Protocol of the Session on July 14, 2004

Die wissen doch genau, wie unterschiedlich die Aussagen der Sozialdemokraten in Berlin sind und wie die prakti

sche Politik ist.Deshalb können Sie doch tun,was Sie wollen.Mit diesen 10 oder 15 Punkten – meinetwegen auch 45 Punkten, das ist vollkommen Wurscht –, die Sie vorgelegt haben, werden Sie in diesem Lande keinen Deut weiterkommen.Vielmehr müssen Sie an die Arbeit herangehen, den Haushalt mit uns zu sanieren und zu sagen,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit uns? – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

wo Einsparungen möglich sind, wo Verkauf möglich ist, damit weniger Schulden aufgenommen werden können. Lassen Sie mich das noch einmal andersherum sagen: Die Menschen wollen nicht, dass Sie Steuergelder ausgeben. Sie wollen aber schon gar nicht, dass Sie Steuergelder für Schuldenmacherei ausgeben. Das ist eine ineffiziente Art von Steuerzahlung.

(Beifall bei der FDP)

Die Menschen können mit ihrem Geld selbst besser umgehen. Wenn wir hier – das ist unser Vorwurf an die Regierung Koch, an die absolute Mehrheit der CDU in diesem Hause – einen verfassungswidrigen Haushalt vorlegen, dann ist das der Kritik würdig, aber doch nicht zu ersetzen durch das, Herr Kollege Rudolph von den Sozialdemokraten und Herr Kollege Al-Wazir, was Sie hier vorgetragen haben.

Ja, wir Liberalen haben es schon ein paarmal in den letzten Wochen und Monaten gesagt: Es gibt einen Unterschied in der Politik zwischen der Zeit von 1999 bis 2003 und jetzt. Bei der inneren Sicherheit – ich bin Ihnen dankbar, Frau Oppermann, dass Sie das vorgetragen haben – sind alle diejenigen Dinge, die positiv für die Polizei sind, in den Jahren von 1999 bis 2003 geschehen. Herr Innenminister, ich freue mich sogar, wenn Ihre Staatssekretärin am 9. Juli verkündet, dass die 2001 gestartete Ausbildungsoffensive der Landesregierung – damals Koalition von CDU und FDP – nunmehr erfolgreich ist und dass 520 Polizeianwärter aus der Ausbildung herauskommen. – Das sind die Früchte einer vernünftigen Arbeit,die wir gemeinsam angelegt haben. Ich appelliere an Sie von der CDU: Machen Sie sie jetzt weiter.

(Beifall bei der FDP)

Dazu haben Sie jetzt noch dreieinhalb Jahre die Verantwortung in diesem Lande.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind gerne bereit, uns über Inhalte zu streiten. Wir sind aber nicht gerne bereit, uns mit Placeboanträgen auseinander zu setzen, die ausschließlich die grottenschlechte Politik kaschieren sollen, die Rot und Grün in Berlin machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das machen wir im Reichstag, nicht im Landtag.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Lautenschläger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke schon, es wird Zeit, dass Rot und Grün auch in der Realität ankommen. Man könnte tatsächlich meinen, es wäre ein Problem eines ausgeglichenen Haushalts, und es gehe

nur noch darum, mehr auszugeben, der ausgeglichene Haushalt würde schon vorliegen.

Natürlich ist es für alle Ebenen, ob Kommunen, Länder, Bund, aufgrund der verfehlten Politik – das kann Ihnen leider niemand ersparen – in Berlin ein Problem, die Haushalte überhaupt noch ausgeglichen bzw.verfassungsgemäß zu halten. Wir müssen uns genau miteinander anschauen, was wir im vergangenen Jahr gemacht haben. Wir haben eine klare Botschaft gebracht und haben Schwerpunkte gesetzt.

(Günter Rudolph (SPD):Alles kaputtgemacht!)

Ich sage Ihnen ganz deutlich, dass es auch in meinem Bereich nicht einfach war, rund 30 Millionen c einzusparen.

(Zuruf von der SPD:Ohne mit der Wimper zu zuk- ken!)

Meine Damen und Herren, wir haben Schwerpunkte gesetzt, und wir haben vor allem an diesen Schwerpunkten deutlich gemacht, dass es uns um eine Zukunftsperspektive geht, im Gegensatz zu dem, was Sie auch auf der Berliner Bühne vollziehen.Denn wir haben den Schwerpunkt sowohl bei der Schule, bei der Kinderbetreuung, bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, beim Ausbildungsplatzprogramm gelegt. All das spielt in diesem Haushalt nach wie vor eine genauso wichtige Rolle, wie es im Vorfeld gespielt hat. Wenn ich dann immer wieder von Ihrer Seite höre, wo Probleme vorhanden sind, dann sage ich Ihnen: Sicher gibt es auch in der Schuldnerberatung Wartezeiten,aber erstens gab es das auch vorher,und zweitens nimmt das zu, wenn Sie immer mehr Arbeitslose und keinerlei Wirtschaftswachstum mehr produzieren und die entscheidenden Reformen auf der Berliner Seite nicht voranbringen.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer blockiert die denn? Das ist nicht zu fassen!)

Natürlich ist Gewaltschutz für Frauen nach wie vor ganz wichtig. Nach wie vor ist es ein Thema, das Priorität genießt, trotz Kürzungen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Oh Gott, was ist dann mit den armen Themen, die keine Priorität genießen?)

Frau Fuhrmann, Sie bringen dann immer Beispiele. Ich habe es Ihnen im Ausschuss schon gesagt, wie z. B. im Vogelsbergkreis die Zusammenarbeit zwischen Interventionsstelle und Polizei funktioniert, dass es bisher keinerlei Probleme bei der Unterbringung gab, dass die Frauen, die sich gemeldet haben, sogar zwischen unterschiedlichen Frauenhäusern wählen konnten, in die sie hätten gehen können, weil es nach wie vor mit Plätzen funktioniert.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist wirklich zu viel!)

Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Sie hatten sofort jemanden, den ihnen hilft, der ihnen eine Wohnung vermittelt bzw. einen Platz in einem Frauenhaus sichergestellt hat. All das sind Punkte, bei denen deutlich wird, dass es mit Augenmaß geschehen ist, auch wenn es schwierige Situationen im vergangenen Jahr waren.

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Kollege Al-Wazir, ich finde es schon spannend, wenn Sie hier über das Thema sozialer Frieden sprechen. Ich finde es spannend, wenn ausgerechnet Sie über das Thema soziale Gerechtigkeit sprechen.Was machen Sie denn auf der Berliner Seite für Reformen? Wo stehen die Sozialdemokraten

hier in Hessen bzw. in Berlin? Was ist denn der Kurs, der die Menschen tagtäglich verunsichert, wo keiner weiß, in welche Richtung die Reformen noch gehen werden? Seien Sie doch froh,dass wir Sie bei dem Thema von heute Morgen, den Hartz-Reformen, unterstützt haben. Sonst hätten Sie nicht einmal diese Punkte schultern können, noch nicht einmal mit den von Ihnen regierten Ländern. Auch das will ich dazu sagen.Auch in Ländern wie Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, wo Sie Mitverantwortung als Regierung tragen, haben Sie nicht den Mut und die Kraft, Reformen nach vorne zu bringen.

Das ist die eigentliche Frage, wenn wir über soziale Gerechtigkeit sprechen.Das hat etwas mit Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft zu tun. Das hat etwas damit zu tun, in Kinder und in Jugendliche zu investieren, wie wir es mit Schule, Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Bildung von Anfang an und all diesen Punkten machen. Aber es hat natürlich auch etwas damit zu tun, ob Menschen das Steuersystem, das Sie im Moment in Berlin verantworten, überhaupt noch als gerecht empfinden können, wenn Sie dort Ihre Reformen tatsächlich umsetzen würden.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wenn Sie da nur Seifenblasen ablassen,kann nichts passieren!)

Ich glaube nach wie vor,wir sind in Hessen genau auf dem richtigen Weg, weil es darum geht, für die Zukunft zu planen, z. B. auch beim Thema Kommunalisierung. Dort vereinbaren wir, wie eine Zielplanung aussieht. Dort sprechen wir sowohl mit Liga als auch mit Kommunalen Spitzenverbänden, wollen feste Budgets über einen längeren Zeitraum vereinbaren. Wir wissen genau, es ist natürlich schöner, mehr Geld ausgeben zu können.Aber wir haben in dieser Politik eine Verlässlichkeit. Wir haben eine Verlässlichkeit, wenn wir über kommunale Budgets, Zielvereinbarungen und Steuerungen sprechen.

Das ist der Weg, um den es geht, um dort Strukturen ordentlich aufrechtzuerhalten und sie nicht mit Ihren Maßnahmen verfehlter Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik in Berlin zu zerstören. Hier versuchen wir gegenzusteuern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das werden wir auch in Zukunft tun. Das werden wir vor allem in den Bereichen innere Sicherheit,Bildung,Schule, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Arbeitsplätze machen. Aber es gehört natürlich dazu, dass die Arbeitsmarktreformen aufgegriffen werden und Sie die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft nicht weiter aufs Spiel setzen und vor allem nicht hier das eine sprechen, in Berlin genau das Gegenteil tun und dann so tun,als hätten Sie damit nichts zu tun. – Das ist aus meiner Sicht Heuchelei. Da gehe ich lieber einen geradlinigen Weg.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Kollegin Fuhrmann, SPD-Fraktion.

(Frank Gotthardt (CDU): Das ist jetzt aber eine soziale Härte!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine so grottenschlechte Sozialministerin hat das Land Hessen noch nie gehabt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Unverschämtheit!)

Frau Sozialministerin, wie um Himmels willen erkennen die Frauenhäuser und Notrufe in diesem Land, dass sie einer Ihrer Schwerpunkte sind? Ich frage Sie wirklich:Wie?

(Günter Rudolph (SPD): Das ist der Gipfel der Unverschämtheit!)

Wenn Sie sagen, Sie haben mit Augenmaß gekürzt, dann kann ich Ihnen nur sagen: Sie sind mit der Planierraupe kreuz und quer durch Hessen gefahren und haben alles kurz und klein geschlagen mit Ihren Kürzungen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen ein paar Punkte nennen. Drogenberatung, psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen im Kreis Gießen sind nur noch zu 75 % vorhanden. Das heißt, die Prävention entfällt, niederschwellige Angebote entfallen. Beratungsstelle für Straffällige, Verein zur Betreuung Straffälliger wurden auf null gesetzt.

Vorbeugung, Sucht und Drogen: 25 % weniger. Ich gehe weiter nach Hersfeld-Rotenburg, Jugend- und Drogenberatung: 300 Menschen weniger, die dort betreut werden können; Präventionsfachstelle: 200 Betroffene; psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle: 100 Betroffene.

Wir gehen in den Werra-Meißner-Kreis. Präventionsfachstelle und Drogenberatung: Stundenreduzierung in Aussicht. Das heißt, es wird sowohl an Kindertagesstätten als auch an Schulen keinerlei Prävention mehr geben. Das ist ein Versündigen an der Zukunft dieser jungen Menschen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir gehen in die Stadt Darmstadt. Dort gab es Schulsozialarbeit, die ist auf null gestellt. Es ist wirklich unsäglich, was Sie hier zum Thema Frauenhaus und Vogelsbergkreis gesagt haben.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist das Allerletzte!)

Da ist jetzt ein Modellprojekt, das von der Landesregierung neu gefördert wird. Sie haben sechs Frauenhäuser in Hessen auf null gestellt, und Sie haben in allen anderen die Mittel mit dem Rasenmäher gekürzt. Dann machen Sie ein Modellprojektchen, das so aussieht, dass eine Mitarbeiterin bei der Verwaltung mit dem Handy erreichbar ist. Die Überprüfung hat ergeben: Abends und nachts läuft der Anrufbeantworter. – Tolles Projekt, kann ich dazu nur sagen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es wirklich zynisch,wenn Sie hier sagen,es sei einer Ihrer Schwerpunkte. Das ist peinlich. Prävention, Aids- und Drogenberatung finden nicht mehr statt. Das ist eine verantwortungslose Politik. Aus diesem Grund kann ich zu Recht sagen: eine grottenschlechte Sozialministerin.