Die verfehlte Politik, die stattfindet, findet hier in Wiesbaden und im Land Hessen statt.Meine Damen und Herren, diese Debatte und das, was die Regierungsseite vorgetragen hat, entlarvt die Verlogenheit Ihrer Politik.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Herr Kollege Kaufmann, es war eine Gratwanderung mit dem „Blödsinn“. Wenn es den Kollegen Hahn nicht so amüsiert hätte, hätte ich intervenieren müssen. Ich bitte, ein bisschen darauf zu achten.
Dieser Antrag soll an den Innenausschuss, federführend, und an den Sozialpolitischen Ausschuss und den Rechtsausschuss, beteiligt, überwiesen werden. Ist das so? – Dann ist das so beschlossen.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen – Drucks. 16/2469 –
Herr Präsident,meine Damen und Herren! Wenn denn jemand in diesem Haus noch nicht verstanden hat, wie Umlagesysteme funktionieren und wie man sie ramponieren kann, dann sehen wir hier ein Lehrstück in dieser Frage.
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die hessischen Vertragsärzte ein gruppensolidarisches Konzept der Altersversorgung geschaffen, indem sie beschlossen haben, einen bestimmten Anteil ihres Honorars für die Altersversorgung nicht mehr berufstätiger Kassenärzte abzugeben. Man kann sich darüber streiten, ob solche gruppenspezifischen Systeme sinnvoll sind. Sie haben, wie man heute sieht, ihre Probleme. Es hat aber eine ganze Weile funktioniert.
Was ist jetzt passiert? Durch ein Gesetz des Bundes – mit Zustimmung des Bundesrats, darunter auch des Landes Hessen – sind Regelungen getroffen worden, die den Kassenärztlichen Vereinigungen einen Teil der Mittel, die sie bislang verteilt haben, entziehen. Das ist richtig so. Wir wollen mehr Wettbewerb zwischen den Anbietern. Wir wollen auch mehr Direktverträge zwischen Krankenkassen und Ärzten. In dieser Frage gab es einen breiten Konsens.
Aber die hessenspezifische Regelung der Versorgung von Menschen, die heute bereits im Ruhestand sind, über einen prozentualen Anteil eines Honorartopfes funktioniert nicht mehr, wenn wir diesen Topf per Gesetz, also quasi artifiziell – nämlich durch Bundesrecht mit Zustimmung des Landes Hessen –, verkleinern. Das Problem ist seit längerem virulent. Die Kassenärztliche Vereinigung hat sich in regelmäßigen Abständen mit der Bitte an die Landesregierung gewandt, man möge einen Rahmen schaffen, innerhalb dessen sie das Problem allein lösen
Welche Antwort bekommt sie? Die Ärzteschaft sei im Rahmen ihrer Selbstverwaltung gefordert, schreibt der Ministerpräsident. Aber über Maßnahmen, die gesetzlicher Grundlagen bedürfen, kann man nicht im Rahmen der Selbstverwaltung entscheiden. Dafür braucht man den Gesetzgeber.
Die Frau Ministerin wird deutlicher. Zum einen sei man selbst schuld, führt sie aus, denn hätte man sich seinerzeit dem Versorgungswerk angeschlossen, wäre das Problem nicht entstanden. Im Übrigen solle man bitte selbst darüber entscheiden. Anschließend würde die von der Selbstverwaltung getroffene Entscheidung geprüft. Das heißt, es würde geprüft, ob eine nicht auf legalem Weg getroffene Entscheidung der KV durch den Gesetzgeber nachträglich zu legitimieren sei. Mit Verlaub, das ist eine Köpenickiade: Die mögen doch machen, dann gucken wir auch. Aber sie können nichts machen, weil wir nichts getan haben.
An der Stelle muss man sagen: Man muss die KV nicht wirklich lieben,um zu sehen,dass wahrlich niemand einen solch herablassenden Umgang, wie ihn die Landesregierung mit der KV pflegt, verdient hat.
Die KV hat ein Problem. Sie möchte es lösen. Sie hat einen ordentlichen Lösungsvorschlag. Sie braucht eine gesetzgeberische Voraussetzung, die einen Rahmen schafft, und es ist die Aufgabe des Gesetzgebers,einen Rahmen zu schaffen. Lassen Sie uns diesen Rahmen schaffen und es gut sein. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Erweiterte Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung ist seit vielen Jahren ein Diskussionspunkt innerhalb der KV. Sie war schon oft der Gegenstand Kleiner Anfragen in diesem Haus. Hessen – darauf hat der Kollege Dr. Spies schon hingewiesen – hat als einziges Bundesland diese Form der zusätzlichen Altersversicherung, die noch aus dem Jahr 1954 stammt. Als 1968 das Versorgungswerk der Landesärztekammer gegründet wurde, war nach meinem Kenntnisstand Hessen das einzige Bundesland – in den anderen Bundesländern gibt es all das nicht mehr –, in dem es hieß: Wir wollen weiter an unserer EHV festhalten.
Bereits 1968, als das Versorgungswerk gegründet wurde, waren die möglichen Probleme des Umlageverfahrens bekannt. Damals wäre eine Umstellung der Umlagefinanzierung von der EHV auf ein kapitalgedecktes Verfahren noch möglich gewesen. Nur, damals hat die ärztliche Selbstverwaltung in Hessen, auf ihre Satzungsautonomie hinweisend, ganz klar gesagt, sie wolle weiter an dem Umlageverfahren als Finanzierungsgrundlage für die Erweiterte Honorarverteilung festhalten.
Herr Kollege Dr. Spies, Sie schreiben in dem zweiten Absatz Ihres Gesetzentwurfs, der die Problemdarstellung enthält:
Durch die mit Zustimmung des Landes Hessen getroffene Änderung der Vergütung ambulanter Leistungen werden in Zukunft zunehmend Teile der Gesamtvergütung über einzelvertragliche Regelungen zwischen Ärzten und Krankenkassen unter Umgehung der Kassenärztlichen Vereinigung erfolgen.
Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie eben offen ausgesprochen haben, dass es diese Bundesregierung war, die das GMG – ich verschweige nicht: auch mit Zustimmung des Landes Hessen im Bundesrat – am 1. Januar dieses Jahres in Kraft gesetzt hat.
Der Aspekt, den Sie ansprechen, ist explizit in § 140a genannt. Demzufolge ist die Teilnahme der Kassenärztlichen Vereinigung an Einzelverträgen ausdrücklich ausgeschlossen. Das ist ein Gesetz aus Berlin. Es stammt von dieser Bundesregierung. Ich denke auch, dass einzelne Vertragsärzte weder durch das Land Hessen noch durch die Satzungsregelung der KV verpflichtet werden können, Honorare, die sie für ihre vertragsärztlichen Leistungen erhalten haben, an die KV Hessen abzugeben.
Das Problem bei der KV ist die Frage, ob sowohl die inaktiven Vertragsärzte,also die EHV-Bezieher,als auch die aktiven Vertragsärzte,also die EHV-Zahler,als Solidargemeinschaft diese Form der Alterssicherung weiter mittragen möchten. Hier ist die Ärzteschaft ganz klar gefordert, im Rahmen der Selbstverwaltung nach Lösungen zu suchen und – jetzt kommt ein ganz entscheidender Hinweis – für diese Lösungen in den dafür zuständigen Gremien Mehrheiten zu finden.Das ist der springende Punkt.Dazu muss ich sagen: Die KV muss ihre Mehrheit schon selbst suchen. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ist festzustellen: Es erfreut einen, dass der Kollege Dr. Spies hier zum Verteidiger der KV Hessen aufgestiegen ist. Vielen Dank. Das ist eine sehr löbliche Entwicklung,Herr Dr.Spies.Es war ja zu vernehmen,dass Sie der KV in der Vergangenheit nicht immer so positiv gegenüberstanden.
Für die FDP ist an dieser Stelle klar – ich glaube, das ist unter den Fraktionen in diesem Haus unstreitig –, dass die Altersversorgung, wie sie die KV Hessen für ihre Ärzte betreibt, eine sinnvolle Einrichtung ist.
Wir haben gerade über Umlagefinanzierung oder Kapitaldeckung gesprochen. Das ist aber überhaupt nicht die Frage, die hier thematisiert werden muss. Konkret geht es um die Frage, ob die KV Hessen aufgrund der durch das GMG vorgenommenen Änderungen – dabei geht es um die Tatsache, dass die Krankenkassen mit den Ärzten mittlerweile Direktverträge abschließen können – ihre EHV-Kalkulierung überhaupt noch in der Form aufrechterhalten kann, wie sie jetzt existiert.
Die Landesregierung nimmt in ihrer Antwort folgendermaßen dazu Stellung. Die KV könne das im Rahmen ihrer Selbstbestimmung regeln. Dafür gebe es § 8. Der § 8
schaffe alle Voraussetzungen dafür,dass eine Regelung im Rahmen der Selbstverwaltung möglich sei.Es geht um die konkrete Frage, ob das jetzige Gesetz ausreicht.
Die SPD hat einen Gesetzentwurf vorgelegt,der nach Ansicht der KV und, wie ich glaube, auch nach Ansicht der FDP – das werde ich gleich noch begründen – die Möglichkeit dafür schafft, dass das überhaupt geregelt werden kann. Es geht, wie gesagt, darum, ob das jetzige Gesetz ausreicht oder ob wir weiter gehende Regelungen treffen müssen.
Allerdings erfüllt § 8 KVHG nicht die Anforderungen an hinreichende inhaltliche Vorgaben für gesetzliche Ermächtigungen zur Schaffung autonomen Satzungsrechts, welches das Bundesverfassungsgericht aus dem Demokratieprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet hat.
Er zitiert den Wesentlichkeitsgrundsatz und thematisiert dann noch die Frage, inwieweit man sich hier überhaupt mit dem Umlage- oder dem Kapitaldeckungsverfahren beschäftigen solle.
Frau Ministerin,es geht genau um diesen Paragraphen.Es stellt sich die Frage, ob die Landesregierung sagt: „Wir müssen diesen Paragraphen ändern“, oder ob sie erklärt: „Um das zu regeln, reicht dieser Paragraph als Ermächtigungsgrundlage aus.“
Herr Prof. Ebsen schlägt hier vor, dass die Landesregierung im Wege der abstrakten Normenkontrolle die Verfassungsmäßigkeit von § 8 überprüft.Ich denke,das ist der richtige Weg.
Meine Damen und Herren, wenn es denn wirklich so sein sollte, dass § 8 nicht verfassungsgemäß ist, dann hat die Landesregierung meines Erachtens die Pflicht, das zu klären. Dann wäre die Gesetzesvorlage der SPD die richtige Variante. Sollte das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle feststellen, dass § 8 verfassungsgemäß ist, würde sich ein Handlungsbedarf nicht ergeben. Dann wäre alles in Ordnung. Aber sich jetzt hierhin zu stellen, Frau Oppermann, und zu sagen, es gebe überhaupt keinen Handlungsbedarf, und ein Gutachten von Herrn Prof. Ebsen hier völlig wegzuwischen, ist sicherlich nicht der richtige Weg, um mit diesem Problem umzugehen.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen: Es ist ein seltener Moment, dass Herr Dr. Spies und ich einer Meinung sind. Der Handlungsbedarf an dieser Stelle lässt sich aber nicht wegdiskutieren. Wir erwarten von der Landesregierung an dieser Stelle, dass sie verantwortungsvoll mit dieser Thematik umgeht und das Problem nicht einfach negiert. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es haben sich gerade erstaunliche Koalitionen aufgetan. Aus Sicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gibt es angesichts des Gesetzentwurfs der SPD erheblichen Beratungsbedarf. Es ist schon angeführt worden – zum Teil von Frau Oppermann –, wie die jetzige Gesetzeslage ist. Ich denke, man wird noch sehen, ob die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eine Aufgabe der Landesregierung ist. Heute sollten wir über den Entwurf der SPD reden.
Da ich die vierte Rednerin bin, brauche ich Ihnen nicht noch einmal über die Geschichte zu berichten: über die Gründung der Erweiterten Honorarverteilung im Jahre 1953 und über die Etablierung des Versorgungswerkes in Hessen im Jahr 1968. Das ist alles schon gemacht worden. Das einzig Erstaunliche war, dass Herr Rentsch meinte, dass das Umlageverfahren in der Erweiterten Honorarverteilung nicht das eigentliche Hauptproblem sei. Natürlich ist das Umlageverfahren das Hauptproblem. Deswegen hat die KV in Hessen ein demographisches Problem. Deswegen wird dieses Problem seit mehreren Jahrzehnten diskutiert. Wir hoffen, dass es dafür irgendwann eine Lösung gibt.
Meine Damen und Herren, man weiß, dass es in der KV Hessen einen Generationenkampf gibt und dass aufgrund dieser Auseinandersetzung eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden ist. Es liegen Gutachten vor, die Vorschläge machen. Diese haben meiner Meinung nach alle das Problem, dass sie noch sehr systemimmanent sind. Meiner Meinung nach ist das ein Problem, mit dem man sich zwar befassen muss. Ob aber der Gesetzentwurf der SPD dafür geeignet ist, bin ich mir nicht so sicher. Wie gesagt, das sollten wir im Ausschuss bereden.