Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass wir dieses Thema jetzt auch hier diskutieren, geht auf eine Initiative des Deutschen Kulturrates zurück. Ein Vierteljahr, nachdem der Deutsche Kulturrat dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat, hat er seiner Zeitung „PuK“ ein „English Supplement“ hinzugefügt.Das bringt uns auf den Boden der Tatsachen zurück:Wir werden nämlich mit Sicherheit nicht verhindern, dass Englisch so etwas wie die Lingua franca in Europa wird. Ich füge aber hinzu: Es sollte uns dennoch veranlassen, sensibel zu werden und uns zu fragen, ob wir wirklich all die englischen Begriffe verwenden müssen, an die wir uns inzwischen gewöhnt haben.
Ich zeige das an einem Beispiel, das mir dieser Tage aufgefallen ist und das ich auch schon mit dem Wissenschaftsminister diskutiert habe. Dass wir in Deutschland zwei akademische Abschlüsse „Bachelor“ und „Master“ nennen, ist eigentlich nicht zwingend. Kein Franzose würde auf die Idee kommen, hierfür die englischen Begriffe zu übernehmen. Österreich, immerhin ein deutschsprachiges Land – entgegen allen gegenteiligen Gerüchten –,
hat sich daran erinnert, dass wir schon in Goethes „Faust“ den „Bakkalaureus“ und den „Magister“ kennen, und nennt diese akademischen Titel so.
Ich sage das deswegen, weil es natürlich ein Problem ist, wenn die Deutschen als größte Sprachengruppe in der Europäischen Union in ihrem eigenen Sprachgebrauch nicht genug Vertrauen haben, deutsche Begriffe zu verwenden. Dann steht man schlecht da, wenn man über die Dinge diskutiert, die wir im Augenblick auf der Tagesordnung haben.
Es ist kein Zufall, dass die Europäische Union in der Diskussion nach außen überwiegend Englisch und in der Diskussion nach innen überwiegend Französisch benutzt. Das ist der strategische Erfolg der weit reichenden Entscheidung,Straßburg und Brüssel,also Umfelder mit französischer Sprache, zu Sitzen der Europäischen Union zu machen. Ich denke, es ist unter diesen Bedingungen aber
legitim, darauf hinzuweisen, dass innerhalb der EU Deutsch die größte Sprachengruppe ist und dass in der Tat nicht sehr plausibel ist, dass die deutsche Sprache in der EU keinen mit den anderen Arbeitssprachen vergleichbaren Rang hat.
Insofern unterstütze ich diese Initiative nachdrücklich. Ich füge aber hinzu – nicht aus Gründen der parteipolitischen Polemik, sondern weil es so ist und weil es zeigt, wie nachlässig wir mit diesem Thema umgehen –, dass es ein schwerer Sündenfall der Regierung Kohl war, in einem ganz wichtigen Arbeitsbereich der EU das Zwei-Sprachen-Reglement förmlich anzuerkennen, nämlich bei der Formulierung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Damals ist von der Bundesrepublik Deutschland zum ersten Mal akzeptiert worden, dass in den Verhandlungen nur Englisch und Französisch gesprochen wird. Es bedarf nun erheblicher gemeinsamer Arbeit – ich nehme an, dass wir uns hier einig sind –, dies zu korrigieren und deutlich zu machen, dass das nicht unser Ziel sein kann.
Ich denke, mindestens genauso wichtig wie die formalen Regelungen in Brüssel ist die Frage, wie wir im Ausland dafür sorgen, dass die deutsche Sprache eine lebendige Sprache ist, die nicht nur Deutsche sprechen, sondern die als Fremdsprache auch in anderen Ländern erworben wird. Hier will ich mir die Bemerkung nicht ersparen, dass es kein sehr weitsichtiger Beitrag zu dieser Diskussion war, dass der Hessische Ministerpräsident – leider zusammen mit einem SPD-Ministerpräsidentenkollegen – auf die Schnapsidee gekommen ist, auch die auswärtige Kulturpolitik auf die Streichliste der Subventionen zu setzen, und die Mittel hierfür um 38 % kürzen will. Rechtlich gesehen handelt es sich bei den Zahlungen für die auswärtige Kulturpolitik zwar um Transferzahlungen an Dritte, beispielsweise an den DAAD und das Goethe-Institut. Die Aufnahme der auswärtigen Kulturpolitik in die Streichliste der Ministerpräsidenten zum Abbau von Subventionen ist dennoch wohl ein historischer Irrtum, und ich hoffe, dass alle Beteiligten das inzwischen gemerkt haben, weil wir an dieser Stelle natürlich nicht sparen sollten. Wir sollten vielmehr etwas dafür tun, die Effektivität der Arbeit im Ausland zu erhöhen.
Frau Kollegin Wagner, ich finde die Anregung, dass wir eine Art Patenschaft übernehmen, deswegen ganz spannend, weil das Gymnasium, das Sie angesprochen haben – Sie haben es möglicherweise falsch ausgedrückt –, immer noch besteht. Darauf bin ich als damals Verantwortlicher auch persönlich stolz. Das lettische und das estnische Gymnasium in Deutschland bestehen nicht mehr. Das litauische Gymnasium in Hessen besteht deshalb noch,weil wir damals die Lösung gefunden haben, diese Schule für deutsche Schüler zu öffnen, sodass sie als Ersatzschule nach den Bestimmungen des Ersatzschulfinanzierungsgesetzes anerkannt werden konnte.
Vor fast zehn Jahren, im Dezember 1994, habe ich mit meinen damaligen litauischen Kollegen Domarkas hier in Wiesbaden einen Vertrag über die schulische und kulturelle Zusammenarbeit unterschrieben. Es wäre in der Tat eine schöne Idee, im Aufgreifen dieses Jubiläums eine solche Initiative umzusetzen, nämlich anknüpfend an dem in Hessen bestehenden litauischen Gymnasium die Frage zu prüfen:Was können wir für diese in der Tat „kleine“ Sprache tun? Litauisch ist eine „kleine“ Sprache. Es gibt nur rund 3,5 Millionen Litauer. Hinzu kommen einige Litauer außerhalb Litauens. Chicago ist nicht nur die zweitgrößte
polnische, sondern auch die zweitgrößte litauische Stadt. Es gibt trotzdem weniger Litauer als Hessen, und wir sind schon ein recht bescheidenes und kleines Volk.
Umso sinnvoller ist es, sich diese Frage zu stellen. Ich sage das auch deswegen, weil es eine alte Tradition der Verbindung zwischen der litauischen und der deutschen Sprache gibt.
Als im Zarenreich die Russen den Litauern das Recht aberkannt haben, ihre Sprache als Schriftsprache zu verwenden, und darauf bestanden, dass Kyrillisch geschrieben wird, in jener Zeit hat der ostpreußische Protestantismus dafür gesorgt, dass Litauisch in litauischer Schriftsprache weiterhin gedruckt wurde. Die Druckerzeugnisse wurden von Butterfrauen über die Grenze geschmuggelt. Sie haben die Bücher in ihren Kötzen unter Butter und Käse versteckt und auf diese Weise im illegalen Grenzverkehr dafür gesorgt, dass Litauisch als Schriftsprache nicht ausgestorben ist. Wir haben also eine Tradition, an die wir anknüpfen könnten. Ich würde mich freuen, wenn das aufgenommen würde und wenn wir hier zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen könnten.
Danke schön, Herr Kollege Holzapfel. – Das Wort hat Herr Kollege Frömmrich für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier gerade von der Kollegin Wagner und vom Kollegen Holzapfel detailliert dargelegt bekommen, worum es in diesem Antrag geht.Er beinhaltet zwei Kernaspekte.
Der erste ist, Deutsch als Amtssprache neben Englisch und Französisch in der Europäischen Union zu etablieren. Der Kollege Holzapfel hat gerade auf die Anglizismen hingewiesen. Dazu kann ich nur sagen, dass unser Fraktionsvorsitzender Al-Wazir der Kämpfer in unserer Fraktion gegen die Anglizismen ist.Von daher sind wir auch in der Fraktion auf dem richtigen Weg.
(Beifall des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Heiterkeit des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))
Zum Zweiten sollen die Sprachen der neuen Beitrittsländer besondere Beachtung finden. Dazu hat der Kollege Holzapfel ebenfalls, wie ich finde, sehr detailliert Stellung genommen.
Meine Damen und Herren, diesen beiden Anliegen kann man nur zustimmen.Aber ob die FDP die Debatte zu diesem Thema im Deutschen Bundestag nicht mitbekommen
hat, darf man trotzdem fragen. Nach dem Willen aller vier Fraktionen des Deutschen Bundestages und nach Auffassung der Bundesregierung wird man sich für die Gleichberechtigung von Deutsch als Amtssprache einsetzen. Es gibt also diese Beschlüsse sowohl des Deutschen Bundestages als auch der Bundesregierung.Auch das Auswärtige Amt hat im Bundestag die Forderung nach Deutsch als dritter Amtssprache unterstrichen.
Das heißt, der FDP-Antrag im Hessischen Landtag rennt eigentlich offene Türen ein. Daher kann ich hier auch schon Zustimmung meiner Fraktion signalisieren.Aber er hinkt der politischen Entwicklung im Bund hinterher. Doch getreu dem Motto des Kollegen Kaufmann: „Nützt nichts, im Gegenteil, schadet auch nicht“, werden wir natürlich diesem Antrag zustimmen.
Herr Präsident,meine Damen und Herren,das Institut für deutsche Sprache hat schon vor einiger Zeit treffend festgestellt, dass nach den politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa in vielen Ländern eine Neubewertung der deutschen Sprache vorgenommen wurde und wird. Außerhalb des geschlossenen deutschen Sprachgebietes nimmt der Gebrauch der deutschen Sprache als Geschäfts- und Verhandlungssprache zu. Auch dies ist ein wichtiger Grund dafür, Deutsch als Amtssprache auf europäischer Ebene einzuführen.
Worum geht es in der Kernfrage? – Deutsch soll bei allen Veröffentlichungen, Datenbanken, Konferenzen und – besonders wichtig – bei allen Ausschreibungen der Europäischen Union den bisher verwendeten Sprachen gleichgestellt werden. Die Begründung ist stichhaltig:
Erstens. Deutsch wird in Europa von rund 127 Millionen Menschen als Muttersprache oder als erste bzw. zweite Fremdsprache gesprochen.
Zweitens. Gerade in den Beitrittsländern hat Deutsch einen hohen Stellenwert und wird eine wichtige Brückenfunktion bei der Verständigung innerhalb der Europäischen Union haben.
Drittens. Wirtschaftlich relevante EU-Daten, wie z. B. Ausschreibungen, werden überwiegend in Englisch und Französisch formuliert.
Herr Frömmrich, eine Sekunde. – Die Sprachenvielfalt Europas wird im Moment auch hier im Landtag sehr gepflegt, von ganz vielen.Vielleicht ein bisschen mehr Ruhe, um Herrn Frömmrich zuhören zu können.
Ich würde jetzt bestreiten, dass dies eine Vielfalt war. Ich würde dazu „Gewirr“ sagen, aber ich kann damit zurechtkommen.
Meine Damen und Herren, der dritte Aspekt, weswegen dem eine große Bedeutung zukommt, sind die wirtschaftlich relevanten Daten. Da Deutsch zurzeit nicht Englisch und Französisch gleichgestellt ist, hat das Nachteile gerade für die kleinen und mittleren Betriebe in Hessen. Deswegen muss man da nacharbeiten.
Meine Damen und Herren, natürlich müssen die zentralen Grundlagen der Sprachpolitik bleiben: dass sich jeder Bürger in seiner Landessprache an die europäischen Institutionen wenden kann und in seiner Sprache auch eine Antwort erhält. Wichtige Dokumente und Veröffentli
chungen müssen weiterhin in alle Amtssprachen übersetzt werden. Nur dann kann das Handeln der Union von ihren Bürgerinnen und Bürgern verstanden und nachvollzogen werden.
Insofern finden auch die „kleinen“ Sprachen – wie das die FDP in ihrem Antrag fordert – weiterhin Beachtung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, dass wir genügend Gelegenheit haben werden – ich habe gehört, der Antrag wird dem Europaausschuss überwiesen werden –, die Fachdebatte dort zu führen. – Er soll hier abgestimmt werden? Dann sage ich für meine Fraktion schon, dass wir diesem Antrag zustimmen werden, denn das ist im Prinzip die Beschlusslage des Deutschen Bundestages und aller vier Fraktionen dort.Wenn es nützen kann, dass auch im Hessischen Landtag ein solcher Antrag beschlossen wird, dann wollen dem nicht entgegenstehen.
Danke, Herr Frömmrich. – Für die Landesregierung hat sich Herr Staatsminister Riebel zu Wort gemeldet. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung, aber auch ich persönlich freue mich darüber, dass bei diesem Thema ganz offenkundig ein so hohes Maß an Einigkeit herrscht.Ich habe dem,was die Kollegin Wagner – die das für die Freien Demokraten begründet hat – gesagt hat, eigentlich nichts hinzuzufügen. Ruth Wagner, ich sehe es so, wie Sie das vorgetragen haben.
Ich will daran erinnern – auch das ist schon gesagt worden –, dass etwas mehr als 90 Millionen Menschen in der Europäischen Union Deutsch als Muttersprache sprechen.Weitere 25 oder 30 Millionen Menschen – es gibt da unterschiedliche Zahlen, aber darum geht es eigentlich nicht – sprechen Deutsch als erste oder zweite Fremdsprache. Insbesondere in den neuen Beitrittsländern der EU wird traditionell Deutsch als besonders zugeneigte Sprache gelernt und gesprochen.
Ich möchte daran erinnern, dass bei der Regierungskonferenz in Poitiers eines der wichtigsten Themen der Agenda gewesen ist, dass sich Deutschland und Frankreich für einen Umstand einsetzen, der wechselseitig von beiden Ländern bedauert wird: dass in Frankreich das Erlernen der deutschen Sprache, in Deutschland das Erlernen der französischen Sprache zurückgeht.Sie alle wissen, dass die französische Europaministerin Lenoir und ich versucht haben, hier einen kleinen Beitrag zu leisten.Am vergangenen Freitag haben wir eine bilingual lehrende und lernende Schule in Wiesbaden besucht, und das Gleiche werden wir in wenigen Wochen in Frankreich tun.
Ich denke, dass solche bescheidenen, aber immerhin vorhandenen Mosaiksteine mit dazu beitragen, einen Anreiz zu bieten, der auch über die emotionale Schiene läuft, Deutsch wieder einen Stellenwert beizumessen, der der Quantität derer, die Deutsch sprechen, angemessen ist.
Tatsache ist, dass die EU-Institutionen – ohne dass ich hier jemanden vorführen oder schelten will, insbesondere nicht die Europäische Kommission – sich bei der Verwendung der deutschen Sprache ein wenig sperren – um es vorsichtig zu formulieren. Wir haben recherchiert und festgestellt, dass die Europäische Kommission zu rund 54 % auf Französisch, zu 42 % auf Englisch und bedauerlicherweise zu nur 3 % auf Deutsch kommuniziert, Schriftverkehr führt und die mündliche Sprache pflegt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor sich hier Falsches im Kopf festsetzt: Herr Kollege Holzapfel, Sie haben davon gesprochen, dass nach dem so genannten Koch-Steinbrück-Papier 38 % der für diesen Bereich einschlägigen Mittel gekürzt werden sollten. Das trifft so nicht zu. Richtig ist, dass das Steinbrück-Koch-Papier zwar anregt, in diesem Bereich zu kürzen, aber 38 % haben andere zu verantworten, nicht die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück. Hinzuzufügen ist, dass die Mittel, die die Goethe-Institute durch das Auswärtige Amt weltweit bekommen, gekürzt wurden und jetzt nochmals ein erheblicher Betrag eingefroren worden ist.
Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch auf einen weiteren Umstand hinweisen, der hier ebenfalls bereits angeklungen ist. Die Tatsache, dass rund 240.000 Ausschreibungen pro Jahr auf der EUEbene ausschließlich in englischer und französischer Sprache veröffentlicht werden, hat einen nicht unerheblichen Nachteil insbesondere für die kleinen und mittleren Betriebe. Denn es ist klar, dass die großen Unternehmen sowohl die innere Verwaltungskraft als auch die Übersetzungsmöglichkeiten haben, das sie Interessierende in die deutsche Sprache zu übersetzen. Das ist aber für die kleinen und mittleren Unternehmen mit ganz erheblichen Kosten verbunden.
Erwähnt wurde es auch schon, aber ich will es nochmals betonen: Wir haben in der Richtung dieses Antrags gemeinsam mit Baden-Württemberg eine Initiative im Bundesrat ergriffen. Diese Initiative ist bereits im Wege der sofortigen Abstimmung im Bundesrat beschlossen worden. Ich gehe davon aus, dass auf allen Ebenen unseres Staates dieses Maß an Einigkeit bei diesem Punkt besteht, wie das hier im Hessischen Landtag zum Ausdruck kam. Sie können davon ausgehen, dass die Hessische Landesregierung, aber auch ich mich persönlich für dieses Thema so engagiert einsetze, wie Sie das von der Landesregierung erwarten können. – Herzlichen Dank.