Taktik werden zunächst Horrorszenarien aufgebaut, um die Bevölkerung ordentlich zu verunsichern. Einmal ist es die Angst vor Kfz-Diebstählen, ein anderes Mal die Angst davor, dass Kinder unter 14 Jahren Straftaten begehen könnten. In der Vergangenheit wurde auch regelmäßig das Schreckgespenst des Terrorismus oder die Gefahr von Straßenhandtaschenräubern sowie einreisenden Straftätern dargestellt – ohne dass es dafür sehr konkrete Anlässe in Hessen gegeben hätte. Der Hintergrund dessen ist: Man möchte in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen.
Meine Damen und Herren, Gleiches müssen wir beobachten, wenn die CDU wieder einmal die Ausweitung der Speicherung von DNA-Material von Männern fordert. Sie meinen – und auch das ist die Richtung des Innenministers –, mit immer mehr Technik die Welt immer sicherer machen zu können. Meine Damen und Herren, der Innenminister redet vom „modernsten Polizeigesetz in Hessen“. Dabei hat die Anhörung eines klar gemacht: Das modernste Polizeirecht muss bei weitem nicht das beste und effektivste Polizeirecht in der Bundesrepublik sein.
Die von der Landesregierung vorgesehene automatische Kennzeichenerfassung wirft eine Menge von Fragen auf. Zunächst stellt sie jeden Autofahrer unter Generalverdacht.
Seine Daten werden erhoben und zunächst zum Datenabgleich gespeichert. Erst wenn eine Negativmeldung erscheint, wird die Information zeitnah gelöscht.
Damit greifen Sie aber in die elementaren Rechte der Bürger ein, nämlich in das Recht der informationellen Selbstbestimmung.
Diese technische Kontrolle sämtlicher Fahrzeuge darf nicht dazu missbraucht werden, Bewegungsbilder völlig unbescholtener Bürgerinnen und Bürger zu erstellen.
Die zur Videoüberwachung der Kennzeichen vorgesehenen Regelungen im Polizeigesetz gehören auch nicht zu den originären Aufgaben der Gefahrenabwehr. Aber nur hierfür haben wir die Gesetzgebungskompetenz. Vielmehr geht es dabei um die Verfolgung von Straftaten, vor allem des Kfz-Diebstahls. Wenn das so ist, dann gehört eine solche Vorschrift nicht in das Polizeigesetz, sondern in die Strafprozessordnung – und das ist eindeutig Bundesrecht.
An dieser Stelle verweise ich auf den Sachverständigen Rechtsanwalt Roggan,der das in der Anhörung sehr deutlich gemacht und gesagt hat, eine solche Regelung verstoße gegen Art. 74 des Grundgesetzes.
Meine Damen und Herren, darüber hinaus bestehen bei dieser Regelung auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit erhebliche Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit. Für diese Ermächtigung gibt es nämlich überhaupt keine einschränkenden Vorraussetzungen. Sie ist demnach erlaubt, ohne dass es dabei irgendeine Notwendigkeit oder nachvollziehbare Veranlassung geben muss.
Nun wird niemand ernsthaft eine Überwachung aller öffentlichen Plätze in Hessen fordern. Aber die Häufung der Optionen, die damit ermöglicht wird, kann zum Einsatz eines Lesegerätes an jedem öffentlichem Ort in offener oder verdeckter Weise, stationär oder mobil führen. Damit wird jeder Autofahrer in Hessen überall der polizeilichen Beobachtung ausgesetzt. Das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird dadurch massiv beeinträchtigt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen ist das falsch.
Einerseits wollen Sie den Bürgern suggerieren, wir haben alles im Griff. Andererseits greifen Sie in die Rechte des Bürgers ein.
In eine ähnliche Richtung geht die Absicht der Landesregierung, eine DNA-Datei für nicht strafmündige Kinder unter 14 Jahren anzulegen. Nach unserer Auffassung ist das zunächst ein sehr populistischer Versuch, Kriminalität zu bekämpfen.
Bereits im Vorfeld, als die Gesetzesinitiative angekündigt wurde, haben auch unionsregierte Länder wie Niedersachsen und das Saarland deutlich gemacht, dass sie von solchen Datenbanken nichts halten und dafür keinen Bedarf sehen.Meine sehr verehrten Damen und Herren,Datenschützer haben sehr deutlich gemacht, dass die Erfassung strafunmündiger Kinder nichts mit Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung zu tun hat.
Meine Damen und Herren, auch das entspricht der Zielsetzung des Innenministers, durch das Sammeln möglichst vieler Daten zu suggerieren: Wir haben alles im Griff. – Dabei werden die über viele Jahrzehnte entwickelten und bewerten Abwehr- und Freiheitsrechte in Hessen immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Das ist mit der hessischen SPD nicht zu machen.
Meine Damen und Herren, schauen Sie sich doch die Kriminalstatistik an. In den letzten beiden Jahren zeigt sie einen Anstieg um 11 %.Wenn all Ihre Maßnahmen, wie Sie das bei der Rasterfahndung suggerieren, so toll wären, dann müssten Sie weitaus erfolgreicher sein.
Schauen Sie sich diese Zahlen an – ein Beleg dafür, dass Sie mit allein mehr Technik nicht Kriminalität bekämpfen können. Ich will das hier sehr deutlich sagen.