Wir halten auch nichts von rein populistischen Vorschlägen, wie z. B. denen des Mitglieds der CDU-Bundestagsfraktion Dr. Fuchs, der einfach nur rein rechnerisch fordert, für jede neue Rechtsverordnung zwei alte Rechtsverordnungen abzuschaffen. Das ist zwar plakativ, aber letztendlich substanzlos. Wer allein die Quantität zum Maßstab von Bürokratieabbau nimmt, der verabschiedet sich von seinem politischen Gestaltungsraum. Das ist nicht unser Anspruch.
Wir finden es daher richtig, dass sich die Bundesregierung auf fünf für die sozial- und wirtschaftspolitische Reformpolitik Deutschlands bedeutende Handlungsfelder konzentriert: Arbeitsmarkt und Selbstständigkeit, Wirtschaft und Mittelstand, Forschung, Technologie und Innovation, Zivilgesellschaft und Ehrenamt, Dienstleistungen und Bürgerservice. Die Projektliste umfasst ein breites Spektrum an Einzelmaßnahmen aus allen Ressorts – von Maßnahmen zur Förderung von Existenzgründungen für Kleinunternehmen bis zur Reform des Rechtsberatungsgesetzes. Diese Projektliste ist nicht im Alleingang entstanden, sondern unter Beteiligung aller gesellschaftlich relevanten Institutionen.
Ich stelle Ihnen nun ein Beispiel dafür vor, wie wir uns ein vorbildliches Gesamtkonzept zur Förderung der Wirtschaft vorstellen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat
die Initiative „Pro Mittelstand“ gestartet, die aus den Elementen Gründerinitiative, Mittelstandsfinanzierung und Angeboten zur Aus- und Weiterbildung besteht. Damit sind acht Projekte zum Bürokratieabbau verzahnt, z. B. die Modernisierung der Arbeitsstättenverordnung, des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes und die Reform der Handwerksordnung. Es liegt klar auf der Hand, dass hier das wirtschaftspolitische Ziel, nämlich die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland, in verschiedenen Facetten Hand in Hand verfolgt und langfristig sicher auch erreicht wird.
Meine Damen und Herren, es wäre für die Zukunft von Hessen nur gut, etwas Vergleichbares vom hessischen Wirtschaftsminister z. B. für die Wirtschaftsförderung zu hören. Ich habe den Eindruck, das wäre ein bisschen zu viel verlang; denn wenn es um Wirtschaftsförderung geht, haben wir den Eindruck, dass der Wirtschaftsminister nur das abnickt, was in der Staatskanzlei ausgekocht wurde.
Kehren wir bei diesem für Hessen so unerfreulichen Thema lieber wieder zum Bürokratieabbau durch die Bundesregierung zurück. Am 1. Januar 2004 traten die Gesetze zur Reform des Handwerkrechts, zur Änderung der Handwerksordnung und zur Förderung der Kleinunternehmen – die so genannte kleine und große HWONovelle – in Kraft. Auf die unerfreulichen und teilweise wenig sachbezogenen Auseinandersetzungen mit CDU und FDP, bis diese Reformen umgesetzt werden konnten, habe ich bereits hingewiesen.
Mit diesen Reformen wurden entschieden unnötige bürokratische Hürden für Existenzgründungen beseitigt. Die Regelung, dass sich erfahrene Gesellinnen und Gesellen nach einer bestimmten Anzahl von Jahren Berufserfahrung, wovon ein Teil in leitender Position ausgeübt sein muss, selbstständig machen können, bringt eine weitere enorme Erleichterung für qualifizierte Menschen, die in die Selbstständigkeit streben.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat mit dieser Novelle angemessen auf die Realität reagiert. Bürokratieabbau und Deregulierung entlasten Handwerker deutlich. Sie schaffen eine Vielfalt an neuen Perspektiven für Menschen, die jetzt einfacher die Herausforderungen der Selbstständigkeit übernehmen können, denn die Risiken sind deutlich kleiner, kalkulierbarer und damit beherrschbarer geworden.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Das ist auch der Unterschied zu Hessen. In Hessen werden durch die „Operation düstere Zukunft“ Arbeitsplätze für Menschen und keine Bürokratie abgebaut. Das allein ist schon schlimm genug.
Das Perfide daran ist, dass Sie, wenn Sie von Bürokratieabbau und Zukunftsfähigkeit reden, immer diejenigen meinen, die am wenigsten verdienen. Nachweisbar ist: Bei dem Stellenabbau haben Sie sich in Hessen auf die mittleren und niedrigen Lohngruppen konzentriert.
(Zuruf von der SPD:Der neue wirtschaftspolitische Sprecher! – Günter Rudolph (SPD): Weil der Boddenberg alles selber machen muss!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung von Herrn Frankenberger unterstreiche ich – das tue ich häufig an anderer Stelle auch –, nämlich: Es wäre schon viel geholfen, wenn all diejenigen, die über ein Thema reden, auch im eigenen Beritt dafür sorgen würden, dass sie sich nach bestem Wissen und Gewissen und mit größtmöglichem Engagement an das halten, was sie in Landtagsreden verkünden.
Das Stichwort Bürokratieabbau – Herr Posch hat darauf hingewiesen – eignet sich wirklich, einige grundsätzliche Fragen zu erörtern,z.B.:Wollen wir nicht langsam,aber sicher ehrlich den Diskurs dahin gehend führen, wofür Staat und hoheitliche Aufgaben einmal gedacht waren und was wir alle miteinander zwischenzeitlich nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern und den Kommunen daraus gemacht haben?
Herr Posch, ich glaube, diese Debatte lohnt sich. Wir sind dabei. Aber der Antrag beschäftigt sich zunächst einmal mit dem Versuch. Man muss sehr deutlich machen: Das ist der dritte Versuch.– Da es schon zwei Versuche vorher gegeben hat, muss man sagen: Möglicherweise ist es auch beim dritten Mal nur der Versuch, etwas anzukündigen und zu verkaufen.
Am Ende muss man bei näherem Hinsehen feststellen, dass die Wirkung nahe null geblieben ist. Es ist der Versuch, der von dem Herrn Wirtschaftsminister, der in Berlin hin und wieder auch Ankündigungsminister genannt wird – Frau Schönhut-Keil –, unternommen worden ist, diesmal unter dem Stichwort Bürokratieabbau. Wenn man das ankündigt, muss man damit rechnen, dass ein Jahr oder zwei Jahre später hingeguckt wird, was aus der Ankündigung geworden ist.
Wenn man sich heute anschaut, dass aus ursprünglich 54 geplanten Bürokratieabbauprojekten gerade einmal einige – genau gesagt: neun – umgesetzt worden sind, und
das zwei Jahre nach Ankündigung, dann kann man wirklich davon sprechen,dass nur der Hauch dessen umgesetzt worden ist, was als Schwerpunkt verfolgt wurde. Schwerpunke in den Aussagen des Ministers waren ganz andere Dinge als die, die wir jetzt vorfinden.
Herr Posch hat zu Recht auf die Belastung der Wirtschaft hingewiesen. Herr Posch, wir reden über eine Belastung im Durchschnitt von 31.000 c. In dieser Höhe sind alle deutschen Unternehmen unabhängig von der Größenordnung materiell und finanziell mit bürokratischen Auflagen belastet. Das sind die kleinen Handwerker, die regelmäßig vieles an Berichten abzuliefern haben, wo man sich hin und wieder fragt: Wer verarbeitet eigentlich auf der anderen Seite diese gesamten Werke und Informationen? – Das sind natürlich auch und gerade größere,vor allen Dingen große mittelständische Unternehmen, die einen Wust an bürokratischen Dingen zu erledigen haben. Und da reden wir über Wettbewerbsbenachteiligung? Herr Posch hat angesprochen, wo wir international stehen, wo wir alle aufgerufen sind, diese zu beseitigen.
Auch da will ich sagen – Herr Posch hat ebenfalls darauf hingewiesen –:Wir haben gerade im Vollzug von anderen bundespolitischen Themen,Stichworte:Ausbildungsplatzabgabe und Hartz IV, genau das Gegenteil von dem, was Sie vorgeben zu tun, Herr Frankenberger.
Allein der Versuch, der im Herbst des Jahres möglicherweise noch stattfinden wird, eine Million Akten von kommunalen Unternehmungen und Verwaltungseinheiten auf die Bundesagentur zu übertragen, die damit verbundenen Schwierigkeiten, was Datenschutz und vieles andere anbelangt, allein dieses Unterfangen zeigt deutlich, wo Sie weitermachen wollen, nämlich hin zu noch mehr Zentralismus und nicht genau in die umgekehrte Richtung, wie es richtig wäre, zu dezentraler Struktur und Subsidiarität.
Meine Damen und Herren, das sehen wir bei Hartz IV. Das sehen wir bei dem Thema Ausbildungsplatzabgabe. Das sehen wir bei dem Versuch, europäisches Vergaberecht neu zu strukturieren. Bei all dem, was Sie in der Praxis tun, scheitern Sie in der Frage des Bürokratieabbaus.
Meine Damen und Herren, auch das ist angesprochen worden, die Selbstständigkeit in Deutschland ist schwerer als in manch anderen Ländern zu erlangen. An der Stelle muss man eines noch dazusagen. Zwischen 45, 46 Tagen, die das angeblich in Deutschland dauert, und den vier Tagen in den USA oder in einigen skandinavischen Ländern gibt es noch ein bisschen was dazwischen. Wenn ich von Bürokratieabbau rede, rede ich nicht davon, dass wir aufhören, sämtliche Vorschriften über das Thema Existenzgründung abzuschaffen. Sie haben das Thema Handwerksordnung angesprochen. Ich habe dazu gerufen: Ich glaube, Sie verwechseln dort etwas.
Die Handwerksordnung war und ist eine klare Vorgabe, die sich über viele Jahrzehnte bewährt hat, eine bestimmte Qualifikation für eine bestimmte Selbstständigkeit vorzuschreiben. Herr Frankenberger, so, wie Sie darüber reden, ist es eine Verdrehung der Zusammenhänge. Das ist gerade so, als würden Sie am Ende sogar die Abschaffung des Abiturs unter dem Stichwort Bürokratieabbau fordern. Das ist eine völlig irre Diskussion, die Sie an
zetteln. Insofern verwahre ich mich dagegen, dass hier völlig wesensfremde Themen unter der genannten Überschrift „Wir wollen weniger Bürokratie“ in einen Topf geworfen werden.
Sie haben gesagt: Reden wir nicht nur darüber, sondern handeln wir. – Lieber Herr Frankenberger, ich weiß nicht, wie oft Sie nicht dabei waren, wenn wir im Landtag darüber gesprochen haben. Wenn eine Landesregierung in Deutschland Vorbildliches geleistet hat, dann ist es die Hessische Landesregierung schon zu Zeiten der Koalition mit der FDP gewesen, aber auch jetzt in der Fortsetzung mit der absoluten Mehrheit. Es muss offensichtlich immer wiederholt werden, dass wir in den ersten vier Jahren seit 1999 dreieinhalbtausend Regelungen abgeschafft haben.
Wenn hin und wieder der Vorwurf kommt,das spürten die Unternehmer gar nicht, dann sage ich: Mein Gott, wenn die das noch nicht einmal merken, dann ist das möglicherweise noch nicht einmal das Ende unserer Bemühungen, sondern wir werden weiterhin alles das, was wir in den vergangenen Jahrzehnten in Papierform und schriftlich auf den Weg gebracht haben, durchforsten müssen. Deswegen ist und bleibt die Abschaffung von unnützen Verwaltungsvorschriften eine wesentliche Aufgabe in der Landesverwaltung.
Für Feinschmecker will ich sagen, was wir früher so alles geregelt haben. Da gab es einen Erlass, der sich mit der Präparation von tot aufgefundenen Tieren beschäftigte. Herr Frankenberger, das haben Sie auch schon gehört: Da gab es einen Erlass, der sich mit Züchterbescheinigungen für Schildkröten beschäftigte,also einen hessischen Erlass über die Zucht von Schildkröten.
Liebe Evi Schönhut-Keil, dann gab es einen Erlass, der sich mit dem Handel von Elfenbein-Kunstgegenständen beschäftigte. Es gab noch einen Erlass, der sich mit der Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen für das Befahren gesperrter Feld- und Waldwege beschäftigte. Allesamt Dinge – ich glaube, Karl Dall hat das einmal besungen –, die der Mensch nicht braucht. Ich befürchte, es wird noch ein paar solcher versteckter Erlasse und Papiere in der Landesverwaltung geben.
(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Unbestritten! Die Frage ist aber, wer sie anwendet!)
Kollege Frankenberger hat angesprochen, was wir eigentlich tun müssten. Er hat auf den Antrag der CDU/CSUBundestagsfraktion verwiesen. Ich finde, da stehen ein paar sehr richtige Punkte drin. Da steht z. B. drin – das haben Sie moniert –, dass, wenn eine neue Verordnung in Kraft gesetzt werden soll, zwei alte abgeschafft werden sollen. Das steht aber als Sollvorschrift formuliert, Herr Frankenberger. Das soll heißen, jeder, der einen neuen Erlass auf den Weg bringen will, wird gleichzeitig gezwungen, zumindest zu prüfen, ob es nicht möglich ist, dafür zwei alte abzuschaffen, und sei es durch Bündelung und Aktualisierung verschiedener alter Erlasse.
In diesem Antrag steht noch mehr drin. Da steht drin, was wir in Hessen als erstes Bundesland unternommen haben – das kommt mir hin und wieder ein wenig zu kurz –, nämlich die Befristung von Gesetzen.
Heute freuen wir uns,dass viele andere Bundesländer diesem Weg gefolgt sind.Aber wir fordern auch die Bundesregierung auf, bei Gesetzesvorhaben zu prüfen, ob man Gesetze, die verabschiedet werden, nicht von vornherein, wie wir es gemacht haben, mit einer Frist von fünf Jahren versieht.