Protocol of the Session on February 18, 2004

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lebhafte Zu- rufe von der CDU)

Dann hat dieser Wirtschaftsminister gesagt – das fand ich beeindruckend –, dass die Menschen in diesem Lande genau wüssten, was sie an dieser Landesregierung haben.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie haben doch keine Ahnung! Ein Schwätzer vor dem Herrn! – Weitere lebhafte Zurufe von der CDU)

Das wissen die Menschen. Sie haben eine Landesregierung, deren Ministerpräsident den Zenit überschritten hat. Sie haben einen Wirtschaftsminister, der die Politik nicht gestaltet und sie sogar schlecht verwaltet. Das ist schlecht für das Land und die Menschen, die hier leben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Bökel, vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Posch für die FDP-Fraktion.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Der gibt jetzt Antworten! Der Kollege Bökel hat Fragen gestellt!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst ganz herzlich bei dem Kollegen Reif für die Ausführungen zur Wirtschaftspolitik in den letzten vier Jahren und im letzten Jahr bedanken. Ich habe mich belehren lassen und möchte gerne zu Protokoll geben: Bei der erheblichen Reduzierung der Vorschriften sind 30 % Anteil Herrn Dr. Franz Josef Jung zuzuschreiben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, was Wirtschaftspolitik des Landes eigentlich ist. Wirtschaftspolitik des Landes ist in erster Linie Strukturpolitik. Dabei besteht in geringem Umfang die Möglichkeit, die Wirtschaftspolitik des Bundes zu ergänzen. Ich will mich jetzt nicht an der Diskussion beteiligen – die können wir in einem anderen Zusammenhang führen –, wer die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland zu verantworten hat, warum der Arbeitsmarkt nicht flexibilisiert wurde, und Ähnliches mehr. Dies sind in der Tat Dinge, über die in erster Linie auf Bundesebene entschieden wird. Damit ist es nun einmal so, dass die rot-grüne Koalition primär die Verantwortung für die jetzige Situation trägt. Herr Bökel, auch wenn Sie das jetzt zum Gegenstand Ihrer Rede gemacht haben, ändert es überhaupt nichts daran:

(Beifall des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Die Ursachen für den wirtschaftlichen Niedergang in der Bundesrepublik Deutschland trägt nun einmal insgesamt die Regierung in Berlin und nicht diese Landesregierung. Das gilt für die vorhergehende wie für diese Landesregierung in gleicher Weise.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vor dem Hintergrund dieser Selbstbeschränkung möchte ich doch noch einmal auf einiges eingehen.Herr Rhiel,Sie sagten, es bleibe bei der Zielsetzung, die Wirtschaftsförderung so ähnlich zu organisieren, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Ich höre diese Aussage gerne. Denn schon in der Vergangenheit hielt man sich an das bewährte Prinzip, die Aktivitäten zur Förderung der Wirtschaft zu bündeln, damit die Wirtschaft einen Ansprechpartner hat. Damit wurde das Wirrwarr unterschiedlicher Institutionen beseitigt. Das war der Grund, weshalb wir damals die Investitionsbank Hessen in dieser Weise gegründet haben. Wir haben mit leichter Abspeckung das übernommen, was die damalige Vorgängerregierung in den letzten Zügen ihrer Tätigkeit noch auf den Weg gebracht hat.Das zu sagen gehört zur Redlichkeit dazu.Hinsichtlich der Frage der Wirtschaftsförderung bestand weitgehend Einigkeit. Das darf einfach nicht unter den Tisch fallen.

Allerdings gibt es dazu ein paar Fragen, von denen ich meine, dass wir sie während der Ausschusssitzung intensiv diskutieren sollten.Es ist zu fragen,ob sich das Land zu einer eigenständigen Wirtschaftsförderbank bekennt. Soll das also alles in einer Bank stattfinden? Oder soll die monetäre Wirtschaftsförderung von der nicht monetären Wirtschaftsförderung getrennt werden? Dann könnte man eine Holding oder eine Agentur über diese beiden setzen. Man kann über die Frage diskutieren, welches der bessere Weg ist. Aber dann muss man auch die nächste Frage beantworten, die lautet:Was bedeutet das dann?

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP))

Bleibt die monetäre Wirtschaftsförderung dann im Einflussbereich des Landes? Oder gebe ich dann die Verantwortung für die monetäre Wirtschaftsförderung an die Hessische Landesbank? Das Stichwort dazu lautet: Bank in der Bank.Die Fragen,die ich jetzt gestellt habe,wurden noch nicht ausreichend beantwortet.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Ich komme zu einer weiteren Frage. Mir geht es dabei wirklich darum, Lösungen zu finden. Wenn wir eine Holding hätten oder die IBH in ihrer jetzigen Struktur beibehielten, dann muss man sich doch fragen, welche Aufgaben von den Ministerien dorthin verlagert werden können.

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP))

Es war Heinz Herbert Karry, der damals die HLT geschaffen hat.

(Beifall des Abg. Gerhard Bökel (SPD))

Er sagte damals, es sei nicht sinnvoll, die Bürokratie mit der Abwicklung von Förderprogrammen zu beauftragen. Er vertrat die Auffassung, dies seien Bankgeschäfte. Deswegen wollte er diese Aufgabe einer Bank übertragen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Man muss also die Fragen beantworten: Wohin geht die Tourismusförderung? Wohin geht die Gewerbeförderung? Wohin geht die Gewerbegebietsförderung? Wohin geht die Landwirtschaftsförderung? Wohin geht die Regionalförderung? – Wenn wir bündeln wollen, dann müssen wir diese Fragen beantworten.

In diesem Zusammenhang muss auch eine weitere Frage beantwortet werden. Dabei geht es um die Frage, ob man bestimmte Aufgaben wieder in die Ministerien zurückverlagert oder nicht. Ich hielte es für falsch, zurückzuverlagern.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Wirtschaftsförderung muss aus einem Guss erfolgen. Das kann nicht in den Ministerien administriert werden.

Ich komme zu der nächsten Frage,die wir diskutieren.Wir alle wissen, dass weniger Fördermittel zur Verfügung stehen.Solange es strukturelle Unterschiede gibt,müssen die Fördermittel gezielt eingesetzt werden. Wenn die Mittel insgesamt weniger werden, kann ich sie meiner Meinung nach aber nur noch revolvierend einsetzen. Das heißt, Zuschussprogramme haben keine Zukunft mehr. Wir müssen übergehen zu Programmen auf Darlehensbasis bzw. zu Beteiligungen. Das muss dann auch zeitlich befristet werden. Diese Frage muss beantwortet werden, weil sie für die Wirtschaftsförderung von eminent wichtiger Bedeutung ist.

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Es wird sehr schwierig sein, einem Mittelständler zu sagen, dass sich die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Hessen oder eine andere Institution vorübergehend an seinem Unternehmen beteiligt. Es wird sehr schwierig werden, das zu transportieren. Denn der Handwerksmeister ist gerne Herr im eigenen Hause und will keine stille Beteiligung in seinem Unternehmen haben. Diese Fragen müssen also diskutiert werden.

Darüber hinaus ist zu fragen, was mit diesen Institutionen und was mit den Themenbereichen Bauen, Stadtplanung und städtebauliche Entwicklung passiert. Was soll mit dem Institut Wohnen und Umwelt passieren?

Den Tourismus habe ich bereits angesprochen.Auf der einen Seite gibt es die Notwendigkeit, Hessen Touristik Service nicht mehr in der Weise zu fördern, wie das bisher gemacht wurde. Dann muss man sich aber fragen, ob dieses Standbein wirklich noch gerade steht oder ob die Förderung des Tourismus in die Wirtschaftsförderung integriert werden muss, um entsprechende Ressourcen zu haben, um Synergien finden zu können, und Ähnliches mehr.

(Beifall der Abg.Jörg-Uwe Hahn und Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Ich freue mich auf diese Diskussion, die wir führen müssen und auch führen werden. Ich habe damit überhaupt kein Problem. Es geht dabei um die Frage, wie man die Förderinstrumente trotz weniger Geldes fortentwickeln kann. Dies setzt voraus, dass es möglicherweise auch zu Entscheidungen kommt, die Standorte betreffen. Dazu sage ich: Mit den Betroffenen muss darüber offen diskutiert werden.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Da darf nichts Heimliches sein. Da darf z. B. nicht die Frage kolportiert werden, ob der Standort der Investitionsbank Hessen in Kassel geschlossen wird oder nicht. Das geht so nicht. Wir müssen diese Fragen offen und transparent diskutieren, damit die Wirtschaftsförderung in diesem Land ihren Stellenwert nach wie vor behält.Das ist das Entscheidende.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Abschließend will ich noch sagen, dass es auch noch andere Bereiche gibt. Die Außenwirtschaftsförderung ist einer der zentralen Punkte. Sie haben zu Recht die Direktinvestitionen von Ausländern bei uns angesprochen.Aber natürlich geht es auch darum, mittelständische Unternehmen in andere Länder zu bringen. Die Weltwirtschaft hat sich völlig verändert. Wir können die wirtschaftliche Situation in Hessen nicht nur vor dem Hintergrund nationaler Notwendigkeiten diskutieren. Man kann das auch nicht nur unter Einbeziehung der Osterweiterung der Europäischen Union diskutieren. Vielmehr muss man die sich für unseren Mittelstand ergebende Problematik weltweit sehen.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage auch deswegen Folgendes: Es muss geklärt werden, ob die Außenwirtschaftsförderung in einer hessischen Agentur, bei der Investitionsbank Hessen oder wo auch immer angesiedelt werden kann.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. In der Tat geht es darum, sehr stark detailliert darüber nachzudenken, wie die Wirtschaftsförderung unter den veränderten Rahmenbedingungen organisiert werden kann. Ich weiß, dass diese Dinge andiskutiert worden sind. Ich habe die Bitte: Binden Sie dieses Parlament in die Thematik Wirtschaftsförderung ein. – Denn in der Vergangenheit haben wir die Wirtschaftsförderung immer gemeinsam getragen. Ich glaube, es wäre sinnvoll, wenn das auch in Zukunft so wäre.

Verehrter Herr Bökel, am Schluss meiner Rede möchte ich noch auf Ihre Rede zu sprechen kommen.Wenn es um die regionale Strukturpolitik geht, sollten wir nicht mit der Fragestellung ablenken, ob das Ballungsraumgesetz

die richtige Lösung ist oder nicht. Ich hätte von Ihnen als Jurist erwartet, dass Sie zunächst die Entscheidung des Staatsgerichtshofs abwarten, bevor Sie über mögliche Konsequenzen reden.

(Beifall bei der FDP)

Übrigens habe ich Ihnen zum Thema Rhein-Main während der letzten Plenarsitzungsrunde das aus meiner Sicht und das aus Sicht der hessischen FDP Notwendige gesagt. Wer acht Jahre lang die Entwicklung dieser Region so gegen die Wand gefahren hat, hat bis auf weiteres die Legitimation verloren, dazu etwas zu sagen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Posch, vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Herr Kollege Reif.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Clemens, der Zweite!)

Herr Landtagspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bökel, das war wohl der kläglichste Versuch, ein Comeback zu starten, den jemals ein ehemaliger sozialdemokratischer Spitzenkandidat unternommen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)