Protocol of the Session on May 8, 2003

Machen Sie Ihre Arbeit hier in Hessen, anstatt sich immer wieder mit dem Ministerpräsidenten in die Bundespolitik zu flüchten. Hier ist genug zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Jürgens. – Das war die erste Rede unseres Kollegen Dr. Jürgens. Dafür herzlichen Dank.Alles Gute für die Zukunft.

(Allgemeiner Beifall)

Nächster Redner, Herr Staatsminister Dr.Wagner.

(Jürgen Walter (SPD):Für die Fraktion oder als Minister, Herr Wagner?)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es richtig,wenn seitens der Regierung gleich zu dem, was die Antragsteller im Hinblick auf die Aktuelle Stunde ausgeführt haben, Stellung bezogen wird. Zunächst will ich jenseits aller Polemik und Unterstellungen in der Sache Folgendes festhalten: Auch wenn Sie es vielleicht nicht hören mögen, so ist es immer ganz gut, wenn wir von einem unbestreitbaren Sachverhalt ausgehen. Für Juristen ist das die notwendige Voraussetzung dafür, dass man anschließend zu einer gerechten Beurteilung kommt. Zuständig für die Vergabe der Bauleistung für die Justizvollzugsanstalt Hünfeld ist das Staatsbauamt in Fulda.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weimar ist schuld!)

Nach Ankauf eines geeigneten Grundstücks im September 2001 in Hünfeld wurden die Planungsarbeiten in Rekordzeit abgeschlossen.Vom Zeitpunkt der vertraglichen Verpflichtung des Generalplaners Ende des Jahres 2001 bis zur Ausschreibungsreife vergingen lediglich sieben Monate.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Staatsbauamt Fulda begann am gleichen Tag mit der Auswertung der Angebote.Auf die vorgegebenen Fristen, die ich gerade angesprochen habe, und das sich anschließende europaweite Vergabeverfahren hat die Hessische Landesregierung keinen Einfluss. Das ist gesetzliche Vorgabe. Trotz der sehr umfangreichen Bewerbungsunterlagen konnte bereits Anfang Februar 2003 und damit sechs Wochen vor Ende der geplanten Zuschlagsfrist dem zuständigen Finanzministerium durch das Staatsbauamt ein Vergabevorschlag unterbreitet werden, von dem das Justizressort in Kenntnis gesetzt wurde.

Mit Schreiben des Staatsbauamtes vom 10. Februar 2003 wurden die Bieter von der Vergabeentscheidung in Kenntnis gesetzt. Nach Mitteilung des Staatsbauamtes ist es zutreffend, dass der billigste Anbieter nicht den Zuschlag erhalten hat. Dies wurde damit begründet, dass das

Angebot wegen inhaltlicher Widersprüchlichkeit und Nichterfüllung der vorgegebenen Anforderungen von der Vergabe ausgeschlossen werden musste.

Meine Damen und Herren, das gibt es bei Vergabeverfahren immer wieder. Ich muss Ihnen ganz offen sagen, diesen Sachverhalt zum Aufhänger für eine Aktuelle Stunde zu nehmen, finde ich jedenfalls ziemlich gewagt.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Evelin Schön- hut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagt der Richtige!)

Der genannte Bieter hat am 19.02.2003 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der zuständigen Vergabekammer des Landes Hessen beantragt. Die Vergabekammer hat den Antrag des Bieters am 21. März 2003 als unbegründet zurückgewiesen. Wie mir mitgeteilt wurde, hat der Bieter hiergegen am 09.04.2003 das Rechtsmittel, nämlich sofortige Beschwerde,beim Oberlandesgericht in Frankfurt eingelegt. Eine Entscheidung des OLG in der Sache steht noch aus.

Dass unterlegene Bieter bei Projekten dieser Größenordnung von ihren Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch machen, ist überhaupt nicht unüblich.Wie Sie daraus nun eine politische Verantwortung des Justizministers herleiten wollen, ist mir – um es höflich zu sagen – nicht ersichtlich.

Die bestätigende Entscheidung der Vergabekammer belegt, dass offenbar gute Gründe für die Vergabeentscheidung der Staatsbauverwaltung vorliegen.Wir werden nun die Entscheidung des OLG abwarten. Die Terminierung obliegt dem zuständigen Vergabesenat. Im Hinblick auf eine üblicherweise im Vergabeverfahren zügig zu erwartende Entscheidung gehe ich davon aus, dass das Verfahren für den Fertigstellungstermin keine nennenswerten Verzögerungen mit sich bringt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was heißt das, „keine nennenswerten Verzögerungen“?)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch einige wenige Punkte im Hinblick auf das, was der Kollege Dr. Jürgens hier vorgetragen hat, anfügen.

Bitte sehen Sie mir nach, wenn ich nicht die Fußnote unterdrücken kann, dass ich angesichts der Tatsache, dass dies Ihre erste Rede war und Sie erst wenige Wochen im Landtag tätig sind, nicht mit der mir ansonsten eigenen Polemik zu Werke gehe, so wie ich mich gerne mit Herrn von Plottnitz auseinander gesetzt habe. Vielmehr versuche ich,bei Herrn Dr.Jürgens ein Stückchen dafür zu werben, dass er nicht selbst sozusagen Opfer der Propaganda der GRÜNEN der letzten Jahre wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Jürgens, Sie haben davon gesprochen, dass unsere Politik im Justizvollzug von Unsicherheiten gekennzeichnet sei. Da stehen Sie verhältnismäßig allein im Vergleich zum Bewusstsein der gesamten Bevölkerung im Lande Hessen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich finde es immer gut, wenn wir uns möglichst über unstreitige Sachverhalte verständigen können. Sie betreiben eine andere Justizvollzugspolitik, die Sie schon seit vielen Jahren verfolgen. Das müssen wir wechselseitig respektieren. Das ist in Ordnung. Darüber lassen Sie uns streiten.

Aber lassen Sie uns bitte nicht über klare Fakten streiten. In den vergangenen zehn Jahren hat es noch niemals so wenig Entweichungen und Ausbrüche gegeben wie unter der Regierung von CDU und FDP und jetzt von der CDU.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Jürgens, ich bin wirklich bereit – das möchte ich jetzt nicht als Überheblichkeit ausgelegt wissen –, Ihnen im Einzelnen nachzuweisen, dass die Überlegungen im Hinblick auf eine Privatisierung des Justizvollzugs nicht einen einzigen Tag Verzögerung mit sich gebracht haben. Ihr Parteifreund von Plottnitz ist in seiner Amtszeit nach England gefahren – das wissen Sie vielleicht noch nicht – –

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Oh!)

Sie wissen doch noch gar nicht,was ich sagen will.Hören Sie erst einmal zu.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Plottnitz ist immer schuld!)

Rupert von Plottnitz ist in seiner Amtszeit als Justizminister nach England gefahren – Jörg-Uwe Hahn und ich haben ihn begleiten dürfen – und hat sich über den dortigen hundertprozentig privatisierten Justizvollzug informiert. Man hätte erwarten können, dass er dann als Justizminister die entsprechenden Konsequenzen zieht und einmal rechtlich nachprüft, was in Deutschland möglich ist. Das hat er nicht gemacht.Das hat er mir überlassen.Wir haben parallel zu unseren Bemühungen nach der Suche eines Standortes – zu Schlüchtern sage ich gleich noch ein Wort – auch die rechtlichen Überprüfungen vorgenommen. Wir haben die entsprechenden planerischen Voraussetzungen schaffen müssen. Diese kann man schon abstrakt ohne Standort schaffen. Sie gehen die Ausstattung des Gefängnisses an, die Räumlichkeiten und dergleichen mehr.

In dieser Zeit ist parallel rechtsgutachterlich geprüft worden, was wir tun können. Dabei haben wir festgestellt, dass wir in Deutschland auf der Grundlage unseres Grundgesetzes und der übrigen Gesetze nur eine Teilprivatisierung durchführen können. Ich wäre wirklich dankbar,wenn wir das jetzt ein für allemal aus der Welt räumen würden. Es hat nicht einen einzigen Tag Verzögerung gegeben.

Ich habe Verständnis dafür, dass Sie diesen Sachverhalt noch nicht kennen konnten. Vielleicht können Sie sich jetzt mit mir darauf einigen, dass wir dieses Thema draußen lassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Es ist die Unwahrheit, was Sie sagen!)

Ich will Ihnen noch Folgendes sagen. Das sagte ich schon in der letzten Wahlperiode. Herr Dr. Jürgens, Sie befinden sich in guter Tradition, das macht Sie vielleicht innerhalb Ihrer Kollegenschaft etwas stärker.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was?)

Innerhalb seiner Fraktion wird er gestärkt, wenn er auf derselben Linie fährt, die Sie bisher auch gefahren sind – obwohl die Linie völlig falsch ist.

Sie monieren immer die Überbelegung. Verehrter Herr Dr. Jürgens, es war Ihr Parteifreund von Plottnitz, der ein Chaos hinterlassen hat.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

1.000 Plätze im geschlossenen Männervollzug fehlten.Wir haben in den letzten vier Jahren zusätzlich 500 Plätze geschaffen und die Überbelegung, die wir von Ihnen übernommen haben – nicht von Ihnen, Herr Dr. Jürgens, Sie konnten damals noch keine politische Verantwortung tragen, das war Ihr Kollege von Plottnitz –, von 25 % auf 17 % zurückgefahren.

Wir werden im Jahre 2005 die Justizvollzugsanstalt in Hünfeld einweihen können. Sie wissen außerdem vielleicht, dass wir gegenwärtig mit großer Energie daran arbeiten, die JVA Frankfurt I zu ersetzen. Das wären noch einmal weitere 500 Haftplätze.

Angesichts dieses Sachverhaltes möchte ich Ihnen zu erwägen geben, ob Sie richtig liegen, auch in den nächsten fünf Jahren dieses Thema immer wieder anzusprechen. Wir haben eine glänzende Bilanz.Wir stehen glänzend da. Hier haben die GRÜNEN erheblichen Erklärungsbedarf.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Staatsminister Wagner, vielen Dank. – Nächste Wortmeldung, Frau Kollegin Hofmann, SPD.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Justizminister Wagner, mich wundert einmal wieder umso mehr, mit welcher Arroganz Sie gestandenen Juristen und neuen Kollegen hier im Hessischen Landtag begegnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Uiuiui!)

Das steht Ihnen nicht gut an. Das sollten Sie künftig unterlassen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Sie selbst haben zu Beginn der letzten Legislaturperiode vollmundig erklärt – wohlgemerkt: der letzten Legislaturperiode –, dass Sie den Bau einer bezugsfertigen JVA realisieren und der Überbelegung in den Haftanstalten mit 1.000 fehlenden Haftplätzen begegnen wollen.Von da an hieß es wirklich nur noch: Pleiten, Pech und Pannen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)