Protocol of the Session on May 8, 2003

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Privatisierungswahn hat zu einer Verzögerung um mindestens ein Jahr geführt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie haben doch gar nichts gemacht! – Gegenruf des Abg.Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Irmer, Luft holen! – Rüdiger Hermanns (CDU): Gut, dass wir einmal darüber gesprochen haben!)

Ich möchte Sie einmal daran erinnern, dass sich der Rechtsausschuss in einer umfassenden Anhörung mit diesem Thema beschäftigt hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Kernbereich der hoheitlichen Tätigkeiten in einer Justizvollzugsanstalt eben nicht privatisiert werden kann.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu bedurfte es keiner weiteren Arbeitsgruppe, die Sie dann eingesetzt haben und die Sie schließlich von Ihren verfassungswidrigen Plänen abgebracht hat. Umso sarkastischer ist es doch, dass Sie in einer Presseerklärung wieder einmal behaupten, die Regierung – das haben Sie eben auch selbst gesagt – sei seit Übernahme der Regierungsverantwortung mit Hochdruck an die Planung gegangen.

Pläne, die JVA in Schlüchtern zu realisieren, scheiterten also nicht zuletzt an Ihrem undiplomatischen Vorgehen, an den Bürgerprotesten – an die Sie sich alle sehr gut erinnern können –, an der Entsolidarisierung der örtlichen CDU und einer inzwischen erfolgreichen Klage der Stadt Schlüchtern gegen das Land Hessen.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Pleiten-Pech-und-Pannen-Story gipfelte dann in dem Köderangebot an willige Kommunen. Denen wurden 2,5 Millionen c nebst sonstiger Vergünstigungen angeboten. Selbst der damalige kleine Koalitionspartner FDP räumte in einer Presseerklärung vom 26.04.2001 ein, dass es sich hierbei um ein Geldgeschenk handelt, das die Standortfrage beschleunigen soll. Da half auch Ihr symbolträchtiger Spatenstich im Dezember letzten Jahres, kurz vor der Landtagswahl, nichts, um von Ihrem Scheitern abzulenken.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie verweisen immer darauf, dass in Ihrer Regierungsverantwortung z. B. in Kassel II Haftplätze entstanden sind. Aber Sie wissen selbst ganz genau, dass nur durch den Bau einer Justizvollzugsanstalt dieser Größenordnung mit 500 Haftplätzen, wie jetzt in Hünfeld geplant und irgendwann hoffentlich realisiert wird, der Überbelegung in diesem Lande abgeholfen werden kann.

(Rüdiger Hermanns (CDU): Jetzt kommt die Alternative!)

Mich wundert es überhaupt nicht, dass nach dem Gezetere jetzt das Vergabeverfahren vor dem OLG richtig überprüft werden muss.

Sie haben gesagt, es gebe keine nennenswerten Verzögerungen. Sie wissen doch ganz genau, wenn es ein gerichtliches Verfahren gibt, dass wir wahrscheinlich monatelang, vielleicht über ein Jahr, auf eine Entscheidung warten müssen.

(Zurufe von der CDU)

Natürlich kommt es dann zu Verzögerungen. Wir leben in einem Rechtsstaat. Jeder kann vor Gericht klagen. Aber dann zu sagen,es liefe alles nach Plan,ist wohl etwas vermessen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind gar nicht auf die Forderung der mittelständischen Unternehmen in der Region eingegangen, z. B. die Proteste der IHK Fulda, der Kreishandwerkerschaft Fulda, der Handwerkskammer Kassel. Sie sind nicht auf die Forderungen derer eingegangen, die gerade befürchten, dass sie nicht in genügendem Maße berücksichtigt werden.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Schauen Sie einmal in die Unterlagen der Ausschreibung!)

Sie haben nur formal dargelegt, die Betroffenen könnten sich in einer ARGE Bau zusammenschließen und sich sozusagen als Generalunternehmer um den Auftrag bewerben. Das war Ihre einzige Antwort, anstatt vielleicht einmal die Eignungskriterien zu überprüfen.

Dass es nun zum Prozess kommt, ist nicht verwunderlich und zeigt wieder einmal: Sie können es einfach nicht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Vorsitzende der FDPFraktion, Kollege Hahn.

Herr Präsident,sehr verehrte Damen und Herren! Ich will wieder back to the roots und als justizpolitischer bzw. justizvollzugspolitischer Sprecher meiner Fraktion hier einiges sagen.

Punkt eins. Ich weiß, jeden Montag vor der Plenarsitzung ist ein bisschen Aufregung bei Mitarbeitern, ein bisschen Aufregung in den Pressestellen, ein bisschen Aufregung bei den parlamentarischen Geschäftsführern und manchmal auch bei den Vorsitzenden

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da haben Sie bei sich aber Zustände!)

nach dem Motto: Was setzt man eigentlich als Aktuelle Stunde? – Diese Aufregung hat anscheinend bei den GRÜNEN dazu geführt, dass sie ganz hilflos die „Fuldaer Zeitung“ gelesen,dort einen Artikel gesehen und gemeint haben: Oh, Klasse, daraus machen wir eine Aktuelle Stunde. – Herr Kollege Vorsitzender, ich glaube, das war ein Flop.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach euren gestrigen Setzpunkten würde ich das nicht mehr so laut sagen!)

Das war ein Flop, über den ich mich aber sehr freue, weil er uns als Liberalen die Möglichkeit gibt, genau das zu dokumentieren, wie wir in dieser Legislaturperiode konstruktive Arbeit in diesem Parlament machen wollen.Das, was Sie hier abliefern,ist die Abteilung fundamentale Opposition,Schaum vor dem Mund,ohne sich mit dem Inhalt zu beschäftigen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir wollen es anders angehen, und das möchte ich jetzt auch tun.

(Beifall bei der FDP)

Punkt zwei. Herr Kollege Dr. Jürgens, ich darf daran erinnern, dass wir in der 14. Legislaturperiode hier eine sehr heftige Debatte – ich berichte ganz objektiv – über die Überbelegungssituation im hessischen Justizvollzug geführt haben.Allen Beteiligten war klar – auch dem damals amtierenden hessischen Justizminister von Plottnitz –, dass Haftplätze zu schaffen sind. Die Frage war nur, wo.

Da gab es ein Angebot, die Ayers-Kaserne in Butzbach, Pohl-Göns, Klein-Göns, Lich-Göns, wie auch immer dieser andere Teil genau heißt, zu nutzen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kirch-Göns!)

Kirch-Göns. Vielen Dank, Herr Kollege, danach habe ich eben gesucht.

Es war der damals amtierende Justizminister von Plottnitz, der nicht bereit war, die Diskussion vor Ort aufzunehmen, mit uns gemeinsam, unter anderem mit dem Butzbacher Abgeordneten Norbert Kartmann, dem Wetterauer Abgeordneten Jörg-Uwe Hahn und anderen vor Ort zu gehen, um dafür zu kämpfen, dass ein Teil der Ayers-Kaserne als Justizvollzugsanstalt zu nutzen ist.

Diese Chance ist objektiv vertan worden. Deshalb sage ich hier vollkommen entspannt: Der Justizminister hat Recht.

Zu Beginn der letzten Legislaturperiode hatten wir nichts vorliegen gehabt, aber auch gar nichts. Wir hatten einen Strohhalm – das ist der dritte Punkt –, und der hieß Schlüchtern. Ich darf die werten Kolleginnen und Kollegen von allen Fraktionen daran erinnern, dass es Debattenbeiträge nicht nur hier in diesem Hause, sondern auch vor Ort in Schlüchtern gegeben hat,wo aber auch alle Parteien, die im Landtag sitzen, zunächst für den Bau der Justizvollzugsanstalt in Schlüchtern gewesen sind. Das ist die schlichte, pure Wahrheit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Dann sind einige Ortsverbände ausgebüchst. Ich kann jetzt stolz behaupten,der der FDP war nicht dabei.Das ist aber reiner Zufall gewesen.

(Heiterkeit des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist reiner Zufall, dass er diesmal nicht dabei war.Aber die CDU ist ausgebüchst. Die SPD ist ausgebüchst. Die GRÜNEN sind ausgebüchst. Auf einmal gab es in Schlüchtern die Situation, angesichts derer man darüber streiten musste, ob es sinnvoll ist, diese Planung noch weiter streitig durchzuführen,oder ob es sinnvoll sein könnte, einen anderen Standort zu suchen. Dem Justizminister, Herrn Dr. Christean Wagner, vorzuwerfen, er habe dort etwas falsch gemacht, stellt schlicht und ergreifend eine Klitterung der Realität dar. Herr Kollege Dr. Jürgens, ich kann es auch anders sagen: Das ist die Unwahrheit.

Ich komme zum vierten Punkt. Ja, es gibt den Rechtsstaat. Das ist auch gut so. Frau Kollegin Hofmann, wir alle in diesem Haus sollten doch darüber glücklich sein, dass es die Möglichkeit für einen Menschen oder für eine Firma gibt, ein Verfahren anzustrengen, wenn sie in diesem Rechtsstaat meinen, nicht korrekt behandelt worden zu sein. Oder muss ich Ihren Beitrag so verstehen, dass Sie darüber unglücklich sind? Ich bin es jedenfalls nicht. Ich finde es gut, wie es ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Im Übrigen ist das kein mündliches Verfahren. Da muss nicht terminiert werden. Ich will das den Kollegen nur sagen. Ich habe als Anwalt an solchen Verfahren schon ein paarmal teilgenommen. Vergabeverfahren werden beim Oberlandesgericht bevorzugt und beschleunigt verhandelt. Denn sie sind ganz besonders wichtig. Ich darf daran erinnern: Bei dem bisher wichtigsten Vergabeverfahren, das vor Gericht kam, ging es um den Bau des neuen Flughafens in Berlin. Dort wurde vom Oberlandesgericht in Berlin innerhalb von sechs Wochen entschieden. Das ging dort übrigens zum Nachteil der öffentlichen Hand und damit auch zum Nachteil des Flughafen Frankfurts aus. Diese Thematik will ich jetzt aber beiseite lassen.

Der Rechtsstaat ist halt so organisiert, dass jemand, der meint, er sei nicht richtig behandelt worden, vor Gericht gehen kann. Das funktioniert auch gut so. Meine sehr verehrten Damen und Herren, alles, was Sie eben vorgetragen haben, ist deshalb objektiv nicht richtig. Ganz besonders objektiv falsch sind folgende Behauptungen.

Erstens. Es wird immer wieder behauptet, wir – denn die Liberalen gehörten in der letzten Legislaturperiode mit dazu – und die Union hätten einen Privatisierungswahn. Das ist falsch. Leider war von Ihrer Gruppe keiner mit in London. Es war Herr von Plottnitz, der diese Reise organisiert hatte. Wir haben eine vollkommen privat betriebene Justizvollzugsanstalt in Mittelengland besichtigt. Da gab es einen einzigen vom Staat beschäftigten Menschen.

Herr Kollege Hahn, Ihre fünf Minuten Redezeit nähern sich den sechs Minuten.

Herr Präsident,ich werde jetzt schnell schließen.– Wir haben bewusst eine Justizvollzugsanstalt besucht, in der es nur einen vom Staat angestellten Menschen gibt. Das fanden wir alle falsch. Das ist mit unserem deutschen Rechtssystem auch nicht zu vereinbaren.Wir waren uns aber alle darin einig gewesen, dass auch für die Justizvollzugsanstalten gelten muss,dass es dort nur so viel Staat wie nötig gibt. Auf der anderen Seite muss man nämlich sagen, dass eine Privatisierung dem Staat Geld spart.

Der Antrag auf Abhaltung dieser Aktuellen Stunde von den GRÜNEN wurde am Montag eilig gemacht und ist deshalb ein Flop. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank.– Das Wort hat Herr Kollege Gerling (Zeils- heim).