Protocol of the Session on May 13, 2004

Nachdem viele Menschen in Deutschland den Tierschutz mit öffentlichen Initiativen so vorangebracht haben, dass keine Regierung ihm mehr ausweichen konnte,wurde viel getan. Ich glaube, wir sollten den Menschen danken, die dafür gesorgt haben, dass der Tierschutz einen solchen Stellenwert hat, und die Folgewirkungen relativieren.

Ich will aber auf den Grundkonflikt zu sprechen kommen. Wir haben in der Zivilisation eine Entwicklung, die in den letzten 200 Jahren schrittweise dafür gesorgt hat, dass ein Satz, der vorher galt, nämlich dass der, der schutzlos ist, der nicht selbst reden kann, keine Rechte hat, Schritt für Schritt abgebaut worden ist. Der Fortschritt der Zivilisation hat Schritt für Schritt Schutzlosen zu eigenen Rechten verholfen, logischerweise den Menschen zuerst. Sie können sich daran erinnern, wie es war mit der Vormundschaft in Deutschland, dass zunächst Vormundschaften eingerichtet wurden, dass Menschen über andere mitentschieden haben, die schutzlos waren und nicht für sich selbst eintreten konnten. Als deutlich wurde, dass das nicht ausreicht, wurde der zweite Schritt gegangen. Es wurden eigene Rechte, auch für Kinder, eingerichtet. Das heißt, Kinder können heute selbst klagen.

Diese Entwicklung hat in den letzten 20 Jahren einen weiteren Schritt gemacht. Man hat die Erkenntnis gewonnen, dass der Mensch nicht alleine ist.Wer die Formulierungen in der Hessischen und in der Bundesverfassung vergleicht, wird feststellen, dass dort ein Prozess zu sehen ist. Die einen schützen noch die Lebensgrundlagen des Menschen, die anderen die Lebensgrundlagen an sich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auch das ist eine Entwicklung, und zu dieser Entwicklung gehört auch, dass man die Schutzrechte Schritt für Schritt ausbaut. Das erste Schutzrecht für die Natur war die Naturschutzverwaltung. Das zweite Schutzrecht ist die Klagemöglichkeit für diejenigen, die sich dafür engagieren, das Verbandsklagerecht für Naturschützer. Jetzt stehen wir an einem Punkt, wo das Schutzrecht erneut ausgeweitet wird,nämlich von der Natur an sich auf den Tierschutz. Erneut wird der Schutz in die Hände derer gelegt, die sich engagieren. Frau Lannert, an dieser Stelle sollten Sie von der Staatsfixierung Abstand nehmen.

(Beifall der Abg. Dr. Judith Pauly-Bender (SPD))

Denn im Kern sagen wir, dass zur Verbesserung des Tierschutzes nicht immer mehr Inspektoren eingesetzt werden sollen, die dafür sorgen, dass der Tierschutz auch eingehalten wird. In einer Gesellschaft, in der der Tierschutz eine solche Rolle einnimmt, sorgen wir vielmehr dafür, dass über den Kernbestand staatliche Inspektoren wachen und für die Einzelfälle, die diese Inspektoren nicht aufdecken können, die Engagierten die Schutzfunktion übernehmen. Dann müssen sie aber auch ein Mittel an die Hand bekommen. Statt die Staatsausgaben für Inspektoren zu erhöhen, setzen wir darauf, dass die Engagierten per Verbandsklage das geeignete Mittel in die Hand bekommen. Das sorgt für mehr Tierschutz, und das sorgt dafür, dass sich das Engagement direkt umsetzt und nicht davon abhängig ist, wie das politische Geschehen dieses Engagement beurteilt. Insofern tun wir etwas für Bürgerengagement und Tierschutz gleichzeitig. Daher werden wir dem Antrag der GRÜNEN zustimmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Heinrich Heidel, FDP-Fraktion.

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der uns vorliegende Antrag vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände wird von der FDP-Fraktion abgelehnt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich werde das noch begründen.Als Erstes will ich ein Beispiel bringen, wie die Verbandsklage ad absurdum geführt werden kann. Bei der A 44, Umfahrung Hessisch Lichtenau, klagte der NABU gegen die Nordumgehung, der BUND gegen die Südumgehung. – So etwas darf beim Verbandsklagerecht nicht sein. Deshalb brauchen wir beim Tierschutz erst recht kein Verbandsklagerecht; denn der Tierschutz – das haben wir alle unterstützt – ist jetzt im Grundgesetz verankert.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das reicht aber nicht!)

Frau Abg. Hammann schreibt in der Begründung ihres Antrags, dass Tiere vor nicht artgerechter Haltung, vor vermeidbarem Leid usw. geschützt werden müssen. Das ist alles recht und gut. Sie unterstellen an dieser Stelle aber wieder, dass diejenigen, die tagtäglich mit Tieren umzugehen haben, den Tieren Leid zufügen wollen. Das wollen sie in Wahrheit aber nicht. Sie wollen, dass diese Tiere ein vernünftiges Leben haben, dass diese Tiere gedeihen, dass sie gesundheitlich in Ordnung sind.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das ist die Haltung all derer, die tagtäglich mit Tieren umgehen. Da macht es keinen Sinn, wenn ein Verbandsklagerecht für den Tierschutzverein in Rimbach oder sonst wo eingeführt wird,

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie wissen, dass das nicht das Ziel ist, Herr Heidel!)

wo dann die selbst ernannten Pharisäer und die Aufsicht – ob das dann Oberinspektoren oder Richter sind, das ist letztlich egal – meinen, sie müssten an jeder Stelle ihren Daumen draufhalten und es den Menschen zeigen, wenn sie meinen, beim Tierschutz etwas aufdecken zu können. – Das kann es nicht sein.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir müssen vielmehr darauf setzen, Frau Kollegin Hammann, dass wir den Menschen verdeutlichen, dass die Tiere Mitgeschöpfe sind, dass sie mit diesen Tieren ordentlich umzugehen haben, dass sie diese Tiere genau so zu halten haben, wie es ihrem Wesen entspricht, und nicht anders. Da nützt auch keine Schweinehaltungsverordnung oder Legehennenverordnung von Frau Künast.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Eine sehr gute Ministerin!)

Zur Legehennenhaltung sage ich gleich noch einen Satz. – Wir müssen das in die Köpfe der Menschen hineinbe

kommen.Das habe ich Ihnen schon zu anderen Bereichen gesagt, auch zum Naturschutz. Nur so geht es und nicht mit Gesetzen und Verordnungen. Das nützt letztendlich nichts.

(Beifall bei der FDP)

CDU und FDP haben am 04.04.2002 gemeinsam einen Antrag eingebracht, um die Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz zu unterstützen. Seit dem Jahr 1989 haben wir auch einen Tierschutzbeauftragten bzw. eine Tierschutzbeauftragte in Hessen.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die ist auch für das Verbandsklagerecht!)

Wir haben einen Tierschutzbeirat, in dem seit unserer gemeinsamen Regierungszeit auch diejenigen vertreten sind, die als Tiernutzer gelten. Das sind nämlich diejenigen, die tagtäglich mit den Tieren umgehen, und nicht diejenigen, die von einer Kirche oder sonstigen Glaubensgemeinschaft in den Tierschutzbeirat entsandt werden und im ganzen Jahr vielleicht nur zweimal etwas mit Tieren zu tun haben. Die wollen dann darüber entscheiden, wie Tiere zu halten sind? Das kann nicht sein.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Tierschutzbeirat hat sich für das Verbandsklagerecht ausgesprochen!)

Frau Kollegin Hammann, dies ist doch auch der Punkt. Lassen Sie uns doch schlicht und ergreifend das ganze Ding etwas herunterzurren und an diejenigen appellieren, die Tiere halten und mit Tieren umgehen, dieses ordentlich,dem Wesen der Tiere entsprechend zu machen und zu handhaben.Das ist besser als jeglicher Dirigismus,den Sie hier wieder aufbauen wollen.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch sagen: Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten in Ihren Antrag hineingeschrieben, dass Sie Frau Künast auffordern – die ja alles so gut regelt, nämlich gar nichts –, in Europa für gleiche Tierschutzrechte zu sorgen. Dazu höre ich von Ihnen kein Wort.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Auch die Geschichte mit den Tiertransporten ist nicht zu Ende. Hier gibt es immer noch Handlungsbedarf, erstens bei der Kontrolle

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der Tat gibt es da noch Handlungsbedarf, da brauchen wir keinen Hinweis von Ihnen!)

Herr Kollege, ich habe das Mikrofon, ich bin jetzt lauter als Sie –, und zweitens müssen wir über die Transportzeiten reden.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie schwätzen dumm!)

Ich bin der festen Überzeugung, dass noch Regelungsbedarf besteht. Dabei hilft uns die Verbandsklage nicht weiter, hier müssen Regelungen im Detail getroffen werden.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Was Sie wieder blockieren werden!)

Herr Kollege Kaufmann, wir sind gespannt, was Frau Kollegin Künast vorlegen wird, wenn Sie das so vehement einfordern. Ich harre der Dinge, die von Frau Künast kommen werden.

Der heute vorliegende Antrag ist so überflüssig wie sonst etwas. Deshalb werden wir diesen Antrag, ich wiederhole es noch einmal, ablehnen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Heidel. – Das Wort hat Herr Staatsminister Wilhelm Dietzel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz war eine gute und richtige Entscheidung, die auch von der CDU unterstützt wurde. Jetzt ist es Aufgabe von Gesetzgeber und Verwaltung, dies entsprechend auszufüllen und die Möglichkeiten des Tierschutzes zu nutzen.

Sie haben sicherlich auch gemerkt, dass die Hessische Landesregierung zur Verbesserung des Tierschutzes Initiativen unternommen hat. Es ist eben schon angesprochen worden, die Initiative „Wildtiere im Zirkus“, wo wir im Bundesrat für unseren Antrag die Mehrheit gewinnen konnten, zeigt, dass wir den Tierschutz ernst nehmen und den Anforderungen im Grundgesetz nachkommen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir uns über das Verbandsklagerecht unterhalten, müssen wir uns auch über die Frage unterhalten, ob es durch eine Verbandsklage zu mehr Tierschutz in diesem Lande kommt oder ob es zu weniger Tierschutz kommt.

Wir haben sicherlich im Ausschuss noch die Möglichkeit, uns über die einzelnen Facetten des Antrags zu unterhalten.Der Antrag aus Schleswig-Holstein,den Herr Kollege Müller in den Bundesrat eingebracht hat, findet nicht die Zustimmung der Hessischen Landesregierung. Wenn wir im Ausschuss darüber reden, sollten wir auch über den Antrag aus Schleswig-Holstein reden.

Ich möchte das einmal an zwei Punkten festmachen, die meiner Meinung nach kontraproduktiv für den Tierschutz sein werden. Zum einen ist das Verbandsklagerecht bei Tierversuchen ohne Frage emotional sehr hochgefahren. Bei den Tierversuchskommissionen nach § 15 Tierschutzgesetz müssen Tierschützer mit am Tisch sitzen und diese Themen mitdiskutieren.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das heißt aber nicht, dass sie dabei die Mehrheit haben!)

Ich habe in den letzten Jahren gehört, dass sich das Klima nach kriegerischen Anfängen in erheblichem Maß gebessert hat. Man spricht nun miteinander und versucht, ordentliche Lösungen hinzubekommen.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Wenn dieses Verbandsklagerecht kommt, könnte der Fall entstehen, dass Tierschutzverbände mit der Verbandsklage drohen, nach dem Motto: Wenn ihr nicht zustimmt, werden wir vor Gericht ziehen.– Das wird die Beratungen dieser Tierversuchskommissionen mit Sicherheit belasten und die fachliche Zusammenarbeit stören. Somit könnte