Protocol of the Session on September 16, 2004

aber die Landesregierung verantwortlich. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die einzige konkrete Maßnahme – das war eine Forderung der Wirtschaft, wie Sie wissen – ist die Verringerung der Anzahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss. Ihre Zahl soll in den nächsten drei Jahren um ein Drittel gedrückt werden. Dieser Passus enthält ein effektives Controlling. Wir können wirklich nachprüfen, ob gerade diese Bewerberinnen und Bewerber besser in Lehrstellen zu vermitteln sind.

Was Sie allerdings in dem Zusammenhang geritten hat, die Berufsschulpflicht abschaffen zu wollen – die Kollegin Ypsilanti hat das bereits angesprochen –, erschließt sich mir nicht. Nachher passiert nämlich Folgendes: Ein bestimmtes Segment der Lehrstellenbewerberinnen und -bewerber steht dauerhaft auf der Straße,und es wird sehr schwer, sie überhaupt noch in eine Ausbildung zu vermitteln. Ich bin sehr gespannt, wie Sie das mit den Vertretern des Handwerks und auch der Industrie diskutieren werden. Ich finde, das ist eine große Katastrophe für die Generation, die im Moment aus dem Raster fällt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letzter Punkt. Wirklich peinlich wird es, wenn man sich anschaut, wozu sich die Landesregierung verpflichtet hat. Sie schreiben, dass Sie das im Jahr 2003 um 10 % gegenüber dem Vorjahr erhöhte Ausbildungsplatzniveau auch im Jahr 2004 und in den Folgejahren halten wollen.

(Zuruf von der SPD: Zynismus!)

Da mag es witzigerweise noch legitim sein, wenn der Kollege Boddenberg in einer Pressemitteilung – quasi präventiv beleidigt – schreibt, die Opposition mäkele bei dieser Frage nur herum. Trotzdem müssen wir feststellen, dass die Landesregierung die Zahl der Ausbildungsplätze seit dem Regierungsantritt kontinuierlich verringert hat. Das muss man hier einmal ganz laut sagen dürfen. 1998 lag die Ausbildungsleistung noch bei 904 Plätzen, im Jahr 2003 dagegen nur bei 835.

Liebe Frau Kollegin Schönhut-Keil, Sie müssen zum Abschluss kommen.

Ich bin in der Schlussrunde. – Das heißt, diese fortschrittliche Selbstverpflichtung ist eine Mogelpackung. Es hätte der Hessischen Landesregierung wirklich gut angestanden, diesen konkreten Punkt des nationalen Ausbildungspakts der Bundesregierung zu übernehmen und sich zu verpflichten, die Zahl der Lehrstellen jährlich um 20 % zu erhöhen. Aber dazu hatten Sie leider nicht die Kraft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank.– Das Wort hat der Kollege Michael Denzin, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 16. September ist es noch zu früh, um eine Bilanz dieses Ausbildungsjahres zu ziehen und die Zahl der Abschlüsse zu bewerten. Zu spät ist es dagegen für wesentliche Veränderungen, die man noch über die Politik beeinflussen könnte.

Außerdem beraten wir heute Mittag drei Anträge zu dem spezifisch hessischen Ausbildungspakt. Ich frage mich, warum wir dieses Thema zusätzlich in einer Aktuellen Stunde behandeln sollen.

(Beifall bei der FDP)

Die Debatte hat gezeigt,dass nichts Neues kommen kann. Inhaltlich bezog sie sich auf das, was wir heute Nachmittag bei der Diskussion über die drei Anträge zum Ausbildungspakt noch vor uns haben. Ansonsten gab es die üblichen Vorwürfe an die Landesregierung, die von einem ganz anderen Verständnis – aus meiner Sicht: Fehlverständnis – der Rolle der Politik herrühren. Sie haben wenig damit zu tun, ob Ministerpräsident Koch oder Ministerpräsident Eichel versucht haben, über Appelle hinaus mit Vertretern der Wirtschaft und der Gewerkschaften zu Vereinbarungen zu kommen und Ergebnisse zu erzielen. Ministerpräsident Eichel hat das genauso versucht wie Ministerpräsident Koch.

Interessant ist, dass sich keiner der bisherigen Redner mit den unmittelbar greifenden politischen Möglichkeiten im Hause des Wirtschaftsministers befasst hat.Auch hier gibt es nämlich sehr wenig Streit.Alle dem Wirtschaftsminister zur Verfügung stehenden Instrumentarien und die Haushaltsansätze in diesem Bereich gab es schon bei Herrn Klemm und Herrn Posch, und jetzt gibt es sie bei Herrn Rhiel. Dort wird gearbeitet. Das zeigt aber auch, wie eng begrenzt die Möglichkeiten der Politik in diesem Bereich sind.

(Beifall bei der FDP)

Daran zeigt sich aber auch das grundlegend andere Verständnis der SPD,Frau Ypsilanti,und der GRÜNEN,Frau Schönhut-Keil, von der Rolle, die die Politik hier spielt. Kollege Boddenberg hat das eben sehr deutlich gesagt.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr Verständnis wollen wir gar nicht!)

Ich warne davor, gegenüber der Öffentlichkeit und vor allem gegenüber den Betroffenen so zu tun, als könnten wir jedes Problem politisch lösen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Denzin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nicht in der Aktuellen Stunde, wenn ich nur fünf Minuten Redezeit habe. – Die Politik hat die unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten, die sich im Einzelplan 07 des Haushalts niederschlagen. Sie hat die Möglichkeit, direkt auszubilden und die Zahl der Ausbildungsplätze im Land zu vermehren. Generell ist es sicherlich richtig, dass wir Ausbildung auch dann fordern und vorantreiben, wenn wir keine Arbeitsplätze im Anschluss daran garantieren können, denn ein ausgebildeter Mensch befindet sich im

mer in einer besseren Situation und hat auch einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz.

(Beifall bei der FDP)

Wir wissen, dass der Ausbildungsnotstand im Wesentlichen zwei Gründe hat.Wie im letzten Jahr drängen auch in diesem und im nächsten Jahr zahlenmäßig starke Jahrgänge aus den Schulen auf den Ausbildungsmarkt.Wir haben eine über Jahre hinweg stagnierende, zum Teil retardierende Wirtschaft. Bei fünf Minuten Redezeit will ich hier nicht über die Ursachen streiten. Das ist die aktuelle Situation.

Innerhalb eines Jahres kann man darauf reagieren, indem man die Ausbildungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung ausweitet. Aber die öffentliche Verwaltung – das ist eine ähnliche Diskussion wie in Bezug auf den ersten und den zweiten Arbeitsmarkt – kann nicht auf Dauer strukturelle oder grundlegend falsch laufende gesellschaftliche Entwicklungen auffangen.

Wesentlich ist, dass die Politik indirekt gefordert wird. Hier treffen wir auf all die Versäumnisse der letzten fünf oder sechs Jahre – meinetwegen sogar zehn Jahre – im Bund. Wir rühren aber durchaus auch an politische Versäumnisse in diesem Land,

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

nämlich an die grundlegenden Weichenstellungen in der Strukturpolitik, an all das, was wir leider Gottes als wirtschaftspolitisches Versagen bezeichnen müssen.

Hier müssen wir ansetzen. Hier stellt die Politik die Weichen. Dann brauchen wir die ganzen Reparaturdiskussionen überhaupt nicht zu führen, denn letztlich sind die, die in das Berufsleben eintreten, für das verantwortlich, was sie anstreben und was sie aus ihrem Leben machen wollen,wie die Wirtschaft dafür verantwortlich ist,wie sie sich entwickelt und wo sie Schwerpunkte setzt,und wie die Politik letztlich für die Rahmenbedingungen verantwortlich ist. Die müssen wieder in Ordnung gebracht werden. Das ist das A und das O.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Denzin. – Das Wort hat der Wirtschaftsminister, Herr Staatsminister Dr. Rhiel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Abg. Denzin dafür dankbar, dass er die Debatte zu ihrem Kern geführt hat. Die Debatte in der Aktuellen Stunde zu den Themen Ausbildungsplatzsituation und Hartz IV hat deutlich gemacht, dass die Schwierigkeiten, die wir hier diskutieren, die in unserem Land herrschen, eine zentrale Quelle haben: Es sind das Zurückfallen der Wirtschaftskraft der Bundesrepublik Deutschland, der Wachstumsstillstand und, dadurch ausgelöst, der Anstieg der Zahl der Arbeitslosen auf Rekordhöhe, und schließlich die Ausbildungssituation.

Wir haben aufgrund einer verfehlten Politik im Bund eben nicht die Kraft, dass wir in den Zeiten, wo besonders viele junge Menschen auf den Ausbildungsmarkt drängen, die Wünsche sofort befriedigen können. Das macht folgende Zahl deutlich. Wir haben in Hessen in diesem Jahr

nochmals einen Anstieg der Zahl der Bewerber um 4,8 % auf insgesamt 47.300.

Die schwierige wirtschaftliche Lage, aber auch die Kampagne von SPD und GRÜNEN zu Beginn dieses Jahres gegen die Unternehmen haben ein Übriges getan, dass in den Anfangsmonaten des Jahres 2004 die Bereitschaft der Wirtschaft, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, gesunken ist.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Das ist doch billig!)

Sie tragen die Verantwortung für diese Situation, und zwar aufgrund der von Ihnen angezettelten Diskussion um die Ausbildungsplatzabgabe.

(Beifall bei der CDU)

Gott sei Dank haben Sie Einsicht gezeigt und dieses Instrument zunächst einmal in den Schrank gestellt. Nun sind wir auf dem richtigen Weg, nämlich dem der gemeinsamen Verantwortung von Politik und Wirtschaft. Deswegen müssen wir für die Ausbildungszusagen der Wirtschaft dankbar sein, für ihre Bereitschaft, gerade auch in Hessen die festgeschriebenen Ziele mit allen Kräften zu unterstützen.

Ich will die wichtigsten Ziele nennen: Schaffung von 3.000 zusätzlichen Ausbildungsstellen durch die Wirtschaft, davon 2.000 Stellen im Bereich der Kammern – IHKs und Handwerkskammern – und 1.000 Stellen in den sonstigen Betrieben, sowie die Bereitstellung von 1.500 qualifizierten Praktikantenplätzen in den Betrieben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird deutlich, dass die Unternehmen sehr wohl bereit sind, zu helfen und ihren sozialpolitischen und gesellschaftlichen Pflichten nachzukommen.Wir erleben aber auf der anderen Seite die wirtschaftliche Not und die Perspektivlosigkeit vieler Betriebe. Drittens kommt die Qualität der Schulabschlüsse hinzu, für die die Landespolitik in der Tat Verantwortung trägt, eine Verantwortung, die langfristig angelegt ist.

Ich will nur ein Beispiel nennen, ein Beispiel, das die Aussagen von Rot-Grün Lügen straft, es würden keine zusätzlichen kreativen Maßnahmen umgesetzt: die Summer School in Wiesbaden, in Wetzlar, in Frankfurt und in Kassel. Rund 100 junge Menschen, die im Hinblick auf ihre Ausbildungsfähigkeit Defizite haben – die es nicht zulassen, dass ein Ausbildungsvertrag unterschrieben werden konnte –,haben einen zweimonatigen Kurs absolviert,der durch das Land Hessen und die Wirtschaft finanziert wurde. Diese jungen Leute – ich gebe Ihnen die Empfehlung, einmal dort hinzugehen und mit ihnen zu sprechen – haben gezeigt, dass sie es schaffen, unmittelbar danach einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Andere haben einen Praktikumsplatz bekommen. Nach diesem Praktikum werden sie unmittelbar in eine Ausbildung gehen. Deswegen ist es wichtig, dass wir alle Instrumente nutzen, auch das Instrument der Praktika.

Eines ist deutlich geworden: In der Summer School muss das profiliert werden, bei dem gerade die Hauptschüler unter Defiziten leiden, nämlich die Kernkompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik. Das zeigt, dass die amtierende Landesregierung das einzig Richtige gemacht hat, nämlich die Fehlentwicklungen an den Hauptschulen zu korrigieren, die unter Rot-Grün eingeläutet und umgesetzt worden sind.Die Hauptschulen müssen wieder mehr Niveau bekommen. Die Hauptschulen brauchen Messlatten. Hauptschulabschlüsse sind dann wieder Zertifikate, die den Betrieben signalisieren,dass die jungen Menschen

sehr wohl die Kompetenzen haben, die momentan in vielen Fällen noch nicht ausreichend vorhanden sind.

(Beifall bei der CDU)

Herr Staatsminister, die zwischen den Fraktionen vereinbarte Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss, weil wir heute Nachmittag noch Gelegenheit haben, darüber im Einzelnen zu sprechen.

Auch die Hessische Landesregierung hat in ihrer Eigenschaft als Ausbilder vor zwei Jahren nicht nur die Quoten erhöht, sondern sie wird auch die absolute Zahl der Ausbildungsplätze aufrechterhalten. Das bedeutet allein schon deshalb eine Erhöhung der Quote,weil die Zahl der im öffentlichen Dienst des Landes Hessen Beschäftigten sinkt. Die Landesregierung hat ein Übriges getan. Sie hat in den Ausbildungsgängen, wo junge Menschen später auch außerhalb der öffentlichen Verwaltung einen Arbeitsplatz finden können, die Zahl der Ausbildungsstellen zweimal um 10 %, also um insgesamt 20 %, gesteigert. Das ist die Wirklichkeit. Wir unterlassen nichts, was wir mit unseren finanziellen Mitteln tun können, damit der Ausbildungspakt umgesetzt wird.