Protocol of the Session on May 6, 2003

Der Gesetzentwurf enthält das strenge Subsidiaritätsprinzip – Herr Kollege Hahn hat das ausgeführt –, dass, wenn ein Privater besser anbietet, es die Kommune nicht erledigen muss. Eine Reihe von Bundesländern hat inzwischen diese Regelung angenommen. Es ist die Frage, ob es sich auf die künftigen Unternehmen beschränkt oder ob man nicht all diejenigen einbeziehen muss, die bisher ein umfangreiches Netzwerk an solchen Unternehmen und Beteiligungen geknüpft haben.

Das ist auch die Frage der Gerechtigkeit: Sind die bevorzugt, die schneller waren, oder muss man darauf warten, dass die, die langsamer waren, nun strengeren Regeln unterliegen? – Ich glaube, dass man das intensiv diskutieren muss. Man muss auch diskutieren – im Zusammen

hang mit der kommunalen Familie –, wie die Erfahrungen vor Ort sind.

Ich glaube,dass inzwischen – auch wenn Sie den Städtetag zitiert haben – eine Reihe von Kommunen, nicht die großen, mit dem Controlling, das sie bei kommunalen Wirtschaftsunternehmen vorhalten müssen, zum Teil überfordert ist und die negativen Auswirkungen auf die Kommunen erst in Jahren absehbar sein werden. Es ist auch eine Aufgabe der kommunalen Aufsicht,darauf zu achten,dass genau diese Kommunen nicht unter den finanziellen Auswirkungen der wirtschaftlichen Beteiligung, die sie vorher eingegangen sind, zu leiden haben.

Die Einführung erweiterter Prüfungsrechte in den kommunalen Unternehmen kann ich nur begrüßen. Wir nehmen auch zur Kenntnis, dass die Innenministerkonferenz im Juli 1999 bereits eine länderübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet hat, die Eckpunkte zu diesen Themen erarbeiten sollte.

Die sich ausweitende wirtschaftliche Betätigung der Kommunen wollen wir eingrenzen. Wir wollen, dass sich die Kommunen auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Ich glaube, wir werden im Ausschuss vielfältige Fragen aufwerfen und zu beantworten haben – unter Einbeziehung der kommunalen Vertreter, die es betrifft.

Da aus meiner Sicht in diesem Thema der Wirtschaftsausschuss mit betroffen ist, beantrage ich, diesen Gesetzentwurf auch dem Wirtschaftsausschuss mitberatend hineinzugeben. – Vielen Dank.

Für die SPD-Fraktion hat der Abg. Rudolph das Wort.

(Clemens Reif (CDU): Jetzt kommt der Schreihals!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zielsetzung des FDP-Antrages ist es, die wirtschaftlichen Aktivitäten der kommunalen Ebene einzuschränken oder, wenn Sie das ganz weitgehend betrachten, auch abzubauen.

Meine Damen und Herren, es ist die Frage, ob wir uns als Gesetzgeber wirklich anmaßen sollten, in die kommunale Selbstverwaltung in dieser extremen Form einzugreifen. Diese Frage wurde zu Recht von Herrn Kollegen Frömmrich thematisiert.

Ihr Gesetzentwurf lehnt sich an die in Rheinland-Pfalz bestehenden Regelungen an. Wenn ich das richtig verglichen habe,ist er,glaube ich,wörtlich übernommen worden.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nicht ganz!)

Aber fast und vom Grundsatz her.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ja!)

An dieser Stelle ist die pragmatische Frage erlaubt, wie sich das Gesetz in Rheinland-Pfalz bewährt hat.Ich unterstelle, dass Sie sich erkundigt haben. Wir haben uns erkundigt. Im Ergebnis ist Folgendes festzustellen. Es gibt Bestandschutz für die bisherigen Regelungen. Diesen einzurichten, dafür spricht eine Menge. Sie haben das ebenfalls angedeutet. Sonst würde das vielleicht wirklich zu einem Chaos auf der kommunalen Ebene mit all seinen

Konsequenzen führen. Im Ergebnis hat das in RheinlandPfalz bedeutet, dass sich dort so gut wie gar nichts an der bisherigen Rechts- und Sachlage geändert hat. Deshalb stellt sich natürlich die Frage,ob wir hier nicht eine Mondscheindebatte über wirtschaftliche Aktivitäten führen.Wo werden in Zukunft auf kommunaler Ebene wirtschaftliche Aktivitäten noch ausgeweitet werden? Viele Kommunen sind nicht mehr in der Lage, ihre Haushalte auszugleichen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU):Warum ist das so?)

Wo können denn noch Möglichkeiten genutzt werden, wirtschaftlich tätig zu werden? Herr Hahn, welcher Private will denn einen Friedhof einer Stadt oder Gemeinde übernehmen?

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das gibt es!)

Solche Angebote der Privaten werden stark gegen null tendieren.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Bei Friedhöfen gibt es das!)

Herr Reif, wenn Sie kommunalpolitisch tätig sind, dann wissen Sie, dass es sich in aller Regel dabei um einen defizitären Bereich handelt, mit dem man sich auch nicht beliebt machen kann. Das ist eine Dienstleistung, die in aller Regel vorgehalten werden muss. Diskutieren Sie einmal in einem kommunalen Gremium über die Erhöhung der Bestattungsgebühren. Ich empfehle Ihnen das. Das ist nämlich eine hoch spannende Debatte, bei der es quer durch alle Parteien geht. Es handelt sich dabei also um eine Debatte, die nach meiner Auffassung in der Praxis so nicht vorkommen wird.

Vielmehr geht es dabei doch auch um eine andere Frage. Die halte ich für interessant. Sie lautet: In welcher Form organisieren wir Tätigkeiten auf der kommunalen Ebene? – In vielen Bereichen findet dazu derzeit schon eine Diskussion statt. Ich finde, in manchen Bereichen hat eine Ausuferung in Beteiligungsgesellschaften stattgefunden. Dies gibt es in Form der Eigenbetriebe und in Form der GmbH. An dieser Stelle teile ich ausdrücklich die zwei anderen genannten inhaltlichen Argumente. Ein Prüfungsrecht des Rechnungshofes ist sinnvoll. Das sage ich ausdrücklich. Das ist nachvollziehbar.Auch muss eine Beteiligungspflicht der Parlamente gegeben sein. Da gibt es eindeutig Defizite. Meine Damen und Herren, an dieser Stelle sind wir d’accord.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Bei diesen Ausgliederungen gibt es auch noch eine andere Geschichte.Übrigens besteht da auch die Frage,inwieweit das Parlament noch in die Kontrolle einbezogen ist. Diese Frage stellt sich mir auch, wenn ich mir anschaue, wie die Mandatsträger mit diesen Dingen umgehen. Das wird dann mehr oder weniger abgenickt. Denn sie sind oftmals damit überfordert.

Es geht dabei aber auch noch um die Frage, ob dies sinnvoll ist, wenn es um die Gewährung von Krediten geht. Es gibt Kommunen, die können sich auf diese Art und Weise noch Kredite für Eigenbetriebe bewilligen, die sie angesichts ihres originären Haushaltes schon gar nicht mehr bewilligt bekämen. Das ist eine höchst unerfreuliche Entwicklung.

Über diese Punkte müssen wir reden. Herr Hahn, hinsichtlich der wirtschaftlichen Aktivitäten könnte ich das Fass auch am anderen Ende aufmachen. Wenn die Wettbewerbsbedingungen gleich wären, stellt sich die Frage,

warum wir den Wettbewerb an dieser Stelle nicht vollkommen frei gestalten sollten.Warum soll nicht auch eine Konkurrenz der Kommunen mit den Privaten bestehen können, wenn die gleichen Voraussetzungen gegeben sind? Ja,es müssen die gleichen Voraussetzungen gegeben sein. Es müssen sämtliche Kosten, die entstehen, ermittelt und berücksichtigt werden. Man müsste da so fair und konsequent sein,zu sagen:Wir machen freien Wettbewerb in beide Richtungen. – Das wäre nach unserer Auffassung schlüssiger und stringenter. Denn dann könnte man in der Tat eine offene Diskussion darüber führen.

Schauen Sie sich einmal die Gemengelage an. Als Sie während der letzten Wahlperiode ein ähnliches Ansinnen hatten, hat sich der Hessische Landkreistag klar dagegen ausgesprochen. Er hat stattdessen etwas anderes angeregt. Er hat gefragt: Warum kommt es nicht zu einer freiwilligen Vereinbarung zwischen der kommunalen Ebene und etwa dem Handwerk?

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist gescheitert!)

Das ist gescheitert. Das bedauere ich sehr. Auch ich bin nicht der Meinung, dass man alles gesetzlich regeln muss. Denn dabei handelt es sich auch um Staatsdirigismus. In vielen Bereichen findet die Diskussion darüber statt, ob dies notwendig ist.

Ich sage dazu: Die kommunale Ebene ist auf vielen Bereichen weiter, als es wir in Wiesbaden, Berlin oder sonst wo glauben. Warum vertrauen wir nicht dem Sachverstand,den es auf kommunaler Ebene gibt? Angesichts der Problematik der Enge der Finanzen wird jede Stadt, jede Gemeinde und jeder Landkreis genau darauf achten, wie er mit dem Geld, das er zur Verfügung hat, effizient und wirtschaftlich umgehen kann. Ich sage deshalb: Möglicherweise ist dies eine Debatte, die wir hier in der Theorie führen, die aber in der Praxis nicht die Auswirkungen haben wird,die Sie sich davon erhoffen.Deshalb könnte dies möglicherweise in der Tat eine ideologische Debatte sein. Deswegen kann ich auch nur zur Vorsicht raten. Man sollte den Sachverstand der kommunalen Ebene einbeziehen. Sie alle reden immer von der kommunalen Selbstverwaltung. Wir sollten die kommunale Selbstverwaltung dann ernst nehmen und den Kommunen nicht durch Gesetz vorschreiben, wie sie zu wirtschaften haben.

(Beifall des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist deswegen sicherlich sinnvoll und richtig,zu dem Gesetzentwurf eine Anhörung durchzuführen. Wir sollten das in aller Ruhe ausdiskutieren. Das kann aber nicht nach dem Motto erfolgen: Die Privaten dürfen sich alle interessanten Aufträge herausgreifen und wahrnehmen, der Rest,den sie nicht wollen,verbleibt dann natürlich bei der Kommune. – Das wäre eine Aufgabenverteilung und eine Partnerschaft, wie wir sie uns nicht vorstellen.

Wir gehen vorurteilsfrei und offen in die Diskussion. Ich denke, die Erörterung im Innenausschuss und die Durchführung einer Anhörung des Innenausschusses sind sinnvoll. Danach bilden wir uns eine abschließende Meinung. Meine Damen und Herren, Sie erhoffen sich hoffentlich aber keine Wunder durch diese Gesetzesinitiative.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wunder gibt es immer wieder!)

Daran glauben Sie selbst nicht.Wir werden uns einmal anschauen, wie die Praktiker das sehen. Dann werden wir unsere abschließende Meinung bilden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Bouffier das Wort.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Frau Kollegin Kühne-Hörmann hat bereits darauf hingewiesen: Im Regierungsprogramm finden Sie an einigen Stellen eine Reihe von Aussagen – eine prominente hat sie dazu genannt –, die für die Arbeit der Landesregierung verpflichtend sind und genau dieses Thema betreffen.

Herr Kollege Hahn hat es bereits erwähnt: Wir hatten in den vergangenen vier Jahren eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit dem Handwerk, den Industrie- und Handelskammern und den Kommunalen Spitzenverbänden, die vom Innenministerium geleitet wurde. In dieser Arbeitsgruppe konnten einige Punkte gut geklärt werden. Dort wurden auch Informationen ausgetauscht. Aber im Ergebnis ist man dann nicht zu verbindlichen Absprachen gekommen. Das ist sicherlich zu bedauern.

Nachdem man das festgestellt hat, muss man sich ganz nüchtern fragen: Gibt es Handlungsbedarf oder gibt es keinen? Ich sage Ihnen: Aus Sicht der Landesregierung gibt es Handlungsbedarf. – Ich will einmal mit dem anfangen, bei dem wir hier wahrscheinlich eine relativ große Übereinstimmung haben werden. Ich möchte mit den Rechten der überörtlichen Prüfung und des Landesrechnungshofs beginnen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Otto Wilke!)

Ich erinnere mich noch sehr gut daran.Als wir das vor Jahren hier eingeführt haben – dies geschah übrigens auch parteiübergreifend –, war die kommunale Gemeinschaft überhaupt nicht dafür. Vielmehr hat man dies als einen unfreundlichen Akt gegenüber der kommunalen Selbstverwaltung gewertet. Ich glaube, diese Position ist heute überwunden. Denn der Nutzen der überörtlichen Prüfung liegt nicht darin, dass sich der Landesrechnungshof, der, wenn Sie so wollen, eine unabhängige Instanz des Landes ist, anmaßt, in die kommunale Selbstverwaltung einzugreifen. Das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, dass dadurch Effizienz erzielt werden kann und dass Missstände aufgezeigt werden. Heute bestreitet kein Mensch mehr, dass vergleichende Untersuchungen sinnvoll sind. Besonders wichtig ist mir dabei, dass damit den örtlichen Entscheidungsträgern Argumente in die Hand gegeben werden, damit sie Veränderung auch tatsächlich durchsetzen können. Denn, wie so häufig, gibt es auch dort eine ganze Menge an Beharrungsvermögen.

Wir müssen diesen Bereich erweitern. Ich möchte einmal ein Beispiel nennen. Ich halte es nicht für gut, dass die überörtliche Prüfung bislang keine Chance hat, in Beteiligungsunternehmen der Kommunen hineinzuschauen. Das halte ich nicht für richtig.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch völlig unstrittig!)

Wie man das dann ausgestaltet, muss man sich anschauen. Aber so etwas zu machen, halte ich im Kern für richtig. Deshalb hat sich die Landesregierung in ihrem Programm, das auch von der CDU-Fraktion des Parlamentes getragen wird, vorgenommen, hierzu entsprechende Änderungen vorzunehmen.

Bei diesen Änderungen werden wir immer Wert darauf legen, dass dies gemeinsam mit den Kommunen geschieht. Ich möchte, dass wir diese Ergebnisse gemeinsam erzielen und das nicht oktroyieren. Wir bewegen uns doch zwischen Art. 28 Grundgesetz auf der einen Seite, der die Selbstverwaltung der Gemeinden betrifft, und Prinzipien, die nicht geringer wiegen, wie etwa das Prinzip der demokratischen Legitimation, auf der anderen Seite.

Ich komme damit zum zweiten Stichwort. Wir haben die Absicht, den sechsten Abschnitt der Hessischen Gemeindeordnung noch weiter zu verändern. Er betrifft im weitesten Sinne das Gemeindewirtschaftsrecht. Ich möchte dazu nur ein Stichwort nennen. Auch die Einführung der kaufmännischen Buchführung und ähnliche Dinge mehr setzen Handeln des Gesetzgebers voraus. Mir scheint es da so zu sein, dass zumindest in der Politik darüber kaum gestritten wird.

Ich komme zu einem weiteren Punkt. Ich denke, auch bei diesem können wir Gemeinsamkeiten entdecken. Das betrifft das Stichwort „Beteiligungsberichte“.Auch dazu finden Sie etwas im Regierungsprogramm. Die FDP hat das aufgenommen. Der Gedanke entspricht dem nicht ganz genau.Aber aus meiner Erfahrung und aus der Erfahrung meiner Amtsvorgänger weiß ich, dass da Handlungsbedarf besteht. In einer Reihe von Kommunen liegt der Schattenhaushalt höher als der ausgewiesene Haushalt.In der Regel ist den demokratisch gewählten Gremien, wie dem Kreistag und der Stadtverordnetenversammlung, nicht bekannt, in welchem Umfang Verpflichtungen wo auch immer eingegangen worden sind und wie die entsprechenden Beteiligungen sind.