Ein Zweites, zum Thema Chaos. Diese Aktuelle Stunde hat den klangvollen Namen „Gebührenchaos an den Hochschulen“. Beim Wort „Chaos“ hat man naiv die Vorstellung, das sei etwas, das zufällig vom Himmel falle. Hier ist es mitnichten so. Einige Fächer – darunter die Mathematik – setzen sich mit der Chaosforschung auseinander.
Danach ist Chaos in der Tat etwas, das – durch einen bestimmten Vorgang induziert – in der Folge etwas sehr Planvolles generiert. Dazu möchte ich etwas sagen. Denn ich bin der Auffassung, dass das, was Sie mit dieser Studentensteuer hier in Hessen getan haben, etwas sehr Planvolles ist.
Erstens. Mit dieser Studentensteuer haben Sie in der Tat ein Chaos erzeugt und bewusst – das haben Sie auch vielfältig zugegeben – auf die Sanierung Ihres Haushalts hingewirkt. Das war das Ziel dieser Aktion – nicht Steuerung an der Hochschule, nicht irgendetwas Konstruktives.
Das Schlimme – das haben meine Vorrednerinnen auch herausgearbeitet – dabei ist, dass Sie den Hochschulen den Gebühreneinzug übertragen. Dann, wenn die Hochschulen damit verantwortungsvoll umgehen, müssen sie trotzdem diese Studentensteuer aus ihren eigenen Mitteln herausschneiden. Das halte ich für einen Skandal, den Sie nach meiner Ansicht hier erzeugt haben.
Das Zweite hängt damit zusammen. Sie haben den Hochschulpakt natürlich gebrochen. Mit der Studentensteuer haben Sie den Bestandsschutz – und damit ein elementares Rechtsgut der Studenten – verletzt.
Herr Corts, das möchte ich von Ihnen als Jurist einmal bewertet haben: Sie werden sehen, dass Sie an diesem Punkt juristisch erheblich auf die Nase fallen werden.
Ich möchte noch einmal untermauern, was Frau Kollegin Sorge sagte. Auch an der Universität, an der ich studiert habe, hat sich vor vielen Jahren ein Verein für in Not geratene Studierende gegründet. Zunächst waren es einige wenige Fälle, denen über die Klippe einer kurzen finanziellen Notlage geholfen werden musste.Mittlerweile sind bei diesem Verein so viele Anfragen angekommen, dass sie überhaupt nicht mehr zu bewältigen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,wie können Sie es dann verantworten, dass Sie wissentlich – das ist ein Prozess, und das nennt sich Chaos – und billigend in Kauf nehmen, dass durch Ihre Maßnahmen die Anzahl der Studierenden in Hessen rapide zurückgegangen ist? In Frankfurt ist das in der Tat am massivsten. Und dann reden Sie noch immer davon, dass Hessen ein Bildungsstandort sein soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht akzeptabel. Das ist eine Wortverdreherei. Mit diesem Gesetz, mit der Studierendensteuer haben Sie eine neue Qualität der Zerstörung des Bildungsstandortes Hessens in die Wege geleitet. Das nehmen wir Ihnen übel, und das nehmen Ihnen auch die Studierenden in Hessen übel. Dagegen werden wir in geeigneter Weise vorgehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich all dies zusammenfasse, dann muss ich denen, die diese Studentensteuer unterstützen, sagen, dass sie sich in diesem Zusammenhang – hier greife ich ein Wort des Innenministers von gestern auf – tatsächlich pharisäerhaft verhalten. Das ist ein übler Vorgang, und der muss auch so benannt werden. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage mich, worüber wir heute eigentlich diskutieren. Letztendlich sind das die Gefechte von gestern, die heute nochmals durchdiskutiert werden, nichts anderes.
Liebe Frau Sorge, insbesondere über die GRÜNEN wundere ich mich. Wenn ich die Zeitungen richtig lese, dann philosophiert Ihr Landesvorsitzender nicht über Langzeitgebühren, sondern tatsächlich über richtige Gebühren für Studenten.
Wie passt das zusammen, was Sie hier vortragen und was Ihr Landesvorsitzender Berninger erzählt? Meines Erachtens passt das nicht zusammen.
Sogar die Marburger Presse hat ihre Aktuelle Stunde von heute in einer kleinen Glosse aufgenommen. An Ihrer Stelle hätte ich den Antrag dann zurückgezogen. Die Presse hat deutlich gemacht, dass das Problem – beispielsweise in Marburg – letztendlich längst überholt ist. Denn am 5. Mai sind jene 400 Bescheide korrigiert worden, die von dort fehlerhaft ergangen sind. Das waren aber nicht 400 verschiedene Fehler, sondern es war ein Eingabefehler. Dabei ging es um die Karenzzeit, und der Fehler war zugunsten der Studenten. Das ist korrigiert worden. Wir haben heute den 13. Mai. Das ist also acht Tage her. Das nennen Sie Aktuelle Stunde? Ich bitte Sie.
Im Übrigen möchte ich wirklich die Gelegenheit wahrnehmen, mich hier vor dem Landtag bei zwei Personenkreisen zu bedanken. Das sind erstens die Beamtinnen und Beamten des Ministeriums, die dieses Gesetz so zügig vorbereitet haben, dass es in Kraft treten konnte. Zweitens sind das die Universitäten: für die Umsetzung dieses Gesetzes. Das ist nicht selbstverständlich, das weiß ich. Wir haben da auch eine Menge Dampf gemacht, aber das war notwendig.
Wenn ich in die Nachbarländer schaue und die ihre Abbrecherquoten und Ähnliches diskutieren: Schauen Sie sich doch einmal an, welche Zahlen in Nordrhein-Westfalen hochgerechnet werden. Es war richtig, dass wir diese Gebühren gleichzeitig mit Nordrhein-Westfalen eingeführt haben. Wenn ich es richtig weiß, wird NordrheinWestfalen von Rot-Grün geführt und regiert – wenn man so will.
Wie viele wurden dort abgebaut? 50.000 Studenten.Wenn wir unser Gesetz nicht eingeführt hätten, wären die alle nach Hessen gekommen. So aber bleiben sie in Nordrhein-Westfalen.
Ich weiß, Sie hören das natürlich nicht gerne. Aber die Fehlerquote, die wir hochrechnen – Frau Kühne-Hör
mann hat etwas dazu gesagt –, ist sehr gering. Fehler gibt es bei der Umsetzung neuer Gesetze und DV-Systeme immer. Soweit wir das beurteilen können, liegt die Quote hier bei unter 3 %. Darüber wollen Sie ein Lied singen? Stellen Sie sich doch einmal folgendes vor: Toll Collect, die Maut hätte funktioniert – auf Bundesebene haben Sie das immer noch nicht geschafft –, und die Einnahmen daraus würden endlich die Zusagen von Frau Bulmahn erhärten, dass dieses Geld in die Bildungspolitik geht. Wir würden überhaupt nicht mehr über Langzeitstudiengebühren sprechen und diskutieren. – Das sind Beispiele, über die wir in einer Aktuellen Stunde sprechen könnten, denn das ist das Desaster.
Es ist richtig, Fehler haben stattgefunden. Aber das ist normal.Trotzdem bedanke ich mich bei den Beamten für die Umsetzung.
In Berlin aber ist ein echter Schaden in der Größenordnung von Hunderten Millionen Euro durch das Versagen von Rot-Grün entstanden, Mittel, die ohne weiteres in die Bildungspolitik hätten fließen können. Das ist bedauerlich, und das sollte man an dieser Stelle immer wieder sagen.
Gar nicht sprechen will ich von Rheinland-Pfalz – wenn ich die FDP einbeziehe.Auch dort wurden Gebühren eingeführt. Es gibt jetzt nicht Wählerwanderungen, sondern Studentenwanderungen nach Mainz, aber in einem Semester werden die dann wahrscheinlich weiterwandern.
(Zuruf der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP) – Nicola Beer (FDP): Die machen das aber intelligenter! Die haben Bildungsgutscheine eingeführt!)
Ich glaube, inhaltlich ist dieses Gesetz in den letzten Monaten ausreichend diskutiert worden. Es ist akzeptiert worden.
In der letzten Woche hatte ich noch eine Hochschulleitertagung, und da war das überhaupt kein Thema mehr.
(Nicola Beer (FDP): Wer zahlt denn nachher die Zeche? – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP):Es geht doch um ein Haushaltsloch! – Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Sie wissen alle, wie eloquent die Hochschulleiter sind. Es ist gelaufen. – Ich bedanke mich sehr herzlich.
Zum Tagesordnungspunkt 69 gibt es keine Wortmeldungen mehr. Damit ist auch diese Aktuelle Stunde abgehalten.
Meine Damen und Herren, bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, weise ich darauf hin, dass zu
Tagesordnungspunkt 27 an Sie ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP verteilt worden ist, Drucks. 16/2273 zu Drucks. 16/2189, betreffend Innovationszentrum für Nanotechnologie.